Archiv:Die Shumir-Krise (BB 14)
In der Shumir-Krise, wie sie mittlerweile in Höflingskreisen genannt wird, spitzt sich die Lage weiterhin zu. Nachdem Baron Ariano den Aufstand Signora Darias beinahe unblutig niedergeschlagen hatte (das BB berichtete), stellte sich die Lage in Shumir wie folgt dar: Der östliche Teil der Baronie wurde von den Truppen des Veliriser Gonfaloniere befriedet (wie dieser Tage der Sprachgebrauch aus Schloß Velirial vorgegeben ist). Die Stadt Shumir selbst erklärte sich zur Landstadt und trat gleich darauf dem Grangorer Bund bei, um ihre Stellung zu sichern. Der westliche Teil Shumirs hingegen wurde Amaldo di Yorcas von Perainidâl zur Verwaltung übertragen.
Der einstige Vogt und Schatzmeister Cyberio ya Zarol, Esq. wurde mit der Verwaltung Burg Schwarzzacks beauftragt, dem ehemaligen Stammsitz Kemocs des Schwarzen. Die Burg selbst, die auch das Wappen der Baronie ziert, ist ein alter düsterer Bau, der den meisten Bewohnern nicht ganz geheuer ist. Ganz besonders seit den Tagen Kemocs des Schwarzen, der viele unheilige Experimente, dämonische Beschwörungen und andere Greultaten in ihren tiefen Katakomben und Gewölben praktiziert haben soll. So ist es wenig verwunderlich, daß bisher auch keiner der neuen Herrscher der Baronie dieses Gemäuer betreten hat.
Mittlerweile wird auch das Interesse Baron Arianos deutlich, der erst kürzlich angedeutet hatte für seine Nichte Signorina Tsadanja von Treuffenau-Veliris den Baronsstuhl von Shumir zu beanspruchen. Und tatsächlich besteht über die Verbindung der Schwester Baron Arianos, Civina von Treuffenau, mit Tiro Efferdan von Tarin, deren einziges Kind Tsadanja ist, eine Beziehung zum alten Shumirer Baronsgeschlecht. Interessant in diesem Zusammenhang, daß Signorina Tsadanja dem Signor Horasio della Pena von Kullbach-Marvinko versprochen ist, der erst vor wenigen Tagen zum Connetabel von Grangoria ernannt wurde.
Doch gelten Signora Daria von Sewaklauf-Shumir und deren Onkel Gharmin von Sewaklauf-Shumir, der sich lange Zeit als kaiserlicher Ambassador in Punin aufhielt, wo er sich Sewamund-Shumir nannte – wohl weil die Almadaner mehr mit der Stadt Sewamund anzufangen wußte, vielleicht aber auch nur, weil es sich einfach falsch eingebürgert hatte – als die nächsten erbberechtigten Verwandten Baron Kemocs.
Dieser Familienzweig könnte seinen Anspruch aber durch die unbotmäßige Machtergreifung Signora Darias, die ja erst durch Baron Arianos Eingreifen niedergeschlagen wurde, verloren haben. Dann wäre das Haus Sewaklauf-Shumir die vierte alte Familie, die auf Grund der "Blutschande" seine gesamten Ansprüche verloren hätte. Prominentestes Opfer ist das Haus Galahan, aber auch die Erben von Farsid und Veliris gingen darob ihrer Rechte verlustig.
Besonders pikant angesichts dessen, daß Gerüchte, Baron Ariano hätte Signora Daria selbst zu diesem Aufstand mittelbar angestiftet, nicht verstummen wollen.
Unterdessen ging die Shumir-Krise in die zweite Runde. Wie in dieser Ausgabe berichtet, sammelten zum einen der Connetabel von Pertakis und der Sohn des Gransignors ihre Truppen und überschritt die Grenze zu Shumir in Millenis und brachten zusammen mit dem Signor Rendariell ya Grendol West-Shumir unter ihre Kontrolle.
Beinahe zeitgleich rief der Gransignor von Clameth seine Truppen – Pertakis gegenüber – zur Gefechtsübung. Ob es sich hierbei um einen reinen Zufall, oder eine offene Drohung handelt kann zu diesem Zeitpunkt nicht sicher bewertet werden, zumindest bringt es die Pertakiser aber in arge Bedrängnis. Wollen sie ihren Rücken freihalten, müssen sie sich entweder aufteilen, was zur Folge hätte, daß sie auf beiden Seiten einer Übermacht gegenüber stünden, anderenfalls könnten sie sich unversehens von zwei Seiten gleichzeitig bedrängt sehen, dann nämlich, wenn Herr Ulim über den Yaquir setzt.
Da dieser aber ein rondrafester Mann ist und die Gesetze des Landes achtet, bedarf es sicherlich schon etwas mehr, als einen Ruf aus Veliris.
Als dieses "Etwas" könnte sich der Hilferuf des Signores Amaldo Reon di Yorcas von Perainidâl erweisen, der dieser Tage aus Shumir erging. Signor Amaldo war zum kommissarischen Verwalter West-Shumirs bestimmt worden und sah sich schon als der kommende Mann in der Baronie. Aus diesen Träumen wurde er jäh gerissen, als die Pertakiser Soldaten die Grenze überschritten und ohne Gegenwehr die von Signor Amaldo verwalteten Ländereien besetzten.
Warum die Pertakiser den Perainidâler nicht zuvor mit in ihr Boot genommen, oder ob sie ihn schlicht übersehen haben, werden sie alleine wissen, aber ihre Position hat sich durch den Hilferuf ganz erheblich verschlechtert: Als Baron Ariano in Shumir eindrang galt es den bewaffneten Aufstand Signora Darias niederzuwerfen, es galt Veliriser Ansprüche und die Grenze zur Baronie zu sichern. Die Pertakiser hingegen überschritten die Grenze zu einem Zeitpunkt, als bereits Ruhe in Shumir eingekehrt war, alleine um das Ehrgefühl ihrer Provinz wiederherzustellen und einer vermuteten Machtübernahme Baron Arianos entgegenzutreten.
Nur schwer werden sie sich von dem Vorwurf des Landfriedensbruches freisprechen können.
Die Verantwortlichen in Vinsalt, Kuslik und Bethana, die sich bislang bedeckt hielten, äußerten sich unterschiedlich: Der Comto Seneschall ließ über den Cron-Secretario für Recht und Ordnung erklären, daß man zwar mit der Vorgehensweise des Barons nicht ganz konform gehe, aber das Ergebnis begrüße. Es könne nicht angehen, daß Signores dazu übergingen solche Angelegenheiten alleine klären zu wollen, nur weil der Baron nicht anwesend sei. Aus dem Kaiserschloß selbst war keine Reaktion zu bekommen. Zum einen hieß es, Kaiserin Amene sei erneut erkrankt, zum anderen falle der Staats-Minister wohl kaum einem anderen Marvinko, oder dessen Interessen, in den Rücken.
In Kuslik war man weniger zurückhaltend. Erbprinz Ralman von Firdayon-Bethana sieht in dem Eingreifen des grangorischen Barons eine eklatante Einmischung in die Interessen Horasias und verurteilte die Aktionen des Veliriser scharf. Wo käme man denn da hin, wenn ein Baron unter Mißachtung aller Zuständigkeiten das Recht selbst zu gestalten suchte. Man werde diese Vorgehensweise nicht dulden.
In Bethana suchte man moderatere Töne. Baron Ariano hätte die reibungslose Abführung der Gräflichen Gelder und Güter sichergestellt und sich zudem für seine harschen Töne gegenüber der Gräfin entschuldigt, die ihm in seiner ersten Verstimmung entfahren seien. Nähme man seine berechtigten Interessen zur Kenntnis, sollte sich schnell eine Lösung finden lassen, die allen gerecht werde.
Diese Hoffnung in das Ohr der Heißsporne und Ränkeschmiede gleichermaßen.
Andree Hachmann