Briefspiel:Consigliowahl 1047 BF/Vom Tod und seinen Folgen

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Stadt Urbasi.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi.png
Datiert auf: Praios 1047 BF Schauplatz: Fürstliche Gemeinde des Heiligen Agreppo, vor allem Magistratspalast Urbasis Entstehungszeitraum: Juli/August 2025
Protagonisten: die Mitglieder der Signoria Urbasis u.w. Autoren/Beteiligte: Familie Solivino.png Bella, Familie ya Malachis.png Cassian, Haus della Pena aeH.png Dellapena, Familie Flaviora.png Flaviora, Haus Urbet.png Gonfaloniere, Haus della Pena jH.png Horasio, Haus di Tamarasco.png Pagol, Familie di Cerrano.png Princeps, Haus di Salsavur.png Rondrastein, Familie Aspoldo.png Salkyo, Familie Dalidion.png Storai, Familie Zorgazo.png Toshy, Haus della Turani.png Turani
Zyklus: Übersicht · Vom Tod und seinen Folgen · Auricanius' Brief an Tarquinio


Vom Tod und seinen Folgen

Autoren: Gonfaloniere, Princeps

20. Praios 1047 BF, Nekropole Nerano

Karte der Nekropole Nerano

'Es gibt besseres Wetter für Begräbnisse', dachte Hobar.
Die unnachgiebige Praiosmondssonne trieb den Totengräbern den Schweiß auf die Stirn. Sie hatten das frische Grab inmitten des gemeinen Boronangers hinter dem gedrungenen Tempel der Nekropole gerade ausgehoben. Hier, im Zentrum, in der Talsohle der weitläufigen Anlage spendete kaum ein Baum Schatten.
Verstohlen blickte auch Hobar, der einfache Geweihte, der die Zeremonie leitete, zu den Orten in der Nekropole, an denen er sich gerade viel lieber aufhalten würde: den im Halbkreis hinter ihnen liegenden Grabhäusern, in denen Adelsgeschlechter aus dem nahen Urbasi ihre Anverwandten zu bestatten pflegten, und den sich dahinter über mehrere Pfade und Treppen den Hang hinaufziehenden Grabhöhlen, die die ältesten Begräbnisstätten hier waren, wie er wusste … und in der Mittagshitze ganz sicher die angenehmsten.
„Links um!“
Das Kommando eines Offiziers holte ihn aus seinen Gedanken wieder zur anstehenden Bestattung, obwohl es nicht ihm gegolten hatte. Der Kroncastellan aus der Albornsburg hatte angeboten, dass die ihm untergebenen Bewaffneten den Sarg vom Tempel zum Gräberfeld tragen würden. Ein Angebot, das gerade bei diesem Wetter niemand in der Nekropole auszuschlagen gewillt war …
So näherte sich die kleine Gruppe nun dem letzten Verwahrungsort des verstorbenen Burggardisten. Wie jung dieser war, hatte Hobar schon bei der Vorbereitung der Leiche im Tempel sehen können. Gevatter Boron beruft manche spät und andere früher zu sich, gestand er ein. Weil der Verstorbene dem Volk der Gegend entstammte, hatte der Kroncastellan extra wegen einer Bestattung hier nachfragen lassen. Das würde den Angehörigen die Trauer erleichtern, war die weitere Begründung.
'Soviel Rücksicht nimmt nicht jeder', dachte der wartende Boroni, als der Castellan und sein Gefolge gerade am Grab angekommen waren.

Mit gesenkten Häuptern ließen die in der Paradeuniform gekleideten Soldaten den Sarg ihres verstorbenen Kameraden in die frische, feuchte Erde hinab. Der Offizier, der sich sichtbar von den anderen abhob, nahm seinen Hut ab und hielt ihn vor seine Brust, während er mit traurigen Augen das Hinabsinken des Sarges beobachtete.
“Soldaten, Formation einnehmen!”, sprach der Mann und augenblicklich eilten zwei Soldaten an den hinteren Teil des frischen Grabes und flankierten dieses mit Blick zum Vorgesetzten. Die anderen vier stellten sich in einer geraden Linie entlang des Grabes auf. Ein Ruck ging durch die Formation und die Soldaten standen stramm. Der Offizier neigte gegenüber dem Borongeweihten sein Haupt und stellte sich neben das Grab hin, sodass die wenigen Hinterbliebenden keine Sichteinschränkung erleiden mussten.
“Werte hohe Herrschaften des Aurelats. Mit der Großzügigkeit der Boronkirche darf ich heute demütig vor Euch werten Leute treten und ein paar Worte über einen der pflichtbewusstesten Soldaten sprechen, die jemals die Albornsburg haben ihr Heim nennen dürfen: Milo Condara. Als Wache der Albornsburg begang er vor zwei Götterläufen den Dienst für seine horaskaiserliche Majestät, dem hohen Firdayon-Horas, und war bereits seit dem ersten Tag ein Gewinn für die gesamte Wachmannschaft gewesen. Er zeichnete sich aus durch Tatendrang, Ehrgeiz und rondragefällige Frömmigkeit, was ihn schnell zu einem respektierten Mann innerhalb der Mauern machte. Als Ehrenmann wie Freund stand er seinen Kameraden stets zur Seite. Auch jenseits der üblichen Dienstzeiten.
Auch wenn ich nur kurz die Ehre hatte mit ihm gemeinsam zu dienen, bleibt eine Lücke auch in meinem Herzen zurück und bei jedem Formationsbefehl suche ich auch weiterhin nach seinem Gesicht unter den Wachen. Es tröstet mich, dass er heim zu seinen erlauchten Ahnen unter den wachsamen Augen Borons gekehrt ist, um auch dort im Kreise seiner Vorfahren ein Kamerad und Freund zu sein. Ich neige mein Haupt vor ihm.”

Trägt einen Untergebenen zu Grabe: Kroncastellan Verian

Nach dem Castellan traten noch einige Angehörige ans Grab, die weitere Worte zum – vor allem „viel zu früh“ – Verstorbenen verloren. Hobar hatte solche und ähnliche Abschiedsreden allerdings schon häufig gehört, weshalb sie sich ihm auch nicht so sehr einprägten. Mit stoischer Miene wachte er über die Zeremonie.
Schließlich war er selbst an der Reihe, trat ans Grab und sprach: „Herr Boron, schicke Deinen Raben nach dieser Seele aus, wäge sie und schenke ihr Frieden!“
In stillem Gebet wandten sich die Anwesenden danach – jeder für sich – ebenfalls an den Herrn des Todes, während die Totengräber den Sarg nach und nach mit Erde bedeckten. Das dumpfe Aufschlagen der Erde aufs Holz des Sarges und ein gelegentliches Schluchzen der Angehörigen waren für eine Weile dadurch die einzigen Geräusche, die die Stille der Nekropole durchbrachen.
„Es sei“, verkündete Hobar endlich, als die Totengräber ihren Dienst getan hatten und sich – ob der Hitze deutlich schwitzend – vom Grab zurückzogen.
Da die Zeremonie damit formell beendet war, trat der Boron-Geweihte nochmal an den Kroncastellan heran und sprach leise: „Es ist getan. Seid bedankt für eure Worte. Mit Verlaub, diese Verbundenheit eurem Bediensteten gegenüber ehrt euch sehr!“

Der Herr der Albornsburg nahm umgehend seinen Hut ab, als der Geweihte ihn ansprach.
“Vielen Dank, Grazioso, doch ist es das Mindeste, was ich tun kann. Nur ein Bruchteil der Worte kann jedoch ausdrücken, wie sehr er seinen Kameraden fehlt. Die Albornsburg bedankt sich bei Euch für die Aufnahme eines ihrer Söhne und bittet um Nachricht, wenn Ihr irgendetwas brauchen solltet. Doch verzeiht meine vielen Worte. Ich möchte Euch nicht weiter von Euren Aufgaben abhalten.”
Mit gegenseitiger Verbeugung verabschiedeten sich beide und noch kurz blickte der Kroncastellan zum Grab, ehe er seinen Hut wieder aufsetzte und den Befehl gab an seine Soldaten zum Abrücken.
Sofort marschierten die Soldaten auf den schmalen Pfaden zurück zum Portal des Boronangers, wo die Pferde bereits warteten. Verian jedoch ging noch einige Schritte entlang der Ruheorte von so vielen Urbasiern und anderen Bewohnern des Aurelats. Trauer durchdrang nicht seine Gedanken. Es waren mehr Schuldgefühle. Schuldgefühle gegenüber eines toten Kameraden, der leider die falsche Seite in dem aufziehenden Sturm wählte.
“Möge der Große Stratege mir diesen kleinen Moment des Bedauerns verzeihen”, murmelte der Mann mit gesenkten Haupt vor sich hin.

Als er am Ende eines der vielen Stichwege auf dem Anger angekommen war, sah er wieder auf, vor allem um sich zu orientieren. Dabei fiel ihm eine weitere Gruppe auf, die wohl gerade erst in der Nekropole angekommen war.
Ein Praios-Geweihter im Turaniter-Ordensornat schritt dieser an der Seite einer vornehm gekleideten Dame mit langem blonden Haar vorweg. Dahinter reihten sich zwei offenkundige Bedienstete ein, deren vordere Verian den Blick auf den oder die hintere halb verdeckte. Die vordere konnte er für eine Zofe oder Hebamme halten, zumal sie ein kleines Kind von vielleicht höchstens einem Jahr im Arm hielt. Den Abschluss bildete ein Bewaffneter in einem weißen Waffenrock, der eine überwiegend schwarze Figur auf der Brust und schwarz abgesetzte Säume hatte. Obschon letzterer der Gruppe wohl als Beschützer folgte, sah er eher gelangweilt aus – möglicherweise, weil er in dieser Umgebung ohnehin nicht damit rechnete, gebraucht zu werden.
Die Gruppe folgte dem zentralen Pfad der Nekropole und schritt zügig durch den einfachen Boronanger, vermutlich mit einem Ziel, das dahinter lag. Als sie in der Nähe des frischen Grabs vorbeikam, hielt der Geweihte kurz inne … und sah dann genau in Richtung Verians.
Er schien ihn zu erkennen, gab dann dem Bewaffneten ein Zeichen, dem Rest der Gruppe zu folgen, und blieb selbst stehen.

Nur beiläufig und unbemerkt blickte Verian zu der Gruppe und erkannte den hohen Vertreter ohne Mühe. Er ließ weitere Gedanken erstmal ruhen. Mit wenigen Schritten erreichte er die Gruppe und schien den Bewaffneten aus seiner Langeweile zu wecken, da er kurz anhielt und den Neuankömmling von weitem kritisch musterte, aber dann von ihm abließ, als er die Metallspange mit dem Hoheitszeichen der Armee darauf am oberen Ende der grünen Schärpe erkannte.

Nach einem weiteren Nicken des Barons entfernte sich der Bewaffnete schließlich und folgte dem Rest der Gruppe.
“Signor, euch hätte ich hier nicht erwartet”, begrüßte Auricanius dann den auf ihn zu schreitenden Kroncastellan. Ein schwer deutbares Lächeln umspielte dabei seine Lippen.
“Was verschlägt euch an diesen … trauerbeladenen Ort?”

"Seid gegrüßt, Monsignore”, begann Verian nach einem tiefen Senken seines Hauptes. “Leider musste ich heute einen Kameraden zu Grabe tragen. Möge Boron in ihn ruhige Zeiten führen.”
Dem Lächeln des Geweihten begegnete er mit einem scharfen Blick.

“Oh, das tut mir leid. Mein Beileid zu diesem Verlust.”
Der Praios-Geweihte sah betroffen aus.
“Stammte er hierher?”, fragte er nach einem kurzen Moment des Gedenkens. “Die Nekropole ist ja sonst nicht unbedingt der der Albornsburg nächstgelegene Boronsanger”, führte er die Gedanken, die ihn die Frage stellen ließen, noch aus.

“Ja, Milo Condara war ein Kämpfer von hier. Seine Familie ist ebenfalls von hier und ich sah keinen Grund meinen Kameraden an einem fernen Ort zu Grab tragen zu lassen, damit die Angehörigen weiter reisen müssen.”

Auricanius nickte verstehend - oder doch anerkennend?
“Das ist sehr rücksichtsvoll von euch. Ich nehme an, dass dies dort sein Grab ist?”
Der Geweihte blickte in Richtung der einzigen frisch verschlossenen Begräbnisstätte auf dem Anger.

“Da liegt Ihr richtig. Verzeiht, dass ich leicht abwesend wirke. Dieser Ort hat eine sonderbare Wirkung auf mich. Zu viele Kameraden musste ich bereits zu Grabe tragen. Doch möchte ich Euch nicht mit meinem schweren Herzen belästigen. Es erfreut mich jedoch, dass Ihr trotz den kommenden Wahlen die Zeit findet, um die Toten mit einem Besuch zu ehren. Stand Euch die Person nahe?”

“Eigentlich nicht besonders, jedenfalls nicht verwandtschaftlich”, antwortete der Geweihte. “Tatsächlich entstammte sie der Familie meiner Gemahlin, auch wenn auch das nicht der hauptsächliche Grund meiner Besuche hier ist. Die gingen nämlich schon los, bevor ich Aurelia ehelichte. Ich hab’s auch über viele Jahre geschafft die näher am Todestag stattfinden zu lassen. Diesmal stand da aber eine Reise im Weg. So musste ich den Besuch hier bis heute verschieben - Wahlen hin oder her …”
Dass er den Namen der Verstorbenen in seiner Antwort nicht genannt hatte, fiel ihm selbst nicht einmal auf.

“Ich sehe, dass es schwerfällt, über dieses Thema zu sprechen. Lasst mich noch eins dazu sagen. Die Verstorbenen sehen Eure Besuche und Ihr entfacht somit das Licht zwischen dem Diesseits und Borons Hallen, das Frieden und Ruhe hervorbringt”, sprach Verian in einem fast schon philosophischen Ton, der ihn an die unzähligen Lektionen seines Onkels und Mentors erinnerte.
“Würdet Ihr mich ein Stück begleiten, Monsignore, wenn's beliebt?”

Besucht das Grab einer schon vor Jahren verstorbenen Glaubensschwester: Auricanius

“Gerne”, antwortete Auricanius höflich und nahm den Schritt Verians mit auf, “einen Moment werden meine Gemahlin und die anderen wohl ohne mich auskommen. Vielleicht genießen sie es sogar …”
Die letzte Bemerkung war wohl nicht ernst gemeint, denn der Geweihte schien kurz zu schmunzeln.
“Aber schwer fallen tut es mir eigentlich nicht, über die Verstorbene zu reden. Ihr Andenken zu bewahren ist mir immerhin ein Anliegen.”
Dann schien ihm aufzufallen, dass er ihren Namen noch gar nicht genannt hatte.
Arvedua della Turani war eine Geweihte des Götterfürsten, wie ich, die allerdings in den Tagen des Gottes ohne Namen nach dem Tod meines Bruders damals in Urbasi ermordet wurde. Die ganze Stadt war schon davor, aber umso mehr danach in Aufruhr. Jeder schien damals in die Lücke vorstoßen zu wollen, die mein Bruder hinterlassen hatte. So gesehen, ist es vielleicht sogar ganz passend, dass ich ihr Grab wieder rund um die Wahlen besuche …”
Gedankenverloren sah er den Kroncastellan an, sich in diesem Moment erst bewusst werdend, dass der ihn vielleicht wegen eines anderen Anliegens gebeten hatte, ihn zu begleiten.

“Ihr scheint sie sehr gemocht zu haben, wie mir scheint. Möge ihre Seele Ruhe finden und Urbasi die Ruhe weiterhin bewahren.”
Verian ging noch ein paar Schritte und dann fuhr er fort: “Ich kenne die Geschichte Eures Bruders nur von meinem Onkel. Wie Ihr wisst, standen beide nicht auf der selben Seite, aber unwahrscheinlich, dass sie sich je begegnet haben. Meint Ihr, dass Urbasi andere Pfade eingeschlagen hätte, wenn die werte Dame della Turani noch am Leben wäre?”

Auricanius schien nach der vom Kroncastellan aufgeworfenen Frage einen Moment zu überlegen - als habe er sich exakt diese Frage vorher noch nicht gestellt.
“Das, Signor, ist eine gute Frage”, wandte er sich dann an Verian, “über deren Antwort ich nur spekulieren könnte. Luminifera Arvedua war an sich keine sehr politische Geweihte, aber eine, die die Nähe zum Popolo suchte und Brücken zu bauen bestrebt war, wo zuvor keine waren. Ihre Ermordung - durch leider bis heute unbekannte Hand - schürte darum auch allenthalben Misstrauen und entlarvte erst, wie weit manche Gräben schon aufgerissen waren. In gewisser Weise hielt sie allen Beteiligten, als sich die Gemüter nach dem ersten Schock wieder beruhigten, auch einen Spiegel vor.”
Er machte eine kurze Pause, fügte dann aber noch an: “Ja, doch, ich bin mir sicher, dass Urbasi einen anderen Weg eingeschlagen hätte, wenn ihr dieses unsagbare Verbrechen damals nicht angetan worden wäre. Ob’s ein besserer wäre, ist allerdings durchaus fraglich. Die Zwölfe wirken manchmal auf verschlungenen Pfaden, die schwer verständlich sind, selbst wenn wir Sterbliche uns alle Mühe machen, sie nachzuvollziehen.”

“Da stimme ich Euch zu. Wir können uns nur durch die Götter führen lassen und versuchen ihre Zeichen zu deuten. Doch, wenn sich eine gewisse Ordnung aufgebaut hat, muss man ihr zuarbeiten. Wie in der aktuellen urbasischen Ordnung mit den aktuellen Wahlen. Sagt, Monsignore, wie schätzt Ihr die derzeitige Situation ein? Als Mitglied des Heilig-Blut-Ordens kann ich mich bei Bedarf auch kurzzeitig unter Euren Befehl stellen und zusätzliche Schutzmaßnahmen aufbauen oder auch nur Botendienste übernehmen.”
Verian ging wieder ein paar Schritte und ließ seine Worte wirken. “In der Position des Kroncastellans, der Güte des hohen Khadan-Horas sei Dank, würde ich gerne auch den anderen stimmberechtigten Mitgliedern helfen. Die Krone sucht einen stärkeren Schulterschluss mit der Stadt, um gegenseitig voneinander zu lernen und profitieren zu können.”
Der junge Signor unterbrach sich selbst.
“Verzeiht, Monsignore. Dies ist nicht der richtige Ort für diese Themen. Immer, wenn ich einen Kameraden beerdige, versuche ich mit noch härterer Arbeit für das Reich all jene zu Ehren. Es lenkt mich zudem auch von der Trauer ab, wisst Ihr.”

Auricanius hielt kurz inne, sah Verian skeptisch an, ging dann aber weiter.
“Es ist nichts zu verzeihen, Signor. Der Tod hinterlässt seine Spuren, gerade auch bei den Lebenden. Dass ihr euch darüber auf euren Dienst an der Krone besinnt, mag euch wohl kaum jemand übelnehmen. Und dass die Krone von Urbasi lernen will, ist mir zwar neu, aber auch darüber werdet ihr von mir keine Beschwerden hören. Tatsächlich wirft dies auf den Besuch des Fürsten - und mit ihm zweier weiterer Kronräte - am vergangenen Praiostag ja ein ganz neues Licht.”
Der Praios-Geweihte lächelte - es war ein schwer deutbares Lächeln.
“Ihr wart doch an diesem Tag auch in der Stadt, nicht? Zu einem Gespräch mit der Comtessa Connetablen, wie mir berichtet wurde. Hat sie diesen Standpunkt der Krone dabei verdeutlicht?”

“Wie Euch berichtet wurde … Ja, dieses Gespräch mit der Comtessa hat stattgefunden. Wenn es Euch interessiert, hatten wir die Sicherheit der Handelsrouten, das kommende Treffen der Kroncastellane und andere Kronangelegenheiten zum Thema.”
Mit einem inneren Lächeln erwähnte er nicht, dass die Garnison stufenweise um weitere Soldaten verstärkt wird, damit die Krone im Aurelat auch eine Garnison vorweisen kann.

Auricanius sah Verian noch abwartend an, als rechnete er mit weiteren Ausführungen. Da diese ausblieben, reagierte er dann aber doch: “Das ist doch schön. Es ist immer gut zu hören, dass die Zusammenarbeit der Vertreter der Krone funktioniert. Das gibt einem treuen Untertan des Reiches ein Gefühl der Sicherheit, finde ich.”
Nach diesem Kommentar sah der Baron den Kroncastellan erneut erwartungsvoll an.

“Mit Freuden würde ich Euch gerne beim Treffen der Castellane auf der Albornsburg umfassend Bericht erstatten, wenn Ihr mir die Ehre erweist als Vertreter der Praios-Kirche mit anwesend zu sein”, entgegnete Verian mit einem einladenden Gesicht, obwohl ihm innerlich zuwider war, dass er womöglich einen der schärfsten Gegner von seinen Bundesgenossen zu sich ruft.
“Doch erst nach den Wahlen natürlich. Vorher gibt es noch genug Angelegenheiten zu klären. Sagt, Monsignore, erweisen uns auch Vertreter der Boron-Kirche die Ehre einer Teilnahme an der Wahl?”
Verians Blicke wanderten dabei über den Boronsanger.

Der Praios-Geweihte schien ob der Einladung Verians aufzumerken. Damit hatte er wohl nicht gerechnet.
“Wenn es sich einrichten lässt, werde ich gerne die Stimme des Götterfürsten bei eurem Treffen sein.”
Obschon eine einschränkende Bedingung mitformuliert war, klang die Antwort Auricanius’ auf die Einladung des Kroncastellans sehr entschlossen.
“Ob die Boron-Kirche an der Wahl des Consiglios teilnehmen wird, kann ich euch hingegen nicht mit Sicherheit sagen. Nur eine Vermutung anstellen, wenn man so will. Tatsächlich liegt die letzte regelmäßige Teilnahme von Vertretern des schweigsamen Gottes an politischen Entscheidungen der Silberstadt sehr lange zurück. Wenn ich mich nicht irre, war es sogar meine Base Marbadane, eine Laiendienerin des Raben, die das Stimmrecht zuletzt regelmäßig ausübte. Das ist jetzt schon zwölf Götterläufe her …”
Beim letzten Satz schweifte auch Auricanius’ Blick in die Ferne. Er hatte etwas trauriges an sich.
Dann räusperte er sich: “Fast zwölf Götterläufe, um genau zu sein. Sie starb am 7. Rondra im 1035ten Jahr nach Bosparans Fall, auch wenn das erst einige Tage später auffiel.”

“Ich verstehe. Bedauerlich nur, dass diese ihr Stimmrecht verfallen lassen. Vielleicht gelingt es mir die ehrwürdigen Vertreter Borons zu überreden wenigstens der Zeremonie beizuwohnen. Allein dies wäre schon ein besonderes Zeichen”, sprach der Kroncastellan seufzend mit einem Bedauern in der Stimme.
“Doch verzeiht mir, Monsignor. Dies ist wahrlich nicht der Ort für solche Gespräche. Ich spüre Euren Kummer und möchte Euch nicht weiter behelligen. Wenn Ihr erlaubt, ziehe ich mich nun zurück. Der Familie meines zu Boron gefahrenen Kameraden werde ich noch meine Aufwartung machen und gemeinsam mit ihnen beten. Auch für Eure Angehörigen werde ich eine Kerze entzünden.”

“Versucht euer Glück. Und mögen die Zwölfe immer mit euch sein”, verabschiedete sich Auricanius, der innehielt, noch einmal wie zur Bestätigung nickte und dann der wohl längst beim Grabmal Arvedua della Turanis angekommenen Gruppe folgte.