Briefspiel:Fest der Freundschaft/In der Parfümerie
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In der Parfümerie
Autoren: Bella, Nebelzweig
Rahjalin Legari
„Ja, aber wo sollen wir anfangen?“, erwiderte Rahjalin Legari, als sie ohne bestimmtes Ziel die Straße entlanggingen, „Belhanka ist nicht gerade ein Fischerdorf und es wimmelt nur so von Priestern, selbst wenn sie nur eine Hochstaplerin ist, was ich sehr hoffe, ist sie zumindest gut genug um einen Rahjakavalier und mich zu täuschen. Sie wird einfach in der Masse verschwinden.“ Er unterbrach sich kurz, um einem Betrunkenen aus zu weichen, der in Richtung Rinnstein steuerte. Dem Geruch nach tat er das, trotz seiner vornehmen Kleidung, heute nicht zum ersten Mal. „Selbst wenn sie nicht weiß, dass wir sie beobachtet haben“, fuhr er dann fort, „und sich deshalb nicht versteckt, sind die meisten hier zu betrunken oder mit feiern beschäftigt um sich an ein einzelnes Gesicht zu erinnern und das gilt besonders für unsere Geschwister vom Tempel.“ So wie wir es auch sein sollten, setzte er in Gedanken hinzu, hatte jemand absichtlich bis zum Fest der Freude gewartet, um vom Trubel gedeckt, jemanden ermorden zu können? Und wenn ja, wer wäre so dumm sich durch so einem Frevel, den Zorn der heiteren Göttin zu zu ziehen? Jemand, dem die Götter egal sind oder der einen so guten Grund hatte, das er der Meinung war, dass sich das Risiko lohnt, antwortete eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf.
Er teilte Rahjalin Solivino seine Überlegungen mit, der daraufhin noch unglücklicher wirkte als ohnehin schon „Andererseits“, fügte er hinzu,„ist es, wenn man alles so gut geplant hat ziemlich dumm den Mordanschlag dann vor Zeugen durchzuführen. Ich meine es gibt bestimmt Orte in der Stadt, wo nicht zwei ziemlich nüchterne Rahjanis zuschauen. Also war das wahrscheinlich eher eine ziemlich spontane Aktion.“ Der Tempelvorsteher schüttelte den Kopf „Du vergisst da etwas. Das Gift soll sehr exotisch gewesen sein und ein ziemlich tödliches noch dazu. Sowas hat man nicht einfach dabei, nur um zu sehen ob sich zufällig eine Gelegenheit ergibt. Es gibt noch eine Möglichkeit, was ist wenn sie gar nichts von dem Gift wusste? Vielleicht hat ihr jemand den Strauß gegeben mit dem Tipp, dass ihr Geliebter so etwas mag oder in Wirklichkeit war sie das Ziel und sie hat den Strauß weiter verschenkt, ohne zu wissen was sie damit hätte anrichten können.“ Er seufzte, vermutlich hatte er sich, wie Rahjalin Legari, das Fest der Freude anders vorgestellt, „Dass ändert aber nichts an unserem nächsten Schritt, wir müssen diese Frau finden, egal ob sie jetzt Priesterin, Hochstaplerin, Werkzeug, Opfer oder tobrische Gemüsegärtnerin ist. Alles weitere können wir dann ja sie fragen.“
„Oder wir versuchen herauszufinden woher dieses Gift kommt. Ich meine sie wir es ja wahrscheinlich nicht selbst gemischt haben“, erwiderte sein Freund. „Da hast du wohl recht.“, antwortete Rahjalin Solivino.
Der geschäftstüchtige Medicus hatte ihnen auch den Namen dieses niederhöllischen Zeugs verraten:
Boabungaha und dass das pflanzliches Gift aus dem tiefen Süden stammte, wo es einige Stämme zur Jagd verwendeten. Er war zwar nicht näher drauf eingegangen woher er dieses Wissen hatte, aber er wirkte wie jemand der wusste wovon er sprach. Zuhause in Efferdas hätte das den Kreis der Verdächtigen, für Rahjalin Legari, deutlich eingeschränkt, aber hier konnte quasi jede Zuckerbäckerin Kontakte haben, die ihr sowas besorgen konnten. „Aber dafür bräuchten wir einen zwielichtigen Arzt oder einen Alchimisten, der Kontakte zum Schwarzmarkt hat, um da für uns zu recherchieren. Leider kenne ich hier keinen und weiß auch nicht wo wir einen finden könnten. Also scheidet diese Möglichkeit aus oder hast du hier Freunde von denen du mir noch nichts erzählt hast?“,fuhr der schwarzgelockte Priester fort. Rahjalin Legari zockte die Achseln. „Nun ja, ich dachte ehrlich gesagt eher an die Parfümerien. Es gibt hier bestimmt welche, die sich auf südländische Düfte spezialisiert haben. Wenn jemand hier Ahnung davon hat wo man hier exotischen Pflanzen oder deren Extrakte bekommt, dann die. Außerdem sind solche Leute meistens sehr rahjafromm und es ist ein Atemgift, sie werden sich wahrscheinlich Mühe geben uns zu helfen. Heitere Göttin!“ Wehrend sie sich unterhielten hatten sie nur sosehr auf ihre Umgebung geachtet, wie sie mussten um mit niemandem zusammen zustoßen, aber halt auch nicht mehr. So hatten sie unbemerkt eine Kreuzung erreicht, die gerade ein Kostümzug überquerte. Rahjalin Ausruf galt einem Festwagen, auf dem sich sowohl eine kleine Kapelle, als auch eine Gruppe kostümierter Tänzer befanden, die großzügig Blütenblätter über die Menge verteilten. Einer der Passagiere hatte bei dem Versuch, mit einer Pirouette den Korb mit den Blütenblättern, den er bis zu diesem Zeitpunkt in der Hand gehalten hatte, zu lehren, den Korb losgelassen. Vermutlich war er schon ziemlich angetrunken.
Der Korb traf den efferdasser Priester vor die Brust. Zum Glück war er recht klein und leicht, also war da mehr Schock als Schmerz.
Rahjalin Solivino
„Alles in Ordnung, Rahjalin?“ Der Tempelvorsteher wurde von Dutzenden, durch die Luft segelnden Blütenblättern bedeckt, während er sich nach dem Wohlergehen seines Freundes erkundigte. „Ja, nichts passiert.“, meinte dieser daraufhin. Auch er sah nach dem Vorfall aus, als wäre er eben einem Blütenbad entstiegen.
Kurze Zeit später war der Festzug weitergezogen und sie überquerten die Kreuzung. Jetzt sah sich Rahjalin Solivino etwas genauer um. Es schien, als wären sie in einer Straße voller Gasthäuser, Hotels und Restaurants gelandet. Hier würden sie wohl weniger Glück mit der Suche nach Parfümerien –
Ein unwiderstehlicher Duft unterbrach seinen Gedankengang. Suchend sah er sich um. Eine junge Frau stand am Straßenrand und verkaufte vor einer Zuckerbäckerei süßes, herzförmiges Gebäck.
„Bist du auch plötzlich so hungrig?“, fragte da Rahjalin Legari. „Und wie!“, antwortete Rahjalin Solivino. Sie schlenderten zu der jungen Frau und kauften jeder ein frischgebackenes Herz. „Euch hat‘s aber erwischt!“, kommentierte sie ihr blumiges Aussehen lachend.
„Eine kurze Frage: Wisst Ihr zufällig, wo hier Parfümerien sind?“, erkundigte sich Rahjalin Solivino. „Parfümerien?“, die Frau lachte noch mehr. „Ihr seid gut! Ihr seid in Belhanka und findet keine Parfümerien? Gar nicht so weit entfernt ist eine der größten. Einfach da entlang und dann zwei Straßen weiter links abbiegen.“, sie wies in die Richtung aus der sie gekommen waren.
Die beiden Rahjageweihten hielten sich genau an die Anweisungen der Verkäuferin und standen wenige Minuten später vor einem Parfüm-Geschäft. Das Herzgebäck war längst aufgegessen und Musik und Gelächter war nur noch aus der Ferne zu hören. Hier schien das Fest schon vorbeigezogen zu sein, was man an den vielen herumliegenden Betrunkenen und den Pfützen von verschüttetem Wein sah. Fast wirkte es wie ein Schlachtfeld nach dem Kampf, doch Rahjalin Solivino schüttelte den Kopf, als ihm dieser lästerliche Gedanke kam und strafte sich selbst im Geiste. Es war schon schlimm genug, dass er das Fest der Freuden nicht feiernd, sondern mit Nachforschungen verbrachte, da durfte er jetzt nicht anfangen, solch frevlerisches Zeug zu denken!
Entschlossen, sich nicht mehr von ihrem Ziel ablenken zu lassen, wandte er sich an seinen Gefährten. „Was meinst du, wie wir vorgehen sollen?“ Rahjalin Legari überlegte kurz. „Wie wäre es, wenn wir den Verkäufer fragen, ob sie Produkte aus dem tiefen Süden haben? So können wir immerhin feststellen, ob sie generell Verbindungen in die Gegend, aus der das Gift stammt, haben.“
„Das klingt gut. Wenn sich unsere Vermutung bestätigt, könnten wir ja ein bisschen geheimnisvoll tun und behaupten, wir seien im Auftrag dieser Yandriga da.“, ergänzte er. „Dann los geht‘s.“
Sie traten ein und lösten damit ein bimmelndes Glöckchen aus. Das Geschäft war tatsächlich recht groß und überall standen Regale mit Parfümfläschchen in den unterschiedlichsten Größen, Farben und Formen. Es war sehr stickig, was zum größten Teil wahrscheinlich an den vielen verschiedenen Düften, die sich in der Luft vermischten, lag.
Die Freunde fanden nach kurzer Suche in dem Labyrinth der Regale einen Tisch mit der Kasse, an dem ein gelangweilt aussehender, junger Mann saß. Als er die Geweihten, die noch immer ein paar Blütenblätter in den Haaren hatten, sah, seufzte er und murmelte leise: „Sieht nach Spaß aus da draußen.“
„Rahja zum Gruße!“, begann Rahjalin Legari ein Gespräch, an dem der Jugendliche offenbar kein Interesse hatte.
„Was wünscht Ihr, Eure Gnaden?“, fragte er mit monotoner Stimme.
„Habt Ihr hier zufällig Produkte aus dem Süden? Also dem sehr tiefen Süden, so Richtung Meridiana und Waldinseln?“ Der Jugendliche sah ein winziges Stück interessierter aus als zuvor. „Ja, aber warum wollt Ihr das wissen? Sucht Ihr etwas Bestimmtes?“ Die beiden Geweihten warfen sich einen Blick zu.
Rahjalin Solivino räusperte sich und beugte sich ein wenig vor. „Können wir den Geschäftsführer sprechen?“ Er senkte verschwörerisch die Stimme. „Wir sind wegen einem bestimmten Produkt hier, wenn du verstehst?“ Kurz sah es so aus, als würde der Jugendliche nicht verstehen, doch dann senkte auch er die Stimme. „Wegen dem Produkt also, aha. Der Chef ist gerade beschäftigt, tut mir leid.“ Er sah auf einmal so aus, als würde er sich gar nicht mehr wohl in seiner Haut fühlen.
Rahjalin Legari zuckte mit den Schulter. „Wenn der Chef beschäftigt ist und keine Zeit für uns hat, dann sollten wir es in der nächsten Parfümerie versuchen. Schade, Yandriga hat uns diese hier doch so ausdrücklich empfohlen: perfekte Qualität, guter Service, alles lief reibungslos bei ihr. Ihr müsst wissen, wir sind in ihrem Auftrag hier. Aber anscheinend hat sich in diesen paar Tagen einiges geändert…“ Der Tempelvorsteher musste ein Grinsen unterdrücken und fügte hinzu. „Tja, Yandriga muss sich wohl geirrt haben. Da bleibt uns nichts anderes übrig, als ihr von dieser Verfehlung hier zu berichten und den Auftrag auf anderem Wege zu erfüllen.“ Die Geweihten wandten sich zum Gehen. „Wartet!“, rief da der Jugendliche. „Ich glaube euch ja! Ihr könnt den Chef sofort sprechen und bekommt, was ihr möchtet. Erzählt Yandriga aber bitte nicht von meinem dummen Verhalten. Sie ist doch eine Stammkundin! Ich hätte sofort sehen müssen, dass Ihr in ihrem Auftrag hier seid, tut mir sehr Leid!“ Er war ziemlich blass um die Nase geworden. Sofort stand er auf, führte sie um ein Regal herum zu einer unauffälligen Tür und klopfte an. Als jemand „Herein!“, rief, trat er ein und winkte den Rahjageweihten, ihm zu folgen. Der Raum war deutlich kleiner als der Verkaufsraum, aber auch hier standen Regale, manche gefüllt mit Fläschchen, andere mit Büchern und Schriftrollen. In der Mitte stand ein Tisch, an dem ein untersetzter Mann saß, der vielleicht um die fünfzig war. Er hatte ergrauendes, schwarzes Haar, einen kurzen Vollbart und eine Lesebrille auf der Nase, mit deren Hilfe er gerade eine Schriftrolle las. Als der junge Mann mit den Geweihten eintrat, sah er auf. „Ah, Colon. Wen bringst du denn da mit?“
„Herr, das sind…“, er verstummte und sah seine Begleiter fragend an.
„Das ist Rahjalin Solivino und ich bin Rahjalin Legari.“, stellte Rahjalin Legari sie vor, er verschwieg mit Absicht alles bis auf die Namen.
„Sie sind im Auftrag Yandrigas hier, Herr!“, ergriff der Jugendliche wieder das Wort. „Aha.“ Der Geschäftsführer legte die Schriftrolle beiseite, nahm die Lesebrille ab und musterte die Freunde mit neuem, unverhohlenem Interesse. „Seid Ihr das wirklich?“ Sie nickten. „Sieht man.“, fuhr der Mann mit einem Blick auf ihre Priesterroben fort. Er runzelte nachdenklich die Stirn. „Bisher kam sie immer nur persönlich, um die Bestellungen entgegenzunehmen. Aber bei dieser Häufigkeit, mit der sie die speziellen Produkte aus dem Süden benötigt… Ich habe mir schon gedacht, dass es einen Ring, vielleicht eine ganze Organisation gibt.“ Er machte eine Pause und sah sie fragend an. Als sie schwiegen, lächelte er. „Verzeiht meine Neugier. Natürlich dürft Ihr nichts verraten.“
Rahjalin Solivino musste sich beherrschen, keine Überraschung zu zeigen und mit seinem Gefährten, dem es ähnlich gehen musste, keinen Blick auszutauschen. Der Mann setzte gerade wieder an zu sprechen, als plötzlich ein Glöckchen bimmelte.