Briefspiel:Am Scheideweg: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 3. Oktober 2025, 08:32 Uhr

Auge-grau.png

Stadt Sewamund transparent.png Briefspiel in Sewamund Herzogtum Grangor.png
Datiert auf: ab Ende 1045 BF Schauplatz: vor allem Stadt und Baronie Sewamund, darüber hinaus Phecadien und benachbarte Landstriche Entstehungszeitraum: ab Frühjahr 2023
Protagonisten: alle Sewamunder Familien, sowie diverse externe Machtgruppen Autoren/Beteiligte: Haus Amarinto.png Amarinto, Haus Tribec.png Tribec, Haus di Piastinza.png DiPiastinza, Familie Luntfeld.png Luntfeld, Familie della Carenio.png Carenio, Familie Degano.png Marakain, Familie van Kacheleen.png Kacheleen, Familie Vesselbek.png Vesselbek, Familie Cortesinio.png Cortesinio, Haus Carson.png OrsinoCarson, Haus della Pena jH.png Horasio, Haus ya Pirras.png VivionaYaPirras, Familie Gerber.png Gerberstädter, Haus ya Papilio.png Gishtan re Kust, Wappen Lucrann von Leihenhof.png Galebquell = Haus d Illumnesto.png Illumnesto, Familie di Estrano.png Beo, Familie ter Braken.png Atagon
Zyklus: Übersicht · Präludium - 1045 BF · Der Eklat - Praios 1046 BF · Der Selziner Schwur - Rondra 1046 BF · Interludium - Efferd 1046 BF · Der Tag der Treue - 1. bis 15. Travia 1046 BF · Ein Sturm zieht auf - 16. bis 30. Travia 1046 BF

Ausgespielte Geschichten: Ruf nach Phecadien · Die Sewamunder Delegation in Shenilo · Quod est Demonstrandum · Sturm auf Amardûn · Reise in die Vergangenheit · I · II · III · IV · V· VI· VII · In den Kerkern von Amardûn · Das Treffen der Verschwörer · Ein Gespräch zur Rosenstunde · Sewamunder Delegation bei Irion von Streitebeck · Trauerfeier für Leonardo Cortesinio · Treffen bei Tovac · Reise ins Unbekannte · I · II · III · Packratten aus der Ponterra · I · II · III · IV · Gefährliche Worte · I · II · III · Efferds Zorn · Einmalige Gelegenheiten · Der Herzog des Westens · Die Würfel sind gefallen · Besprechung zum Götterurteil · I · II · Im Auge des Sturms · Am Scheideweg · Der letzte Tag · Nächtliche Besprechungen · Der Drache erwacht - das Götterurteil am Norderkoog · Der Drache erwacht - der Kampf um Sewamund · Der Drache erwacht - die Befreiung von Amardûn · Das Gold der Distel



Travia 1046 BF, Palazzo Tribêc in der Sewamunder Altstadt

Autoren: Amarinto, Tribec


Zusammenfassung: Der Familienteil "Wiesen" des Hauses altehrwürdigen phecadischen Hauses Wiesen-Osthzweyg steht vor der tiefgreifenden Entscheidung, den Bruch mit dem anderen Familienteil durch ein gewagtes politisches Manöver zu besiegeln, aber so zugleich vielleicht das Fortbestehen des Hauses nach dem Sewamunder Resolutionsaufstand zu sichern. Der junge Nanduriel von Wiesen-Osthzweyg trifft sich daher zu geheimen Absprachen mit den Häusern Tribêc und Amarinto im Palazzo Tribêc in Sewamund.

Hört gerne zu, Papagei Horasio

Nanduriel von Wiesen-Osthzweyg hatte sich auf den Weg zur geheimen Besprechung gemacht, die in den prunkvollen Hallen des Palazzo Tribêc in der Altstadt von Sewamund stattfinden sollte. Der junge Geweihte der Hesinde und Naturforscher schritt zielstrebig voran, die weite grüne Robe seiner Kirche um sich geschlungen, als er über den Marktplatz lief. Der kalte Wind trug das Stimmengewirr der Marktleute zu ihm herüber, vermischt mit den Rufen der Händler, die ihre Waren anpriesen. Überall auf dem Marktplatz waren Menschen damit beschäftigt, die Schäden der Sturmflut zu beseitigen, die vor kurzem Teile der Altstadt überschwemmt hatte. Das Wasser hatte sich längst zurückgezogen, aber Schutt und Schlamm mussten noch aufwendig weggeräumt werden, und das Hämmern und Rufen der Arbeiter erfüllte die Luft. Am Rand des Marktplatzes ragte das eindrucksvolle Gebäude des Magistrats empor, in dem der Lilienrat der Patrizier von Sewamund tagte.

Früher, vor diesem Konflikt, hatte seine Familie zu diesem einflussreichen Rat gehört, bis der Konflikt mit dem Baron von Sewamund alles veränderte. Nun waren die Wiesen-Osthzweyg suspendiert, von der Politik ausgeschlossen, weil sie sich auf die Seite des Barons gestellt hatten. Der Familienteil der "Wiesens" sah jedoch die Zukunft der Familie in Gefahr, und sie wollten ihren Platz im Lilienrat zurückgewinnen – um fast jeden Preis. Nanduriel wusste, dass dies bedeutete, sich gegen die eigenen Verwandten aus dem Familienteil "Osthzweyg" zu stellen, falls es auf dem Schlachtfeld darauf ankommen sollte. Es war eine bittere Erkenntnis, die ihn auf dem Weg beschäftigte, doch er durfte sich keine Zweifel erlauben. Sein Vater, Vedorian von Wiesen-Osthzweyg, hatte ihn im Geheimen entsandt, um diesen Seitenwechsel zu verhandeln und der Familie eine politische Rückkehr nach Sewamund zu ermöglichen.

Schließlich erreichte er den Palazzo Tribêc in der Waatstraße. Wächter in Gelbgrün standen vor dem schweren Tor mit dem Wappen des Hauses, und auch im Hof waren Bewaffnete und Bedienstete zu sehen. Nanduriels Blick blieb kurz an einem Mann mit durchdringendem Blick hängen: Arion Amarinto, der Leibwächter des Familienoberhaupts der Amarinto lehnte an der Wand neben der großen Eingangstür des Palazzo und musterte ihn ohne zu blinzeln. Seine Gesicht zeigte keine Regung, seine eiskalte Aura wirkte jedoch gefährlich. Nanduriel bemühte sich, keine Unsicherheit zu zeigen, und senkte respektvoll den Kopf, bevor er seinen Weg fortsetzte. Arion Amarinto trat wortlos ebenso hinter ihm in die Eingangshalle und begleitete ihn wie ein Schatten.

Ein Diener führte ihn durch die Halle. Rechts und links führten Aufgänge in das Obergeschoss, wo eine Galerie reihum verlief. Ein bunter Vogel schlief auf einer Holzstange in seinem Käfig und ein hässlicher, ausgestopfter Fisch starrte blöd in Richtung der Besucher. Geradeaus ging es durch eine weitere Doppeltür in den Speisesaal, in dem die Besprechung stattfinden sollte. Nanduriel konnte das gedämpfte Gemurmel von Stimmen hören, als sie sich der Tür näherten. Kurz bevor er eintrat, hielt er inne, atmete tief durch und schloss für einen Moment die Augen. Er musste ruhig bleiben, sich konzentrieren. Die Verhandlungen, die er führen sollte, würden über das Schicksal seiner Familie entscheiden. Er sprach sich im Stillen Mut zu, erinnerte sich an die Weisheit Hesindes, die ihn auf diesem schwierigen Weg leiten sollte. Dann öffnete er die Augen, richtete sich auf und trat durch die Tür, bereit, dieser Herausforderung entgegenzutreten.

Der Speisesaal des Palazzo Tribêc war von Familiengeschichte in subtiler Selbstdarstellung durchdrungen. Die hohen Wände zeigten einen zurückhaltenden, aber warmen Elfenbeinton, was den Raum größer und offener wirken ließ, als er tatsächlich war (eine Entscheidung Daria Tribêcs, die ein Faible für optische Tricks und Täuschungen hegte). Die Wandvertäfelung war mit feinen Intarsien aus hellem Holz verziert, deren Muster an heimische Gräser erinnerte. Im Saal stand unter einem großen Kronleuchter, die Kerzen darin waren handgetaucht, eine lange, dekorierte Tafel mit genug Stühlen darum, die heute sicherlich nicht alle gebraucht würden. Auf dem Tisch standen Kristallgläser und einige Schalen mit Obst, darunter Birnen. Die Tischdecke aus schwerem, feinen Stoff schimmerte im hereinfallenden Licht, die gestickten Muster an ihrem Rand zeigten mehr, als es auf den ersten Blick erschien: kleine Lilien, die sich zu rankenden Formen verbanden, stilisierte Fischschwänze, die sich kringelten: wenn man ganz genau hinsah, sah man, wie einige dieser Elemente ineinander verschlungen waren, eine Anspielung auf die viel gerühmte Verbindungskraft der Familie. Die große Tafel war mehr als nur ein Ort für Mahlzeiten. Sie war ein Symbol für die zahlreichen Bündnisse, die die Tribêcs im Laufe der Jahrhunderte geschlossen hatten. Tsaida hatte einmal im Scherz erwähnt, dass „mehr Menschen dieser Tafel ihr Leben zu verdanken hätten, als andere Familien in Generationen auf die Welt setzten“. Ein typischer Tribêc-Kommentar. Der große Kamin, der den Raum bei Bedarf wärmte und stets dominierte, war nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern auch ein Ort der Geschichten. In den langen Winternächten saßen hier die Häupter der Familie und scharten die Kinder um sich, um ihnen von den alten Zeiten und fernen Orten zu erzählen – von der Herrschaft Trebesco in den Bergen und Tribêc mit ihren Deichen, Feldern und dunklen Wäldern, von den Windmühlen, die der Familie Wohlstand brachten. Die Anrichten in den Ecken des Raumes erzählten stumm Geschichten. Dort stand ein Miniaturmodell eines Dreimasters, lag eine verblasste Seekarte und unter all den Glasfläschchen mit exotischem Sand zeigte sich die kleine Statue einer Meerjungfrau, deren seltsame Pose erst bei näherer Betrachtung auffiel. Die bronzene Figur einer Möwe schien schlicht, bis man bemerkte, dass der Schnabel mit einer kleinen Schleife aus feinem Stoff verbunden war. Die Kerzen brannten nun nicht, das Licht drang geradezu ausreichend durch die Fenster zur Straße hin ein. An einer Wand hing ein mittelgroßes Porträt eines offenkundigen Schlitzohrs, ein Patriarch aus vergangenen Tagen, das selbstgefällig grinste, und daneben das Bild eines rothaarigen Seefahrers. Zwischen diesen Relikten hing ein schlichtes, fast modernes Landschaftsbild, das die stille, unaufgeregte Schönheit der ursprünglichen Sewakmündung einfing. Leonora Tribêc hatte es einst erworben, um „mit der Tradition zu brechen“. Eine unscheinbare Tür am Ende des Raums, diskret in die Wandvertäfelung integriert, führte zur Küche – ein Durchgang, der hauptsächlich von Bediensteten genutzt wurde. Die Familie ignorierte diese Tür für gewöhnlich, es sei denn, jemand wollte einen dramatischen Abgang machen, wie seinerzeit Regina Tribêc in ihren Flegeljahren. Unterhalb der großen Fenster verlief ein schmaler Sims, auf dem kleine Bronzen von Seemöwen und Fischen standen – Geschenke einstiger Verbündeter, die größtenteils nicht mehr am Leben waren. In einer Ecke des Saals, etwas verborgen hinter einem kunstvollen Paravent, der mit Deichen und Windmühlen bemalt war, hing eine kleine Galerie. Da war Daria Tribêc, die in ihren besten Jahren mit einem Schwert posierte, das größer wirkte, als praktikabel sein zu können. Ihr Blick war entschlossen, fast spöttisch, ihre Haltung ließ keinen Zweifel daran, wer die Geschicke der Familie lenkte. Neben ihr hing das Bild Tsaida Tribêcs, die in einem grüngelben Kleid dastand und ein kleines, dreiblättriges Kleeblatt in der rechten Hand hielt – ein Verweis auf das Familienwappen, die linke Hand auf dem Bauch ruhend. Ein weiteres Bild zeigte eine urige Frau mit dunklen, lockigen Haaren. Ihr Blick war wild und geheimnisvoll, und es hieß in angeberischen Familiengeschichten, dass sie nicht nur die Deiche an der Grangorer Bucht erträumte, sondern auch göttlichen Herolden in einer Vollmondnacht am Rande des Waldes begegnet war. Das stimmte zwar nicht, aber in den Erzählungen der Familie spielte das keine Rolle. In diesem Raum war die Luft nie einfach nur Luft. Sie war durchzogen von einem leichten, unbestimmbaren Duft, eine Mischung aus Meersalz, Jasmin und einem Hauch von Holzrauch.

Der Diener kündigte die Gäste lautstark an und wies ihnen Plätze am Tisch zu. Tsaida Tribêc, das grüngelbe Kleid so präzise drapiert, als habe sie das Licht selbst bestochen, um sie ins rechte Bild zu setzen, musterte Nanduriel mit abschätzendem Blick. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das irgendwo zwischen Freundlichkeit und Mitleid pendelte. "Ah, unser Gesandter. Willkommen im Haus Tribêc."

Nanduriel spürte, wie sich alle Augen auf ihn richteten – manche neugierig, manche kritisch, manche schlicht gelangweilt. Er erwiderte Tsaidas Blick und machte eine respektvolle Verbeugung. Tsaida deutete mit einer geschmeidigen Handbewegung auf einen Platz am Tisch. "Nehmen Sie doch Platz. Wir warten nur noch auf den Cavalliere Amarinto, der wie üblich seine dramatische Verspätung genießen wird." War da ein Augenzwinkern?

Ein leises Kichern ging durch den Raum, die Quelle und der Grund nicht ganz eindeutig. Eine Dienstmagd erschien, wie auf ein unsichtbares Zeichen, und stellte eine Karaffe Wein auf den Tisch, dessen leichter Duft den Raum nun erfüllte. Tsaida ließ sich auf ihrem Platz nieder. "Nun", sagte sie mit einem Blick, "erzählt mir doch schon einmal, was Euch heute zu uns geführt hat."

Hinter ihm hörte Nanduriel ein leises Räuspern – Arion Amarinto, der sich diskret an die Wand zurückzog, immer noch so reglos wie zuvor, aber in einer Art, die unmissverständlich klarmachte, dass er alles hörte. Nanduriel dachte über seine Worte nach, wollte sie mit Bedacht gewählt haben.

Plötzlich öffnete sich die Tür erneut, und ein Hauch kühler Luft drang herein. "Ah, und da kommt er auch schon", sagte Tsaida feierlich. Dareius Amarinto trat ein, sein Mantel schwang hinter ihm her, und sein Lächeln schien gleichzeitig Entschuldigung und Herausforderung zu sein. "Baronessa", begrüßte Dareius sie mit einer angedeuteten Verbeugung, bevor er seinen Blick auf Nanduriel richtete. "Und der Mann, dessentwegen wir uns heute hier treffen." Die Stille im Raum war geladen, als Dareius seinen Platz einnahm.

Nanduriel straffte unwillkürlich die Schultern, als Dareius Amarinto seinen Platz einnahm. Der Cavalliere war eine Erscheinung: größer, breitschultrig, mit einem Blick, der gleichzeitig lachte und drohte. Seine bloße Präsenz reichte aus, um den Raum auf eine neue Temperatur zu bringen. Für einen Moment war es still, die Art von gespannter Stille, in der Worte so sorgfältig gewählt werden sollten wie Gebete im Angesicht der Götter.

„Signori“, entschied sich Nanduriel schließlich, sein Blick wanderte von Dareius zu Tsaida und wieder zurück, „ich danke Euch beiden für die Einladung. Und für den Mut, in diesen Tagen ein solches Gespräch überhaupt zu führen.“

Tsaida hob leicht eine Augenbraue, ein Finger strich über den Rand ihres Weinglases. „Mut? Oder Neugier, mein Lieber? Ihr seid in den Palazzo Tribêc gekommen, nicht auf ein Schlachtfeld.“

„Noch nicht“, warf Dareius trocken ein, das Lächeln auf den Lippen unverändert, während er sich einen Schluck Wein einschenkte. „Aber man sagt, jedes Wort könne eine Schlacht auslösen, wenn man es klug einsetzt. Und Ihr, Nanduriel, seid der Sohn des Herrn von Wiesen und überdies ein Gelehrter. Da darf man kluge Worte erwarten.“

Nanduriel nickte langsam. „So ist es. Und ich bin nicht hier, um zu beschwichtigen, sondern um zu erklären, warum sich das Haus Wiesen-Osthzweyg“, er machte eine dezente Pause, „vermutlich spalten wird. Und warum ein Teil davon, mein Teil, an Eurer Seite stehen will.“

Ein leises, fast bedauerndes Geräusch ging durch Tsaidas Kehle. „Ein Bruch, hm? Ein Opfer. Die eigenen Verwandten zu Gegnern machen. Das ist nichts, was man leicht ausspricht.“

„Oder leicht verzeiht“, fügte Dareius hinzu. „Aber oft der erste Schritt zur Freiheit.“

Nanduriel ließ sich auf den vorbereiteten Stuhl nieder, das Holz unter ihm fühlte sich kälter an, als er erwartet hatte. „Mein Vater glaubt, dass die Zukunft unseres Hauses nicht an alten Bündnissen hängt. Dass wir mit der Vergangenheit brechen müssen, um eine Zukunft zu haben. Die Tribêcs, die Amarintos, Ihr habt Euch nicht gescheut, in den Strudel der neuen Ordnung zu greifen. Wir sehen darin auch eine Möglichkeit.“

„Ihr seht unsere Macht“, entgegnete Tsaida leise, ihr Blick schneidend. „Sprecht offen, Nanduriel. Ihr wollt Teil dieser Macht werden.“

Er zuckte nicht zurück. „Ja.“

Einen langen Moment sagte niemand etwas. Dann lehnte sich Tsaida zurück, das Licht fiel günstig auf ihre Wangenknochen, ihre Augen schimmerten wie altes Gold.

„Und was wollt Ihr dafür tun?“, fragte sie. „Ein Platz in unserem Rat, unsere Gunst, das gibt es nicht für schöne Worte. Wir sind nicht das Perainespital, wir müssen das Wohl der Stadt im Auge behalten.“

„Ich bringe Euch, was Ihr wahrscheinlich braucht“, erwiderte Nanduriel. „Zugang zu Informationen, Loyalität und Stärke auf dem Schlachtfeld, ein Keil in den Reihen der Gegner. Wir kennen Schwächen des Feindes, wir kennen ihre Vorräte, Aufstellungen und Pläne.“

Dareius’ Finger trommelten langsam auf die Tischplatte. „Spionage also? Verrat der eigenen Seite? Wer dies einmal treibt, so heißt es, treibt es auch gerne zweimal.“

„Pragmatische Loyalität gegenüber dem Überleben meiner Familie“, erwiderte Nanduriel ruhig. „Ihr habt selbst genug Entscheidungen getroffen, die nicht mit dem Herz, sondern mit dem Kopf gefällt wurden.“ Dareius nickte anerkennend, mit einem sanften Lächeln auf den Lippen. Der junge Mann war durchaus schlagfertig, ein gewandter Rhetoriker.

Tsaida rutschte unruhig, aber elegant in eine neue Sitzposition.

„Das gefällt mir“, murmelte Dareius. „Aber ich frage mich, zu was macht Euch das vor der Herrin Hesinde? Wird sie dazu schweigen?“

Nanduriel sah ihm direkt in die Augen. „Hesinde verlangt Wahrheit. Und Wahrheit ist manchmal bitter. Sie verlangt Klarheit, und das ist sie: Wenn ich nichts tue, geht mein Haus vielleicht unter. Das ist keine Philosophie, das ist Wirklichkeit.“

Ein zustimmendes Nicken kam von Tsaida. „Ihr werdet bleiben, heute Nacht. Wir werden essen, trinken, und sehen, wie Ihr Euch bei Tisch und im Raum bewegt. Wer bei uns speist, wird beobachtet. Nicht nur bei der Messerführung.“

„Und wer bei den Tribêcs übernachtet“, warf Dareius mit schiefem Grinsen ein, „träumt oft wilder, als ihm lieb ist“, er blickte gespielt entschuldigend zu Tsaida, „das habe ich jedenfalls gehört.“

Ein leises Lachen kam von irgendwo.

Nanduriel verneigte sich erneut, dieses Mal etwas tiefer. „Ich danke Euch. Für die Gelegenheit, und für die Prüfung.“

„Dann sehen wir, was Ihr zu bieten habt“, schloss Tsaida und erhob ihr Glas zur Bestätigung. Dareius tat es ihr gleich.