Ambasciata der Torrems (Rondra 1032 BF)
So begab es sich im Rondramonde des 1032ten Jahres, dass eine Ambasciata des Hauses Torrem, also eine Gesandtschaft, sich zu Nicolo Faellan di Onerdi nach Yardêk verfügte. Sie bestand aus Khadan Folnor Torrem, dem wohlbenamten Urururgroßneffen König Barjeds, und Amando Hortreich, einem Diplomaten und Staatsgelehrten obgemeldten Rittergeschlechts. Voraufgegangen war eine Replik des efferdischen Senates gegenüber der Fürstlichen Bürgerschaft Urbasis in Betreff der Torremundzwistigkeit - jenes Jahres. So also wurde die Ambasciata am Herrensitz vorstellig, welcher sich derweil, um dereinst Baronssitz zu werden, in eine geschäftige Baustelle verwandelt hatte, und begehrte vorzusprechen.
Kaum dass die Herrschaften im schnellen Anritt ihre Pferde zum Stehen gebracht, da eilte flux ein Reitknecht voran, an die Türe des herrschaftlichen Hauses zu klopfen. Die beiden Gesandten der Torrems aber warteten zu Pferde, den Erfolg für den kurzen Augenblick abzuwarten. Khadan Folnor Torrem saß auf der Stute Ultrix, einem Elenviner Vollblut, der Herr Amando Hortreich hingegen auf einem mittelschweren und eher behäbig wirkenden Warunker. "Die Oligarchie ist am Ende", sprach Khadan Folnor, seine Hutkrempe abfassend, "denn sie hat sich in Willkürherrschaft totgelaufen." Darauf, bevor dass ein Diener des Onerdi erschienen und einen Fortgang würde bewirkt haben, gab Amando Hortreich zurück: "Es ist ein Gesetz der Natur, dass sich die schlecht geordneten Gemeinwesen selbst den Untergang bereiten. Und also folgt nun die Zeit der Anarchie - und die Zeit der Heroen, welche die Fackel der Ordnung in die Finsternis hineintragen und nach abscheulicher Blutstürzung das in Boron geläuterte Volk wieder zur Ordnung führen." Darauf Khadan Folnor: "Vielleicht lassen sie sich ja belehren."
Da hatte sich die Türe im Portal des Anwesens geöffnet. Die beiden Gesandten brachen ab und blickten mit kurzer erwartungsvoller Miene, sogleich bemerkend, dass es nur die Haushofmeisterin war, die sie erwartete, Fiorenza Changbari. Sich vor den Herren verneigend sprach diese: "Der Herr ist nicht im Hause, geschätzte Gäste. Ihr möget Eure Diener und alles, was Euch beschwert, wohl hier zurücklassen. Einer Besprechung möchte seine Hochgeboren jedoch einen gemeinsamen Ausritt voranstellen. Wendet Eure Rösser und begebt Euch eine Meile diesem Wege folgend zu den zwei mächtigen Eichenbäumen, dort erwartet der Baron mit seinem Vater Eure Ankunft."
Die beiden Gesandten dankten mit knappen Worten und wandten ihre Rösser. So setzten sie sie in Trab und waren alsbald hinter den Wipfeln von einigem Gesträuch und mehr und mehr sich vor dem Blick reihenden Bäumen verschwunden. Nach der beschriebenen Strecke Weges erreichten sie die beiden Eichenbäume. Sie blickten um sich, indem die Hufe zum Schweigen kamen und das letzte Laub den Reittieren nachwehte. Und tatsächlich erspähten sie ganz in der Nähe zwei Berittene. Diese näherten sich und gaben sich den beiden Neuankömmlingen dadurch als der Baron samt seinem Vater Faellan zu erkennen.
"Haus Torrem, Eccellentissimo." sagte Khadan Folnor, den Hut vom Haupt nehmend. Dadurch machte er erkennbar, mit einem Baron zu sprechen. Der Baron und sein Vater grüßten ihren Bundesbruder und den Gelehrten und Nicolo Faellan gebot ihnen mit einem Handzeichen zu sprechen. Darauf Amando Hortreich: "Wir sind heute - anders als sonst - nicht erschienen, um mit Euch über die Möglichkeiten eines Staatsstreiches in Efferdas Austausch zu halten. Vielmehr zeitigt das üble Regiment nunmehr schlimme Folgen und Gefährdungen von ganz Efferdien, die dringend einer Züchtigung bedürfen, nicht nur der Klage."
Statt des Barons versetzte nun dessen Vater: "Wieder und immer wieder hört man nur Betrübliches aus der Stadt des Heiligen Parven. Wie mag das kommen? Und, mein Sohn, wenn es so schlimm ist, wie hältst du es dort aus?" Darauf dieser: "Wessen Geschlecht Türme in den Winden der Goldfelsen erbaut hat, der widersteht auch den Sieben, wenn sie in Efferdas gegen ihn wehen sollten... Meinen verehrten Gästen möchte ich einen Ausritt vorschlagen, um diese unangenehmen Gespräche wenigstens in angenehmer Umgebung zu führen. Wenn Ihr folgt, so berichtet mir, was genau Euch zu solch bitteren Worten veranlasst. Ich versichere im Voraus, dass ich bezüglich der Antwort auf die hochmütige Depesche aus Urbasi bereits mein Möglichstes getan habe, den Ruf Eures Hauses zu schützen. Indes weiß ich wohl, dass dies nicht mit dem gewünschten Erfolg verbunden war." Damit und nachdem er sich der Zustimmung der Begleiter versichert hatte, gab er dem prächtigen, kastanienbraunen Schlachtross das Zeichen, erneut anzutraben.
"So haltet doch ein," warf Khadan Folnor noch ein, "denn wir haben auch eine gute Nachricht." Er öffnete routiniert einen Knopf seines Wams' und zog ein versiegeltes Papier hervor. Und indem er es von Pferd zu Pferd herüberreichte, sprach er: "Wie es mit Worten und vielfach schon mit Taten kündete, so soll es nun auch ratifizieret sein: Euer Sohn, der soll einst unserer Phalaxana Eidam (= Schwiegersohn) sein und der Erbphalaxana treuer Gemahl. Vergehen die Jahre, wird sie auch aus Urbasi wieder heimgekehrt sein. Nehmt diesen Brief und bedenket, dass er auch Torremund enthält." Und dann wartete der Torrem noch auf eine kurze Antwort, indem der Baron das Papier in Händen hielt. Ein Lächeln trat in das Antlitz des Barons, als er der Verbindung der beiden Häuser gedachte. "Es freut mich, dass wir unsere beiden Häuser, die einander treu zur Seite stehen, in Zeiten, in denen Treue vergessen scheint, so glanzvoll einander verbinden können. Ob man jedoch an der Herrschaft über das Torremundsche seine Freude haben kann, daran zweifle ich noch immer. Doch sei es so. Nun kommt, denn bei dem Ausritt folgen uns die Ohren meiner Haushofmeisterin auch nicht, für die solch Gespräche kaum zu hören geeignet sind." Sprachs und trabte an, zunächst dem Pfade weiter in Richtung der Garlâkschen Lande folgend. Sodann stand die Gruppe vor einem Ritte querfeldein. "Es bleibt ja in der Familie," fügte Khadan Folnor Torrem noch an.
Mit einem kleinen Einwand]] Amando Hortreich räusperte sich, dass man ihm Gehör gegeben haben würde, und brachte einen kleinen Einwand vor: "Ich möchte darum bitten, über die Felder keine hitzige Galoppade machen zu müssen. Ob es mir zwar von meiner Geburt her nicht gegeben, mehr Gravität zu beanspruchen als die edlen Herrschaften, so möchte ich doch mein Alter in die Waagschale werfen. Am Ende litten meine Knochen einen schweren Ritt nicht - und die Jahre über dem Schreibpult haben meine Wenigkeit nicht agiler werden lassen." Und er blickte auf den Baron von Parsek.
"Diesem bescheiden vorgetragenen Wunsch mag ich mich nicht verwehren," meinte dieser. "In gemäßigtem Schritte zu reiten, wird uns die Schönheit der Umgegend noch bewusster machen. Und es widerspräche meiner Wertschätzung für den Gelehrtenstand, würde ich von Euch verlangen, Eure Knochen über Gebühr zu beanspruchen." So lenkte er sein Ross nun, vom Wege ab, auf einen kleinen Pfad, der durch die Wiesen führte und alsbald sich in ein kleines Tal herabsenkte, in dem ein Bächlein plätscherte. So herrschte also Schweigen, bis dass der Weg sich wieder gebreitet haben würde und die Pferde wieder nebeneinander zu führen waren. Unten am Wasserlaufe endlich ergriff Khadan Folnor Torrem das Wort. Eine Hand auf den Sattelknauf stützend, suchte er den Blick des Barons. Dann sagte er: "Notabilis" - und damit meinte er den gelehrten Amando Hortreich - "Notabilis unterbreitete nun, so es Euch konvenieret und nicht displaisierlich sei an solch beschaulichem Orte, die Sicht unseres Hauses. Darinnen enthalten wäre, wie Vergangenes und Künftiges in ein Bild zu fügen, zu weben und praiosmäßigerweise zu erstreben wäre."
Da unterredete man sich also. Vom Pferde herabgestiegen und bald dem Bachlaufe lauschend, bald einen gefassten Gedanken mit Worten ausbreitend, kam man überein. "Vortrefflich." sprach Khadan Folnor Torrem. Und gerade, als man geendigt hatte, beugte sich noch der Herr Amando Hortreich über das Wasser. Kaum dass er sich die Hände gewaschen hatte, eilte er wieder die wenigen Schritte der Böschung zu den Pferden empor, dass auch er sich mit einem Ruck in den Sattel hob. Die Gruppe, zu Ross in einen langsamen Trab verfallend, wandte sich wieder um.
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