Archiv:Die Uthurische Rose (BB 41)

Aus Liebliches-Feld.net
Zur Navigation springenZur Suche springen

Auge-grau.png Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 41, Seiten 1-4
Aventurisches Datum: 1038 BF



Die Uthurische Rose

Horasische Entdecker auf der Spur des ewigen Lebens

von Shafirio ay Ankhraio und Damaxis di Minelli


Es heißt, die ‘Rose der Unsterblichkeit’ sei ein Geschenk Tsas an Efferd gewesen, der sie übers Feuermeer nach Uthuria brachte. Anderen Quellen zufolge treibt sie noch heute auf dem südlichen Ozean, und wird wohl auch deshalb die ‘Efferdsblüte’ genannt. Sie birgt das ‘Elixier des ewigen Lebens’, sind sich die Legenden einig. Wer sie findet, der erlangt Alterslosigkeit, ja Unsterblichkeit. Dass sie das ‘heimliche’ Ziel all jener ist, die sich dieser Tage auf die gefährliche Seereise ins unerforschte Feuermeer vorwagen, ist indes wohl längst kein Geheimnis mehr.

Mächtige Konsortien haben sich in den letzten Götterläufen überall im Horasreich zusammen geschlossen, auf der Suche nach schiffbaren Routen zum Südkontinent Uthuria. Kaffee und Tulpen waren die ersten Reichtümer, die die zurückkehrenden Expeditionen mit sich brachten. Der Mythos der Uthurischen Rose aber lebt fort, obwohl es scheinbar keinem dieser Pioniere gelang, mehr als nur einen Schleier des Mysteriums zu lüften. Manche Spuren der jüngeren Vergangenheit verweisen sogar gar nicht mehr auf ferne Gestade. Doch der Reihe nach.

Die große Reederei Terdilion, mithin die Primesta der Republik Belhanka höchstselbst, rüstete die erste horasische Expedition nach Uthuria aus, nachdem 1035 BF die ersten Gerüchte einer Rückkehr alanfanischer Entdecker vom Südkontinent aufkamen (BB#38). Unter dem Kommando Indira Burbaykos dell'Andustras, unterstützt vom Herzog von Methumis und der berühmten Universalschule, setzten drei Schiffe Kurs Richtung Feuermeer, darunter bezeichnendermaßen die Karavelle ‘Rose von Uthuria’.

Ihr folgten weitere: Im Efferdmond 1036 BF brach eine Expedition aus Sewamund auf, von einem Konsortium des dortigen Patriziats – der Familien di Piastinza, Cortesinio, Luntfeld – ein Jahr lang gewissenhaft vorbereitet. Eine Kusliker Allianz unter der Führung der Reederei ter Gruchen entsandte im selben Herbst einen jungen Kapitän aus der berühmten Güldenlandfahrerdynastie Bramstetter mit einer Flottille ins Südmeer. Andere Unternehmungen scheiterten, so wie die von Bethana aufgebrochene ‘Efferdgefällige Expedition’ oder die nur aus einer alten Karavelle bestehende ‘Flotte’ des pailischen Purpuradels, die wenige Tage nach ihrem Aufbruch bereits an der Küste der Hexeninsel südlich des Askanischen Meers strandete. Vielfach fehlt von den entsandten Entdeckern gar bis heute jede Spur.

Die ersten Rückkehrer waren tatsächlich jene, die zuerst aufgebrochen waren. Indira Burbaykos gründete noch die Kolonie ‘Nova Methumisa’, ehe auch sie bei der Erkundung des Hinterlands verschwand. Ein Teil ihrer Expedition schiffte sich 1036 BF jedoch wieder in Belhanka ein, wo bereits im Praiosmond des folgenden Jahres die nächste Flottille zur Versorgung der Kolonie aufbrach. Mit Boldrino ya Terdilion war der Sohn der Primesta selbst diesmal mit an Bord – auf der Suche nach seiner verlebten Jugend, unkte manch einer in der Serenissima.

Andere meinten, er sei auf den Geschmack des Kaffees gekommen und könne davon gar nicht mehr genug bekommen. Tatsächlich eröffnete wenige Wochen vorher, im Ingerimm 1036 BF das erste sogenannte ‘Kaffeehaus’ in Belhanka seine Tore. Das ‘Oro nero’ war vorher eine von vielen Teestuben auf Penumbre, der belhankanischen Insel der Genüsse, erlangte durch sein neues, leicht bitteres uthurisches Gebräu aber schnell Bekanntheit. Zunächst als ‘Nektar der Rose der Unsterblichkeit’ angepriesen, da es seine Verköstiger aufputschte, ihnen die Müdigkeit austrieb, stellte sich doch bald heraus, dass es nur für kurze Zeit diese Wirkung entfaltete.

Um die Tulpen Uthurias rankten sich die nächsten aufkommenden Gerüchte, über ihre Artenvielfalt und ein magisches Metall namens ‘Tulpinium’ gar (BB#39). Mit der berühmten Rose schienen indes auch sie nicht viel gemein zu haben, ebenso wenig wie die in den Häfen der Coverna schnell als Delikatesse geltenden ‘Erdnüsse’, eine Reihe neuer Schokoladensorten und alle anderen Exotika, die die zurückkehrenden Expeditionen ins Land brachten: Kürbisse, Pfefferschoten, Kraftelixiere, Jadesteine in unterschiedlichsten Färbungen, Götzenstatuen oder fremdartigen Schmuck.

Dass die Rose nicht allein ein uthurisches Thema ist, rückten bestürzende Nachrichten aus der Rosenstadt des Wilden Südens Anfang 1037 BF ins Gedächtnis: Im Zuge der dortigen Festwoche ausgangs des vorigen Götterlaufs, der Rosenwoche, waren die Hängenden Gärten von Drôl eingestürzt! Über eine zeitweilige Quarantäne der ganzen Stadt, einen seltsamen Pilzbefall, der auch vor Menschen nicht Halt machte, und ausbrechende Unruhen kursierten vielerlei Gerüchte, ehe Fürstin Alrigia ya Costermana die Ordnung wiederherstellte. Dem Wiederaufbau der Gärten aber verschrieb sich eine von einem Rahja-Geweihten angeführte Gruppe, die ‘Drôler Rosengemeinschaft’, die angeblich in den Ruinen des Bauwerks auch eine ‘Rosenkönigin’ oder ‘königliche Rose’ entdeckt hatte. Im Lieblichen Feld tat man derlei als politisch motiviertes Geschwätz ab. Dass die heutige Fürstenstadt ihren alten königlichen Status zurück haben wollte, erschien allzu offensichtlich.

Das Verbot des auch in Drôl stark verbreiteten Freidenkerbunds durch den Comto Protector im Praiosmond, nach einer aufgedeckten Verschwörung mit alanfanischen Machthabern, wie verlautete, ließ die öffentliche Diskussion über die Ereignisse im Süden zwischenzeitlich verstummen. Dass sich manche Freidenker in Belhanka bald in der ‘Loge der Rosenfreunde’ zusammentaten, um sich dort geläutert der Rosenzucht zu widmen, werteten einige wohlinformierte Beobachter als Solidaritätsbekundung gegenüber den Drôlern. Andere sehen darin jedoch einen gänzlich neu erwachsenden Geheimzirkel, der in letzter Konsequenz Wissen über die Uthurische Rose sammelt und hortet. In der Stadt des Rosenöls und -wassers stiegen in der Folge die Preise für einige Rosensorten an der berühmten Blütenbörse tatsächlich in schwindelerregende Höhen.

Ob all dies nun Zufall ist, oder doch verborgene Zusammenhänge hierfür verantwortlich sind, bleibt bis heute unklar. Die Konzentration vieler dieser Geschehnisse in der Serenissima, die als erste eine Uthuria-Expedition ausrüstete und zurückkehren sah, befeuert jedenfalls die Gerüchteküche.

Zuletzt war es allerdings der Hafen von Kuslik, der in den Fokus des Uthuria-Fiebers geriet: Kapitän Thisdan Bramstetter kehrte Ende Rahja 1037 BF mit einem verbliebenen Schiff der Kusliker Uthuria-Expedition zurück, und entlud unter vielen neugierigen Blicken allerlei uthurische Waren (BB#40). In der Stadt des Güldenlandhandels feiert man ihn seither bereits als den Begründer einer neuen Ära, die die Kusliker Kapitäne als erste zu allen Kontinenten Deres aufbrechen sieht.

Darüber hinaus heißt es aber auch, dass Kapitän Bramstetter bis dato die zuverlässigsten Informationen über mögliche Quellen der Legende um die Uthurische Rose mitgebracht hat. Seine Auftraggeber, zu denen neben der Reederei ter Gruchen neuesten Erkenntnissen zufolge auch Graf Aurention von Harderin gehört, schweigen sich hierüber bislang aus. Einige der Seeleute, die mit der ‘Yumin’ zurückkehrten, kamen in der Folge jedoch zu beträchtlichem Reichtum, andere schnell zu Tode. Alchimisten und Quacksalber reißen sich in der Metropole an der Yaquirmündung derzeit um Hinweise über eine angeblich an Bord befindlich gewesene Blüte oder Blume, aus der sich ein lebensverlängerndes Elixier brauen lässt. Manch einer verkauft genau dieses auch schon zu horrenden Preisen.

Die Wirkung solcher Elixiere nachzuweisen, ist natürlich ein entscheidendes, weil zeitaufwendiges Problem. Nichtsdestotrotz blüht der Handel mit ihnen im Verborgenen offensichtlich schon. In Efferdas, ausgerechnet auf halbem Weg zwischen Kuslik und Belhanka gelegen, hält er etwa eine ganze Stadt in Atem. Seitdem Gerüchte aufkamen, dass der Senator Dettmar Gerber, über dessen Gesundheitszustand ob seiner Hustenanfälle seit Jahren wild spekuliert wird, zu den ersten Käufern eines solchen Elixiers gehört – und er sich neuerdings eines nie gekannten jugendlichen Elans erfreut – beherrschen Neid und Missgunst die kleine Republik. Von mehreren Einbrüchen in die Villen des herrschenden Patriziats, bei denen Truhen, Schränke und Kommoden durchwühlt, jedoch nichts gestohlen wurde, wird berichtet. Die Zahl der Wachen oder zum Begleitschutz angeheuerter Söldner manches Nobile stieg gleichzeitig stark an.

Anderenorts blüht vor allem der Handel mit See- und Schatzkarten, die den Fundort der Uthurischen Rose – in den Weiten des Feuermeers, im kaum erforschten Uthuria, bisweilen aber auch in einem Landhaus an der Küste der Coverna oder in der nahen Zyklopensee – enthüllen sollen. Zudem erhalten im ganzen Horasreich gerade okkulte Zirkel und Logen Zulauf, die von sich behaupten, dem Geheimnis der Rose auf der Spur zu sein oder dieses schon enträtselt zu haben. Dass dies in der Vielzahl der Fälle unglaubwürdig erscheinen muss, versteht sich von selbst.

Letztlich unterscheidet genau dies die Legende von der Uthurischen Rose auch gar nicht von jener um den Dunklen Brunnen im Norden, die noch heute die Ozeane um Aventurien befahrenden Okteren des Bosparanischen Reiches oder die Stadt der Sonne in den Weiten der unwirtlichen Khômwüste. Die Entdeckung schiffbarer Routen zum Südkontinent hat den Mythos einfach gerade wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, ließe sich rational argumentieren. Genauso wenig lässt sich jedoch wohl leugnen, dass es exakt diese Legende ist, die die Erforschung Uthurias durch horasische Entdecker vor allem derzeit so entschieden vorantreibt. Ob es die ‘Rose der Unsterblichkeit’ am Ende überhaupt gibt und sie je gefunden werden kann, wissen wahrscheinlich nur die Götter. Dass die Expeditionen in den Süden dem Horasreich noch so manche neue Entdeckung – über Kaffee, Erdnüsse und Tulpen hinaus – bescheren werden, erscheint dagegen ziemlich sicher.

(ab, dm)