Archiv:Grangor in der Hand der Borbaradianer (BB 22)

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Grangor in der Hand der Borbaradianer?

Grangor/Vinsalt. Wie die Nachrichtenagentur Nanduria erst unlängst unter Verwendung immenser Informationsquellen und Ressourcen in Erfahrung bringen konnte, sind in der Stadt der tausend Kanäle hochbrisante Dokumente aufgetaucht, welche einen regen Schriftwechsel zwischen Seiner Hoheit Herzog Cusimo und seinem Vetter, dem abtrünnigen ODL-Großmeister Adaon von Garlischgrötz-Veliris, belegen.
Es scheint ganz so, als ob die Stadt am Phecadi auch in diesen Tagen nicht zur Ruhe kommen soll. Nach dem Spektakel, das mit dem geplanten Auslaufen der Güldenlandflottille einherging, und dem ebenso überraschenden wie auch verheerenden Angriff der Thorwaler Ende Tsa des letzten Götterlaufes (der AB berichtete) sind nun in der herzöglichen Residenz Briefe aufgetaucht, die anscheinend von Reichskollaborateur Garlischgrötz-Veliris in Elburum – der verderbten Hauptstadt des siebenmal verfluchten Moghulats Oron – aufgegeben wurden und an seinen Vetter Herzog Cusimo adressiert sind!
Garlischgrötz-Veliris, dem ehedem die Leitung des Neethaer Ordenshaus der Grauen Stäbe zu Perricum (ODL) oblag, erlangte vor allem durch seine profunden alchimistischen Kenntnisse und dem exzellenten Abschluss an der Grangorer Akademie der Erscheinungen mäßige Bekanntheit. Bei den rauschenden Bällen, die sein lebenslustiger herzöglicher Vetter in regelmäßigen Abständen gab, sah man den anmutigen Magus allerdings nie. Überhaupt sind beide Herren in der Öffentlichkeit kaum zusammen gesehen worden. Ein Umstand, der die Vermutung nahelegte, dass die familiären Bande zwischen Seiner Hoheit und dem ODL-Großmeister bestenfalls als distanziert zu bezeichnen seien. Der frevlerische Seitenwechsel des herzöglichen Vetters in den Wirren während der borbaradianischen Invasion wurde deswegen von den Bürgern Grangors und des Alten Reiches allerhöchstens mit einem wissenden Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen. Die Spur des Verräters haben ODL und das Directorium für besondere Angelegenheiten (DBA) bereits vor über zwei Götterläufen in der Heptarchie Oron verloren.
Der Reputation Herzog Cusimos tat dieser unschöne Vorfall keinen Abbruch, bestand doch in keinster Weise der Verdacht, dass Adaon von Garlischgrötz-Velins nach seinem Verschwinden noch in irgendeinem Kontakt mit seinem Vetter stehen könnte. Eine Annahme, die jetzt wohl revidiert werden muss.
Ein Lakai soll jenes obskure Bündel Briefe, welches nun die ganze Stadt in Aufruhr versetzt, aus der herzöglichen Residenz geschmuggelt und zum Stadthaus gebracht haben, wo es umgehend von Ratsmitgliedern der Äußeren und Inneren Stube sowie ausgewählten Magistern der Akademie inspiziert worden sei. Ein Bote, der hiernach gen Horaskaiserlichen Palast zu Vinsalt geschickt wurde, lässt Rückschlüsse auf die Bewertung der Authentizität der Dokument zu.
Dank phexischem Einfallsreichtum ist es Mitgliedern der Nachrichtenagentur gelungen, Informationsquellen aufzutun, die im Cronsekretariat für Recht und Ordnung Einsicht in die, zur Zeit wohl bestgehütetsten Geheimnisse des Horasiats hatten.
So soll in den Briefen Adaons von Garlischgrötz-Veliris vom »Prunk und Luxus« des oronischen Staates die Rede sein, die in ihrer »avantgardistischen Exotik« auch dem Herzog eine »vortreffliche Abwechslung zum biederen, horasischen Amüsement« bieten würden. Hiernach folge eine Einladung an den Hof der verfluchten Moghuli Dimiona!
Des weiteren dankt der götterlose Kollaborateur im Namen seiner daimonischen Herrin für die gesandten detaillierten Informationen den Oberfelser Gesandtenkongress betreffend, der vor über drei Götterläufen an der Grenze der beiden Reiche stattfand (der AB berichtete). Der Vertrag von Weidleth böte »diverse exzellente Schwachstellen«, mit denen es ein leichtes sei, einen Krieg zwischen den Reichen zu entfesseln, der »Helas Geplänkel seinerzeit weit übertreffen werde«. Man warte im Oronischen nur auf eine entsprechende Gelegenheit!
In diesem Kontext ist es nicht verwunderlich, wenn die ersten Patrizierhäuser zu Grangor mit wilden Spekulationen um sich werfen, da das plötzliche Interesse Herzog Cusimos an der Politik in den letzten Götterläufen durchaus als ungewöhnlich zu bezeichnen ist. Kannte man Seine Hoheit seit jeher doch eher als Lebemann, denn als Diplomat. Auch die regen Besuche der letzten Kronkonvente verwunderten, ließ der Garlischgrötzer sich doch sonst durch Abgesandte vertreten. Ist es tatsächlich möglich, dass der Grangorer Herzog Staatsgeheimnisse an einen Diener des Dämonenmeisters, damals gar an den zwölfmal verfluchten Bethanier selbst, verraten hat?
Der Gipfel der Impertinenz ist jedoch der folgende Passus: »(...) wird es der Moghuli eine Freude sein, Dich – geschätzter Vetter – zu gegebener Zeit im Kampf gegen die verstockte, garstige Expansionistin zu unterstützen. Jemanden mit so einem eklatanten Mangel an Charisma sollte die Führung des bedeutendsten Reiches Aventurien verwehrt bleiben.« Aufrührerische Worte, wie man sie seit dem Ende der Galahanistischen Ära im Horasreich nicht mehr gehört hat.
Auch das Fehlverhalten der herzöglichen Phecadigarde während des thorwalschen Angriffs auf die Expeditionsflottille Güldenland im letzten Tsa (dem zögerlichen Eingreifen sind 153 Menschen und zwei Dutzend Gebäude zum Opfer gefallen!) ist – nach über einem halben Götterlauf – wieder in aller Munde. Hat Herzog Cusimo den Einsatzbefehl der Garde absichtlich so spät erteilt? Militärischen Experten zufolge hätte eine organisierter Defensive schon wesentlich früher eingeleitet werden können. Die Zerstörung der eigenen Stadt als perfides Zeichen der Loyalität gegenüber den borbaradianisehen Invasoren im Osten? Ein Ablenkungsmanöver der blutigsten Art? Die Inspectoren der Horaskaiserin scheinen diese Theorien nicht außer acht zu lassen, konnte man in der letzten Woche doch einige Agenten des Directoriums für besondere Angelegenheiten im horaskaiserlichen Rekrutierungsbüro zu Grangor eifrig Acten wälzen sehen. Es kursiert das erschreckende Gerücht, dass Infiltranten des Dämonenmeisters auch an Bord der Güldenlandflottille geschleust worden sein könnten. Fakt ist, dass Seine Hoheit Herzog Cusimo sich vor dem Auslaufen des Geschwaders des Öfteren im Rekrutierungsbüros aufgehalten hat. Doch weder vom Director des Büros, Fiago ya Dascovia, noch vom leitenden Ermittler, Elias Beckstein, konnte bisher eine Stellungnahme erwirkt werden. Die letzte Brieftaube, die wieder Aventurien erreichte, soll laut Admiralität vom 17. Phex datieren und keinerlei Hinweise auf eine borbaradianische Unterminierung enthalten. Unsere bangen Hoffnungen richten sich in diesen Tagen auf die Unversehrtheit unserer tapferen Streiter im Westen. Mögen Aves und die Zwölfe immer bei ihnen sein!
Eine Reaktion aus der herzöglichen Residenz indes steht noch aus, da Seine Hoheit z.Z. zur Erholung im Kusliker (!) Seebad Salikum weilt. Die Stadt wird bis zur Klärung der Vorfälle von ausgewählten Vertretern der Äußeren und Inneren Stube sowie der Grangorer Efferdhochgeweihten Erlane regiert. Der von Herzog Cusimo eingesetzte Vertreter, Baron Ariano von Treuffenau-Veliris, kann den, ihm angetragenen, Verpflichtungen nicht nachkommen, da er sich momentan für intensive Befragungen zur Verfügung halten muss. Die eiligst angereiste Cronprinzessin Aldare von Vinsalt soll kaiserlichen Beistand repräsentieren und das Banner Hellebardiere des II. Horaskaiserlichen Elitegarderegiment Kaiserstolz dient natürlich allein ihrem Schutze.
Eine umgehende Klärung dieser selemitischen Verhältnisse ist dringend notwendig, da mittlerweile gar Stimmen laut werden, die behaupten, dass in einigen von Adaon Garlischgrötz-Veliris' Botschaften der Name seiner Muhme, der Schwester des verstorbenen Herzogs Khadan von Garlischgrötz, Convocata Prima der Großen Grauen Gilde des Geistes, Prishya von Garlischgrötz zu Grangor, genannt wird. Und was das bedeuten kann, mag man sich nicht mal ansatzweise vorstellen ...

J. B.