Archiv:Neuer Glanz in altem Saale (BB 29)

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Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 29, Seiten 25, 28 Schildwacht.png Datiert auf: 19. Tsa 1028 BF


Neuer Glanz in altem Saale

Restauration abgeschlossen – Sinnbild erstarkenden urbasischen Selbstbewusstseins?

von Alverano ya Paredo
Die 'Stadt der Esel', wie Urbasi ob Namen und Wappen auch genannt wird, ringt noch um ihren Status – und ihre Mit- sprache an den Entscheidung- en des landbesitzenden Adels.

"Größe und Einfluss, Macht und Reichtum müssen repräsentiert werden, um wirksam zu werden", pflegte die Gräfin Malia Vistelli einst zu sagen, als sie einen weiteren Anbau an ihrer Residenz auf dem Bomeder Schlossberg in Auftrag gab. Ein Ausspruch, den viele Baumeister noch heute häufig und gerne rezitieren. Aber ist dies eine Wahrheit, die auch umgekehrt gilt?

Die Nachricht, dass der altehrwürdige Silberne Saal des Palazzo Magistrale – vom neuen Stadtherren Urbasis Traviano von Urbet-Marvinko finanziert – eine Restauration erfahren sollte, und vor allem die daraufhin ausbrechende Begeisterung unter Patriziern wie einfachen Bürgern der Stadt gleichermaßen, ließen an der Antwort auf diese Frage zumindest keinen Zweifel bestehen. Mit der Pracht des Magistratsgebäudes schien plötzlich auch die Macht der darin vertretenen Familien und Zünfte gewachsen zu sein. Voller Stolz blickte das noch unter den Spuren der Söldnerherrschaft Valpozas leidende Urbasi dem Ende des Winters – und damit der Wiedereinweihung des Ratssaals – entgegen.

Nicht umsonst, denn am 19. Tsa 1028 BF, dem Tag der Unabhängigkeit, sollten sich die Tore des Saals wieder öffnen, der Stadt- und Silberherr Traviano hatte Gäste aus nah und fern geladen, um dem langersehnten Moment beizuwohnen und den Raum in seinem neuen Prunk bewundern zu können. Im Glanz unzähliger Wachskerzen, deren Licht von in Silber gefassten Spiegeln vervielfacht wurde, erstrahlte ein schier wunderhaft erscheinendes Meisterwerk der Baukunst!

In kaum für möglich gehaltener Detailfülle herausgearbeitete Fresken bedeckten Wände und Decke – und erzählten von Ruhmestaten aus der Vergangenheit. Statuen aus edlem Marmor waren wie Wachtposten am Rand des weitläufigen Saals aufgereiht, jede für sich einen Heiligen oder eine Tugend darstellend. Die Stadtheiligen Agreppo und Palladio sowie Ricarda und Luciella stachen besonders heraus, doch auch die Stein gewordene Schönheit, scheinbar gerade dem Bade entstiegen, zog die Blicke auf sich. Die Heilige Lutisana von Kullbach, das Schwert erhoben gegen eine unsichtbare Gefahr, unerschrocken und zuversichtlich im Ausdruck, bekam gar einen besonders exponierten Platz, dem Hauptportal des Saals gegenüber.

Ihr Mut schien geradezu ansteckend zu sein, erfüllte die Urbasier mit einem Hochgefühl, ließ sie gar an die Zeiten vor Bosparans Fall zurückdenken, als am Zusammenfluss von Sikram und Argenna eine der größten Städte Yaquiriens gestanden haben soll. Wenig fehlte noch, um die Euphorie der Patrizier und Zunftvertreter, der wirklichen Urbasier, endgültig zu entfachen – doch dies schien der Gastgeber schuldig zu bleiben. Nach kurzer Begrüßungsrede gab der Stadtherr Traviano das Wort an seine Schwester Odina weiter, um gemeinsam mit einigen Adligen des Umlands zu Beratungen in einem benachbarten Kabinett zu verschwinden – und die Urbasier hierüber irritiert zurückzulassen.

"Was nützt die teuerste Fassade einem, wenn sie die wahren Verhältnisse nur mit unnützem Schein zu überziehen versucht", soll der Grangorer Stadtmeister Sibur Wortheim einst einen Kollegen gefragt haben – und ähnliche Gedanken dürften manchem Urbasier nach dem Verlassen des Silbernen Saals durch den Kopf gegangen sein. Einem nicht näher genannt werden wollenden Patrizier waren noch diese Worte zu entlocken: "Am Prunk hätte der Marvinko gerne ein wenig sparen dürfen, wenn er auch uns Bürger nur in seine weitere Politik einbeziehen würde ..."

Armin Bundt