Archiv:Neues in Nordost (BB 12)
von Leomar von Lug
ARIVOR/ERZHERRSCHAFT ARIVORIA. Im Mond der Hesinde war der Kronkonvent zu seiner Wintersession zusammengetreten, als die kaiserliche Gesandtschaft aus Gareth zurückkehrte.
Der Adler hatte es nämlich für richtig befunden, angesichts des Hervortretens der Siebenstrahligen Krone dem Greifen Rat und Gnade zu senden. Mit einem versiegelten Schreiben der Kaiserin reisten vier Delegaten an den Hof des Königs: Der Graf von Thegûn, die Comtessa Felsfelden, die Baronin von Ankram und der Baron von Veliris. Sie wurden vom Herold Horasia und bescheidenem Gefolge – darunter die pavonische Trabantengarde – begleitet.
Zu allseitigem Erstaunen kehrte nun die Gesandtschaft ohne ihr Haupt heim: Baronin Delhena-Naila von Ankhelet war es, welche die Delegaten auf der Rückreise angeführt hatte und nun der Kaiserin Bericht erstattete. Graf Cedor von Eskenderun hingegen ist immer noch nicht zurück, auch jetzt nicht, da diese Ausgabe unseres Journals erscheint. Die Absichten des Chababiers liegen im Dunkeln.
Nach ihrem Aufbruch im Travia zog die Delegation über Vinsalt und Punin hinauf nach Gareth, ab der almadanischen Grenze von einer garethischen Kavalkade eskortiert. Ab Oberfels hatte die Gesandten garethische Reichsräte zur Gesellschaft, welche zum selben Zeitpunkt von der Eröffnung der Verhandlungen von Mantrash'Mor zurückkehrten. In der Greifenstadt vernahmen sie, daß der König fernab in Tobrien weile, auf seiner Burg Praske in der Mark Osterfelde. Also beschloß der Leitende Delegat, dem Weg des Königs zu folgen.
Zur Mitte des Boron, der Winter war hereingebrochen, erreichten sie Praske, wo ein garethisches Heer versammelt war, notdürftig aus Kriegern vieler Provinzen zusammengewürfelt. Die kaiserliche Abordnung erfuhr von bitteren Niederlagen der Garether gegen den östlichen Schatten. Die Drohung war allgegenwärtig. Wenige Tagesritte von Burg Praske begann bereits das wachsende Reich des Bethaniers. Von den Ereignissen in Praske wird in diesem Journal an anderer Stelle ausführlicher berichtet. Eines aber stimmt den Schreiber dieser Zeilen nachdenklich: der Horasbrief. Jenes Schreiben, das der König öffnete und das der Herold Horasia vortrug und das Aufruhr unter den garethischen Edlen entfachte – ist eine Fälschung. Wie anders wäre der Sprachstil dieser Epistel zu erklären, der so kraß von dem unserer Monarchin abweicht? Jenes weihevolle Pathos? Jene Betonung der Horaswürde, die gerade den friedlichen Instruktionen der Delegation so deutlich zuwiderwirkte?
Vor allem: Wir wissen, daß das kaiserliche Siegel einen Sonnenball in blauem Wachs zeigt. Der Horasbrief von Praske aber war gesiegelt – in rotgold'nem Wachs mit einem Adler! Es gibt zu denken, daß jener, dem die Kaiserin dieses (oder ihr wahres?) Schreiben überreichte und der es nach Praske trug – Cedor von Eskenderun – nicht mehr greifbar ist ...
Sicher ist, daß der Graf auf der tobrischen Feste mit niemand anderem als dem chababischen Gransignor Ricardo ash Manek zusammentraf, der als Geweihter der Rondra noch im Spätsommer dem Befehl des Schwertes der Schwerter nach Tobrien gefolgt war. Ob Don Cedor von Anfang an entschlossen war, in Tobrien zu bleiben, oder ob es eine plötzliche Laune war, ob das überraschende Auftreten einer zweiten, irregulären Gesandtschaft aus Yaquiria damit zu tun hatte oder gar der bornische Orden der Jagd, mit dem der Conte vor seiner Abreise aus Chababien korrespondiert haben soll, wir wissen es nicht. Die Guten Götter, sie seien ihm nahe.