Archiv:Vom Ende eines Pachtvertrags (BB 41)

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Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 41, Seite 24 Schildwacht.png Datiert auf: 1038 BF


Vom Ende eines Pachtvertrags

Status der Vorstadt Agreppara über das Vertragsende hinaus ungewiss

von Sinjara Acciaioli


Die urbasische Vorstadt Agreppara feiert in diesen Tagen ihr hundertjähriges Bestehen. Begründet während der frühen ‘Regentschaft der Berater’ unter Gonfaloniera Prajane Silbertaler, sichert sie mit ihren Mauern und dem später hinzu gekommenen Castello Ferrantesco seither das linke Sikramufer gegenüber des Flusshafens der Silberstadt. Und doch sehen manche ‘echten Urbasier’ sie noch immer nicht als Teil ihrer Heimatstadt an, blicken auf die Bewohner des jenseitigen Ufers herab, versuchen sich gar von ihnen loszusagen. Der Sikram markiert für sie die eigentliche Stadtgrenze, hinter der nur noch ärmliche, stinkende ‘Möchtegern-Urbasier’ leben. Dass die Wollweber, Färber und Gerber Agrepparas einem von unangenehmen Gerüchen begleiteten Gewerbe nachgehen, gilt ihnen nicht als Ursache, sondern als Konsequenz der herrschenden Verhältnisse. Was diese ‘echten Urbasier’ indes nicht wissen: Möglicherweise werden ihre offenkundigen Forderungen nach einer formellen Abgrenzung von der Vorstadt bald erfüllt! Welche Konsequenzen dies nach sich zöge, ist noch gar nicht absehbar.

Tatsächlich hängt das Schicksal Agrepparas an einem Pachtvertrag, den die Patrizier Urbasis nach der ursprünglich eigenmächtigen Gründung der Vorstadt im Traviamond 939 BF mit dem damaligen Baron von Marudret, dem Grafen vom Sikram und dem Herzog von Methumis schlossen. Dieser sicherte der Silberstadt die Vorherrschaft über die Tochtersiedlung am östlichen Sikramufer und einen Streifen urbar gemachten Landes drumherum zu – gegen eine festgesetzte jährliche Pacht, die heute allein von den entrichteten Abgaben der in der Vorstadt ansässigen Patrizierfamilie Flaviora vielfach übertroffen wird. Das sich dieser Tage aufdrängende Kernproblem ist jedoch seine Laufzeit, denn der Pachtvertrag wurde auf exakt einhundert Götterläufe geschlossen! Was danach aus der Vorstadt – und den Urbasi dort gewährten Privilegien – wird, ist gänzlich ungewiss.

In den städtischen Uffizien sollen einige Amtsträger schon vor dem Albornsburgfrieden 1033 BF auf die missliche Lage hingewiesen und eine Klärung noch im Zuge der damaligen Friedensverhandlungen mit Graf Croenar (BB#37) gefordert haben. Dies blieb aus verschiedenen Gründen aus – vor allem wohl, weil man sich die eigene Verhandlungsposition hierdurch nicht untergraben wollte, vielleicht auch, weil man auf eine künftige Schwäche des Grafenhauses hoffte. Seit dem Frieden von Arivor 1030 BF ist der Graf vom Sikram nämlich der einzige Hochadlige, der Ansprüche auf die Vorstadt hat. Wo vor dem Thronfolgekrieg noch der Herzog von Methumis als übergeordneter Lehnsherr hätte vermitteln können, ist Graf Croenar als direkter Vasall der Krone heute im Grunde sein eigener Herr. Und dass die Grafendynastie vor keinem Konflikt mehr zurückscheut, machte zuletzt die Klage gegen die eigene ehemalige Nebenlinie Urbet-Marvinko (BB#38) – wie auch jene gegen den Comto Seneschall Urras von Malur (BB#40) – deutlich.

So stellt sich derzeit nicht nur die Frage, zu welchen Bedingungen eine Verlängerung des Pachtvertrags oder gar eine endgültige Abtretung Agrepparas an Urbasi möglich wäre, sondern auch jene, ob Graf Croenar sich in dieser Sache überhaupt noch auf Verhandlungen einlässt. Die Rolle des lehnspflichtigen Barons – seit dem Albornsburgfrieden und der Teilung der alten Baronie Marudret ist dies derjenige vom Mardilo – erscheint dagegen schon deswegen weniger problematisch, weil dieser selbst einen Sitz in der Signoria Urbasis hat. Aber kann dieser überhaupt noch über eine Siedlung verfügen, die quasi Stadtrecht hat?

In Agreppara selbst werden unter jenen, die sich der Pachtvertragsproblematik überhaupt bewusst sind, angeblich schon verhaltene Stimmen laut, die dem Grafen ein Interesse zur Verleihung eigenständiger Stadtrechte an die Vorstadt nahelegen. Dass den ‘echten Urbasiern’ diese Lösung gefallen würde, darf bezweifelt werden, brächte sie für die derzeit noch allein den Sikramübergang kontrollierende Silberstadt doch erhebliche strategische Nachteile mit sich. Im Interesse einer starken Fürstlichen Gemeinde bleibt nur zu hoffen, dass das amtierende Consiglio della Priori, spätestens jedoch das im nächsten Praiosmond gewählte eine Einigung mit Baron und Graf findet, deren Land Urbasi – bislang – nur gepachtet hat.

(ab)

Irdische Anmerkung:

Die Auflösung der Pachtvertragsproblematik ist die nächste größere politische Herausforderung im Briefspiel Urbasis. Ob es der Silberstadt gelingt, ihre Interessen hierbei durchzusetzen, ist bewusst offen. Einzelne Familien des urbasischen Patriziats könnten durchaus andere Interessen haben als die Fürstliche Gemeinde insgesamt – zumal wenn sie sich Hoffnungen machen, in einem stärker vom Grafen abhängigen und/oder zur eigenen Stadt aufgestiegenen Agreppara eine stärkere Rolle zu spielen.