Briefspiel:Fest der Freundschaft/In der Kanalisation

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Städteübergreifendes Briefspiel
Datiert auf: Anfang Rahja 1040 BF Schauplatz: Belhanka Entstehungszeitraum: 2023-2024
Protagonisten: Rahjalin Solivino, Rahjalin Legari Autoren/Beteiligte: Familie Solivino.png Bella, Haus Legari.png Nebelzweig
Zyklus: Übersicht · Erwachen I · Giftige Blumen · Der Täter · In der Parfümerie · Stehenbleiben! · Erwachen II · In der Kanalisation · Im Madaschein · Das Motiv · Im Palast Rahjas auf Deren · Das ist Rahja! · Mächtige Feinde, gute Freunde

In der Kanalisation

Autoren: Bella, Nebelzweig

Rahjalin Solivino

„Vielen Dank!“, sagte der Tempelvorsteher, als sein Mitgefangener ihm in eine angenehmere Position half.
„Vielleicht müssen wir doch nicht hilflos hier drin warten, bis uns jemand findet. Da ist irgendetwas.“, erwiderte Rahjalin Legari. War er gerade dabei, den Boden um die Fuge abzutasten? In der nachtschwarzen Finsternis konnte der andere nicht einmal die Hand vor Augen sehen. Er beugte sich ebenfalls Richtung Boden und sie stießen prompt mit den Köpfen zusammen. „Au, verdammt. Tut mir Leid!“, sagten sie darauf beinahe gleichzeitig, was sie wiederum fast zum Lachen gebracht hätte, wären sie nicht in dieser misslichen Lage und hätten sie nicht beide mit Kopfverletzungen zu kämpfen.
Tatsächlich entdeckten sie eine rechteckige Erhebung im Boden. Die Fuge lief am Rand der Erhebung entlang. „Eine Platte oder Falltür? Das sollten wir anheben können.“, sagte Rahjalin Solivino. „Auf drei: Eins, zwei, drei!“ Mit einiger Anstrengung gelang es ihnen schon beim zweiten Versuch die schwere Holzplatte aus dem Boden zu heben und zur Seite zu schieben. Der urbasische Priester starrte angestrengt in die tiefe Schwärze darunter und konnte dennoch bei bestem Willen nichts erkennen. Derweil hatte der andere ein kleines Steinchen aufgehoben und warf es nun in die Tiefe. Mit angehaltenem Atem lauschten sie, wie das Steinchen Augenblicke später leise aufprallte.
„So tief ist das nicht. Vielleicht zwei oder drei Schritt. Die Schwierigkeit besteht darin, dass wir, falls es eine Leiter gibt, im Dunkeln klettern müssen.“, stellte Rahjalin Legari fest. „Aber ich würde das allemal diesem Gefängnis hier vorziehen.“
„Ich auch.“, sagte Rahjalin Solivino. Er hatte bereits begonnen, das Loch im Boden nach einer Leiter abzutasten und war fündig geworden. Langsam setzte er einen Fuß auf die erste Sprosse und begann nach und nach, mehr Gewicht auf die Leiter zu geben. Sie knarzte ein wenig, doch klang nicht so morsch, als würde sie im nächsten Moment zusammenbrechen. Vorsichtig begann Rahjalin den Abstieg, Schritt für Schritt, und bekam nur einmal fast einen Herzinfarkt, als in der Mitte plötzlich eine Sprosse fehlte. Er konnte sich aber gerade noch so festhalten. „Ich bin unten, du kannst jetzt kommen. Aber sei vorsichtig in der Mitte, da fehlt eine Sprosse.“ Es dauerte nicht lange, da war auch der efferdasische Priester sicher unten angelangt. „Dem Gestank nach zu urteilen sind wir in der Kanalisation gelandet.“, sagte er. „Also sollten wir uns auf einer Seite halten, wenn wir nicht in den Kanal reinfallen wollen.“
Jeglicher Orientierung beraubt wandten sie sich wahllos nach rechts. Immer noch ohne das kleinste bisschen Licht tasteten sie sich an den feuchten Steinwänden entlang. So liefen sie eine ganze Weile still hintereinander her. Die einzigen Geräusche waren ihre Schritte, manchmal ein leises Plätschern, wenn kleine Wellen gegen die Wände des Kanals schlugen und einmal ein weit entferntes, bis zu ihnen hallendes Geräusch wie von einem zu Boden fallenden Gegenstand.
„Jetzt im Nachhinein komme ich mir so wahnsinnig dumm vor!“, brach schließlich Rahjalin Solivino das Schweigen. „Ich meine, ich hätte mir doch sicher sein können, dass diese Gifthändler dich in ihre Gewalt gebracht haben. Ich hätte irgendwen mitnehmen können, irgendwen! Sie hätten mir sicher alle geholfen…“
Er schüttelte den Kopf, was sein Freund jedoch nicht sehen konnte. „Stattdessen bin ich ihnen in die Falle getappt und jetzt haben wir den Schlamassel!“
„So etwas hätte jedem passieren können. Ich weiß wie schwer es einem fallen kann klar zu denken, nachdem man der Herrin so nah war wie bei einem Wunder! Es ist nicht deine Schuld.“ „Wahrscheinlich hast du Recht.“, seufzte er. „Ich kann wohl immer noch nicht ganz klar denken.“
„Ich weiß auch nicht, ob ich meinen Sinnen wieder ganz trauen kann, zudem uns das Sehen noch immer verwehrt ist.“ Die Stimme klang frustriert.
Nach diesem Satz herrschte wieder Schweigen. Jeder hing seinen eigenen, düsteren Gedanken nach.
Da huschte irgendetwas schnell über ihre Füße. Kurz darauf noch etwas.
„Ratten.“, sagte Rahjalin Legari angeekelt. „Ratten?“ Der Tempelvorsteher klang beunruhigt. Das Tier des Namenlosen konnte nur als schlechtes Zeichen gedeutet werden.
Unbewusst beschleunigten sie ihre Schritte, was sich jedoch bald als fataler Fehler herausstellte. Die beiden Rahjapriester konnten die Kreuzung zweier Kanäle, die vor ihnen lag, nicht sehen. Erst als die Wand, an der sie sich die ganze Zeit orientiert hatten, plötzlich aufhörte, begriff Rahjalin Solivino. Doch es war zu spät, um anzuhalten: Er trat ins Leere und fiel schreiend und mit den Armen rudernd in den Kanal. Das stinkende Abwasser klatschte über seinem Kopf zusammen, spritzte auf und traf Rahjalin Legari.

Rahjalin Legari

Rahjalin taumelte zurück und stieß einige kreative Flüche aus, die er in einer Droler Kneipe von einem betrunkenen Brabaker gelernt hatte und von denen er hoffte, dass sein Freund sie nicht gehört hatte. Er stolperte gegen eine glitschige Wand. Die stinkende Brühe floss an ihm herunter, sickerte in seine Kleider und Schuhe, wobei sie zum erbrechen stank. Außerdem blieben schmierige Dinge in seien Haar und auf seiner Haut kleben, von denen er gar nicht wissen wollte, was das war. Zum Glück gelangte nichts von der ekelerregenden Brühe in seinen Mund, aber zur Sicherheit spuckte er doch aus, wobei er darauf achtete sich nicht die Lippen zu lecken. Dann löste er sich mit einem Schmatzen von der Wand und tastete er sich zum Rand des Kanals vor, um herauszufinden wie es seinem Freund ging. Dass er keine lauten Verwünschung hörte, konnte bedeuten, dass Rahjalin Solivino versuchte, einen Rest Würde zu bewahren, seine Geschmacksnerven vor dem Zeug im Kanal zu schützen oder in ernsten Schwierigkeiten steckte.
Er kniete sich im Dunklen an den Rand des Kanals und tastete mit ausgestreckten Armen in der Dunkelheit, wobei er leise nach seinem Freund rief.
Nichts. Nur Schatten, glitschige Steine und das Geräusch von schnell fließenden Wasser. Rahjalin runzelte die Stirn. Er erinnerte sich von vorhin nur an ein leises Gluckern. Vom Tempelvorsteher hörte er allerdings nichts. Er schloss die Augen und atmete einmal tief durch, was er dank des Übelkeit erregenden Gestanks sofort bereute. Dann zog er seine Schuhe aus, befestigte sie an seinem Gürtel, schloss die Knöpfe seiner Weste und band ich die Haare nach hinten, zuletzt kontrollierte er noch ob das Tharffläschchen an seinem Gürtel fest verkorkt war und stieg dann vorsichtig in die Brühe, wobei er im Stillen welchen Dämon auch immer verfluchte, der für stinkende Abwasserkanäle zuständig war. Rahjalin Legari war kein besonders guter Schwimmer, aber wenn man seine Jugend in einer Stadt wie Efferdas verbracht hatte, kam man um das nasse Element nicht herum. Wie gut konnte eigentlich Rahjalin Solivino schwimmen? Zum Glück war der Kanal nicht sehr tief, er ging dem Priester nur bis zur Brust und er konnte mit den Händen gleichzeitig beide Ränder berühren, aber es gab eine deutliche Strömung. Nur an einer Stelle fand er ein Loch in der Wand, anscheinend der Abfluss zu dem die Brühe floss und zwar ziemlich schnell. So schnell, dass der Flüssigkeitsspiegel um ihn herum sank. Er wollte nicht das Wort Wasserspiegel verwenden, denn Wasser war das hier definitiv nicht. Ein neuer Abfluss vielleicht? Oder eher ein alter, eigentlich verschlossener Abfluss, durch den sein Freund bei seinem Sturz gebrochen war? Und Rahjalin Solivino konnte einfach mit der ersten Welle durch gepurzelt sein. Dass würde auch erklärte warum der nicht hier war. Oder zumindest konnte Rahjalin Legari ihn, trotz langen Herumgetaste, nicht finden, wobei er sich die ganze Zeit an der einen Wand fest hielt und versuchte möglichst flach zu atmen. Mit einem inneren Seufzer wandte er sich dem Loch in der Wand zu. Rahjalin Solivino war ohne zu zögern zurück in den mit Giften vollgestopften Parfümladen gekommen, nur um ihm zu helfen, also würde er jetzt keinen Rückzieher machen. So vorsichtig wie möglich, stieg er durch das Loch und versuchte nicht darüber nach zudenken in was für ein weiches, schmieriges Zeug er da faste und daran dass sein Freund vielleicht irgendwo im Dunkeln lag womöglich verletzt. Oder er saß einfach irgendwo und schimpfte leise über seine ruinierte Garderobe, positiv Denken.
Hinter dem Loch kam etwas was sich im Dunkeln wie eine Rutsche anfühlte aber vermutlich ein abschüssiges Rohr war und an deren Ende er in einen Tümpel viel der geringfügig besser roch als der Rest. Zwar gab es auch hier eine Strömung, aber der Rahjalin schaffte es sich, wie ein Wühler beim Delphinocco halb laufend halb schwimmend auf einer Stelle zu bleiben. Was sein Freund aber anscheinend nicht geschafft hatte, denn Rahjalin konnte ihn auch hier nicht im Wasser finden. Er hätte sich das Gesuche auch sparen können, denn als er den Rand abtastete, schloss sich auf einmal eine schmierige, aber warme Hand um sein Handgelenk. „Schön das du hier bist, mein Freund“, flüsterte Rahjalin Solivino vom Rand des Beckens herab, aber in seiner Stimme war ein Hauch von Anspannung zu hören, „ komm rauf hier ist ein Weg oder sowas und sei bitte leise, ich glaube da vorne ist irgendwas und es ist auf jeden Fall größer als eine Ratte.“