Briefspiel:Königsturnier/Am Vorabend des Dritten Tages

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Horasturnier.png Geschichten am Rande des Königsturniers Horasturnier.png
Datiert auf: 21. Rahja 1038 BF Schauplatz: Alte Burg und Schwerterfeld zu Arivor Entstehungszeitraum: Mai 2015
Protagonisten: Erlgard von Firdayon-Bethana, ihr Bruder Erlan Sirensteen, dessen Gemahlin Shahane Sirensteen und sein Page Nicolo Tolman di Onerdi. Autoren/Beteiligte: Haus Sirensteen.png Erlan


Am Abend des 21. Rahja 1038 BF auf der Alten Burg zu Arivor

Zur Phexensstunde brachte eine Kutsche Shahane Sirensteen zur Alten Burg, wo Comtessa Erlgard von Firdayon-Bethana zu einem kleinen Abendmahl geladen hatte. Als Shahane in einen der Salons der Burg geführt wurde, sah sie dort ihre Schwägerin am Fenster sitzen, die gerade - noch das Tageslicht nutzend - in einer Gazette blätterte, bevor sie Richtung Shahane blickte und sie erfreut begrüßte. Dann wurde sie jedoch kurz stutzig und fragte mit ernster Stimme:

"Seid ihr etwa allein gekommen? Geht es Erlan etwa doch schlechter?" Auf die erste Frage nickte Shahane noch, bei der zweiten schüttelte sie energisch den Kopf, was die Anspannung Erlgards vertrieb.
"Eigentlich hatte ich Deinen Bruder schon hier erwartet. Wir hatten vereinbart, dass er und sein Page Nicolo direkt von dem kleinen Zeltdorf aus hierhin fahren. Wahrscheinlich verspäten sie sich einfach nur ein wenig ... wie auch Dein Gemahl?"

Für einen kurzen Augenblick konnte man fast ein Augenrollen Erlgards beobachten, aber sie fasste sich schnell wieder und sagte nur ein in der Familie inzwischen altbekanntes Wort "Staatsgeschäfte". Das hatte Shahane schnell gelernt - dieses Wort fiel fast so häufig wie "der Horas" und bedeutete eigentlich auch dasselbe: Primär, dass Ralman von Firdayon-Bethana trotz anderer Planungen nicht dabei sein würde. Das kannte sie schon von der Hochzeit mit Erlan, wo Erlgard ohne ihren Ehemann erschien, was dann auch gleich wieder von den unseligen Gazetten zu wildesten Interpretationen führte.

"Nun, wenn die Herren uns warten lassen, dann sollten wir die Zeit sinnvoll nutzen: Page - bringe er uns bitte Bosparanjer!" - und nach einem Wink Erlgards kam ein Page, den Shahane erst gar nicht erblickt hatte aus einer Ecke, nickte der Frau des Comto Protectors zu und kam wenige Augenblicke später mit zwei Kristallkelchen und einer Flasche Bosparanjer wieder, aus der er den beiden Damen einschenkte, die sich inzwischen hingesetzt hatten.

Derweil auf dem Schwerterfeld

Erlan und Refano beim Schwertkampf

"... und noch einmal!" hörte man eine getrieben wirkende Stimme und im direkten Anschluss hörte man das Aufeinanderwirken von Stahl auf Stahl. Hinter einem der Zelte sah man zwei Recken, die sich gegenseitig mit dem Schwert belauerten und versuchten, eine Lücke in der Deckung des jeweils anderen zu finden. Auf der einen Seite erkannte man nicht nur an den langen weißblonden Haaren, sondern vor allem auch an dem grün-gelben Wappenschild mit Igel und Nixe Comto Erlan Sirensteen. Ihm gegenüber kämpfte ein ungefähr gleich alter Kämpe, der einen Wappenrock trug, der das grün-silberne Wappen Irendors trug.

"Komm schon, Tarq... äh Refano! Wagst Du Dich nicht hervor?" - versuchte Erlan sein Gegenüber zu reizen, doch dieser ließ sich nicht reizen, wie einer der Irendorer Liliengardisten, der in der Nähe stand, aufmerksam registrierte. Und wieder war der harsche Ton zu hören, als Stahl auf Stahl stieß und man auf den Gesichtern der beiden Recken sich bildende Schweißperlen sah. Doch mit einem Mal lockerte der Refano genannte Recke den Druck, wich zurück und nutzte den Moment, wo sein Gegner - ob des unerwarteten fehlenden Widerstandes - leicht ins Taumeln geriet, um nun nach dem vermeintlichen Rückzug umso stärker anzugreifen.
Dieses Manöver gelang ihm auch und so lag Erlan wenige Augenblicke später überrumpelt auf dem Boden. Und lächelte.

"Warum lächelt Ihr?" fragte der Gardist und beim Aufstehen, bei dem ihm Refano zur Hand ging, erklärte Erlan dem Gardisten, während er Refano auf die Schulter klopfte, dass er lieber jetzt ins Hintertreffen geraten würde als bei einem möglichen Schwertkampf mit seinem Gegner.

Plötzlich kam um die Ecke ein kleiner pausbäckiger Junge geeilt, auf dessen Gesicht sich Enttäuschung abzeichnete. Erlan registrierte das zwar, aber entsprach erst einmal der Förmlichkeit und stellte sowohl dem Recken als auch dem Jungen die jeweils andere Person vor: "Refano, ein vortrefflicher Meister der Klinge - er hat sich bereit erklärt, sich zur Vorbereitung auf morgen mit mir zu messen." Nicolo schaute verwundert und fragte nach dem Wappenrock - das sei doch das Wappen Irendors. Erlan lachte und erklärte ihm, dass er eigentlich Refano gerne ein anderes Wappen tragen lassen wollte, aber "der geflügelte Löwe und weiße Lilien auf schwarzem Grund waren gerade nicht vorrätig - dann halt die schöneren Lilien!".

Mit einem Lachen quittierten die beiden Krieger die Erklärung Erlans, in das sowohl der Junge als auch der am Rande stehende Irendorer Liliengardist einstiegen. Einen kurzen Moment später zeigte dann Erlan auf den Jungen und stellte ihn seinem Gegenüber vor: "Und das - das ist niemand Geringeres als mein Page Nicolo Tolman di Onerdi, der mir erst unlängst vortrefflich zur Hilfe eilte und dem ich hoffentlich ein guter Schwertvater sein werde! Aber sagt an, Nicolo, was grämt Dich?"
"Oh Herr, der Plättner! Er sieht sich nicht in der Lage, Eure Rüstung rechtzeitig fertigzustellen. Er habe soviele Aufträge und selbst gegen mehr Dukaten würde er da keine Chance sehen!" - und dabei sah der Page aus, als ob er gerade vom größten derischen Unheil aller Zeiten berichtete.

Mit lauter Stimme erwiderte Erlan: "Bei Ingerimm! Er muss das machen! Wenn er das nicht gegen Dukaten schafft, dann vielleicht gegen Horasdor? Kommt mit ins Zelt, ich gebe Euch jetzt einen kleinen Schatz mit. Rennt dann sofort zum Plättner und sagt ihm, wer ihm hier den Auftrag erteilt hat!"

Bei diesen fast schon theatralischen Worten zeigte Erlan ins Zeltinnere, wo ihm der Page, Refano und der Gardist folgten.
Nachdem der Gardist das Zelt von innen schloss, hob Erlan den Zeigefinger vor dem Mund und flüsterte Nicolo zu: "Das ist eine Finte. Du rennst zwar gleich in Richtung des Plättners und bietest ihm ruhig etwas mehr Geld, aber wir brauchen die Rüstung nicht. Der letzte Kampf hat gezeigt, dass sie mich beim Schwertkampf eher behindert. Ich nehme stattdessen die leichtere Rüstung. Den Unterschied erkennt man nicht - vor allem nicht, wenn alle glauben, dass wir den Plättner die Rüstung in Gold aufwiegen, damit sie wieder in Stand gesetzt wird."

Refano ergänzte die Erklärung: "Diese Rüstung ist nur minimal leichter, so dass sich im Tjost kein Unterschied zeigen dürfte. Dafür aber wird der Comto deutlich flexibler an den Armen und Beinen sein und seine Chancen im Schwertkampf deutlich erhöhen."

Nachdem Nicolo mit einigen klingenden Münzen das Zelt geschwind verließ, erklärte Refano das Manöver, welches Erlan zu Boden warf und dass er dieses schon einmal beim della Pena gesehen hatte - und vor allem wie man das Manöver anhand der Fußstellung erkennen und vor allem parieren könne.

Auf Burg Arivor

"Erlgard, Du entschuldigst mich bitte... ich werde jetzt nach Erlan schauen." - und der Blick Shahanes machte deutlich, dass sie nicht wirklich zufrieden war.

Am Schwerterfeld

Gerade kam der Page zurück vom Plättner, und berichtete von der Überzeugungskraft der klingenden Münzen als draußen eine Kutsche vorfuhr und sich mit hastigen Schritten eine Person den Zelten näherte: Shahane.

Im ersten Augenblick war sie froh, dass sie ihren Ehemann wohlauf sah, hatte sie doch erst was schlimmeres befürchtet. Doch im gleichen Moment holte sie ein Vinsalter Ei hervor und zeigte es Erlan: "Du weißt, was das ist? Als dieser Pfeil hier oben stand, da waren wir auf der Alten Burg geladen. Es wäre schön, wenn Du mich jetzt begleiten könntest. Wackerer Nicolo", und mit diesen Worten richtete Shahane das Wort an den di Onerdi, "ihr haltet weiter den Kriegsrat ab, während wir zur Burg fahren."

In der Kutsche

"Hast Du etwa den Termin vergessen?" fragte Shahane. Erlan schüttelte den Kopf und seufzte ein wenig. Er beugte seinen Kopf vor und stützte sich auf den Knien ab und schaute sie eindringlich an, bevor er zu einer Erwiderung ansetzte:

"Shahane... Du hast ja recht. Ich hätte die Einladung nicht vergessen dürfen. Aber Du musst wissen, es geht um viel... sehr viel. Bei Rondra, ich bin gewillt diesen Kampf zu kämpfen - und ich möchte ihn auch gewinnen. Ich muss Dir aber eines gestehen: Ich bin erfüllt von ... " Erlans Stimme wurde leiser und Shahane hörte beinahe nicht, wie er leise das Wort "Furcht" flüsterte.

Sie nahm ihre beiden Hände und schob die ins Gesicht gefallenden Haare Erlans hinter seine Ohren, während sie ihn gleichzeitig küsste, bevor sie ihn fragte, wovor er sich fürchten würde.

"Ich fürchte nicht eine Niederlage. Die mag möglich sein, so Rondra es fügt. Es wäre nicht das erste Turnier oder das erste Schlachtgetümmel, das ich verliere. Aber ich befürchte die Rache des Tarquinio. Er wird sicherlich nicht verwunden haben, dass sein Bruder rechtmäßig verurteilt wurde. Und das er ungestüm ist, wissen wir nicht erst seit der Goldenen Lanze 1028. Shahane, ich gehe mit einem unguten Gefühl in den Kampf. Deswegen war ich noch auf dem Schwerterfeld! Ich will mich wappnen und vorbereiten."

Shahane erschrak ob der für sie heftigen Worte - so hatte sie Erlan zuletzt im Boron 1033 erlebt, während der unheil'gen Besatzung von Unterfels, erlebt, als sie auf der Flucht vor den Häschern Ohan Bassos waren.

"Du brauchst keine Angst haben! Vertrau auf die Götter! Hier in Arivor wird Rondras Mut entscheiden - und Rondras Mut wird Deine Furcht vertreiben", richtete sie mit fester Stimme das Wort an ihren Ehemann, der sie daraufhin umarmte und küsste.

Wenige Augenblicke später kam die Kutsche zum Halt und Erlan hob Shahane aus der Kutsche heraus auf den Boden und begleitete sie zum nun etwas verspäteten Mahl, von dem er sich jedoch recht frühzeitig verabschiedete - da er für den morgigen Tag gut ausgeschlafen sein wollte. Während Shahane ihrer Schwägerin von den Bedenken Erlgards berichtete, machte sich Erlan nicht direkt auf dem Weg in sein Zelt, sondern suchte noch den Tempel der Heiligen Geron und Ardare auf und betete dort darum, dass seine Furcht verschwinden und Rondra ihm wohlgesonnen sein würde.

Er kniete dabei mehr als eine Stunde auf dem Boden vor der Phiole mit dem letzten Blutstropfen der Heiligen Ardares und murmelte dabei seine Gebete. Trotz der späten Stunde waren noch andere Besucher im Tempel und wer ganz in seiner Nähe gestanden hätte, der hätte aus einzelnen Wortfetzen mitbekommen, dass er einerseits Buße tat und seine Schuld zugab - dass er als Kommandeur nicht immer den rondrianischen Idealen entsprach, aber im Zweikampf Rondras Gebote immer geachtet hätte.

22. Rahja - auf dem Schwerterfeld

Erlan Sirensteen mit rotem Federbusch

Mit den ersten glänzenden Praiosstrahlen erwachte das Schwerterfeld zu Leben, das geschäftige Treiben war binnen kürzester Zeit im vollen Gange. Nach dem frühmorgendlichen Rondradienst, den Erlan als einziger aus seinem Zelt besucht hatte, brachte sein Page die doch noch gegen teures Geld instand gesetzte Rüstung vom Plättner. Doch nahm er nicht diese, sondern die leichtere Rüstung. Erlan dachte sich in dem Moment "Wenn die Herrin Rondra die Klingen tanzen lassen will - dann doch wohl mit Sprezzatura!".

Kurz beratschlagte sich Erlan noch mit dem Schwertgesellen Refano, der - so hatte es Nicolo nur am Rande mitbekommen - von einer weißen Bande stammte, seinem Pagen und seinen getreuen Gardisten, gingen noch einmal die - vielen - Stärken della Penas und auch die - wenigen - Schwächen von ihm durch, bevor es dann zur Turnierbahn ging.

Im letzten Moment entschied Erlan sich dann doch noch zu einer kleinen Änderung: Er tauschte höchstselbst den Federbusch seines Helmes aus.
Auf den fragenden Blick seines Pagen, ob das nicht gefährlich sei, da er doch den Eindruck erwecken wolle, er würde so gerüstet sein wie in den vergangenen Tagen, schüttelte Erlan den Kopf und erwiderte:

"Es geht nicht darum den Eindruck zu erwecken. Es geht um einen Kampf im Sinne Rondras - aber ein Hauch Sprezzatura sollte dort nicht fehlen und ich bin mir sicher, dass das mit dieser Rüstung besser gelingt. Sollte Tarquinio nicht genügend Prudenza aufweisen um zu merken, dass es eine andere Rüstung ist, mit der ich viel besser das Schwert führen und die Beine bewegen kann - ja, dann soll es so sein."
"Wenn jedoch die Entscheidung für die andere Rüstung unsere Niederlage bedeutet, dann gehen wir mit Grandezza zu Boden - im Wissen, dass wir einen guten Kampf geliefert haben. Doch ob der Kampf so oder so endet - das entscheiden die Götter."

"Und für della Pena wird es nur ein roter Federbusch statt ein weißer sein. Ich möchte die Farbe der Himmlischen Leuin tragen."