Briefspiel:Stille Wasser/Akt IIb
Übersicht | Prolog | Akt I | Akt II | Epilog |
Leibesschwachheiten | Küchenunfall | Giftmischer und Quäker | Hinab! | Oben bleiben! |
Randulfio Aurandis
Randulfio saß ebenfalls an der Tafel und löffelte die Suppe in sich herein. Irgendwie schmeckte sie nicht wirklich und ohne großen Enthusiasmus ließ er den Löffel sinken. In seinem Magen grumpelte es leicht und er musste aufstoßen. Sein nächster Griff galt dem Rotwein, den er in sich hinein schüttete, in der Hoffnung, das werde helfen. – Half anscheinend auch, mögen die Zwölfe wissen, warum.
Missmutig saß er da und besah sich das Schauspiel der anderen. Sah so aus als vertrügen die anderen die Suppe nicht ganz so gut. Es erinnerte ihn an Besancian von Yaquirs Treidel, der vor über 10 Jahren den Fisch nicht vertragen hatte. Sollte es noch Fisch geben, würde er definitiv keinen essen. Grimmig nahm er noch einen Schluck Rotwein.
Dozmano Kaltrek
Das leichte Unwohlsein und die aufsteigende Luft die ihn zum dezenten Aufstoßen zwang, hatte Dosmano gegen Ende des ersten Ganges befallen. Er hätte es vermutlich auf seine innere Anspannung geschoben, doch konnte er dies nun auf Grund der allgemeinen Unpässlichkeit nicht so einfach abtun. Schnell fiel auf, dass die Beschwerden der anderen Gäste und der Füllstand ihrer Teller in Zusammenhang zu stehen scheint. Mit einiger Beunruhigung wurde er sich der Begebenheit bewusst, die sich vor ungefähr einem Jahrzehnt zugetragen hatte. Ein ponterranischer Adliger war nach einem Mahl im familiären Kreis an einer Fischvergiftung gestorben.
Insbesondere, die Geschwindigkeit, mit der die Beschwerden aufgetreten sind und auch deren Heftigkeit machten ihm dabei sorgen. Mehr noch war er allerdings besorgt, dass man sich entschließen könnte die Klärung der Erbschaftsangelegenheit zu vertagen. Er bezweifelte, dass man ihn zu einem späteren Zeitpunkt noch dabei haben wollte. Den erkrankten mußte also umgehend geholfen werden. Er war kein Heiler und hatte daher keine Ahnung, wie so etwas zu behandeln war, doch schien es ihm richtig die Suppe aus den Mägen zu bekommen. „Kotzen ist gut… es muß alles raus“ sagte er sich selbst. Als nun Signore di Selshed ebenfalls zu Boden ging, sprang er auf und eilte zu dem am Boden liegenden Mann. Bevor er sich niederkniete blickt er allerdings noch einmal mit tadelndem Blick zur Haushofmeisterin. „ Mit Verlaub, wir haben es hier mit mehr als einer Magenverstimmung zu tun. Es ist die Suppe! Wir müssen sie aus ihnen heraus bekommen, sie vergiften sich sonst immer mehr“. Damit wandte er sich wieder Alexandrian zu, öffnete dessen Mund um zu sehen, was ihn am Atmen hinderte.
Gorrada und Ucuria
„Was tut..?“, begann Gorrada als der junge Dozmano beherzt aufsprang und den Kopf des Geweihten in den Nacken legte. Dann hielt sie erschrocken die Luft an. Im Schein von Fackeln und Kerzen war der Mund Alexandrians nur schlecht erkennbar, dennoch war das dunkle, angeschwollene Etwas, das seine Zunge sein musste, allzu deutlich erkennbar. Wie konnte er sich überhaupt auf den Beinen halten? dachte die Haushofmeisterin bestürzt.
Sie ließ sich neben Olwid nieder und öffnete nun auch dem Travianer den Kiefer und suchte nach ähnlichem Grauen in seiner Mundhöhle. Seine Zunge war ebenfalls bläulich-schwarz verzerrt, aber deutlich weniger angelaufen als die des Erzpriors. Ein Blick auf den immer noch bewusstlosen Abt ließ sie nun ahnen, was der Erzprior getan hatte. Sie hatte den freundlichen Geweihten für weniger hartgesotten gehalten und nun schien er den Abt vor dem Tode gerettet zu haben. Er dagegen...
Bestürzt fuhr sie herum. Signore Boronello! Ein rascher Blick in den Mund des bleichgesichtigten Mannes, dessen Augenlider flatterten, als habe er einen schlimmen Traum – Ein Alp, fürwahr! – bestätigte ihre Befürchtungen. Auch die Zunge des jüngeren Halthera war angeschwollen – und um ihn hatte sich kein Efferdianer gekümmert! Verzweifelt rang sie die Hände.
Ucuria, die unterdessen den Anweisungen der Haushofmeisterin gefolgt war, war kaum auf der Treppe in die höheren Geschosse des Bergfriedes, als ein gellender Schreckensschrei durch den Turm schallte. Vanossa? Ihr Götter, hat das denn nie ein Ende? Sie hielt auf der Treppe inne und wandte sich stattdessen der Burgküche zu, von der aus der Schrei gekommen zu sein schien. „Praias! Wir brauchen dich hier!“ Verdammter Kerl, wo steckst du nur!
In der Küche angekommen fand sie die Magd wimmernd am Boden vor, wähnte sie schon als Opfer eines Angriffes, bevor sie die Wahrheit erkannte. In einer dunklen Lache, die sich um den umgestürzten Suppentopf gebildet hatte und in die sich nun rötlichere Säfte mischten, lag der Büttel Praias. Seine Augen starrten hinüber zur Stiege in den Vorratskeller. Bis auf Suppentopf und Leiche erschien nichts in der Küche ungewöhnlich: Der Hauptgang, die Diankanudeln, lagen geknetet, befüllt und bestäubt auf einem großen Holzbrett, daneben waren geschnittene Kräuter, etwas köchelte auf dem Herd. Von der Köchin fehlte jede Spur.
Vanossa hatte eine Hand auf Praias‘ Brustkorb gepresst, wo ein allmählich versiegender Blutstrom aus einer eigenartigen Wunde drang. Diese Form... Ucuria wurde eiskalt unter ihrem geflickten Brustpanzer, obwohl Aufregung und Eile sie eigentlich zum Schwitzen hätte bringen müssen. Eine ähnliche Verwundung hatte sie erst vor einigen Tagen gesehen. Als Barisan den alten Kaltrek ins Dorf gebracht hatte.