Briefspiel:Stille Wasser/Akt IIe
Übersicht | Prolog | Akt I | Akt II | Epilog |
Leibesschwachheiten | Ein Küchenunfall | Giftmischer und Quäker | Hinab! | Oben bleiben! |
Horasio ya Papilio
Weg vom Lärm und Geschrei torkelte Horasio mit der Körperlast des Verletzten auf der linken Schulter. Er schleppte Gabellano um Windungen und Biegungen, bis er merkte, dass dieser nicht zum Vorankommen oder auch nur aufrechtem Stehen beitrug. Verzweifelt vor sich hin jammernd ließ der wenig an körperliche Anstrengungen gewöhnte und durch die verdorbene Fischsuppe geschwächte Papilio Gregoran zu Boden sinken, ins kniehohe, kalte Wasser. Erst jetzt bemerkte er, dass er das Schwert fallengelassen und gegen eine Fackel getauscht hatte, ohne dass er sich an den Ort oder Zeitpunkt erinnern konnte. In deren Schein sah Gabellanos Gesicht bleicher aus denn ein Windhager Bergkäse.
Horasios Beinkleid war bis zum Hintern durchnässt. Arme und Beine schmerzten. Er wollte sich einfach neben den stummen Begleiter setzen und warten, bis jemand kam und sie beide aus dieser Lage holte.
Was aber, wenn dieser Jemand der boron- und tsalästerlich umher wankende Körper aus dem Steinsarg wäre? Dieser Gedanke ließ Horasio seine schmerzenden Muskeln straffen. Er packte den Verletzten am Mantelkragen und schleifte ihn durch den halb unter Wasser stehenden Gang.
Er war vor Schmerz und Anstrengung schier besinnungslos, als er endlich die hölzerne Stiege erreichte, die hinauf in die Vorratskammer führte. Nass vor Schweiß und Sickerwasser zog er Gregoran Gabellano diese empor. Die Mühe war zu viel: Horasio ya Papilio sank besinnungslos neben dem Verwundeten auf den staubigen Steinboden.
eine Bewusstlosigkeit und einen Todesfall später
Als Horasio die Augen aufschlug fühlte er sich noch immer schwach, vor allem aber auf eigenartige Weise bekümmert. Mit schmerzendem Rücken richtete er sich halb auf und tastete nach dem Mann, den er aus den Katakomben geschleppt hatte. Stattdessen stieß er gegen den breiten Rücken eines Mannes, der neben ihm und über dem Gesuchten kniete: Caron d'Imirandi. Der feiste Richter blickte sich zu ihm um, sein Gesicht verriet Bestürzung. "Der Signore Gregoran - er hörte Golgaris Flügelschlag!" Horasio richtete sich hastig auf und rieb sich dann den schmerzenden Schädel, bevor er zu Gregoran hinüberkroch. "Ich kam auf der Suche nach einer nicht vergifteten Speise in die Küche", erklärte der ehemalige Iustitiar Shenilos dann zögerlich. "Da habe ich Euch beide vorgefunden. Erst sorgte ich mich um Euch, Signore Horasio, bevor ich die Verletzung des Herren Gregoran entdeckte. Ich versuchte zu helfen, doch..." Während Caron weitere Erläuterungen von sich gab drifteten Horasios Gedanken langsam ab. Er konnte nicht umhin zu denken, dass er Gregoran aus dem Keller gerettet hatte, nur um ihn in der Küche sterben zu lassen.
Rahjada ya Papilio und Geronya Menaris
Geronya nahm dankbar nickend das dampfende Gefäß gewärmten Weines entgegen und trank einige Schlucke. Der kurze Schmerz gefolgt von einer Taubheit auf Lippen und Gaumen verrieten ihr, dass das Getränk noch zu heiß zum Verzehr gewesen war, was ihr aber auf beunruhigende Weise willkommen schien. Sie lehnte sich im Bett zurück, seufzte und warf einen Blick zu jener mit warmen Decken und Kissen ausgestatteten Krippe hinüber, in der ihr Sohn endlich in wohlverdienten Schlaf gesunken war. In dem nur wenig beleuchteten Zimmer, dem eine Öllampe zu fehlen schien wirkte sein goldenes Haar fast dunkel.
Es waren weniger die Worte, als der scheue, sorgenvolle Blick, der jungen Secretaria Rahjada, die Geronya schließlich sprechen ließen. „Was da draußen im Regen geschehen ist?“, sie schüttelte den Kopf, wie um eine unbestimmte Benommenheit loszuwerden.
„Ich vermag es euch kaum zu sagen, Signora ya Papilio. Der Kutscher, der unglückselige Yelsevan, eigentlich ein Diener im Palazzo meines Oheims, hatte angehalten, weil jemand auf der Straße stand. Jemand, sage ich,“ sie schauderte und fuhr dann zögerlich fort. „Ich bin nicht einmal mehr sicher, ob es nicht eher ein Etwas war.“ Sie blickte aus dem Fenster, ihre Augen verrieten der gebannt lauschenden Rahjada, dass die junge Magierin in Gedanken auf jenem Straßenzug des Arinkelstiegs war und nicht hier, auf der Fuldigorsfeste. „Da stand ein Junge, fast nackt im Regen, halb zusammengesunken, regungslos. Natürlich gab ich Yelsevan die Anweisung, die Kutsche anzuhalten!“ Geronyas Tonfall verriet, dass sie sich für diese Entscheidung jetzt schuldig fühlte. „Der arme Mann versuchte, die Tiere zum Stehen zu bringen. Doch statt langsamer zu werden, scheuten die Tiere, sie wieherten wild und bockten. Erst dachte ich noch, der Regen hätte sie so verwirrt.“ Sie machte eine Geste mit der Rechten. „Als er die Zügel hart anzog, gingen die Pferde durch. Ich weiß noch, wie Birga, eine Stute, den Kopf in den Nacken warf und die Nüstern blähte, als habe sie ein wildes Tier in ihrem Verschlag entdeckt.“ Sie schauderte. „Wir versuchten uns festzuhalten, ich hielt mich mit einer Hand fest und mit der anderen versuchte ich meinen Sohn zu halten, während Ovarca, die Amme, das gleiche versuchte! Die armen Würmer hatten solche Angst!“
Erst als Rahjada behutsam nach ihrer Hand griff bemerkte die Adepta, dass sie sich an der Bettkante festgeklammert hatte. „Dann war da ein Krachen, ich hörte die Pferde wiehern und Yelsevan fluchen, dann wurde es schwarz... Ich kann nicht lange ohne Bewusstsein gewesen sein. Mein kleiner Sohn lag wimmernd auf der anderen Seite der Kutsche, er war, die Götter seien gepriesen, nicht verletzt. Die Kutsche lag auf der Frontseite, die Türen waren halb abgerissen und standen offen. Asmodean, der kleine Asmodean war nirgends zu sehen und seine Amme war auch verschwunden!“ Sie sprach jetzt schneller, als wollte sie das Erlebte möglichst rasch berichten, um die Erinnerungen hinter sich zu lassen. „Ich eilte, Gyldarion unter dem Arm, sogleich aus der Kutsche, denn ich fürchtete die gute Ovarca und Asmodean wären hinausgeschleudert worden!“ Sie wischte sich über die tränenden Augen. „Stattdessen fand ich den armen Yelsevan, ich konnte ihm jedoch nicht mehr helfen, genauso wenig wie den Pferden. Die, die noch da waren, heißt das, denn zwei hatten sich losgerissen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Von Asmodean und der Amme weiter keine Spur! Ich legte meinen Sohn rasch auf warme Kissen, die aus der Kutsche gekullert waren, um mich ein wenig umzusehen. Ich ging ein paar Schritte in den Wald hinein, wollte gerade rufen. Die Götter seien gepriesen, meine Stimme war heiser, sonst hätte er mich bestimmt gesehen!“ Sie schauderte. „Ich sah ihn etwa drei Dutzend Schritt entfernt durch den Wald schreiten. Den Jungen!“ Sie nickte heftig. „Ja, er ging nicht, er schritt, wie ein Erwachsener. Er sah gar nicht mehr wie jemand aus, der Hilfe braucht. Als er sich zu mir umdrehte konnte ich für einen Augenblick seine Augen sehen...“ Sie räusperte sich, ihre Stimme war immer leiser geworden. „Dieser Blick...irgendetwas düsteres, eine dunkle Wolke lag über seinen Augen. Ich habe mich dann an einen Baum gepresst und gewartet, bis er davongegangen ist! Praios weiß, ich bin keine mutlose Frau, aber irgendetwas in mir, wollte nicht, dass der Junge mich sah!“ Sie seufzte schwer und schwieg wieder einige Zeit.
„Der Rest ist schnell erzählt: Ich holte meinen Sohn und eilte durch den Regen zur Burg, wo mir, Rondra sei bedankt, Hauptmann Barisan begegnete, der mir half durch Graben und über Zugbrücke zu gelangen.“
Rahjadas Nachtwache
Schließlich überkam die Schwäche die ermattete Magierin und diese sank in einen unruhigen Schlaf. Rahjada zog ihre Wolljacke enger um sich und versuchte es sich auf dem groben Holzstuhl so bequem wie möglich zu machen. Durch den Laden drang das Geräusch des unaufhörlich fallenden Regens zu den beiden Frauen herein, das die Schreiberin bald schläfrig machte.
Nach einer Weile aber schrak Rahjada auf. Hatte sie geträumt? Nein, da war ein metallisches Schaben, das von der Türe her kam. Sie erstarrte vor Furcht: Jeder, der rechtmäßig hätte herein wollen, hätte höflich geklopft. Ein Klacken zeugte davon, dass der unbekannte Eindringling das Schloss geöffnet hatte. Rahjada ya Papilio blickte sich verzweifelt im Raum nach etwas um, um sich und die Schlafende zu verteidigen.
Im spärlichen Licht der Kerze, die den Raum schwach erhellte, war die Gestalt zunächst kaum zu erkennen, die sich nun durch die Tür schob. Sie war nicht größer als Rahjada und doch legte sich Furcht wie eine schwere Hand auf die Brust der jungen Schreiberin. Ein Geruch nach abgestandenem Wasser begleitete den Eindringling und jeder seiner Schritte hinterließ einen feuchten Abdruck auf dem Holz der Dielen. Halblanges, gelocktes Haar hing feucht über Gesicht und Schultern des Jungen, denn wie Rahjada jetzt erkannte war der Eindringling kein Mann, sondern ein Junge von kaum mehr als zwölf Götterläufen. Das Gesicht, das der Eindringling Rahjada jetzt halb zuwandte, als er durch den Raum spähte, hätte Rahjada beinahe aufschreien lassen. Der Druck auf ihrer Brust wurde stärker und die junge ya Papilio fragte sich einen Augenblick, ob es wirklich nur die Furcht war, die ihr den Atem nahm.
Es war nicht die bleiche Haut des Jungen, die so durchscheinend war, dass bläuliche Adern zu erkennen waren, die sie erstarren ließ. Die rissigen, violetten Lippen, die in einem angedeuteten Lächeln geformt waren, waren es ebenfalls nicht. Und auch der eilig durch ihren Geist hetzende Gedanke, dass irgendwas an dem Jungen ihr bekannt vorkam, konnte sie nicht derart erschrecken.
Es war der Gesichtsausdruck des Jungen, der eine ganz und gar unkindische, ja schier unmenschliche Gier angenommen hatte, als er die Kinderkrippe gewahrte.
Der Junge schien Rahjada nicht wahrzunehmen. Oder vielleicht ignorierte er sie auch einfach, weil er spürte, dass von der verängstigten Schreiberin keine Gefahr ausging. Es war ihr nur zu vertraut, dass niemand von ihr Notiz nahm, und meist war ihr das auch sehr recht. So wie in diesem Augenblick. Sie merkte, dass sie immer noch die Luft anhielt, um kein Aufsehen zu erregen. Das gelang, obwohl der Druck auf ihrer Brust schmerzhaft wurde. Der unheimliche Eindringling tappte langsam auf Gyldarions Krippe zu und schlug mit einer fahlen Hand die Decken zur Seite. Gleich würde er das sanft im Schlaf schnurchelnde Kleinkind packen, um was auch immer mit ihm zu tun. Rahjada wusste, sie müsste handeln. Aber sie war keine Heldin, keine Kämpferin. Was würde es für einen Unterschied machen, wenn sie sich auf das bleiche Kind stürzte? Sie wimmerte vor Verzweiflung ob ihrer Ohnmacht.
Ruckartig drehte sich der Kopf zu ihr um. Seine Augen, dunkel wie ein Waldsee, durchbohrten sie. Die Schreiberin stieß einen spitzen Angstschrei aus und kippte seitlich von ihrem Stuhl. Anscheinend unschlüssig, was er als nächstes tun sollte, verharrte der Eindringling. „Was... ist los?“, murmelte Geronya von der Liegestatt, vom Schrei geweckt. Der Junge ruckte herum, fixierte die Magierin und streckte eine Hand nach ihr aus. „Weg von ihr!“, schrie Rahjada mit in ihren eigenen Ohren peinlich furchtsamer Stimme und sprang auf. Mit der Kraft der Angst riss sie den Stuhl empor und ließ ihn auf den Fremden niederkrachen.
Weiblicher Widerstand
Ein Stuhlbein prallte gegen Geronyas Hüfte, als sie sich aus dem Bett aufgerappelt hatte. Der Fremde – ein Junge? – taumelte zur Seite, der Schlag Rahjadas war nicht mit gewaltiger Kraft, aber immerhin mit einem Stuhl geführt worden. Eine Weile schaute sie sich hilflos im Raum um – ihr Magierstab war irgendwo in den Wäldern verloren gegangen, eine andere Waffe war nicht in Sicht, und auch Madas Gabe vermochte sie nicht für kriegerische Belange zu kanalisieren. Dann eilte sie zu jenem Wandteppich des Gransignors Miano, dessen ernster Blick sie in ihre bereits versickernden Träume verfolgt hatte.
Aus dem Augenwinkeln wurde sie gewahr, was ihrer Helferin einen weiteren Schrei entlockt hatte: Der Junge war bereits wieder auf den Beinen, der Schlag hatte ihn offenbar nicht ernstlich verwundet. Schnell flatterte der Stoff zu Boden und landete neben der Krippe ihres Sohnes, dessen Haare im fahlen Licht des Raumes fast dunkel aussahen. Seine dunklen Augen waren angstgeweitet, aber der tapfere Gyldarion hatte noch nicht zu schreien begonnen. Die Eisenstange in der Hand, drehte sich Geronya gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie der kleine Junge mit seinen nassen Händen den Hals Rahjadas umklammerte und begann, die größere Frau in die Knie zu zwingen.
Geronya hob die ungewohnte Waffe und zögerte. Es ist nur ein Junge! Ein Blick in das Gesicht des Angreifers ließ sie ihr Zögern vergessen und mit Wucht hieb sie das Eisen gegen die Schulter des Jungen, um den tödlichen Griff zu lockern.
Ein ungesundes Geräusch erklang, als die ungewöhnliche Waffe auf den Arm niederfuhr. Ein Schrei ertönte, gefolgt von einem Stöhnen. Den Schrei hatte Geronya ausgestoßen, als sie sah, wie sie den Jungen verletzt hatte, das wimmernde Stöhnen hatte der Verletzte selbst ausgestoßen. Sein Kopf wanderte in eigenartigem Winkel zu der Magierin hinüber, die nicht mehr tun konnte, als ihn anzustarren. „Lass sie los. Lass endlich los“, murmelte sie dann mehr, als dass sie schrie.
Einen Augenblick später lief ein dunkler Schatten über die verzerrten Züge des Unheimlichen und er fiel zu Boden. Sein verletzter Arm, seine verkrampften Hände, sein ganzer Körper lag auf den Dielen, als hätte man einer Mirhamionette die Fäden durchschnitten. Etwas Dunkles, Blut oder Wasser, sickerte unter dem Jungen ins Holz. Rasch wandte sich die Adepta zu der flach keuchenden Rahjada, die mit bleichen Zügen und einer Hand an der Kehle ebenfalls zu Boden gegangen war. „Es ist vorbei meine Liebe! Er kann Euch nichts mehr tun.“ Sie beugte sich über die junge ya Papilio und strich ihr einmal über den Kopf, bereitete im Geiste bereits die Heilformel vor, um ihrer Helferin nun selbst zu helfen.
Das schwach aufkeimende Lächeln Rahjadas, als sie die Lider öffnete, währte nicht lange. Stattdessen richtete sie weit aufgerissene Augen auf einen Punkt hinter Geronyas Schulter. Mit lähmender Langsamkeit drehte sich die Adepta um, als eine kalte Hand nach ihren Eingeweiden griff und ihre Lungen schmerzen ließ.
Aus den Dielen unter der hölzernen Bettstatt des Kleinkindes drang Etwas, sickerte eine dunkle, zähe Flüssigkeit. Ein Strang, fast ein Arm, halb Schatten, halb Pechwasser, reckte sich windend die Krippe hinauf. Geronya war mit einem Satz bei der Krippe und riss sie zur Seite. Jetzt endlich fing der Kleine zu weinen an. Von Angst erfüllt, die von brennendem Zorn bekämpft wurde, zeichnete die Magierin einen Kreis über Gyldarion und sich in die Luft und atmete heftig aus, als sie ein kurzes Knistern in der Luft hörte.
Nur halb bemerkte sie, wie Rahjada hilfesuchend aus der Tür eilte, denn jetzt war das Dunkle über ihr. Ein Schimmern, begleitet von einem Geräusch, als hätte jemand Fingernägel über eine Tafel gezogen, ertönte, als die Flüssigkeit über den Schild schwappte. Neben ihr wimmerte das Kind und rasch zog sie ihn aus der Krippe, bettete ihn in ihre Arme. „Wir müssen aushalten, es wird Hilfe kommen!“, flüsterte sie ihm zu.
Der Raum wurde vollends finster, als die Dunkelheit des Wesens sich über die schützende Kugel legte. Geronya keuchte und schnappte nach Luft. Ihr Hals fühlte sich an, als habe sie Wasser geschluckt. Aber sie hielt den Knaben weiter fest, wich nicht davon, obwohl sie spürte wie die Kraft ihres Schildes und ihre eigene gleichermaßen schwanden.
Es kommt keine Hilfe. Wir sind verloren. Geronya ging in die Knie, legte ihren Oberkörper schützend über das Kind und wartete nur noch auf das Geräusch des brechenden Schildes und des hineintriefenden Grauens. Sie flüsterte Gyldarion beschwichtigend zu und blickte endlich wieder in sein Gesicht, um ihn ein letztes Mal zu küssen. Dann erstarrte sie.
Für einen Augenblick war die Bedrohung vergessen. Es waren nicht die grauen Augen des blonden Jungen, die sie anblickten. Das war nicht ihr Sohn. Das war nicht Gyldarion. „Asmodean?“, keuchte sie.
Ein wütender Schrei toste durch ihren Geist und ließ Magierin und Kind in gleicher Weise zittern. Der beständige Druck ließ von ihrem Leib ab. Erst nach einer Weile schaute Geronya auf, nur um zu sehen, dass der letzte Rest der flüssigen Bedrohung zerfloss, der Schatten sich zersetzte und schließlich nur mehr feuchte Dielen und einen toten, zerschundenen Jungen zurückließ.
Fassungslos blickte sie schließlich noch einmal auf den sich langsam beruhigenden Jungen hinab. Die Amme hat nicht gelogen, schoss es der Magierin durch den Kopf. Ihr Neffe vermochte tatsächlich sein Antlitz zu verändern. Ihr Geist flüchtete sich eine Weile in jene analytischen Gedanken. Vor der Tür waren Schritte zu vernehmen. Doch bevor besorgte Stimmen und hastige Schritte den Raum betreten hatten war die Adepta Geronya Menaris bereits in erschöpfte Bewusstlosigkeit gefallen. Den Neuankömmlingen lächelte zaghaft ein von dichtem braunem Haar umrahmtes Gesicht mit gutmütigen blauen Augen entgegen.