Briefspiel:Das Treffen im Silbernen Saal (2): Unterschied zwischen den Versionen
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Während des offiziellen Empfangs hatte sich Leomar noch am Wein des Gastgebers gütlich getan. Zufrieden stellte er fest, dass dieser teure Cassianti auch nicht besser mundete, als die Weine aus den Weingütern der Familie della Pena. Nun gut, in der Produktionsmenge konnte er mit der Santa-Ricarda-Kellerei nicht mithalten, aber die hohe Qualität seiner eigenen Produktion war der Ausdruck seiner persönlichen Rahja-Verehrung. | Während des offiziellen Empfangs hatte sich Leomar noch am Wein des Gastgebers gütlich getan. Zufrieden stellte er fest, dass dieser teure Cassianti auch nicht besser mundete, als die Weine aus den Weingütern der Familie della Pena. Nun gut, in der Produktionsmenge konnte er mit der Santa-Ricarda-Kellerei nicht mithalten, aber die hohe Qualität seiner eigenen Produktion war der Ausdruck seiner persönlichen Rahja-Verehrung. |
Version vom 13. Juli 2024, 19:02 Uhr
Alessandero dell'Arbiato, 19. TSA
Leises Lachen drang aus der Kutsche, die durch den strömenden Regen über eine Brücke die Argenna überquerte. In der Ferne waren die ersten Häuser von Urbasi zu sehen, welche sich unter den dunkelgrauen Wolken zu ducken schienen. Die Hufe der berittenen Bedeckung trommelten dumpf auf dem aufgeweichten Boden und warfen schwere Erdklumpen auf.
"...Wir erlaubten uns, zu dieser Gelegenheit auch weitere Getreue zu laden, damit dem Widerstand .....", dieser Teil des Schreiben brachte Alessandero dell'Arbiato wirklich zum Lachen. Hatte der Gransignore seinen schnellen Aufstieg schon mit dem Sammeln möglichst vieler Titel kompensiert, so schien er nunmehr höhere Ambitionen zu haben. Warum sonst der Gebrauch des Pluralis Majestatis? Und das Gransignore Traviano, selbsternannter Silberherr Urbasis, ausgerechnet ihn zu seinen "Getreuen" zählte, nun ja, war dies Anerkennung oder Beleidigung?
Einerlei, überlegte sich der in schwarz und silber gekleidete Signore. Es würde nichts schaden, der Einladung nachzukommen. Baumeister Buontalenti wollte sowieso einige Einzelheiten der Gestaltung seines neuen Palazzos klären, da konnte er das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Es dürfte interessant sein, die "Getreuen" seines Lehensherrn kennenzulernen. Und natürlich zu erfahren, was der Gransignore im Sinn hatte.
"Ehre, wem Ehre gebührt", den Wahlspruch seines Hauses zitierend, lehnte sich Alessandero dell'Arbiato, Signore d'Alicorno und Stadtvogt von Urbasi, immer noch lachend zurück. Das Treffen versprach interessant zu werden. Auf jeden Fall aber amüsant....
Der Kutscher ließ die Peitsche knallen und der Vierspänner mit seiner Escorte eilte der fernen Stadt entgegen.
Später: Sala d’Argento
Ah, mimus vitae, das Possenspiel des Lebens. Die Zeile aus einer von Alessanderos Lieblingsopern kam diesem in den Sinn, als er den Silbernen Saal des Palazzo Magistrale betrat. Der vom Stadtherrn großzügig hergerichtete und der Stadt als Geschenk zugedachte Saal erstrahlte im Glanz von 100 Wachskerzen, deren Licht von in Silber gefaßten Spiegeln vervielfacht wurde. Frescos bedeckten die Wände und erzählten von Ruhmestaten aus der Vergangenheit. Statuen aus edlem Marmor waren wie Wachtposten entlang der Wand aufgereiht und beobachteten die Anwesenden aus Fleisch und Blut, aus den auf ewig unbewegten steinernen Augen.
Hier, San Palladio, der Geweihte des Ingerimm, der den Befehlen der Priesterkaiser trotzte. Dort, eine namenlose Schönheit, scheinbar gerade dem Bade entstiegen. Und dann ein Abbild der heiligen Lutisana, das Schwert erhoben gegen eine unsichtbare Gefahr, unerschrocken und zuversichtlich im Ausdruck. Sie und weitere waren die Zuschauer des Schauspiels, dass sich hier entfaltete.
"Der Signore d'Alicorno und Stadtvogt von Urbasi", kündigte ein Lakai die Ankunft dell'Arbiatos an. Mit sardonischem Lächeln erfaßte er mit einem Blick die Versammlung. Adelige, Patrizier und Lakaien waren versammelt, die einen freiwillig dem Ruf des Stadtherrn folgend, die anderen der Lockung von silbernen Talern gehorchend. Sie alle waren Teil des Schauspiels, ein jeder spielte die ihm zugedachte Rolle.
"Die Zwölfe zum Gruße", waren dell'Arbiatos erste Worte, die er mit gewinnendem Lächeln von sich gab. Es war Zeit für seinen Auftritt in der Rolle des gehorsamen Lehensmannes, des väterlichen Freundes der Patrizier, des hilfreichen Ratgebers. Wie jeder andere hier auch trug er eine unsichtbare Maske, Gedanken und Absichten verbergend und verfälschend.
Aber ihm kam auch ein anderer Satz aus seinem Lieblingsstück in den Sinn: Nemo enim potest personam diu ferre - Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen...
Traviano von Urbet-Marvinko, 19. TSA
„Ihr werdet den Weg schon finden …“, scherzte Traviano seinen beiden am Vorabend eingetroffenen Gästen zu. Tarquinio, Romejan und er hatten – nachdem sie gestern nach den Reisestrapazen kaum dazu gekommen waren – in ersten Gesprächen ihre jeweiligen Ziele auszuloten versucht, und dabei aus dem Kabinett, in dem Traviano am Vortag mit Schwester und Vetter beisammen gesessen hatte, auf die Piazza di Renascentia herabgeblickt. So konnten sie bequem beobachten, wie die Gäste der Feierlichkeit im Silbernen Saal nach und nach beim Palazzo Magistrale angekommen waren. Die Frühesten – und Pünktlichsten – waren die noch am wenigsten vermögenden und einflussreichen Gäste, vornehmlich Patrizier, die sicherlich darauf gehofft hatten, bereits den einen oder anderen Kontakt zum Adel zu knüpfen, dessen wohl zahlreiches Erscheinen sich längst herumgesprochen hatte.
Mittlerweile waren aber auch Leomar della Pena und seine Gattin Odina beim Palazzo eingetroffen, so dass Traviano seine gastgeberischen Pflichten nicht mehr länger vor sich her schieben konnte und sich rasch von seinen beiden Gästen (die sich ihrerseits für die Feierlichkeit herausputzen wollten, was Traviano schon getan hatte) verabschiedete.
Am Tor des Castello d’Urbasi warteten schon seine Schwester Odina und seine Vettern Gonzalo und Jago auf Traviano, bereit mit ihm die wenigen Schritte über die Piazza di Renascentia zu machen. Auf dem Platz angekommen, begrüßte den Stadtherrn ein sich trotzig durch die schweren Wolken schiebender Sonnenstrahl, ein Vorbote des Frühlings, wie es schien, und ließ die erst am Morgen noch einmal von unschönen Witterungsspuren beseitigte Piazza in hellem Licht glänzen.
Im Palazzo gerade verschwinden sah der Stadtherr seinen ungeliebten Stadtvogt – und nicht nur er. „Dieses durchtriebene Stück willst du doch nicht wirklich in alle Einzelheiten des Plans einweihen, nicht?“, machte Travianos Vetter Gonzalo gleichsam fragend wie feststellend seinem Missfallen Luft. „Wir werden es sehen …“, gab der Angesprochene mit einem spitzfindigen Lächeln zurück.
Am Portal des Palazzo angekommen, hörten die Marvinkogeschwister und –vettern gerade noch die Ankündigung des Eintreffens Alessanderos durch die Gänge schallen: „… Signore d’Alicorno und Stadtvogt von Urbasi.“ Gemessenen Schrittes erreichten auch sie wenige Augenblicke später die Tür zum Silbernen Saal. Der Lakai, der für das Ausrufen eingeteilt war, – offensichtlich ein Diener des Magistrats und nicht sein eigener Herold – blätterte angesichts des Auftauchens des Stadtherren hastig in seinen Spickzetteln, bis er gefunden hatte, was er suchte.
„Seine Hochgeboren Traviano Nepolemo Seneb von Urbet-Marvinko, Gransignore von Urbet, Stadtherr von Urbasi, Signore von Urbet, Cindano und Gygenna, Silberherr der urbasischen Talerschmieden, Erster Marschall des Ordens zum Grabe der Heiligen Lutisana von Kullbach …“ Jegliche Atempause unterdrückend, schwoll dem nervösen Lakaien das Gesicht langsam an, als ihn ein ungnädiger Blick des Ausgerufenen von weiteren Ausführungen abhielt. Stattdessen setzte er noch nach Luft ringend hinzu: „In Begleitung seiner Schwester Odina Elanor, Signora von Ayrn, Hofcanzellaria und Hohe Truchsessin, sowie seiner Vettern Jago Fusco, Hofjustitiar und Hoher Richter und Gonzalo Gerondriano, Hofconstabler und Hoher Seneschall.“
Die Aufmerksamkeit der Anwesenden lag nach dieser langen Einführung natürlich zur Gänze bei den Eingetroffenen, doch Traviano bedeutete mit einer kurzen Geste, vorerst keine große Ansprache halten zu wollen und begrüßte die ihm vertrauten Gesichter stattdessen persönlich.
Romejan di Tamarasco, 19. TSA
Mit dem strengen Blick, der schon seiner Großmutter zu viel Respekt verholfen hatte, trat Romejan di Tamarasco in den Saal, gekleidet in weiß und das Gold des Wappen der di Tamarasco. Den Blick stolz erhoben, machte er neben dem Ausrufer eine kurze Pause, um diesem die Gelegenheit zu geben, ihn anzukündigen.
„Seine Edelgeboren Cavalliere Romejan di Tamarasco, Enkel und Gesandter ihrer Hochgeboren Baroness Daria di Tamarasco." Vielleicht nicht ganz so beeindruckend wie die Ankündigung des Gastgebers, die er bei seinem Eintreffen mitbekommen hatte, doch zumindest die Patrizier würden ihn mit dem gehörigen Respekt behandeln können. Und der Name seiner Großmutter, auf dessen Nennung er bestanden hatte, würde auch den anderen Adeligen ein rechtes Bild vermitteln, mit wem sie da verhandelten.
Seinen Blick wahrend schritt Romejan durch den Saal. Zwar war er vom Blinken und Funkeln der Kerzen in den Spiegeln und Fresken durchaus beeindruckt, doch wusste er besser, als es sich anmerken zu lassen. So unauffällig es ihm möglich war, reihte er sich in die Menge jener ein, die noch ihrer Begrüßung durch Traviano von Urbet-Marvinko harrten.
Traviano von Urbet-Marvinko, 19. TSA
„… und so ist es uns eine Freude, diesen Saal nach Wochen und Monaten des Umbauens und Erneuerns wieder den Bürgern Urbasis zur Verfügung stellen zu können, auf dass hier stets weiser Rat gehalten und umsichtige Entscheidungen getroffen werden – und die Zukunft dieser großartigen Stadt denn auch zu Größe und noch mehr Wohlstand führe!“
Mit diesen Worten seine Ansprache vor den versammelten Gästen beendend, hob der Stadt- und Silberherr Urbasis sein fein geschliffenes Kristallglas mit dem teuren Cassianti aus der hiesigen Santa-Ricarda-Kellerei und prostete den es ihm gleichtuenden Anwesenden zu. An seiner Seite erhob nun indes seine Schwester Odina das Wort, den Ausführungen ihres Bruders in ihrer gewohnt trockeneren Art noch manche Details hinzuzufügen. Traviano gab den von ihm speziell der Absprache wegen nach Urbasi geladenen Adligen des Umlands währenddessen ein Zeichen, ihm in ein benachbartes Kabinett zu folgen, vor dem zwei Gardisten mit dem Helm Urbets auf der Brust Wache hielten.
Das Kabinett wirkte deutlich dunkler und schwerer als der hellerleuchtete Silberne Saal nebenan. Die Wände waren mit Mohagoni verkleidet, davor prangten mächtige Bilder mit den Taten der Altvorderen, darunter einer glorifizierenden Darstellung des Schwurbunds auf Baliiri. Ein großer Kamin mit bereits prasselndem Feuer erhellte den Raum beinahe mehr als die verstreuten Wandleuchter und die zwei Fenster auf der gegenüberliegenden, dem Hinterhof des Palazzo Magistrale zugewandten Seite.
Traviano wartete bereits an der Stirnseite eines zentral im Kabinett aufgestellten Tisches, um den weitere schwere Lehnstühle aufgereiht waren. Als des Gransignors Vetter Gonzalo ihm zur Seite kam, wechselte der Silberherr von den Eintretenden leicht abgewandt mit diesem einige Worte. Den Adeligen präsentierte sich indes auf dem Tisch ausgebreitet eine relativ neue Karte des Umlands der Stadt Urbasi, daneben liegend einige Marker aus Elfenbein und Ebenholz, wohl der Veranschaulichung militärischer Bewegungen dienen sollend.
Als die Anwesenden sich so einen ersten Blick über die Räumlichkeit hatten machen können, wandte sich auch Traviano mit erwartungsvollem Gesichtsausdruck diesen wieder zu …
Leomar Romualdo della Pena, 19. TSA
Während des offiziellen Empfangs hatte sich Leomar noch am Wein des Gastgebers gütlich getan. Zufrieden stellte er fest, dass dieser teure Cassianti auch nicht besser mundete, als die Weine aus den Weingütern der Familie della Pena. Nun gut, in der Produktionsmenge konnte er mit der Santa-Ricarda-Kellerei nicht mithalten, aber die hohe Qualität seiner eigenen Produktion war der Ausdruck seiner persönlichen Rahja-Verehrung.
Jetzt aber gab der Gransignor von Urbet, Silberherr, und was er noch für Titel sein eigen nannte, ein Zeichen, dass die private Unterredung des Adels beginnen sollte. Endlich, die bisherigen Feierlichkeiten hatten ihn bereits zu langweilen begonnen. Das nächste Mal musste er unbedingt daran denken, bei seinem Hofkapellmeister Ricardo Stellmacher eine Triosonate in Auftrag zu geben, um dem nächsten Empfang eine angemessene musikalische Untermalung zu verleihen. Nun verabschiedete sich Leomar also von seiner Frau, die die Familie hier beim gesellschaftlichen Geplänkel bestens vertreten würde und schritt gemessenen Schrittes zwischen den Gardisten ins benachbarte Kabinett.
Erfreut stellte Leomar Romualdo fest, dass Gransignor Traviano dort bereits ausreichendes Material für strategische Planungen bereitstehen hatte. Er hatte schon gefürchtet heute würden mal wieder nur große Reden geschwungen werden, bei denen am Ende wenig beschlossen sein würde, aber so sah es ja danach aus, als ob man wirklich in medias res gehen würde. Das traf sich auch insofern trefflich, dass er hier mit seinen militärischen Kenntnissen glänzen konnte, denn in dieser Materie war er den meisten der Anwesenden, die ihren Erfolg eher auf Intrigen, Geheimabsprachen und Vertragswerke stützten, an Kompetenz doch deutlich überlegen. Nun denn, dann sollte man auch nicht länger warten und er wandte sich an den Gransignor mit den Worten: „Ah, verehrter Traviano, wie wir sehen seit Ihr im Begriff eine rechte campagna zu planen. Wir sind äußerst gespannt eure Ausführungen dazu zu hören, also möget Ihr doch beginnen…“
Währenddessen saß im Hotel Silbertaler eine zerknirschte Lutisana di Gorfar, die Tochter Leomars verwünschte zum wiederholten Mal ihren starrköpfigen Vater, der partout ohne sie auf diese wichtige Adelszusammenkunft gehen wollte. Nun war sie schon seine engste Beraterin, da konnte sie doch hoffen, dass er sie zu diesen Geschäften mitnehmen würde, um ihn vor den gröbsten Folgen seines manchmal all zu direkten Auftretens zu bewahren. Aber nein, der Herr Papa brauchte keine Unterstützung, seit 30 Jahren würde er mit seinen Standesgenossen verkehren, das könne sie getrost ihm überlassen. Also konnte sie nur hoffen, dass alles gut ginge…