Briefspiel:Brot und Beute (2)
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In einer der letzten Praiostagssitzungen im Efferd 1034 BF erinnert Duridanya Zorgazo die anwesenden Amtsträger der Signoria Urbasis an das bevorstehende Fest der eingebrachten Früchte (1.-3. Travia).
Duridanyas Ansinnen
Duridanya erhob sich als erste Sprecherin des Tages von ihrem Platz. "Verehrte Signori", sie nickte in die Runde und wartete bis alle Gespräche unter den Anwesenden verstummt waren.
"Wie wir alle wissen, steht das Fest der eingebrachten Früchte kurz bevor. Diesmal jedoch hat dieses Fest eine noch größere Bedeutung als die Götterläufe zuvor. Die heftigen Stürme im Firun und die damit einhergehenden Zerstörungen vor allem an den Mühlen, ließ uns mit Sorge auf die Zeit der Ernte blicken. Doch mit großen Anstrengungen und Mühen ist es uns gelungen, die meisten Schäden rechtzeitig zu beseitigen. Zu diesem Anlass hat die Kornzunft in ihrer letzten Sitzung beschlossen, zeitgleich mit dem Fest der eingebrachten Früchte ein Brotfest zu feiern, um damit die Fertigstellung der Mühlenreperaturen zu feiern. Die Bürger Urbasis werden aufgerufen, zu diesem Anlass passende Dekorationen ihrer Häuser vorzunehmen. Entsprechende Aufruferklärungen sind bereits von Mitgliedern der Kornzunft erarbeitet und werden an den dafür vorgesehenen Stellen angeschlagen. Bei dem Brotfest soll unter anderem auch eine Armenspeisung vorgenommen werden. Hierfür sammelt die Kornzunft noch Spenden. Also, wenn einer der Anwesenden sich angesprochen fühlt, so kann der- oder diejenige am Ende der Sitzung auf mich zukommen. Die Namen der Spenderfamilien werden selbstverständlich bekannt gemacht. Angedacht war als Veranstaltungsort für das Brotfest entweder der Kornmarkt auf der Piazza del Grano oder der Mühlenberg unterhalb der zunfteigenen Windmühle ausserhalb der Stadtmauern. Vorschläge und weitere Anregungen wären gern gesehen."
Duridanya verbeugte sich kurz, um anzudeuten, dass sie alles gesagt hatte, was es zu sagen gab, und nahm wieder auf ihrem Sessel Platz.
Panthinos Einwand
„Auf dem Mühlenberg? Den das Volk auch den ‚Geisterberg‘ nennt …“, zeigte sich Priore Panthino skeptisch.
„Ihr wollt die zu speisenden Armen doch nicht verschrecken, oder? Bei den Schauergeschichten, die sie sich über die Ruinen dort erzählen … Naja, fühlt euch jedenfalls schonmal vorgewarnt wegen der Spenden – im Säckel meines Hauses wird sich dafür sicher noch der eine oder andere Dukaten auftreiben lassen. Und wegen des Ortes, nun da wäre wohl in der Tat der Kornmarkt die bessere Wahl – wenn man nicht gleich auf den Renascentia-Platz ausweichen will, um etwa die Verbundenheit des Patriziats den Popoli gegenüber noch besser zum Ausdruck zu bringen …“
Alienas Einwände
Aliena di Taresellio hob kurz den Kopf von ihren Unterlagen und zog die Augenbrauen zusammen: "Ich hoffe, unsere verehrte Signoria Zorgazo meint mit UNSEREN Anstrengungen, die UNSERE Mühlen rechtzeitig wieder betriebsbereit machten, die Anstrengungen und die Voraussicht der urbasischen Häuser des Aurelats. Es wäre mir neu und würde mich sehr überraschen, wenn UNSERE urbasische Signoria hier involviert gewesen wäre; sind doch die meisten hier Anwesenden mehr mit dem städtischen Güterhandel als den Sorgen und Nöten des Contado Urbasis vertraut."
Ihr zuckersüßes Lächeln konnte eine offene Flamme einfrieren lassen.
"Was den Vorschlag der Signora betreff der öffentlichen Speisung betrifft, so darf ich in Nomine der Steinzunft sowie des Hauses dell'Arbiato in größter Bescheidenheit behaupten, dass noch kein Bedürftiger von meiner Zunft oder meinem Haus nicht in traviagefälliger Güte willkommen geheißen wurde. Eine solch vorgeschlagene Speisung, wie sie Signora Zorgazo vorschwebt, erachten wir daher als überflüssig."
Ihr Lächeln zeigte nunmehr eine Spur Boshaftigkeit.
"Die Steinzunft stimmt allerdings der Signora zu, dass die Kornzunft eine solche traviagefällige Speisung abhalten sollte und wird daher mit Aushängen in Urbasi und Umgebung alle Bedürftigen aufrufen, die Gaben der Kornzunft entgegenzunehmen. Es wäre daher meines Erachtens angemessen, das Spectaculum auf die Piazza Renascienta zu verlegen. Ich bin sicher, dieser wird dem zu erwartenden Andrang gewachsen sein und genügend Platz bieten."
Duridanyas Reaktion
Duridanya verzog keine Miene und verfolgte die Ausführungen Panthinos und Aliena dell´Arbiatos gespannt. Konnte dann aber doch ihre eigene spitze Zunge nicht unter Kontrolle halten.
"Signora dell´Arbiato scheint zu vergessen, dass der städtische Güterhandel meiner Familie im Aurelat wächst. Ich habe jedenfalls noch nie eine goldene Ähre gedeihen sehen auf dem Pflaster der Piazza di Renascienta."
Duridanyas 'Kampflächeln' wirkte auf die Beteiligten nicht minder frostig, als das ihrer Vorrednerin.
"Und mit Bescheidenheit kann ich behaupten, dass auch die von der Kornzunft Urbasis geführte Mühle vor den Stadtoren größter Anstrengungen bedurfte." Sie sagte die Worte mit einem genugtuenden Lächeln auf dem Gesicht. "Aber selbstverständlich soll das Brotfest ALLE Anstrengungen würdigen, die Schaden und Unheil von dieser schönen Stadt abgewendet haben. Was mitnichten eine drohende Hungersnot wohl ist."
Sie machte eine Pause und blickte Aliena dell´Arbiato direkt an. "Und wenn ihr meint eine Speisung der Notleidenden sei überfüssig, so seid ihr wohl lange nicht aus eurem Salon herausgekommen verehrte Signora. Die Narben der Kriege, die unser Silbertal heimgesucht haben, sind noch allerorts zu sehen. Frauen, denen die Männer genommen wurden, und Kinder ohne Väter gibt es im Überfluss. Daher erachte ich eine solche Speisung als durchaus notwendig. Immerhin begründet auch das Haus dell´Arbiato seinen Wohlstand aus dem Blut der Männer, die zu Boron gerufen wurden und heute als Ernährer derer fehlen, deren Speisung wir hier gerade diskutieren."
Duridanya wendete ihren Blick von Aliena ab und ließ ihn durch den Raum schweifen. "Die Piazza di Renascienta also, oder höre ich noch andere Vorschläge oder Einwände?" Ihr Blick blieb auf Panthino ruhen. "Und für Geistergeschichten sind wir doch nun wirklich zu alt."