Briefspiel:Im Auge des Chaos/Widerstand ist zwecklos
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30. Rahja, Senat in Efferdas. Das Reinigungsfest
Von draußen klangen hundertfach Schreie in den marmornen Sitzungssaal des Senates. Er konnte nicht sagen, dass er sich an diese gewöhnt hatte, aber sie waren im vergangenen Jahr keine Seltenheit mehr. Viele schreiten vor Schmerz, weitere vor Kummer. Doch heute waren sie zahlreicher und verzweifelter als je zuvor. Und wenngleich er seinen Platz auf den Stufen dieses Gebäudes erst seit einem Monat innehatte, sprach sein Blick von Reue und Verzweiflung. Wie hatte es nur so weit kommen können? Wie hatte er es so weit kommen lassen können? Was jetzt geschah, war vielleicht sogar das logische Ende einer Entwicklung, die mit dem Erdbeben vor etwas mehr als einem Jahr seinen Anfang genommen hatte. Seitdem hatte die Angst Einzug in die Stadt gefunden und die Gier nach schnellen, radikalen Lösungen für ihren Weg aus der Not hatte viele das Miteinander vergessen lassen. Unter der Devise „mich wird es schon nicht treffen“ hatte es inzwischen jeden in der Stadt sehr wohl getroffen. Die Rondrikan-Löwen hatten ganze Arbeit geleistet, sich inzwischen einmal komplett durch die Bevölkerung geprügelt, beleidigt, erpresst und geplündert. Man hätte sie vielleicht viel früher in ihrem Tun stoppen müssen. Vielleicht hätte er etwas tun müssen. Seinen Vater vielleicht früher zum Rücktritt aus dem Senat drängen sollen, um sich selbst diesem Chaos entgegen zu stellen. So aber erlebte Croënar di Camaro eine Perversion des Reinigungsfestes, welches er sich so in seinen schlimmsten Alpträumen nicht hätte erdenken können.
Für gewöhnlich verbringt man in Efferdas den Tag des hesindegefälligen Festes mit einem Hausputz und der rituellen Reinigung der Tempelschätze. Nicht nur Unrat wird feierlich vor dem grünen Platz verbrannt, auch von Tand und Plunder, der einem materiell oder seelisch Ballast geworden ist, befreit man sich auf diese Art. So soll, heißt es, das Böse und Dunkle aus dem Haus getrieben und gebannt werden. Und so wie das Volk die eigene Wohnstatt pflegt und hegt, so trachten die Priester der Zwölfe danach einander bei der Purgato* der heiligen Tempel zu übertreffen. Statuen, Bildnisse, Devotonalien – alles blitzt und blinkt, so dass es manchen Gläubigen blenden mag, wenn er die Hallen in dieser Schönheit bei seinem Besuch erstrahlen sieht. Kurzum: Die Stadt gleicht einem emsigen Bienenhaufen, der sich herausputzt und der Dunkelheit der Namenlosen Tage rein und geläutert trotzen will.
Auch im Senat wird in der traditionell letzten Sitzung des Jahres zum Ende symbolisch ein Pamphlet verbrannt, welches alle gescheiterten Anträge und Einwürfe des Jahres auflistet. Doch in diesem Jahr brannte etwas anderes: Lodernde Flammen schlängelten sich als eilig errichteten hölzernen Barrikaden in den Gassen der Stadt empor, griffen auf Häuserzüge über und verwandelten Teile seiner Heimatstadt in eine tödliche Feuersbrunst. Doch noch viel schlimmer, die Werte und Worte der Republik, ihre Constitutio , die sich ihrer Jugend und Freiheit in der Coverna rühmte, standen in Flammen!
Ein kräftiger Fußtritt in den Rücken des Senators weckte diesen aus seinen Gedanken. „Los, du Verräter!“ Der Säbel des Söldlings ließ keinen Zweifel daran, dass dieses Raubein den Senator di Camaro an dessen neuen Arbeitsort eskortieren wollte – einer Kerkerzelle im Keller. Auch um ihn herum hatten Soldaten der Republikanergarde anderen Senatoren unmissverständlich klar gemacht, dass sie das Ende dieser Senatssitzung nicht an dieser Stelle erleben würden. Wohlgemerkt den wenigen Senatoren und Beamten, die noch geblieben waren. Ja, Valerio ya Pirras, Cordovan di Malavista, Hesindio Vinarii und Dettmar Gerber hatten sich diese Sitzung sicher auch anders erhofft. Doch Celestina Kanbassa, Bran ya Bocca, Vitello Slin, Massimiliano Changbari oder Barabo di Punta hatten die Stadt schon vor Wochen und Monaten verlassen müssen. Und mit ihnen mindestens zwei Dutzend Beamte, die seitdem das Behördentum fast zum Erliegen brachten und dem Treiben der „Goldenen Löwen“ unter Giacomo d’Oro entsprechend kaum etwas entgegenstellen konnten. So verhallte auch jeglicher Protest unbeachtet, als urplötzlich Serafanos, der Vertreter Halca Thirindars mit den Rondrikan-Löwen im Schlepptau den Senat betrat und den anderen die Beteiligung an einem Mordkomplott an Baron Eslam von Efferdas vorgeworfen hatte.
Der Vorwurf war lächerlich. Und die Motivation dahinter offensichtlich. Die Spatzen pfiffen von den Dächern, dass Baron Eslam heute verkündet hätte, dass die Senatswahl in drei Monaten nicht wie erst angedacht ausgesetzt würde. Die Stimme des Volks war zu laut geworden, der Druck zu stark gewachsen. Spätestens mit einem Alrik Binder als Senator wären die Zeiten der „Investigatoren“ vorbei gewesen. Doch ein Mordkomplott? Das war nichts anderes als ein Vorwand, um den Baron „aus Sicherheitsgründen“ an einen unbekannten Ort verschleppen zu können, wie ihm beim Vorbringen der Anschuldigungen schnell klar wurde. Doch was konnten die verbliebenen Senatoren tun als sich einstweilen in ihr Schicksal ergeben? Männer und Frauen des Senatsbanners, an sich verantwortlich für die Sicherheit der vom Volk gewählten Vertreter, hatten ihren Eid gegenüber der Republik wohl hintangestellt und sich der Sache ihres Hauptmanns Rondrigo d’Oro, oder vielmehr der seines Vaters Giacomo, angedient. Nicht allzu verwunderlich, nachdem Verlassen Desiderias di Punta waren sie das einzige Banner der stolzen Republikanergarde, das noch Sold erhalten hatte. Zweifellos hatten sie dies ihrem Marinaio und seiner umtriebigen Familie zu verdanken. Diesen Dank zu vergelten, waren sie nun offenbar nur allzu bereit. Sie zögerten nicht der Anweisung Serafanos Thirindars nachzukommen und die anderen Senatsmitglieder zu verhaften. Darunter auch Cordovan di Malavista, Marinaio der Efferdischen Garde. Womit klar war, wer nun nicht zur Hilfe eilen würde. Wobei der Gedanke, dass die persönliche Garde Elanor von Efferdas‘ FÜR den Senat eintreten würde eh nie mehr als ein frommer Wunsch gewesen wäre.
Das musste Croënar dem Sohn Halca Thirindars zugestehen. Er hatte es hervorragend verstanden, innerhalb eines Jahres die gesellschaftlichen Strukturen von Efferdas komplett auszuhöhlen. Erst brachte er die Rondrikanlöwen sowie die Hylailer Seesöldner auf seine Seite, dann wurde die Admiralität zur Piratenjagd verleitet, die Niedergeschlagenheit des Tempelvorstehers der Efferdkirche schadlos ausgenutzt, der Popoli gegeneinander ausgespielt und unterdrückt, ehe schließlich auch die Regimenter unterwandert wurden und wichtige Amtsträger aus der Stadt vertrieben werden konnten. Und nun ein Staatsstreich! Ärgerlich, dass er erst jetzt all dies in ganzer Klarheit vor sich sah und verstand! Er konnte sich kaum vorstellen, dass allein die Thirindar und ihre Schergen hinter dieser Kabale steckten. War dies etwa ein Einstandsgeschenk des neuen Seekönigs? Waren die Zyklopen jetzt auf einmal expansiv? Wenn ja, dann war dies eine beeindruckende Demonstration ihrer neuen Macht.
„Damit werdet ihr nicht durchkommen! Das Volk von Efferdas liebt seine Freiheit und wird euch damit nicht durchkommen lassen. Sie werden euch bekämpfen, denn sie glauben an diese Republik!“, protestierte Dettmar Gerber lautstark zu Croenars Linken und kassierte dafür einen üblen Kinnhaken von seinem Bewacher. Hart schlug der Senator mit dem Kopf auf dem weißen Marmor des Senatsforums auf und blieb bewusstlos liegen. Der Söldner packte ihn nun bei den Füßen und schleifte ihn Richtung Ausgang, eine Spur aus Blut zurücklassend. Serafanos betrachtete die Szenerie gleichgültig. Dann wandte sich der hagere, bleiche, etwa dreißig Götterläufe zählende Mann mit den dunklen Locken an seine Gefangenen. „Ihr hattet schon immer zu viel Vertrauen in eure räudigen Pisspagen“, murrte er nur. „Ihr solltet alle nicht vergessen, dass es die Schwäche des Volkes von Efferdas war, die all dies ermöglichte. Ein Unglück reichte und sofort war all ihre ach so wertvolle Moral und Freiheit vergessen, schon sehnten sich die Menschen nach einer festen Hand, die ihre Geschicke leitet und sie durch die Dunkelheit der Geschichte führt!“ Ein leichtes triumphierendes Lächeln ließ seine Lippen kräuseln. „Ihre sich so wichtig nehmenden Senatoren jedoch entpuppten sich als Geizhälse, Betrüger und nun auch noch Mordbuben. Solch eine Freiheit ist wertlos. In Zeiten der Not zeigt sich der Wert des alten Adels. Und die wird das Haus Efferdas ihnen nun wieder geben!“ „Niemand hier hat dem Baron nach dem Leben getrachtet. Und das wisst ihr, Serafanos!“, zischte ihm Croënar entgegen, wofür er einen Klaps von seinem Bewacher erhielt. „Ach, Senator di Camaro. Von allen werden sie euch dies am wenigsten glauben. Euer Vater hat die Stadt im Stich gelassen, als es gegen Piraten gehen sollte, euer Neffe hat sie im Stich gelassen, als sie jemanden brauchten, der ihnen ihren Glauben zurückgeben sollte. Und jetzt, wo wir hier sprechen, verkündet Violetta d’Oro in der ganzen Stadt von eurer jüngsten Missetat. Ihr Pfeffersäcke seid nichts weiter als eine großmäulige Plage und es hat sich gezeigt, dass die Götter ihre Wahl mit Bedacht getroffen haben, als es darum ging, wer die Menschen führen soll. Euer Machwerk hier hat nun ein Ende. Und ihr werdet sehen, dass euer Volk euch sehr schnell vergessen und seinen neuen Herren zujubeln wird. Und nun führt diese Verräter endlich ab…“
Vor den Stufen des Senats erklang derweil die Stimme Violetta d’Oros. Sie mochte vor einer größeren Menge an Leuten sprechen, aber kaum einer hörte zu, was vor allem daran lag, dass sie von den Rondrikan-Löwen gerade windelweich geprügelt wurden. Eigentlich hatten sie sich versammelt, um sich zu vergewissern, dass Eslam von Efferdas auch wirklich die Durchführung der Senatswahlen verkünden würde. Doch schnell sahen sie sich vom Söldnerbanner des goldenen Löwens umstellt. So verhasst das Söldnerbanner unter dem geknechteten Volk Efferdas‘ auch gewesen sein mochte, so überlegen war es den unbewaffneten und friedfertigen Bürgern doch. Nun, so schien es, trachteten die Löwen danach, das Volk nun restlos zu brechen. Wer sich von der Massenkeilerei am Senatsvorplatz noch entfernen konnte, erlebte nun eine Treibjagd durch die engen Gassen der Stadt. Immer wieder versuchten die Verfolgten Barrikaden aufzubauen und hinter ihnen Schutz zu suchen, doch die Söldner schreckten auch vor dem Legen von Feuer nicht zurück und so brannte es an diversen Stellen in der Stadt lichterloh.
Und da, wo die Stadt Violetta nicht hören konnten, vernahmen sie es über andere Herolde, die dem Volk klar machten, dass es kein Entkommen geben würde. Der Senat wäre ein Haufen voller Mörder, die versucht hätten, den Baron zu töten. Um all dies aufzuklären, wäre eine Ausgangssperre über die Stadt erhoben worden. Der Hafen wäre unter der Kontrolle der Hylailer Seesöldner, die Stadttore in der Hand der Rondrikan-Löwen und vor den Toren würde jeden Flüchtenden die Söldner des Tarquinio della Pena erwarten, welche auch das Umland der Stadt entsprechend abgeriegelt hätten.
„… aber keine Sorge, dies alles geschieht nur zu eurem Schutze, um die Mordbuben ausfindig zu machen und ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Also, geht alle nach Hause. Dort seid ihr sicher. Und vergesst nicht, morgen ist der erste Namenlose Tag. Da wärt ihr eh zuhause geblieben. Stellt euch einfach vor, dass die Namenlosen Tage ein wenig früher anfangen.“
Kopfschüttelnd hatte Dartan di Camaro die Worte dieses Herolds vom Balkon seines Zimmers in der Villa Camaro zur Kenntnis genommen. Wie konnte es dieser Söldner aus dem Banner der Rondrikan-Löwen nur wagen, solche Nachrichten durch den Stadtteil Residencia zu brüllen. Doch ein Blick vom Balkon über die Stadt verriet ihm, dass es nicht gut aussah. Er konnte die zahlreichen Seesöldner im Hafen sehen und der Kampfeslärm aus dem benachbarten Stadtteil zog bis zu ihm herauf. Die schwarzen Rußwolken über der Stadt verdunkelten den Himmel in ein bedrohliches Grau. Und ja, ab morgen würde sich ein violett dazu gesellen. Welch tödliche Mischung. Dartan begab sich zurück ins Haus, wo einige Familienmitglieder ihn bereits mit besorgten Augen anblickten.
„Es ist verheerend“, kommentierte er das Gehörte und Gesehene nur knapp, auch die anderen hatten natürlich mitbekommen, was der Herold von sich gegeben hatte.
„Mein Mann ist kein Mörder“, schüttelte Cassiopeia Trenti unverständig den Kopf. „Jeder, der ihn kennt, weiß das. Was soll das ganze nur?“
„Natürlich ist er das nicht, aber darum geht’s gar nicht. Das Ganze ist ein lupenreiner Staatsstreich. Und es dürfte nicht lange dauern, ehe die Löwen auch vor unserer Tür stehen“, grummelte Dartan.
„Dann lass uns eiligst die Stadt verlassen, lass uns zu Mama und Papa nach Lacrimento gehen“, warf seine Schwester Phelippa ein.
„Das wäre das Schlechteste, was wir momentan tun könnten“, warf Vigo, der jüngste von Estebans Kindern ein. „Wenn vor unseren Toren wirklich ein urbasisches Söldnerheer steht, dass jeden abfangen soll, der versucht, die Stadt zu verlassen, wäre eine Senatorenfamilie auf der Flucht Wasser auf die Mühlen. Zumal wir so ihren Herolden ja auch noch recht geben und alles aufgeben, was hier aufgebaut wurde. Die Symbolwirkung auf die Stadt wäre kaum auszumalen. Wir würden vermutlich nie wieder nach Efferdas zurückkehren können.“
Cassiopeia blickte auf ihre beiden Kinder, die am anderen Ende des Raumes miteinander spielten. Man merkte auch der sechsjährigen Ardare an, dass sie spürte, dass etwas nicht in Ordnung war. Entsprechend blickte sie etwas besorgt auf ihre Mutter zurück. Genau so schien sich der vierjährige Genaro davon etwas anstecken zu lassen, es war kein unbesorgtes, freudiges Spielen wie sonst.
„Und was sollen wir sonst tun? Ich kann und werde meine Kinder nicht den Löwen überlassen“, stellte Cassiopeia klar.
„Natürlich nicht! Wir müssen die beiden irgendwo in der Stadt in Sicherheit bringen.“
„Nur gibt es diesen Ort aktuell nicht, Dartan“, wandte Vigo ein.
„Dann müssen wir eben einen schaffen. Diese ganze Sache kann nur beendet werden, indem wir die d’Oros aufhalten, den Baron befreien und Serafanos in Gewahrsam nehmen können.“
„Wir und welche Armee?“, spöttelte Phelippa. „Das ist doch völlig utopisch. Die sind uns haushoch überlegen! Die Sache ist längst verloren, wir sollten die Stadt noch verlassen, solange es geht.“
„Und unseren Bruder seinem Schicksal überlassen? Oder die Efferdasi, denen wir unseren Reichtum verdanken? Das kommt nicht in Frage!“, machte Dartan klar.
„Nun, einfach wird es nicht, aber tatsächlich glaube ich, dass es noch so manch andere gibt, die von diesen Ereignissen wenig begeistert sein dürften. Wenn wir es schaffen, diese Kräfte in der Stadt zu bündeln und in irgendeiner Form auszurüsten, sodass sie etwas standhalten können, bis die Camarino von der Piratenjagd zurückkehrt, dann geht da vielleicht was“, versuchte Vigo etwas Hoffnung zu verbreiten.
„Und wann kommt Cesareo mit der Flotte zurück?“, traute sich Cassiopeia fast nicht in die Runde zu fragen.
„Wochen? Monate? Das weiß leider keiner“, war Phelippa den Tränen nahe.
„So viel steht fest, solange wir hier nur rumsitzen, hat Serafanos bereits gewonnen. Cesareo mag noch unterwegs sein, aber jemand von uns könnte schon mal zu Neetya Vinarii gehen. Die Delphinoccospieler hinter uns zu wissen, wäre schon mal ein schlagkräftiger Anfang. Cassiopeia, du könntest zu Madalena gehen und schauen, ob die Familie Trenti irgend etwas tun kann. Vigo, du könntst versuchen, ob du es packst, dich in die Efferdgrotte zu schleichen. Wir müssen irgendwie Efferdobal zu Besinnung bringen. Wenn eine der Kirchen das Volk zum Widerstand aufruft, hat das Gewicht. Wir sollten auch bei einigen der anderen großen Familien anklopfen. Ich denke, die wenigsten von denen haben ein Interesse an einer solchen Ausgangssperre.“
„Meine Güte, Dartan, du willst, dass das Volk von Efferdas sein Leben aufs Spiel setzt und einen Straßenkrieg für uns durchführt? Während der Namenlosen Tage? Was noch? Ein Spontanbesuch des Horas?“
„Genau das, Phelippa, Genau das! Weil es das Einzige ist, was wir tun können. Den Leuten zeigen, dass es sich lohnt, für die Republik Efferdas zu kämpfen. Oder was dir gerade wichtig ist. Also los. Lasst uns Verbündete suchen und einen sicheren Hafen erbauen.“
„Solch eine Freiheit ist wertlos. In Zeiten der Not zeigt sich der Wert des alten Adels. Und die wird das Haus Efferdas ihnen nun wieder geben!“ Der Wert des alten Adels. Damit konnte sein nichtsnutziger Neffe kaum gemeint sein, war sich Ebius von Efferdas sicher. Wenn jemals offenbar geworden war, dass eine Abstammung allein noch keinen Wert darstellte war dies in den letzten Monden offenbar geworden. Und nun war sein Neffe bei dem verzweifelten Versuch, die Folgen seiner Selbstsucht in einer verzweifelten Tat ungeschehen zu machen, selbst zum Opfer geworden. Zu schade, dass Mama in Belhanka weilte. Des Senators liebe Schwester hatte ihren Sohn stets zu nachsichtig behandelt und die Wogen geglättet, die seine Zügellosigkeit verursacht hatte. Sollte er sich doch selbst herauswinden. Mehr Sorgen machte er sich schon um seine Nichte Orlane. Sie hatte sich schon vor Monden im Magistrat quasi verschanzt. Ebius hoffte inständig, dass die Lanze der efferdischen Garde, die ihre Bedeckung darstellte, treu geblieben war -anders als Senatorengarde. Wie war es überhaupt um die Treue der efferdischen Hausgarde bestellt. 5 Lanzen befanden sich in Ranaqídes, die Wachen der Residenz waren entweder übergelaufen oder in Kämpfe verstrickt, der Rest sicher wahrscheinlich auch. Könnte er nach Ranaqídes entkommen, würde ein Reiter wahrscheinlich am nächsten Morgen in Belhanka sein, doch wie lange würde es dauern, Hilfe während der namenlosen Tage zu mobilisieren? Oder sollte er versuchen sich zum Magistrat durchzuschlagen? Oder zunächst seine stets so hoch geschätzten Mitsenatoren befreien? Wofür er sich auch entscheiden sollte, es würde alsbald geschehen müssen. Ewig würde er sich nicht durch Magie unsichtbar hinter dieser Säule verstecken können. Also würde er handeln und seine Schmach von vor 22 Jahren endlich vergessen können. Er war der letzte handlungsfähige Efferdas in dieser Stadt und er würde den wert seines Hauses unter Beweis stellen.
Haus Ventargento
Xana Ventargento rief ihre Familie zu sich, als die Stadt brannte. Sie hatte schon kurz vorher die Rauchsäule über der Stadt gesehen und dann den Jungen, der die Schuhe putzte, los geschickt. Nachdem er ihr keuchend und außer Atem berichtet hatte, schickte sie ihn fast sofort schon wieder los. Nur diesmal zum Kontor im Hafen, um die Familienmitglieder, die nicht in der Villa Ventargento gewesen waren, auf schnellstem Wege zu ihr zu bringen.
Sie war bestürzt, denn sie hatte gehofft, das ihre ersten Jahre als Familienoberhaupt in Efferdas möglichst ruhig sein würden. Doch so hatten die Zwölfe es wohl nicht gewollt.
Also galt es erstmal Schäden zu begrenzen. Das hatte Casimo auch immer gesagt, bis sie ihn nach Vinsalt geschickt hatte. Sie würde seinen Gesichtsausdruck nie vergessen, aber das war jetzt unwichtig. Sie formte ihr Gesicht zu einer Maske aus Kälte und Kontrolle, genau wie er es damals stets getan hatte. Jetzt Konzentration.
Xana öffnete die Tür und ihre Schritte klackten auf dem Boden des Salon. Sie musterte alle, die da waren, es war der größte Teil der Familie. Eigentlich alle außer Badvin. - Eadwin betrat den Raum als letztes. "Meine Damen und Herren", erhob sie ihre Stimme, "ich denke, ihr habt alle bemerkt, das es ein paar kleinere Probleme gibt, welche sich gerade in der Verhaftung des Senates, einer allgmeinen Ausgangssperre und - das ist an dieser Stelle vielleicht das wichtigste - einer Meute Randalierender, Plünderungen und sich ganz im allgemeinen unangenehm Benehmender niederschlägt. Hat Jemand Vorschläge?"
Erst entstand eine Stille von einer Tiefe, so dass man den Koch im Keller beim Schneiden des Gemüses während der Zubereitung des Mittagsmahls hätte hören können. Eine Hand hob sich. "Ich meine solche Dinge, welche sich in aktiver Weise von den Dingen unterscheiden, welche wir gerade unternehmen." Die Hand senkte sich wieder.
"Nun, wäre es nicht sinnvoll zuerst einmal herauszufinden wer eigentlich wer ist? Ich meine, es wird ja nicht so sein, dass diese Söldner, die durch die Stadt ziehen, hier völlig zufällig sind." Dieser Einwurf stammte von Alfonso der sich einen blauen Fleck auf der Stirn rieb und leise fluchte. Xana war verwundert, begnügte sich aber mit der Aussage, dass er eine Meinungsverschiedenheit gehabt hatte.
Eadwin hob die Hand. "Was willst du?", knurrte Alfonso.
Eadwin lächelte. "Nun drei Dinge: Erstens solltest du vielleicht zum Ort deiner sogenannten "Auseinandersetzung" zurückkehren und deine Manieren mitsamt Selbstbeherrschung vom Boden aufsammeln. Sie wären zwar etwas schmutzig, aber besser als das jetzige Ergebnis." Alfonso blickte noch finsterer. "Zweitens bin ich zwar in die Handelsangelegenheiten dieser wunderbaren Familie nicht wirklich eingeweiht, doch weiß ich das wir ein Kontor im Hafen haben und dass, wie von dieser Blume der Freundlichkeit und der genauen Beschreibungen gesagt", er machte eine Handbewegung in Richtung von Xana, "eine gewisse Menge an, wie ebenfalls erwähnt, plündernden Söldnern durch die Stadt ziehen. Wäre dieser für diese nicht auch ein recht angenehmes Ziel und für uns ein recht unangenehmes?" Seine linke Augenbraue hob sich um eine perfekte Winzigkeit. "Und dann wäre da noch die Angelegenheiten dieses Hauses welches zwar, soweit ich weiß, nicht mit wertvollen Tuch ist jedoch voll mit uns. Ich befand dies als erwähnenswert", sagte er und setzte sich wieder.
Nevinia Ventargento schob die Berillgläser auf ihrer Nase nach oben und erhob sich.
"Ich denke zu zweiterem kann ich eine eine hilfreiche aussage mache." Die gesamte Gruppe der Familie Ventargento/Politik begann zu grinsen und wurde leicht unruhig.
"Es ist so das der größte teil unserer Tuchbestände auf den Schiffen auf dem Weg vom Mittelreich zurück zu uns, nur jetzt in Form von Dukaten und Silberlingen."
Familie A'Temelon
Palamydes A'Temelon beriet sich mit seinen Familienmitgliedern. Genauer gesagt, er gab Befehle.
„Pylades, wir müssen aufpassen, dass unsere Wache nichts ohne Befehle unternimmt. Wenn sie sehen, das dort unten ihre ehemaligen Kameraden kämpfen, könnten sie sich dazu hinreißen lassen, einzugreifen. Befiehl ihnen, die aus dem Tor kommenden Flüchtenden abzufangen, bevor sie in die Söldner della Penas hineinlaufen. Iokaste, kümmere dich um ihre Versorgung, und schick Verletzte zu Nermaka.“
„Sollten wir unsere Truppe nicht lieber ebenfalls zur Verfügung stellen?“, fragte Philumena. „Wenn die Thirindar die neuen Machthaber sind, sollten wir uns nicht mit ihnen gut stellen? Wäre das nicht im Interesse des Seekönigs?“
Das alternde Familienoberhaupt schüttelte den Kopf: „Wir wissen nicht viel über den Zustand in der Stadt. Wenn wir jetzt die Thirindar unterstützen, verbauen wir uns Zukunftsoptionen. Wenn der Streich der Thirindar gelingt, können sie uns nichts vorwerfen. Sollte das Volk die Stadt zurückgewinnen, können wir uns immer noch auf ihre Seite schlagen. Aber bei all dem könnte es helfen, den Rest unserer Truppe als militärisches Gewicht zu haben. Pydilion, wann kehren die Schiffe zurück?“
„Nemesas kehrt vermutlich in einer Woche zurück, meine Schwester eher in drei.“ - „Dann müssen wir uns erstmal so halten. Admentos, du begibst dich in die Stadt. Wir haben noch nichts vom Efferdtempel gehört, und auch Memnon ist in die Stadt gegangen um eine Rede zu irgendeiner seiner politischen Ideen zu halten und ist noch nicht zurück. Nimm zwei Männer aus der Truppe mit und überzeug dich davon, das Menander in Ordnung ist, dann halt auf dem Rückweg nach Memnon Ausschau.“
„In Ordnung, Großvater!“
Memnon A'Temelon war sauer. Normalerweise als Philosoph sehr um Ausgleich bemüht, war er das letzte Mal so wütend gewesen, als er seine Frau mit ihrem Verehrer im Bett erwischt hatte. Da wollte er eine klingende Rede am Senatsgebäude halten, über das republikanische System und seine Vorzüge, er wollte das Volk lehren und in ihren Herzen den Funken der Demokratie entfachen, und dann kam diese Violetta d’Oro mit ihren rüpelhaften Löwen und stieß ihn die Treppe des Senatsgebäudes herab. Während Memnon durch die Straßen eilte, sah er überall Flammen auflodern. Die Löwen waren von der Leine und ließen sich nicht wieder einfangen. Plötzlich erfasste er auch vor dem Tor einen Trupp Rondrikan-Löwen. Schnell blickte er sich um und erkannte über einem Tor das Wappen der di Camaro. „Nun, zumindest bei denen ist es unwahrscheinlich, dass sie etwas damit zu tun haben, also könnte ich hier sicherer sein“, sagte er sich, während er an die Tür klopfte.
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