Briefspiel:Im Auge des Chaos/Ein Zug über Letrans Felder
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Am Morgen des 30. Rahja
Sie waren kaum zu erkennen im Zwielicht der morgendlichen Dämmerung, wenn da nicht ihre festen Schritte gewesen wären, die auf dem trockenen Boden der Felder nördlich von Letran dumpf tönten. Er lächelte und streichelte über den Nacken seines tänzelnden Rosses, während er den Heerbann, seinen Heerbann, betrachtete.
Bald hätten sie die kleine Landstadt umgangen und würden ihren Marsch auf der Via Efferdia in Richtung der covernischen Hafenstadt fortsetzen. „Ein Trauerspiel, dass wir uns diese kleine Perle auf dem Weg entgehen lassen“, raunte ihm eine tief dröhnende Stimme von unten zu.
Tarquinio drehte sich auf seinem Pferd und beugte sich zu dem Zwerg etwas hinunter. „Maestro Brigoschin, die Parsekisierung einzelner Orte auf dem Weg ist nicht Teil unserer Condotta“, erklärte er milde und erhielt als Antwort ein lautes missfälliges Schnauben des Angroscho. Noch ein energisches Kopfschütteln ließ dieser folgen, so dass der Bart etwas hin und her wackelte, dann richtete er seine Schritte wieder vorwärt und führte seine Silbertaler Armbrustiere am sich zufrieden umblickenden Feldherren vorbei über die Felder von Letran.
Auf einer kleinen Anhöhe konnte er das Banner von Waldberts Wehrhaufen erkennen, das nur leicht im schwachen Wind flatterte. Er hob die Hand zum Gruß, als er den Befehlshaber der Bandiera ausmachte. Es ist gut solch erfahrene Haudegen an meiner Seite zu wissen, dachte er bei sich und nickte, als sein Gruß erwidert wurde. Das letzte was sie gebrauchen konnten, waren junge Heißsporne, die sich nicht in Geduld üben konnten und ihre Unternehmung dadurch gefährdeten.
Auch Arkos Rondriguez, ein weiterer Offizier erfüllte diese Voraussetzung mit seiner kampferprobten Schar, die schon seinem Bruder im Kampf um den Grafenstuhl zu Bomed gedient hatte. Sein almadanisches Terzio hatte die Vorhut gebildet und für ihn schon kaum zu erkennen, da es im Südwesten die befestigte Straße schon beinahe erreicht hatte.
„Guten Morgen, Signor Tarquinio“, begrüßte ihn eine vertraute Stimme.
„Ah, Gilia. Ein guter Morgen, fürwahr“, erwiderte er und streckte seinen Arm aus, um ihre Hand zu schütteln. „Sind alle Kompanien wie von uns geplant aufgebrochen und auf dem Weg?“, erkundigte er sich.
„Das sind sie. Die Fäuste folgen Waldberts Trupp, da könnt ihr sie bereits sehen“, sie wies mit ihrer Hand auf die Erhöhung, von der ihm eben noch gegrüßt worden war. Einige dunkel gekleidete Söldlinge hatten nun den kleinen Kamm erreicht und überschritten ihn. Die Sonne in ihrem Rücken ließ die roten Bänder an ihren Armen leuchten. Er spürte das Aufglimmen von Stolz in seiner Brust. Wenn sein Bruder gesehen hätte, dass er das Erbe ihrer Eltern fortführe.
„Was ist mit den Jägern?“, fragte er, als ihm mit einem Mal gewahr wurde, dass nun keine Zeit für rührselige Gedanken war und er ein Heer anzuführen hatte.
„Wie ihr es bestimmt habt, sie umgehen die Stadt efferdwärts und stoßen danach zu uns.“
Er nickte. „Gut, sie sollen den größtmöglichen Abstand zu den Andergastern pflegen. Ich habe kein Interesse an einer Battaglia im eigenen Lager.“
Sie stimmte ihm energisch zu und machte einen Vorschlag. „Sollten diese Streitigkeiten erneut auftreten, sollten wir nicht zögern ein Exempel zu statuieren. Nur so lässt sich Ordnung wahren.“
„Wir machen uns darüber Gedanken, wenn es soweit ist. Die Rivalität der beiden Haufen kann uns zum Vorteil gereichen, wenn sie einander zu übertreffen suchen.“
„Ich verstehe, mein Herr.“ Sie neigte den Kopf nachdenklich. „Eine wahrhaft bunte Schar habt ihr versammelt. Ich hoffe wir,…“
Er schnitt ihr das Wort ruhig, aber bestimmt ab. „Es war notwendig. Ihr wisst das so gut wie ich, die Mittel gaben nicht mehr her und für unsere Pläne wäre es gefährlich gewesen sich mit einem mächtigeren Condottiere zu verbinden.“
Sein Blick ging wieder nach Osten, wo einige Reiter ihre Rösser nun über die Äcker führten. „Wir sind vollständig, lasst uns nun eilig dem Pfad des heiligen Parvenus folgen. Wir haben eine Stadt abzuriegeln.“ Er tätschelte sein Pferd, befahl es mit den Zügeln zu wenden und gab ihm mit einem leichten Tritt das Signal aufzubrechen.
Und so zog der vielfarbige Heerbann weiter gen Südwesten, ins Herz der Republik.