Briefspiel:Feuernacht (28)
Unter Turanitern I
Autor: Gonfaloniere
„Herr … ähm … Ehrwürden …“
Einer der Basiliskengardisten seines Hauses riss Auricanius aus den Gedanken, die sich gerade um seine neugeborene Tochter drehten.
„… das solltet ihr euch vielleicht ansehen … vor dem Tempel …“
Der Geweihte kniff die Augenbrauen zusammen, bevor er sich zum Gardisten umdrehte, von der Tochter und seiner Base Istirde weg.
„Was soll da sein … außer Eisenwölfen … und einer Hohen Lehrmeisterin?“ Auricanius war leicht gereizt, das war unverkennbar – in Anbetracht der Gesamtsituation aber wohl auch verständlich. „Oder haben die Wölfe etwa unsere Unterhändlerin gerade niedergemacht?“ Wer wusste schon, zu was die Salsavûrs in dieser Nacht noch fähig sein würden …
„Nein, nein, die Monsignora bespricht sich gerade mit dem Baron“, beantwortete der Gardist die nicht ganz ernst gemeinte Frage trocken. „Aber vorher hat der noch einige Ordensleute zurückgewiesen, die wohl in den Tempel wollten. Turaniter. Eure Leute …“
Seine Leute? Das konnten nur Farfa und der Rest seines Inquisitionsgefolges sein. Natürlich. Fast hatte er schon vergessen, dass er das kleine Mädchen ausgeschickt hatte, sie zu alarmieren. „Sehr gut, dann sind sie zumindest schon einmal da“, sagte er mehr an seine Base als an den Gardisten gerichtet. Dies vergrößerte seinen Handlungsspielraum wieder. Dann wandte er sich wieder an den Gardisten: „Und was machen diese ‘meine Leute’ jetzt? Oder haben die Wölfe sie festgesetzt?“
„Die Anführerin diskutiert noch mit einem Offizier der Eisenwölfe, nachdem sich der Baron der Hohen Lehrmeisterin zugewandt hat. Recht erhitzt, wie es den Anschein hat …“
‘Farfa halt’, dachte sich Auricanius mit einem leichten Lächeln, bevor ihm indes gewahr wurde, dass dies noch die Gefahr einer weiteren Eskalation barg. ‘Nicht jetzt, bitte nicht’, hoffte er, während er schon auf dem Weg zum Tempelportal war, um das Schlimmste zu verhindern …
Vor dem Tempel prasselte der Regen mittlerweile in Strömen aufs feuererleuchtete Pflaster. Den brennenden eigenen Familienpalast vor Augen, stiegen in Auricanius direkt wieder tausend verschiedene Gedanken und Erinnerungen hoch. Die Löschversuche des einfachen Volkes nahm er darüber gar nicht recht wahr. Doch weder wegen ihnen noch dem Brand an sich hatte er die temporäre Zuflucht seines Hauses nun wieder verlassen. Die Anweisungen, die er seinen Ordensleuten geben wollte, ja musste, hatten ihn rausgeführt.
‘Konzentrier dich’, schalt er sich selbst, als er den Blick vom das Stadtbild beherrschenden Inferno abwandte. Nur kurz verschaffte er sich dann einen Überblick über die näheren Geschehnisse, die sich alle am Belagerungsring des Hauses di Salsavûr abspielten, und schritt schließlich schnurstracks auf die Szene zu, die seine eigenen Ordensleute im Disput mit einigen schwerbewaffneten Eisenwölfen zeigte. Er war sich nicht sicher, ob sein Geweihtenstatus ihn abermals beschützen würde, wollte durch große Reden aber auch nicht zunichtemachen, was die Hohe Lehrmeisterin wenige Schritte daneben womöglich gerade in die Wege leitete. Schon spürte er die abschätzigen Blicke mehrerer Eisenwölfe auf sich ruhen. Auch der Blick des Barons von Montarena kreuzte kurz den eigenen, bevor die resolute Hesindegeweihte vor ihm wieder dessen Aufmerksamkeit einforderte.
„Ich möchte meinen Leuten nur sagen, was ihr ihnen vermutlich schon gesagt habt“, beschwichtigte Auricanius die Einwände des Eisenwolfs vor ihm, als er bei der zurückgehaltenen Turaniter-Gruppe ankam – noch bevor dieser diese Einwände äußern konnte. „Ihre Anwesenheit hier hilft niemandem weiter, soviel ist sicher. Doch sie müssen es aus meinem Munde und mit meinen eigenen Worten hören!“
Der Eisenwolf schien von diesem Ansinnen des Geweihten ehrlich überrascht zu sein. Und ließ ihn passieren.
„Farfa“, wandte sich Auricanius dann beinahe flüsternd an die Anführerin seines Gefolges, „ich brauche euch woanders.“ Kurz sah sich der Geweihte um, ob die Eisenwölfe seine Worte ebenso hören könnten. Aber dazu waren sie hoch auf ihren Rössern und mit dem Chaos drumherum sicher nicht in der Lage, beschied er. „Gebt dem Prior Bescheid, dass er im Kloster bald kopfstarken Besuch erhält. Und macht auf dem Weg dorthin einen Abstecher zur Medici-Schule, um jemanden in Sicherheit zu bringen. Die Primodottora weiß schon Bescheid.“
Autor: Rondrastein
Lorian beobachtete den Geweihten, als er die Treppe verließ und sich zu der großspurigen Turaniterin begab. Die Turaniterin konnte froh sein, dass sie noch gerade stehen konnte ob der Frechheit, die sie sich erlaubte. Dieser Gedanke schoss dem Baron von Montarena durch den Kopf und ein weiterer Gedanke begleitete diesen. Ließ er den Praioten in Gewahrsam nehmen? Er hatte den Schutz des Tempelasyls verlassen und war damit Freiwild, wenn man von seinem Geweihtenstatus absah. Genau dieser Status war auch der Grund, warum Lorian ihn nicht sofort gefangen setzte, samt dieser Frau.
Ein kaum merkliches Nicken des Anführers der Eisenwölfe machte Auricanius den Weg, trotz seiner Gedanken, frei. Sollte er doch sein Gefolge wegschicken, dass würde zumindest ein Blutbad vor dem Tempel verhindern.