Briefspiel:Feuernacht (14)

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: ab 7. Rondra 1035 BF, abends Schauplatz: Stadt Urbasi, besonders Palazzo Casciano Entstehungszeitraum: Juni bis Dezember 2013
Protagonisten: Haus Urbet und viele zum Fest geladene Patrizier Urbasis Autoren/Beteiligte: Familie Aspoldo.png Aspoldo, Haus della Pena aeH.png Dellapena, Haus di Onerdi.png Di onerdi, Haus Doren.png Dorén, Haus Urbet-Marvinko.png Gonfaloniere, Haus della Pena jH.png Horasio, Familie ya Ranfaran.png Ranfaran, Haus di Salsavur.png Rondrastein, Familie Dalidion.png Storai, Haus di Tamarasco.png Tamarasco, Familie Zorgazo.png Toshy, Haus della Turani.png Turani, Familie Carasbaldi.png ZarinaWinterkalt


Vom Feuer, das die Herzen verzehrt

Autoren: Turani und ZarinaWinterkalt

Alexandrian della Turani hatte die ganze Nacht schon nicht geschlafen, doch anders als manch Feierwütigen im Palazzo Casciano hielt ihn Rahjas Leidenschaft von Boron fern. Es war beileibe nicht die erste Nacht, in der er sich heimlich aus dem heimatlichen Palazzo davongeschlichen hatte, und niemand außer seiner Zwillingsschwester wusste davon. Was er tat, war nicht direkt schändlich, doch die Fragen seiner Eltern und die möglichen Vergleiche mit seiner Bastard-Cousine Viviona wollte er vermeiden.
Seine Augen blieben noch einmal an der Person vor ihm haften, als er langsam seine Kleidung wieder überwarf und sein Schwert an die Seite gürtete. Was war es, das ihn so faszinierte? Er vermochte es nicht in Worte zu fassen, und doch war da etwas, dem er nicht widerstehen konnte. Ein letzter warmer Kuss verband sie, bevor die dunkle Nacht sie wieder trennen würde. Alexandrians Augen strahlten.
„Schlaft gut, Euer Gnaden“, flüsterte er und wandte sich von Rhymeo ab.
Die Luft war warm und weich in dieser Nacht und vom Palazzo Casciano drangen heitere Feiergeräusche an sein Ohr. Wenn dort noch alle wach waren, wie konnte er dann schlafen? Wie konnte er überhaupt schlafen, mit der Erinnerung an Rhymeo direkt auf seiner Haut? Seine Schritte verließen den direkten Weg.

****

Carolan!“
Sein Kopf dröhnte laut und doch so dumpf. Hatte jemand seinen Namen gerufen? Alles drehte sich. Es war heiß, sengend heiß. Was war geschehen? Mit glanzlosen Augen sah sich Carolan um und versuchte zu begreifen, was gerade geschah, doch der beißende Rauch des Feuers hatte seinen Geist beinahe vollständig vernebelt.
„Carolan!“
Er versuchte, der Stimme mit seinem Kopf zu folgen, doch der Boden sackte ihm unter den Füßen weg. Wieso nur fühlte er sich so schwach? Er hatte sich nach der Affäre mit dem Keiler doch geschworen, nie wieder so hilflos zu sein!
„Carolan, komm, wir müssen hier raus!“
Benommen riss er die Augen auf, um den Mann zu erkennen, der ihn gerade bei den Schultern gepackt hatte. Endlich begriff er, dass es sein Onkel Yarum war, der ihn mit Sorgenfalten im Gesicht anstarrte. Wieso schaust du mich so an, Onkel, du hast dich noch nie groß um mein Wohl geschert. Meine kleinen Brüder, ja, die bedeuten dir etwas, aber für mich hast du nie etwas übrig gehabt. Siehst du etwa meinen Vater in mir?
„Große Güte, du bist ja ganz blass! Wir müssen sofort aus dieser Gluthölle raus“, sagte Yarum hastig. „Wo ist deine Verlobte?“
„Meine Verlobte?“, entgegnete Carolan voller Verwunderung. Es dauerte einige Augenblicke, bis der Qualm ihm die Erinnerung an sie gestattete. „Pira …“
„Egal, wir können hier nicht länger herumstehen. Komm!“
Ein heftiger Würgereiz ließ Carolan erzittern. „Wir müssen meinen Vater warnen …“, murmelte er.
„Der alte Lump kann ruhig weiterschlafen“, widersprach ihm Yarum energisch und sah sich nach einem Fluchtweg um. „Wenn wir uns darüber Gedanken machen, sind wir beide verbrannt, bevor wir eine Einigung gefunden haben. Da, da kommen wir raus, über den rechten Gang! Los, komm! Carolan? Carolan?!“
Yarum wandte sich wieder seinem Neffen zu, doch er fand nur gähnende Leere und züngelnde Flammen in der Ferne.

****

Alexandrian schlenderte gerade durch Sikramargino, als der scharfe Geruch von brennendem Holz ihm Tränen in die Augen trieb. Seiner Nase folgend eilte er nun, durchaus auch von böser Vorahnung getrieben, durch einige Gassen, bis er zwischen den Häusern schließlich Rauch aufziehen sah. Der Nachthimmel über Urbasi färbte sich kupferrot. Feuer, schoss es ihm durch den Kopf. Sofort erinnerte er sich all der Tugenden, die seine Ausbildung ihm nahgelegt hatte, allen voran der Schutz der Schwachen. Es stand außer Zweifel, dass er nur zufällig heute Nacht unterwegs war – Rondra musste beschlossen haben, dass seine Stärke heute Nacht gebraucht wurde!
Tatsächlich jedoch kam er nicht einmal bis zum Brandherd, denn nur wenige Schritte später, in einer der Seitengassen neben der Piazza di Basilio, stolperte er in eine Szene, die ihm zugleich das Blut gefrieren und überkochen ließ: Drei halbstarke Halunken hatten sich, offenbar von der hitzigen Stimmung der Nacht ermutigt, um eine Dame gestellt und forderten sie mit höhnischem Lachen zu unziemlichen Taten auf, die ganz bestimmt nicht in ihrem Sinne waren. Nach einem kurzen Augenblick des Schrecks erkannte Alexandrian in ihr Rahyella Carasbaldi, eine gute Bekannte seiner Zwillingsschwester. Diese Erkenntnis ließ ihn umso wütender werden.
„Zurück mit euch!“, schrie er wie vom Zant gepackt und riss sein Schwert aus der Scheide. „Nehmt eure Hände von der Signora, bevor ich sie euch abhacke!“
Erstaunt wandten sich die Taugenichtse zu ihm um. Einer von ihnen lachte.
„Verzieh dich, Blödmann“, rief er Alexandrian zu.
„Blödmann?“ Die Augen des jungen Edelmanns funkelten zornig. „Ich bin ein Cavalliere Urbasis! Verschwinde aus meinen Augen und nimm deine dreckigen Freunde mit, bevor ich euch alle in kleine Stücke schneide!“
Für einen Augenblick herrschte Stille, nur durch die fernen, verzweifelten Schreie aus Magistralia unterbrochen. Es schien völlig unklar, ob seine Drohungen eine Wirkung zeigen würden oder ob ein Kampf entbrennen würde. Alexandrian blitzte den Lump, der ihn beleidigt hatte, mit finsterstem Blick an und umfasste sein Schwert noch fester.
„Scheiße, Mann, der meint das ernst“, drängelte plötzlich einer der anderen. „Lass uns abhauen!“
Alexandrian verzog keine Miene. Wie einen Speer versuchte er seinen Blick in den Gegner zu bohren.
„Pisse!“, fluchte der und drehte sich schließlich um.
Wütend sah Alexandrian ihnen nach, als sie in die immer heller werdende Nacht entflohen. Der Zorn, der ihn erfüllt hatte, schwand nur langsam, und so war seine Stimme rau und hart, als er sich der geretteten Dame zuwandte und fragte: „Seid Ihr verletzt?“
Für einen kurzen Moment war die sonst so schlagfertige Rahyella sprachlos - etwas, was nicht oft vorkam. "I..ich ... mir geht es gut. G-glaube ich", stammelte sie mit rotwerdendem Gesicht.
In ihr kämpften Ärger und Verlegenheit darüber, dass sie sich nicht selbst hatte verteidigen können, mit der Freude über die Tatsache, dass Alexandrian, gerade Alexandrian sie gerettet hatte. Ein wahrer Recke Rondras... seufzte sie innerlich und schalt sich daraufhin über ihre Torheit. Es gab jetzt wahrlich wichtigeres als zu schwärmen. Ich muss Vater, Mutter und Valiana helfen! Wer weiß, was da passiert ist?!

Nachdem sie ohne erkennbaren Grund aufgewacht war, war sie ans Fenster getreten, neugierig über den leicht rötlichen Schein, der durch die Vorhänge fiel. Als sie jedoch die Rauchschwaden gesehen hatte, die aus der Richtung Magistralias kamen, war sie zutiefst erschrocken. Ihre Eltern und ihre Cousine Valiana waren in Magistralia, im Palazzo Casciano. Und es sah nach einem großen Feuer aus. Vielleicht waren sie ja betroffen? Jedenfalls war es nicht auszuschließen. Ohne viel Federlesens warf sie sich ein einfaches Kleid über und rannte los. Nur leider war sie kurz darauf auf die Gruppe angetrunkener Männer gestoßen.
Es war niemand aus der Zunft, sondern wahrscheinlich einfache Tagelöhner, und aufgrund ihrer schlichten Kleidung hatten die Männer sie auch nicht als Adelige erkannt. Gerade als sie bereute, ihr Rapier nicht noch gesucht und angelegt zu haben, und sich anschickte, ihren Dolch zu ziehen, war Alexandrian dann wie aus dem Nichts aufgetaucht, um ihr zu Hilfe zu eilen.
Sie entsann sich wieder ihrer Manieren, und fügte mit leicht gesenktem Blick und mehr Schüchternheit als man von ihr gewöhnt war hinzu: "Vielen Dank, dass Ihr mich gerettet habt."

Alexandrian nickte nur stumm. Die Hitze der Situation ließ ihn blind werden für die subtilen Zwischentöne ihrer Reaktion, die ihm unter anderen Umständen hätten auffallen müssen. So aber steckte er achtlos sein Schwert zurück in die Scheide.
„Ich bringe Euch zu Eurem Palazzo zurück, Madonna. Wir müssen Euch in… oh.“ Sein Blick blieb an einer stolpernden Gestalt in der Ferne hängen. „Ist das… Carolan! Entschuldigt, Madonna, aber das ist mein Vetter!“
Er eilte, er rannte, und nahm seinen heftig hustenden Vetter in Empfang, der sich wie ein Betrunkener torkelnd die Treppen aus der Oberstadt heruntergeschleppt hatte. Sein rotbraunes Haar war wirr und von Asche bedeckt, doch seine Haut war blass und fahl wie die einer Leiche. Ein übler Schauer lief über Alexandrians Rücken.
„Madonna Carasbaldi!“, rief er laut. „Bitte helft mir, mein Vetter ist verwundet! Wir müssen ihn sofort nach Hause bringen, seht ihn euch doch an!“
Verzweifelt sah sich Alexandrian um und wartete auf Rahyellas Ankunft. Erschrocken ob des Anblicks, den Carolan della Turani bot, eilte diese hinter Alexandrian an dessen Seite. Er roch nach Rauch und in seinen Haaren waren Ascheflocken. Als sich ihre Befürchtungen bezüglich des Brandortes bestätigten, sah sie zutiefst beunruhigt hügelaufwärts, wo noch immer Rauchschwaden gen Himmel quollen.

„Was ist geschehen?“, fragte der junge Recke seinen Vetter hastig.
„Feuer … Muss Vater warnen …“
„Feuer? Im Palazzo Casciano?“ Alexandrian zuckte zusammen. Aber direkt neben dem Palazzo liegt doch … oh nein! Rhymeo! „Madonna vergebt mir, aber ich muss sofort zum Brandherd, ich muss … bitte, ich flehe Euch an, bringt meinen Vetter in Sicherheit, ich muss fort!“
Bei den Worten Alexandrians fühlte Rahyella sich hin- und hergerissen. Wie konnte sie ihm diese Bitte abschlagen, gerade wenn sein Cousin so aussah? Aber was wurde aus ihren Eltern? Sie fällte eine Entscheidung: "Bitte kümmert euch um meine Eltern und Valiana, wenn Ihr sie seht! Seid unbesorgt, euer Cousin ist bei mir in guten Händen." Es war jetzt wichtiger, sich um das Unglück vor ihren Augen zu bemühen. Vielleicht waren ihre Eltern und Valiana ja längst in Sicherheit ...

****

Erschöpft kam Rahyella am Palazzo Aurio an. Der leichenblasse Carolan entglitt ihr beinahe, als sie eine Hand von ihm abließ, um anzuklopfen. Trotz misstrauischer Blicke seitens der Bediensteten gewährte man ihr Eintritt, doch im Innenhof ließen sie ihre Kräfte beinahe im Stich. Zu ihrem Glück eilte jemand herbei und fing den fallenden Kranken auf.
„Bruder! Oh Rondra … weckt sofort meinen Vater!“
Rahyella erkannte Barian della Turani, den Cavalliere und berühmten Turniersieger. Sein sonst so fröhliches Gesicht wirkte sehr bestürzt.
„Was ist denn geschehen?“, fragte er sie hastig.
„Das weiß ich selbst nicht genau“, musste Rahyella zugeben. „Es brennt wohl in der Oberstadt … wir fanden ihn so, als er die Treppen herunterstolperte. Alexan… Euer Vetter stürmte sofort zum Ort des Geschehens, um zu helfen.“
“Du, schick nach einem Heiler”, befahl Barian dem neben ihm stehenden Diener. „Signora, bitte bleibt bei meinem Bruder, bis weitere Hilfe kommt. Ich danke Euch.“
„Wo wollt Ihr denn hin?“
„Meinen Bruder wecken“, erklärte Barian knapp. „Wir müssen selbst zu Hilfe eilen.“
Er hatte sich kaum umgedreht, da stand schon sein Vater vor ihm, diese dunkle, imposante Gestalt von einem Mann, der ausdruckslos auf seinen zu Boden gesunkenen Sohn starrte.
„Mein Junge“, murmelte er entsetzt und kniete sich neben den hustenden Carolan. Seine Augen verengten sich. „Und was tut sie hier?“
„Seid bitte gut zu ihr, Vater, sie hat Euren Sohn hierher gerettet“, bat Barian, bevor er davoneilte.
Malvolio sah die junge Patriziertochter durchdringenden Blickes an, so dass sie sich zusammenreißen musste, um nicht auszuweichen. Es war deutlich, dass ihm der Gedanke nicht behagte, sein Sohn und Erbe sei von einem Stadtadligen, noch dazu von einer Frau, gerettet worden. Trotzdem mischte sich auch etwas anderes in seinen Blick – so sehr er es zu verhehlen versuchte, stand ihm doch auch Dankbarkeit ins Gesicht geschrieben.
„Was ist passiert, mein Sohn?“, fragte er schließlich.
Carolan hustete. „Feuer … Euer Bruder, er …“
„Yarum? Was ist mit ihm?“
Rahyella staunte noch mehr, als sie zum zweiten Mal direkt hintereinander eine Gefühlsregung bei Malvolio erkannte, die sie ihm seinem Ruf folgend gar nicht zugetraut hätte. Ja, es war sicher ohne Zweifel, dass Malvolio und Yarum della Turani große Differenzen hatten, aber die Vermutung, sein Bruder könnte den Flammen zum Opfer gefallen sein, erschrak den alten Zornbold doch sichtlich.
„Ich weiß … es … nicht“, hustete Carolan. „Es hieß … die Salsavûr … Palast angezündet.“ Seine Stimme erstarb, als ihn langsam eine selige Ohnmacht befiel.
Eine erschrockene Stille kehrte ein, in der weder Malvolio noch Rahyella ein Wort sprachen. Schließlich aber unterbrach eine warme, samtweiche Stimme die Ruhe.
„Wie kann so etwas nur geschehen?“
Am Rand des Innenhofs tauchte eine Gestalt aus den Schatten auf, die Rahyella schon daran erkannte, wie sie sich bewegte: Es war Viviona, die Bastardtochter des Hauses und gute Freundin von Rahyellas Schwester, die sich in ein sehr luftiges weißes Seidenkleid gehüllt näherte. Mit einem äußert besorgten Gesichtsausdruck sank sie zu Boden und griff Carolans Hand.
Ihren roten Lippen entglitten perfekte, glatte Worte. „Mein armer Bruder … was ist dir nur widerfahren? Wieso haben jene, die unsere Stadt zu beschützen geschworen haben, das nicht verhindert?“
Rahyella bemerkte die suggestiven Untertöne ihrer Stimme, doch was der Zweck hinter Vivionas Aussage war, das konnte sie sich nicht vorstellen. Zu ihrer Überraschung erhob sich nun aber der Herr des Hauses.
„Bleib bei deinem Bruder, Kind, und geh nicht fort, ehe er versorgt ist“, trug er seiner Bankerttochter mit für Außenstehende unverständlich liebevollem Tonfall auf.
„Aber Vater, was habt Ihr vor?“, fragte sie mit gespielter Unschuld in der Stimme. „Ich muss etwas unternehmen, wenn sich solche Vorfälle nicht häufen sollen. Diese Stadt steht vor einem Abgrund, mein Kind, und es ist meine Pflicht, etwas dagegen zu unternehmen“, sagte er mit fest entschlossener Miene. „Und deine Pflicht ist es, für deinen Bruder zu sorgen … und für unseren Gast.“