Briefspiel:Namenlose Ränke

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png


Beteiligte (irdisch)
Haus della Pena jH klein.png Horasio

Vinsalt, Mitte Peraine 1032 BF

Gedankenverloren blickte er aus den verglasten Fenstern seines Palastes auf das von dichten Nebeln verhangene Vinsalt. Nur schemenhaft war das einfache Volk zu erkennen, dass sich durch die engen Gassen der yaquirischen Metropole drängte und nur ab und an konnte man eine herrschaftliche Karosse erkennen, die sich langsam durch die Massen hindurch zwängte. Hinter ihm räusperte sich der Lakai, der ihm vor wenigen Augenblicken über die Ankunft seines Gastes informiert hatte. Für diese Ungeduld würde er schon bald bestraft werden.
"Bringt sie zu mir", sprach er leise aber deutlich vernehmbar ohne sich umzudrehen. Ergeben bestätigte man seine Anweisung und schloß die Tür geräuschlos, ließ ihn allein mit seinen Gedanken über die Schönheit der Stadt, welche an diesem Tag unter den wabernden Nebelschwaden verborgen bleiben musste. Eine geheuchelte Schönheit, dachte er bei sich.
Er hörte die Schritte vor der Türe, konnte ganz deutlich die kräftigen und federnden Bewegungen seines Gastes von den leisen Schrittes seines Lakaien unterscheiden. Das passte genau, er musste eine Figur auf das Garadan-Feld in der Urbasiglia bringen, die voller Tatendrang und Energie die gerechte Sache, seine Sache, verfolgen würde. Die Tür schwang auf, ließ den Neuankömmling hinein und schloß sich sogleich wieder.
"Comto Salman de Myrantis", begrüßte ihn die kleingewachsene Frau, zog sich dabei den breitkrempigen Hut vom wild gelockten Haupt und verbeugte sich tief. Lächelnd drehte er sich um und hielt ihr seine linke Hand hin an dessen Ringfinger ein glatter goldener Ring glänzte. Ergeben hauchte sie einen Kuss auf den Ring und erhob sich wie er es mit seiner Gestik gebot.
"Wie wunderbar es ist euch wieder zu sehen", meinte er und blickte ihr tief in die Augen. Er wußte welche Wirkungen dieser durchdringende Blick auf die meisten Gesprächspartner hatte. Sie schluckte einmal und warf ihm ein unsicheres Lächeln zu, während er ihren Körper musterte. Trotz ihrer zahlreichen Waffengänge zu Zeiten des Thronfolgekriegs konnte man sie durchaus als hübsch bezeichnen. Ihr schmaler Körper ließ sie für eine Duellantin beinahe zu schmächtig erscheinen. Wenn man nicht wüßte, dass ihre wahre Kraft in ihren flinken Beinen lag, konnte man sie schnell unterschätzen. Ein Fehler den schon einige ihrer Kontrahenten gemacht hatten.
Er wies mit der Hand auf einen Tisch, auf dem einige Karten, Briefe und Notizen verstreut herum lagen. Sie nickte und stellte sich hinüber an den Tisch, schwang bei den wenigen Schritten ihre Hüfte und spielte ihm dabei ein leichtes Lächeln ins Gesicht.
Er drehte eine Karte des Lieblichen Feldes zu ihr und wies mit einem Finger auf das Aurelat. "Ihr verfolgt die Vorgänge in eurer Heimatstadt noch?" Sie nickte und er fuhr fort. "Es ist an der Zeit für euch zurückzukehren. Der Boden ist fruchtbar. Geht hin, sät und erntet."
Sie warf ihm ein keckes Lächeln zu. "Es ist mir eine Ehre. Denn wem sonst sollte das Aurelat gehören wenn nicht dem Güldenen selbst?" Er nickte zufrieden und begann ihr die Einzelheiten ihres Auftrags mitzuteilen.

Brasimento, Anfang Ingerimm 1032 BF

Eine Freundin der Familie

"Sie ist mein ganzer Stolz", verkündete Korrago da Brasi stolz und blickte über die Brüstung der Terrasse hinüber zu seiner Nichte, die einen rotbraunen Hengst zum Tor des Anwesens führte.
"Zweifellos hat sie euer dunkles Haar und die dunklen Augen, doch ansonsten gibt es wenig, was einen glauben lässt, sie sei von eurem Blut", entgegnete sein Gast und lächelte ihn verschmitzt an.
Er versetzte ihr einen freundschaftlichen Schlag auf die zarte Schulter. "Behaltet eure Infamitäten für euch", lachte er.
"Oh, Infamitäten. Kaum setzt er seinen Hintern auf den gepolsterten Sessel eines urbasischen Signors, schon spricht er wie der Edelmann zu dem ich ihn schon seit Götterläufen erziehen wollte."
Er lachte weiter. "Ihr? Ihr erzieht einen wohl am ehesten zum Briganten."
Sie zog eine Augenbraue hoch und grinste ihn an.
Vom Hof erschall ein Ruf. Korrago drehte sich und hob seine Hand zum Abschied. Auch seine Gesprächspartnerin hob ihre Hand und winkte seiner Nichte zum Abschied.
"Ich meinte es durchaus ernst, als ich euch sagte, dass sie nicht so recht zu den Brasi passt", erklärte sie derweil. "Eure Familie ist für gewöhnlich von einer Grobschlächtigkeit", er wollte gerade entgegen als sie fortfuhr, "ich sagte grobschlächtig, nicht plump." Er lächelte und nickte.
"Ihr habt Recht. Ich halte sie mit Absicht vom Waffenhandwerk fern. Schaut nur, welch eine zarte Gestalt sie ist", meinte er und beide blickten Vascinia da Brasi, die sich eben gelenkig auf das Pferd geschwungen hatte, hinterher. "Ihre Reinheit und Unschuld lassen einen so manche Dragonade des [Horasischer Thronfolgekrieg|Thronfolgekrieges]] vergessen, nicht wahr?" Er nickte und blickte weiter zu seiner Nichte. "Auch handelt ihr richtig, wenn ihr sie hier auf dem Lande erziehen lasst." "In Urbasi würde sie nur von den Kabalen der Patrizier verdorben," brummte er genervt von den Umtrieben in der städtischen Signoria vor sich hin.
"Richtig. Und als eure Erbin würde sie zugleich das Ziel zahlreicher Erbschleicher werden, dabei hat sie doch jemanden verdient, der sie wahrhaftig aus seinem tiefsten Innersten liebt und ihr gibt, wonach sie sich wahrlich sehnt", freundschaftlich legte sie ihre vom Krieg durch einen fehlenden Finger entstellte Hand auf seine Schulter.
"Ja," seufzte er und verfolgte Ross und Reiterin, die nun die Allee hinunter galoppierten und am Horizont verschwanden.

Urbasi, 9. Rondra im Palazzo Brasi

Vascinia da Brasi

Vascinia da Brasi wurde durch das dumpfe Dröhnen des urbasischen Glockenturms aus ihren Träumen gerissen. Verschlafen drehte sie sich in der weißen Bettwäsche auf die andere Seite, blinzelte mit den Augen und entschloss sich dann doch sich aufzurichten. Da plötzlich erst wurde ihr gewahr, dass sie sich nicht mehr im heimatlichen Brasimento befand, sondern im Stadtpalazzo ihrer Familie in Urbasi. Entmutigt ließ sie sich wieder auf die Seite fallen, griff sich ein Kissen und drückte es sich so auf den Kopf, dass der dumpfe Klang der Glocke ihre Ohren nicht mehr so leicht erreichte. Sie versuchte jenem tauben Gefühl, dass sie seit dem Tod ihres Onkels umgab, zu entfliehen und wieder ins Reich der Träume zu entfliehen.
Es gelang ihr nicht. Zu allem Überfluss hämmerte nun auch noch eine Bedienstete an die Tür. "Herrin, ihr müsst aufstehen, die Sitzung der Signoria beginnt in Kürze", rief sie erinnernd. Vascinia verdrehte die Augen, zornig schleuderte sie das Kissen von sich auf die hölzerne Tür. Das Klopfen hörte auf. Dafür sprach man sie nun leise von der anderen Seite an. "Signora, verzeiht, aber ihr hättet bereits vor Stunden wach sein sollen um Euch auf die heutige Sitzung vorbereiten zu können."
Sie hatte Recht. Sie musste aufstehen. Als neue Baronessa von Brasimento war es ihre Pflicht, auch wenn es ihr weh tat und sie am liebsten den ganzen Tag im Bett verbrachte. Seufzend setzte sie sich auf. "Ich komme," rief sie der störenden Bediensteten zu, worauf diese verstummte.
Ihr Blick fiel auf einige Papiere auf dem Nachttisch. Sie waren in der Handschrift ihres Onkels verfasst. Ob wohl auch nur ein Signor in Urbasi wußte, dass sich hinter der rauhen und groben Fassade des Korrago da Brasi solch ein rahjagefälliger Feingeist verbarg?

Der prahlt mit seinem Adel, der mit Kunst,
Mit Reichtum jener, der mit Leibeskraft;
Mit Kleidern, wie auch Mode sie verhunzt,
Mit Falk' und Hund, mit stolzer Reiterschaft,
Und jeder Laun' ist ihre Lust gegeben,
Worin sie gern vor andern sich behagt.
Ich aber mag nach solchem Ziel nicht streben,
Weil mir ein Höchstes über alle ragt.
Dein Herz ist höher mir als hohes Blut,
Teurer als Gold, Gewänder, edle Steine,
Und hab' ich dich, ist aller Stolz der meine.
Unselig darin nur, dass du mir's ganz
Entziehn, und mich höchst elend machen kannst.

Vascinia kullerte eine Träne aus den Augen als sie las. Es war das Geschenk eines großzügigen Mannes gewesen, häufig hatte er ihr etwas mitgebracht wenn er wegen seiner Pflichten nach Urbasi hatte reisen müssen. Doch erst die letzten Monde hatte er ihr solch wunderbare Verse geschrieben. Es war solch ein schöner Sommer gewesen, ehe man ihn aufgrund der Fehde in Marudret nach Urbasi gerufen hatte.
Nun war er tot. In einem Hinterhalt hatten ihm die Feinde aufgelauert und alle Männer und Frauen seines Regiments über das Nirgendmeer zu Boron geschickt. Und was geschah hier? Anstatt zu trauern, sich der für Urbasi Getöteten zu erinnern, geschweige denn sie zu rächen, diskutierte die Signoria nur.

Tarquinio della Pena

Davon hatte ihr Korrago oft erzählt. Es gab keine Männer und Frauen der Tat in Urbasi. Zumindest nur wenige. Immerhin ihr entfernter Vetter Tarquinio schien ein solcher zu sein, er bot ihr nicht nur eine Schulter zum Ausheulen an als sie von der herzzerreißenden Nachricht hörte, er warb auch sogleich einige Söldlinge an, die ihre Landgüter in Brasimento vor den Zugriffen anderer Adelshäuser sichern sollten. Wie gut er daran getan hatte, zeigte der Versuch des amtierenden Gonfaloniere, der seine neugewonnene Macht sogleich mißbrauchte als er ebenfalls Waffenvolk den Sikram hinauf schickte und sich anschickte Brasimento ihrer Familie zu entreißen.
Bei aller Trauer durfte sie dies nicht zulassen. Zu viele wunderbare Erinnerungen verknüpfte sie mit Brasimento, zu schön war die Zeit an der Seite ihres Onkels gewesen. Xelena Naumachis, eine alte Freundin ihrer Familie aus dem Thronfolgekrieg hatte ihr dies klar gemacht, als sie kondolierte. "Du war stets das Wichtigste für deinen Onkel," hatte sie ihr gebeichtet und Vascinia wußte, dass sie die Wahrheit sprach.
Vascinia erhob sich. Legte den Brief zur Seite. Es tröstete sie, dass sie mit Tarquinio und Xelena zumindest einige wenige aufrechte Personen hier in Urbasi gefunden hatte, denen sie vertrauen konnte.
Die Glocke war schon lange verstummt. Vascinia machte sich fertig für die Sitzung der Signoria.

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