Briefspiel:Verschollen (2)

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Version vom 27. August 2024, 17:35 Uhr von Rondrastein (Diskussion | Beiträge) (Unterstadt nicht Oberstadt)
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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: Ende Rahja 1039 BF bis Anfang Praios 1040 BF Schauplatz: Urbet, Umland Aldan und Arivor, Burg Quellstein Entstehungszeitraum: 2018-2024
Protagonisten: Sanjana ya Malachis, Rondrigo Pelargon, Lorian di Salsavûr, Timor Sâl d. J. di Salsavûr und andere Autoren/Beteiligte: Familie ya Malachis.png Cassian, Haus di Salsavur.png Rondrastein
Zyklus: Übersicht · Ein besorgniserregender Brief · Eine zufällige Begegnung · Eine unerfreuliche Begegnung · Gefunden · In Sicherheit · Ein Schrei


Am Abend des gleichen Tages im Rahjamond 1039 BF, am Stadttor von Urbet

Die Sonne versank gerade in flammendem Rot hinter dem Tafelberg, als die einsame Reiterin ihr Pferd auf das Stadttor zu lenkte. Die mächtige Festung auf dem Tafelberg, die sich dunkel gegen den karmesinroten Himmel abhob war eine wahrlich imposante Silhouette, die an einem anderen Tag die Künstlerin in Sanjana zutiefst beeindruckt hätte, aber heute galten ihre Gedanken einzig dem ungewissen Ziel ihres Ritts und auch ein bisschen ihrem schmerzenden Rücken.
So bemerkte sie die Ansammlung von Wagen und Zelten vor der Stadt erst recht spät. Sanjana stutzte. Für ein Gauklerlager waren die Zelte und Gefährte nicht bunt genug und für einen militärischen Tross zu zerlumpt. Neugierig ließ sie ihre Stute von der Straße abbiegen und strebte dem improvisierten Lager zu.
Es waren Flüchtlinge. Leute aus Taresellio, Tomrath und auch Arivor. Sanjana blickte in mitgenommene, verstörte Gesichter von Männern, Frauen und Kindern. Viele hatten kleinere Blessuren, andere trugen ernsthafte Verbände oder Schienen. Sie hatten wohl nur das Nötigste retten können und wo auch immer Sanjana fragte hörte sie, dass der infernalische Sturm, mit dem der Komet eingeschlagen war, Bäume wie Streichhölzer geknickt, Gebäude zum Einsturz und Felder verwüstet hatte. Die Menschen standen vor dem Nichts.
Endlich fand die junge Malachis Rondrigo. Der Junge hatte am Turnierfeld als Wasserträger und Aushilfsbursche gedient. „Hohe Herrin, es war fürchterlich, die Erde begann zu zittern und zu beben und dann kehrte sich das Unterste zuoberst und andersrum. Die Turnierbahn bekam einfach Risse und Spalten und der Boden tat sich auf. Ich hab selbst gesehen wie der Herr Gabellano zusammen mit seinem Pferd vom Erdboden verschluckt wurde und dann, dann bin ich gerannt und gesprungen und geklettert…“
Hier wurde der Blick des Jünglings glasig und er verstummte, wohl waren die Erinnerungen, mit denen er sich plagte, zu persönlicher und zu schrecklicher Natur. „Aber du hast es ja geschafft, Rondrigo. Die Götter haben ihre schützende Hand über dich gehalten. Du bist jetzt hier, in Sicherheit.“ Sanjana versuchte den Burschen zu besänftigen und legte ihm sanft die Hand auf den Arm. Langsam kehrte er in die Gegenwart zurück.
„Ja Herrin, ich bin hier, aber allein und mittellos. Das Haus meiner Familie es ist einfach weg… da wo es stand, ist nur noch ein dunkles Loch. Wenn das der Schutz der Götter ist…“
„Schhh… so darfst du nicht denken. Nun, denken vielleicht schon, aber laut sagen ist etwas anderes. Rondrigo, ich suche jemanden, einen Turnierstreiter, vielleicht kannst du dich erinnern und hast ihn gesehen? Sein Name ist Timor di Salsavûr. Er ist groß, breitschultrig hat braunes Haar und sieht gut aus. Außerdem führt er lieber eine Axt als ein Schwert, reitet einen schwarzen Hengst und hat Hautbilder. Weißt du was aus ihm geworden ist?“ Unwillkürlich hatte Sanjana die Hände verschränkt, damit sie nicht zitterten. So sehr sie sich nach Kunde sehnte, genauso sehr fürchtete sie diese auch.
Rondrigo runzelte überlegend die Stirn. „Der Thorwaler? … mmh …“ Rondrigo überlegte lange, bevor er antwortete. Er wollte mehrfach beginnen, tat es dann aber doch nicht, sondern wirkte weiterhin nachdenklich. Als er dann endlich sprach, war es, schien eine Ewigkeit vergangen zu sein. „Ich habe ihn, glaube ich, gesehen auf dem Turnier, bevor das alles passierte...“ Wieder unterbrach er sich und grübelte vor sich hin. „Ihn habe ich danach nicht mehr gesehen, nur sein großes, schwarzes Pferd.... ah, Moment... Bei dem Pferd war noch eine Frau... die sah ziemlich runter gekommen aus, hatte braunes, langes Haar. Trug, glaube ich, Kleidung mit einem Wappen darauf... mit Lederbändern oder so.“
Erneut schwieg er. Seinem Gesicht sah man nach wie vor an, dass ihn die Geschehnisse mitgenommen hatten und er dennoch versuchte sich zu erinnern. Dennoch fühlte es sich für Sanjana wie Stunden an, bis er wieder das Wort erhob. „Ich glaube, bei ihr und dem Ross, lag jemand großes auf dem Boden...“
Er zog ein enttäuschtes Gesicht: „An mehr kann ich mich leider nicht erinnern. Tut mir leid.“
„Oh nein!“ Sanjanas Hände fuhren hoch und sie bedeckte ihr Gesicht. Kurzfristig war ihr, als drehe sich die Welt um sie. Rondrigos fester Griff um ihren Ellenbogen brachte sie wieder zum Stehen.
„Herrin? Geht es euch nicht gut? Verzeiht, bin ich schuld?“
Sanjana atmete durch und senkte die Hände. „Nein, Rondrigo, es ist nicht deine Schuld. Im Gegenteil, ich danke dir, nun habe ich doch zumindest Kunde von ihm, wenn auch keine gute. Aber ich glaube fest daran, dass er noch lebt. Mein Herz wüsste, wenn es nicht so wäre. Ich muss ihn einfach suchen.“
„Aber Herrin… ihr wollt doch nicht allen Ernstes nach Arivor reiten? Allein! Und in eurem… ähm... Zustand?“ Rondrigo blickte Sanjana entgeistert an.
„Aber natürlich werde ich das tun. Wer sollte mich hindern?“ Sanjana zog eine Augenbraue fragend hoch. „Nun, die Plünderer, oder die Flüchtenden oder was auch immer in Arivor aus den Erdspalten kriecht…“, Sanjana winkte ab. „Davor fürchte ich mich nicht. Mach dir keine Sorgen, ich komme schon durch. Du hast mir sehr geholfen, Rondrigo. Leider habe ich nicht wirklich viel Geld bei mir, aber ich gebe dir gerne ein Schreiben für meinen Vater mit, der wird dich entlohnen.“
„Umbringen wird der mich, wenn ich ihm berichte, dass ich euch allein hab gehen lassen, wenn er ein ordentlicher Vater ist. Herrin, ich bitte euch, kehrt wieder um, denkt doch an euer Kind.“
„Genau das tue ich.“ Für einen Moment fiel die unbekümmerte Maske von Sanjanas Gesicht ab und Rondrigo konnte sehen wie besorgt, verzweifelt und entschlossen die junge Adelige wirklich war.
Er seufzte: „Ja wenn das so ist… dann werde ich euch begleiten.“
„Ernsthaft?“ forschend blickte Sanjana ihn an. Rondrigo Pelargon war schätzungsweise 16 oder 17 Götterläufe alt. Er hatte schulterlanges, dunkelblondes Haar und braune Augen. Wahrscheinlich würde er noch wachsen, obwohl er jetzt schon knapp 90 Finger groß sein mochte.
„Ja, ernsthaft“, erwiderte der junge Leibdiener. „Ich konnte meiner Herrin nicht zur Seite stehen, dem war ich nicht gewachsen, aber ich kann euch helfen, euch auf dem Weg nach Arivor begleiten und schützen. Bitte, Signora, weist mich nicht ab.“
Prüfend blickte Sanjana in das bittende Gesicht Rondrigos. Schließlich nickte sie zustimmend. „Also gut, junger Pelargon. Ich nehme dich in meine Dienste. Ich bin Sanjana ya Malachis.“
„Herrin, ihr werdet es nicht bereuen. Ich werde euch immer treu dienen.“
„Nun, zunächst brauchen wir ein Quartier für die Nacht. Lass uns sehen, ob uns die Stadtwache am Tor noch einlässt.“
Rondrigo nickte: „Wir müssen uns beeilen, die Wache schließt bald die Tore und dann lassen die niemanden ohne Rang und Namen mehr rein. Kommt Herrin.“ Der Junge schnappte sich die Zügel ihrer Stute und reichte Sanjana seine Hand, um sie zu stützen. Er beobachtete die Schwangere kritisch, da sie immer noch bleich wirkte. „Wollt ihr euch eventuell wieder auf euer Pferd setzen und ich führe es?“
Sanjana schüttelte nur knapp den Kopf, als die an die Strapazen dachte, die, in ihrem Zustand, nötig waren, um Rubinas Rücken zu kommen. Sie nahm die ihr angebotene, stützende Hand dankbar an. Kurz darauf setzten sie sich mehr langsam als schnell in Bewegung Richtung der Tore der Landstadt Urbet.

Nach einiger Zeit, Sanjana kam es vor wie eine halbe Ewigkeit, erreichten sie den Einlass zur Lutisanastadt. Die Wache hatte bereits damit begonnen die Flügel zu schließen und lies augenscheinlich nur noch ausgewählte Reisende in die Stadt.
„Herrin, wir werden es nicht mehr schaffen in die Stadt zu kommen“, Rondrigos Stimme klang angespannt und niedergeschlagen, fürchtete er doch, dass seine neu gewonnene Herrin und er eine unruhige Nacht vor den Stadttoren verbringen mussten.
Kurz darauf erreichten die beiden das Tor, welches sich bereits vollends geschlossen hatte. Ein Hineinkommen war nur noch durch die Personenpforte im eigentlichen Tor möglich.
Vor dieser hatte sich ein Büttel positioniert, der, so schien es, die Entscheidung traf, wer den Durchgang noch passieren durfte und wer nicht. Als sie Wachposten erreichten, erhob Rondrigo freundlich die Stimme. „Den Göttern zum Gruße, ich erbitte einen Zugang für meine Herrin und mich zur Stadt.“
Der Soldat musterte die beiden. Rau erhob sich seine Stimme: „Schert euch fort, das Tor ist geschlossen! Kommt morgen bei Sonnenaufgang wieder!“ Dem Gesagten folgte ein Blick, der einschüchtern und jede weitere Diskussion unterbinden sollte.
Rondrigo blickte kurz zu Sanjana, die schnaufend zum Stehen gekommen war und erst jetzt den Wachmann anschaute. Er richtete sich auf und musterte den Mann, der ihm gegenüberstand. Die Haare kurz geschoren und an einigen Stellen bereits ergraut. In seinem Gesicht sprießten Bartstoppeln, die davon zeugten, dass er sich wohl schon länger nicht rasiert hatte. Sein Körper wurde von einem Rock verdeckt, der das Wappen der Stadt Urbet zeigte und die Rüstung, die man nur dem stählernen Klang erkennen konnte, wenn er sich bewegte, verdeckte. An seiner Seite trug er eine Waffe, die üblicherweise Sergeants vorbehalten war.
Der junge Leibdiener deutete auf die Tür hinter dem Wächter. „Lass uns bitte noch ein, die Personentür ist doch noch offen. Seht ihr denn nicht, dass meine Herrin nicht unter freiem Himmel schlafen kann?“ Er trat einen Schritt zur Seite, damit der Büttel freie Sicht auf Sanjana hatte.
Als die Stadtwache die junge Frau musterte neigte er leicht seinen Kopf zur Seite. Sie war unübersehbar schwanger noch dazu trug sie Gewandung, die deutlich besser als der Durchschnitt war. Sein Blick ging weiter zum Ross, dass die beiden begleitete. Bei diesem handelte es sich, er war zwar kein Kenner, aber dies war selbst für Ihn nicht zu übersehen, nicht um einen Ackergaul, sondern um ein edles Reitpferd.
Der Blick der Wache ging erst zurück zu Sanjana und dann wieder zu dem jungen Burschen, der sich als ihr Diener bezeichnete. Er trat einen Schritt zur Seite und gab den Weg zum Durchgang frei. „Schert euch weiter! Gott zum Gruße“, waren die barschen Worte, bevor er sich abwendete und seine Aufmerksamkeit auf die nächsten Ankommenden richtete.

Rondrigo ließ sich, dass nicht zweimal sagen und nahm erneut Sanjanas Arm, um mit ihr schnell das Tor zu passieren, bevor es sich der Sergeant anders überlegte.

Als sie die Pforte durchschritten hatten, eröffnete sich ihnen, die von Laternen erhellten Gassen, der Lutisanastadt. „Wart ihr schon einmal hier, Herrin und wisst, wo man hier schlafen kann?“ Erwartungsvoll schaute Rondrigo die junge ya Malachis an. In diesem Augenblick sah man sofort, dass es sich bei ihm noch eher um ein Kind als um einen Mann handelte.

„Ich war noch nie über Nacht hier, aber lass es uns am Valvassorenplatz versuchen“, antwortete ihm Sanjana. „Dahin ist es nicht weit und ich meine mich an die ein oder andere Herberge zu erinnern.“ Sie deutete die Straße entlang, wo man den großen Platz in der Ferne schon erahnen konnte. Trotz der vielen Menschen vor den Toren hatten sie schon im ersten Rasthaus Glück und konnten ein Doppelzimmer mieten.
Sanjana war sehr froh über Rondrigos Anwesenheit. Der Bursche kümmerte sich um ihr Pferd, ihr Gepäck, ums Essen und besorgte ihr sogar einen Zuber mit heißem Wasser.
Am nächsten Morgen bestand Sanjana darauf für ihren neuen Diener vernünftige Kleidung, eine Waffe und ein Pferd zu besorgen. Auch wenn das Pferd zugegebenermaßen ein Ackergaul war.