Briefspiel:Plötzlich Delegierte/Von einem Monsignore zum anderen
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Von einem Monsignore zum anderen
Weitere zwei Tage vergingen, da wurde ein Rahjanovize im Turaniterkloster zu Auricanius von Urbet vorgelassen. Der Junge verspürte augenscheinlich ein leichtes Unbehagen, wahrscheinlich hatte er noch nie so viele Praioten auf so engem Raum gesehen.
„Praios und Rahja zum Gruße, Monsignor!“, grüßte er den Prior mit einer tiefen Verbeugung, als hätte er sich lange überlegt, was er zur Begrüßung sagen sollte und schließlich diesen unkonventionellen, aber auch sicheren Weg gewählt. „Hochwürden Rahjalin Solivino beauftragte mich, Euch diese Mitteilung zukommen zu lassen.“
Er hielt dem praiosgeweihten Baron einen Briefumschlag hin, formell mit dem Siegelring des Gastgebers der Leidenschaft versiegelt, eine Weinrebe, umrahmt von kleinen Rosen in rotem Wachs.
„Eine Mitteilung Monsignore Rahjalins? Soso.“
Auricanius schien dies nicht erwartet zu haben, lächelte den etwas eingeschüchtert wirkenden Novizen aber freundlich an und nahm die gesiegelte Nachricht entgegen.
„Habt Dank dafür, junger Mann! Ist euch dazu noch etwas aufgetragen worden?“ Noch während er fragte, musterte er den Brief interessiert von außen.
Der Novize schüttelte den Kopf.
„Alles klar, dann richtet dem Monsignore bitte aus, dass ich seine Mitteilung aus eurer beflissenen Hand erhalten habe und sie umgehend lesen werde.“
Damit entließ er den Novizen.
Mit wenigen Schritten kehrte er danach an den Tisch zurück, auf dem ein ganzer Stapel weiterer Korrespondenz lag, der er sich vor der Ankunft des Novizen gewidmet hatte. Er legte den Brief Rahjalins dazu, setzte sich und zögerte kurz. Da es in der Signoria Urbasis gerade kein Thema gab, das förmlicher Absprachen bedurfte, ahnte der Urbeter, worum des dem Rahja-Hochgeweihten gehen könnte.
Als Auricanius den Brief öffnete, fand er ein einzelnes Blatt Papier vor. Im Vergleich zu Rahjadas präziser, ordentlicher Handschrift war Rahjalins Handschrift ausschweifend, verschnörkelt und nahm viel mehr Platz ein als nötig.
Sehr geschätzter Monsignor Auricanius von Urbet,
selbstverständlich ist mir bekannt, dass Ihr sehr beschäftigt aufgrund Eurer zahlreichen Ämter und Pflichten seid. Dennoch wäre es mir eine besondere Freude, Euch in drei Tagen auf dem Landgut meiner Familie in Cassiena willkommen zu heißen, sofern Ihr Zeit findet.
So überraschend diese Einladung für Euch erscheinen mag, werde ich ganz offen den Anlass preisgeben: Ich erfuhr, dass Ihr meine Tochter Rahjada zu Eurer Delegierten im Kronkonvent ernannt habt. Für Euer Vertrauen in sie möchte ich Euch ganz herzlich danken, denn es ist eine große Ehre und verantwortungsvolle Aufgabe.
Dazu wäre ein Treffen eine wunderbare Gelegenheit, zu erfahren, wie sie sich schlägt und wie es dazu kam, dass Ihr Euer Vertrauen in sie setzt.
Es soll Euer Schaden nicht sein, den Weg zur Villa Ricarda auf Euch zu nehmen, denn natürlich werde ich uns ein angemessenes Mahl bereiten lassen und Euch eine Kutsche zur Verfügung stellen, wenn Ihr dies wünscht.
Hochachtungsvoll,
Rahjalin Solivino, Gastgeber der Leidenschaft
Auricanius sah sich, nachdem er den Brief gelesen hatte, in seiner Ahnung bestätigt. 'Interessant', resümierte er, 'das kam schneller als gedacht.'
Rahjada hatte ihn ja gebeten, ihr neues Dienstverhältnis ihm gegenüber nicht von sich aus zum Thema ihrer Familie gegenüber zu machen. Und diesen Wunsch hatte er respektiert, auch wenn er über die tieferen Beweggründe dahinter nur Vermutungen anstellen konnte. Dass ausgerechnet Rahjalin nun so schnell und offen an ihn herantrat, sah er natürlich als Zeichen, dass sich die Esquiria selbst mit der Neuigkeit ihrer Anstellung bei ihrer Familie gemeldet hatte. Ob sie es direkt ihrem Vater gegenüber getan hatte, war nichtsdestotrotz fraglich.
Nachdem er noch eine Weile gegrübelt hatte, griff Auricanius schließlich zu Schreibfeder und Tinte und verfasste ein Antwortschreiben an den Hochgeweihten des Rahja-Kults, das diesem noch am selben Tag zugehen sollte.
Monsignore Rahjalin,
sehr gerne komme ich Eurer Einladung in die Villa Cassiena nach. Natürlich verstehe ich Eure Neugierde bezüglich der Ernennung Eurer Tochter zur Delegierten im Kronkonvent und gebe gleich vorweg, dass ich von ihrer Qualifikation in dieser Angelegenheit überaus überzeugt bin.
Eine Kutsche müsst Ihr mir darüber hinaus nicht zur Verfügung stellen, obzwar Euch das Angebot ehrt. Ich denke, dass ich den Weg zum Landgut Eurer Familie – auf dessen Besuch ich schon sehr gespannt bin – mit eigener Karosse finden werde.
Hochachtungsvoll,
Auricanius von Urbet