Briefspiel:Überzeugungsarbeit
Überzeugungsarbeit ist eine Geschichte aus den Landherrenhändel im Jahr der Nachbeben 1033 BF. Kurz vor der Fahnenschlacht von Gilforn versucht Guiliana di Matienna, den Rest ihres Hauses zu überzeugen, die Sheniloer Verbündeten nicht im Stich zu lassen, was sich schwieriger als erwartet herausstellt.
Burg Banquirfels, am 14. Boron 1033 BF
"...und daraufhin wurde eine Entscheidungsschlacht vereinbart. In drei Tagen." beendete Guiliana ihre Zusammenfassung der jüngsten Ereignisse. Amaldo schwieg nachdenklich in seinem Sessel, und kraulte dabei die zufrieden schnurrende Katze auf der Armlehne. Daria, auf einem Holzstuhl sitzend über den Kartentisch gebeugt blickte auf und wirkte verunsichert. "Und was sollen wir tun?" fragte sie. Guiliana schritt derweil das Turmgemach auf und ab, ihre Schritte brachten den Holzboden zum ächzen. "Uns bleibt nicht viel übrig", begann sie, "der Gewinner wird die Friedensbedingungen diktieren. Pertakis hat einiges mehr an Söldner als der Sheniloer Bund. Wir müssen alles in Bewegung setzen was Waffen hat, den Bognern..." sie hielt inne und schaute Amaldo ins Gesicht, sie wusste, was als nächstes käme würde ihm nicht gefallen "... und der Miliz. Und ihr müsst den Heerbann anführen!"
Stille. Guiliana hielt inne. Der befürchtete Wutausbruch blieb aus, Amaldo blieb ruhig, schaute noch nicht einmal auf, hatte die Augen gar geschlossen. Er überlegte, wägte ab. Worüber er nachdachte, das wussten er und die Götter allein. "Wo?" brummte er nachdenklich. Guiliana wusste nicht, was daran so wichtig sein könnte. "Bei Gilforn" antwortete sie und war nicht sonderlich überrascht, als sich Daria und Amaldo plötzlich in die Augen sahen. Guiliana kannte dies, manchmal hatten die Geschwister den selben Gedanken im gleichen Moment. "Besser, wir halten uns fern, keine Truppen, nichts" murmelte Amaldo und Daria nickte verständnisvoll. "Warum?" Guiliana verstand die beiden nicht. "Eine Falle" brummelte Amaldo weiter.
Daria wurde ausführlicher "Ich brauche keine zwei Augen, um das zu sehen", sie blickte Guiliana vorwurfsvoll an, Amaldo ebenfalls und selbst die vermaledeite Katze tat es ihnen gleich. Guiliana war von diesem ihr neuen Gedanken überrascht. Konnte es sein? Daria wandte sich der Karte der alten Domäne Pertakis und Umgebung zu, einem Beutestück aus der Brückenstadt, das womöglich einst Alessandro ya Ilsandro gehört hatte. Mit einem Finger deutete sie auf Gilforn. "Ilsandro will alle Truppen des Bundes südlich des Yaquirs. Dann kann er die Brücke mit einem Teil seiner Söldner halten und mit dem Rest im schutzlosen Norden zuschlagen." ihr Finger strich über die detailliert eingezeichnete Brücke von Pertakis, folgte der Straße nach Shenilo und dann Richtung Arinken zu als Amaldo der Kommentar "Dieser Gishtan war auch schon klüger. Wie kann er nur solche Bedingungen akzeptieren?" entfuhr. "Es wäre wie beim letzten Mal." fuhr Daria fort. "Aber wir haben sie beim letzten Mal besiegt!" entgegnete Guiliana trotzig. Amaldo wurde lauter, nicht mehr lange und er würde toben: "Weil die Miliz hier war, hier, wo sie hingehört, nicht bei Benedict. Und es ging verdammt knapp aus. Ihr wüsstet das, wenn ihr dabei gewesen wärt." Den gehässigen Unterton konnte Guiliana nicht überhören.
Sie versuchte es weiter, aufzugeben kam nicht in Frage. Vielleicht ließen sich ihre Verwandten anders überzeugen. Lächelnd sagte sie "Im Vertrag ist alles geregelt, nördlich des Flusses zu operieren wäre ein Vertragsbruch." Amaldo rollte mit den Augen. "Ein Fetzen Papier, nichts weiter!" spuckte er verächtlich aus. "Hier sind keine Ehrenmänner am Werk, wir haben es mit Pertakis zu tun! Auf deren Garantien zu vertrauen kommt einem Selbstmord gleich. Wenn die Sheniloer es riskieren wollen, gerne. Ich aber habe geschworen, diese Stadt zu schützen. Alles andere kann ab in die Nieder..." Daria war aufgestanden, hatte sich hinter Amaldos Sessel begeben und die Hand auf seine Schulter gelegt, um ihn zu beruhigen. Guiliana zugewandt sprach sie leise "Er hat recht. Ohne eine handfeste Garantie können wir es nicht riskieren, die Stadt schutzlos zurückzulassen." Guiliana fiel etwas ein, vielleicht konnte sie tatsächlich mit einer solchen Garantie aufwarten. Sie schritt zur Karte und deutete auf Burg Clamethblick, das neue Domizil von Phedre von Arinken. "Ihr solltet wissen, dass Phedre die Schlacht überwacht, mit all ihren Yaquitalern. Wenn Pertakis die Abmachung nicht einhält, wird sie eingreifen. Vergesst nicht, dass dies hier auch ihre Heimatstadt ist." Daria nickte "Das könnte wirken...", doch Amaldo hatte sich schon erhoben und stand am Kartentisch, während die Katze es sich auf dem Sesselpolster bequem machte. Amaldo hatte sich direkt vor Guiliana aufgebaut, wie ein Dolch bohrte sich sein Blick in ihre Augen. Unwillkürlich wich sie zurück. Amaldo legte sofort los: "Wie könnt ihr euch so sicher sein? Wann war Phedre das letzte Mal hier? Sie ist lange durchs Reich gezogen, war zu lange entfernt von der Heimat, hat sich mit zwielichtigem Gesindel umgeben. Wer weiß, ob sie noch eine von uns ist." Daria versuchte zu beschwichtigen. "Bruder, ihre Mutter und Geschwister leben noch hier in der Stadt..." Amaldo beruhigte sich. "Hilfreich zu wissen, wer weiß, welche Befehle sie wirklich hat, von den Pertakern, oder Fürst Ralman."
Auf einen Schlag hatte Guiliana den richtigen Einfall. Es galt wie beim Boltan-Spiel vorzugaukeln, bessere Karten in der Hand zu haben. Und wie beim Spiel durfte sie sich nichts anmerken lassen. Gefasst und mit regungloser Miene blickte sie in den Schein des Feuers und sagte "Der Comto Protector hat mir in Vinsalt höchstselbst versichert, in dieser Fehde die Integrität der..." sie suchte nach dem richtigen Wort "... Baronie zu garantieren. Phedre ist dementsprechend instruiert, wenn die Pikeniere nichts ausreichen, wird er anderweitig eingreifen. Auch er kann es sich nicht erlauben, ein Territorium, dass er eben erst erschaffen hat, einer Bedrohung auszusetzen." Sie blickte in die Runde. In Darias Gesicht war ein Lächeln zu erkennen, bei ihrem Onkel war sie nicht sicher, ob er ihr das abkaufen würde, die leuchtenden Augen der Katze hingegen schienen sie durchschaut zu haben. Amaldo hatte die Augen skeptisch zusammengekniffen. Mit spöttischem Unterton sagte er langsam "Der Comto Protector, soso! Ihr habt großes Vertrauen in euren neuen besten Freund..."
Guiliana seufzte, ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Ihr fiel es immer schwerer, ihrem Onkel gegenüber die Fassung zu behalten. Daria schien das zu bemerken mit beruhigender Stimme wandte sie sich ihrem Bruder zu "Amaldo, bitte, was willst du mehr? Mit dieser Absicherung können wir die anderen doch nicht im Stich lassen."
Amaldo wurde ruhiger, er hatte sich dem Schein den Feuers zugewandt, nachdenklich begann er zu sprechen "Warum eigentlich nicht? Wäre eine Niederlage des Bundes wirklich zu unserem Nachteil? Der kranken Mähre den Gnadenstoß geben..." Er drehte sich zu den anderen um, Guiliana sah das Flackern in seinen Augen, sie wusste, dass ihm soeben ein neuer Einfall gekommen war, was nichts gutes verhieß.
Daria schien Amaldos Gedanken erraten zu haben und kam ihr zuvor und widersprach "Wir wären sie los, aber ohne Verbündete." Nach grundsätzlicher Ablehnung klang das nicht. Amaldo steigerte sich sofort erneut in eine seiner Tiraden hinein "Besser keine als solche Verbündete. Der Sheniloer Bund war von vornherein eine Totgeburt, das Hirngespinst eines Träumers. Ludovigo hat es allen bewiesen, wir sollten ihm dankbar dafür sein! Schaut euch doch die anderen an. Die Calvens sind am Ende, der Rest nicht erst seit heute verkommen. Die Sheniloer respektieren unsere Sitten nicht und das Wort Dankbarkeit ist ihnen unbekannt. Ihr wollt von unseren Bürgern, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, für die Brahl, Gabellano, Dorén, die niemals das selbe für uns tun würden?" Guiliana entgegnete "Was ist mit Orsino Carson? Für ihn geht es um alles." Sie wusste, dass Amaldo ihn seit der Schlacht um Arinken sehr schätzte und ihr Onkel verstummte abrupt. Er schien tatsächlich seine Meinung zu ändern. "Die letzte verbliebene Bastion des Anstands. Er ist es wert, in der Tat." brummte er. Erwartungsvoll blickten die anderen ihn an...