Briefspiel:Ein Praiostag im Rondramond (1)
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Teil 1: Im Vorfeld
Autor: Gonfaloniere
Im Magistratspalast Urbasis, dem Machtzentrum der Fürstlichen Gemeinde des Heiligen Agreppo, herrschte seit Sonnenaufgang schon hektisches Treiben. Es war Praiostag, eigentlich ein Ruhetag, doch in der Fürstlichen Gemeinde der Tag der ordentlichen Signoria-Sitzungen. Zur mittäglichen Praiosstunde trafen sich wöchentlich die 36 Signori (oder deren Stellvertreter) in der Sala Argenta, um über die städtische Politik zu diskutieren. Was zu normalen Zeiten gerne auch mal weniger als zwei Stunden dauerte, drohte diesmal wieder eine tag- (und womöglich noch abend-) füllende Veranstaltung zu werden. Normale Zeiten herrschten nunmal gerade nicht …
Cerelio, einer der Amtsschreiber, ließ sich von der Hektik sichtlich anstecken, fuchtelte fortwährend an seinen Griffeln herum, keifte die Kollegen an, wenn diese ihm nicht die gewünschten Antworten lieferten und machte wichtigtuerische Gesten mit dem Pergament in seiner Hand. Die undankbare Aufgabe, für den Gonfaloniere die Tagesordnung der Signoria-Sitzung niederzuschreiben, war heute ihm zugefallen. Und niemand hatte ihn anständig darauf vorbereitet!
„Aktuelles zur Fehde, Lage in Marudret, hab’ ich … Söldner in Brasimento, ebenso … Was soll das heißen, andersrum? Mir wurde gesagt, dass dies die richtige Reihenfolge ist! … Von wem? Weiß ich nicht mehr, ist aber doch auch egal – oder glaubst du mir etwa nicht? … Verdammt, ich will die Liste fertig machen und nicht neu anfangen! … Also, weiter … Brandaufklärung, ist dabei, mit den Unterpunkten Bargellomord und Lilienbande, genau … Treiben der Freischar, japp … Klage bezüglich Terrena, verdammt, ergänze ich gleich … Hagelschlag in Tamarasco einschließlich Turaniterreaktion, hab’ ich … Antwort des Podestaten von Silas, noch nicht, worauf denn überhaupt eine Antwort? … Echt? Ungeheuerlich …“
Autor: Dellarbiato
“Malvolio, ich gehe davon aus, daß wir über genügend Mittel für Investitionen verfügen”, überlegte Alessandero dell'Arbiato laut und blickte fragend auf seinen Bruder.
“Nun, deine Besuche in Radoleth waren überraschenderweise nicht allzu kostspielig”, bemerkte Malvolio dell'Arbiato trocken. Alessandero besaß den Anstand, leicht zu erröten – in früheren Zeiten, vor dem Thronfolgekrieg, war Radoleth mit seinen Spieltischen ein zweites Heim für ihn gewesen. “Darf ich fragen, ob Du wieder Anteile an einer Güldenlandfahrt zeichnen willst?”, fuhr Malviolo fort, “oder soll es diesmal ein originales Artefakt aus Selem sein?”
“Oh bitte, nicht schon wieder diese Jugendsünden”, verteidigte sich Alessandero verletzt, “und zum Glück konnte ich diese wertlosen Anteilscheine einem gierigen Grangorer andrehen, der noch nicht wußte, daß das Ganze ein Schwindel war. Nein, wie Du weißt, ist hier in Urbasi die Manufactura abgebrannt. Nur noch Ruß und Ruinen sind übrig.”
“Du hast doch nicht …”
“Aber nicht doch. Es waren angeblich die Schnitter aus Silas, aber das spielt keine Rolle. Jedenfalls, ich dachte daran, das Gelände wieder zu bebauen. Wohnhäuser für den Pöbel. In letzter Zeit strömt das Landvolk in die Stadt und die Leute wollen ja ein Dach über dem Kopf haben. Also, ich habe mir bereits das Grundstück gesichert. Eine kleine Manipulation im Kataster der Stadt. Wir suchen uns einen Strohmann und bauen einige Häuser im Brabaker-Stil.”
“Also billig.”
“Und vermieten sie dann. Da ich als Priore für die Bauten der Stadt zuständig bin, dürfte es keine Probleme geben, sollte es Beschwerden geben.”
“Hmm, ich muß dies mal durchrechnen, Alessandero. Und wenn sich Dein Plan nicht rechnen sollte?”
“Dann gibt es halt noch ein Feuer.”