Briefspiel:Goldene Lanze von Bomed 1040/Beim Turnier verhindert, aber Punkte gemacht
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Prolog
Am Abend des 5. Rondra 1040 BF.
Eine Kutsche hielt - nicht weit vom gräflichen Schloss entfernt - vor einem Palazzo. Nachdem sich die Tür öffnete, sah man erst einen Gehstock und dann eine hagere Gestalt mit schulterlangen braunen Haaren dahinter aussteigen: Rinaldo Sirensteen. Auf den Stock gebückt, ging er in den Palazzo, wo ihn ein livrierter Diener bereits in Empfang nahm.
Im Inneren reckte sich die Person auf, nachdem die schwere Tür geschlossen ward. Den Gehstock ließ er ungestüm fallen, den der Diener seufzend aufhob. Es schien, als ob er das gewöhnt sei.
"Demnächst kann ich wohl auf den Stock wieder verzichten" murmelte Rinaldo sich in den gezwirbelten Schnurrbart, während er sich anschaute, wie der Diener den Stock in einem Schrank verstaute. Als dieser ihn fragend anschaute erklärte er:
"Irgendwann muss ich auch offiziell wieder vollständig genesen sein. Außerdem: Die eigene Verwandtschaft hat sich beim Turnier darüber lustig gemacht. Geht mit Stock zum Gestechfeld und gewinnt dann. Zwar das einzige Duell, gewinnt es aber..."
Der Diener Darion wusste was jetzt die Stunde geschlagen hatte - denn wenn Rinaldo über seinen nahen Verwandten Erlan Sirensteen schimpfte, dann war das keine Sache, die nach wenigen Augenblicken vorbei ging. Doch in diesem Fall sollte er sich irren, denn sein Herr, der Seneschall am Hof des Grafen von Bomed entschloss sich den Abend im Ziergarten des Palazzos zu verbringen und vergaß darüber, sich über die eigene Verwandtschaft zu beschweren.
Rinaldo hatte es sich im Garten bequem gemacht - und der Diener sorgte für die Versorgung mit dem lieblichen Wein des nahen Yaquirbruchs. Er blätterte durch die Unterlagen des gräflichen Hofes und als er Dokument mit Bezug zur Goldenen Lanze von Bomed sah, fing er an sein persönliches Resümee des Turniers zu ziehen:
Praios hatte es gut mit den Teilnehmern des Turniers gemeint, dachte er sich, als er an seinem Weinpokal nippend über die vergangenen Tage sinnierte. Er erinnerte sich noch an das eine oder andere Turnierjahr, wo insbesondere der Schwertkampf vor allem ein Kampf gegen den matschigen Untergrund war. "Wie hieß noch dieser Chababier, der damit nicht zurecht kam und deswegen verlor?", überlegte er und erinnerte sich gerne daran, wie er damals daraufhin beinahe das Turnier gewann. Jedenfalls seiner Erinnerung nach...
Die nicht-Teilnahme am Turnier
In diesem Jahr hatte er nicht am Turnier teilgenommen - offiziell begründete er seine nicht-Teilnahme mit seinem Reitunfall vor einigen Wochen, dessen Folgen immer noch nicht auskuriert seien. Das stimmte zwar nicht (mehr), aber solange er mit seinem Gehstock durch Bomed flanierte, nahm man ihm das ab. Fraglich war nur, wie lange er jetzt diese Illusion in der Stadt aufrecht erhalten konnte - jetzt wo schon beim Turnier selbst darüber Scherze gemacht wurden. Er hatte nur die Hoffnung, dass den seiner Meinung nach verschrobenen Humor seines Verwandten niemand dort verstanden hatte. Aber er war sich sicher, dass er in der nächsten Sitzung des Geheimen Rates darauf angesprochen werden würde.
Aufgrund der nicht-Teilnahme gab es auch nicht die Gefahr der schmachvollen Niederlage gegen seinen ungeliebten Verwandten, die er ihm angedroht hatte. Er erinnerte sich noch als wäre es gestern gewesen, als Erlan Sirensteen ihn nach dem Königsturnier zu Arivor (1038 BF) hier in Bomed aufsuchte und als Familienoberhaupt zur Rede stellte ob der Vorgänge in Arivor, wo er, Rinaldo, sich angeblich nicht im Sinne der Familie verhalten hätte. Die ganzen Vorhaltungen die Erlan ihm teils zurecht, teilweise aber auch zu unrecht, machte, hatte er schon wieder vergessen. Er erinnerte sich nur noch an den letzten Satz Erlans "... beim nächsten Turnier werde ich Euch dafür fordern und Euch eine Lektion erteilen!".
Daran hatte Rinaldo, der sich der Überlegenheit seines Verwandten aus dem Yaquirbruch auf dem Gestechfeld bewusst war, natürlich kein Interesse und so verzichtete er lieber auf die Teilnahme am heimatlichen Turnier. Er wollte nicht - hier in Bomed, wo sein Wort viel zählte - eine unnötige Niederlage erleiden.
Noch eine Niederlage brauchte er nicht - die letzte war schon zu schmerzhaft: Da hatte er versucht erst im geheimen Rat und dann den Grafen höchstselbst davon zu überzeugen, dass die Baronie Yaquirbruch mit jemand anderem zu belehnen sei (vorzugsweise mit ihm...). Doch weder im Rat noch beim Grafen selbst hatte er damit Erfolg.
Der ungeliebte Verwandte
Natürlich musste er an den diversen Festivitäten anlässlich des Turniers teilnehmen. Was ihn hier am meisten dabei störte waren die vielen Gespräche die sich oft nur um das ungeliebte Oberhaupt der Familie drehten:
"Ihr habt die selben grünen Augen wie Euer Verwandter..."
"Wie weit wird denn Euer Verwandter Erlan im Turnier kommen?"
"Euer Verwandter blüht ja im Kreise seiner Familie wirklich auf. Habt Ihr gesehen, wie er sich freute, als er seinen Sohn im Gefolge des Barons di Onerdi erblickte?"
Selbst der Graf, dem er in väterlicher Freundschaft verbunden war, musste ihn darauf ansprechen:
"Habt ihr den Kampf Erlans gegen Ariano Sal gesehen? Wer weiß, hätte er nicht den Patzer des Velirisers selbst wiederholt, dann hätte er sicherlich besser abgeschnitten."
Die Turniergänge
Den entsprechenden Lanzengang bzw. Schwertkampf hatte er miterlebt und er freute sich klammheimlich über die Niederlage Erlans. Und dieser folgte eine weitere und immer mehr. Nun, gegen Tarquinio della Pena hätte er gewinnen dürfen, da war das Blut dann doch dicker als das Wasser, aber auch da patzte Erlan. Das dieser nur gegen diesen Trenti erfolgreich war, das empfand er schon fast als Ironie. "Da hätte ich auch am Turnier teilnehmen können. Erfolgloser wäre ich kaum gewesen", dachte er sich dabei.
Beginnendes Zerwürfnis Erlans mit dem Grafen?
Was ihn jedoch noch mehr erfreute als die schmachvolle Turnierniederlage Erlans war dessen Eintreten für diese Logenvorsitzende Madalena von der Loge vom goldenen Strome beider Yaquirien:
Diese ist seit den Vorkommnissen am Grabe der Grafenmutter für den Grafen zur "persona non grata", ober aber zur "Madalena non grata" (wie es der Yaquir-Kurier in seiner Turnier-Ausgabe formulierte), geworden. Und für diese Madalena setzte sich sein Verwandter ein - was er zwar nicht ganz verstand, was ihm aber recht war. Denn der Graf wurde in dieser Causa immer erzürnter und das Eintreten Erlans für Madalena könnte sich negativ auf dessen Einfluss beim Grafen auswirken.
Mit einem Grinsen auf den Lippen erinnerte sich Rinaldo an einen geflüsterten Spruch des Grafen gegenüber Erlan während der Turnei. Vorher kam es zu einem der wenigen Aufeinandertreffen zwischen dem Grafen und der Logenvorsitzenden und der Graf zischte danach gegenüber Erlan
"... Euch habe ich Ihre Anwesenheit hier zu verdanken!"
in einem Ton, der an Klarheit nicht zu übertreffen war und Rinaldo darob erfreute.
Weiteres Öl ins Feuer
Am Rande des Balls zugunsten Prinzessin Udoras hatte Rinaldo erfahren, dass Madalenas Reisepläne sie bald wieder in die Gegend führen würde. "Das ergibt doch Potential", dachte er sich, und griff nach Papier und Feder und setzte ein Schreiben auf. Als er dieses fertiggestellt hatte, las er es noch einmal durch und zwirbelte sich lächelnd seinen Schnurrbart als er die eindeutige Formulierung bezüglich des Betretens der Grafschaft Bomed noch einmal las.
Er siegelte das Schreiben und stellte sich jetzt schon vor, wie ungeschickt Erlan wohl handeln würde, wenn er erneut um Vermittlung gebeten werden würde.
Dann war da ja noch der Ball zu Ehren Prinzessin Udoras - er hätte eigentlich gedacht, dass sich der Onkel der imperialen Hoheit mehr um die Kleine kümmern würde, was er aber nicht tat. Vielleicht war das ja auch noch nutzbar... und dann war da ja noch die eine Sache gewesen...
Rinaldo genoss den letzten Schluck seines Weines und freute sich - das Turnier hatte sich dann doch für ihn gelohnt...