Briefspiel:Königsturnier/In Diensten des Einen

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Horasturnier.png Geschichten am Rande des Königsturniers Horasturnier.png
Datiert auf: Zwischen den Jahren 1038 und 1039 BF Schauplatz: Nardolet/Arivor Entstehungszeitraum: September/Oktober 2015
Protagonisten: Isonzo Honorio von Punin, Adalrik von Schreyen, Tarquinio della Pena, Tsabella Catalina ya Mornicala und weitere Autoren/Beteiligte: Haus Schreyen.png Namenloser.png Athanasius


Nardolet, Irgendwo in der Erzherrschaft Arivor, Zwischen den Jahren 1038 und 1039 BF

Die Frau mit der Schaufel stieß einen erschöpften Ruf aus. „Da ist etwas!“ Der Hügel frischer Erde ragte neben dem Arangenbaum in die Höhe, um Platz für das Loch zu schaffen, das die beiden Gestalten gegraben hatten. Ein leicht dickliches Gesicht schob sich über die Grube und blickte in das verdreckte Gesicht einer grinsenden Frau. Sie deutete auf ein Stück dunklen Holzes, das ihre Schaufel freigelegt hatte. „Du hast es bald geschafft!“ Das Grinsen wich einem verdrießlichen Schnauben. „Du hast dich lange genug ausgeruht, finde ich!“

Der Mann winkte ab. „Du kannst dich da unten sowieso besser bewegen als ich. Komm, ich helfe dir auch, die Truhe hochzuheben.“ Die Frau seufzte, machte sich dann aber wieder ans Werk.

Schließlich war eine massive, etwa halb-schritt breite Truhe freigelegt. Ein Eisenschloss sicherte den Inhalt. Der Mann streckte die Arme in die Grube. „Ich will erst sehen, was drin ist.“

„Der Medicus hat gesagt, wir sollen nicht reinschauen.“ Die dunkelhaarige Frau zuckte die Schultern. „Er ist nicht hier, oder? Ich habe die ganze Mühe gehabt, jetzt will ich auch wissen, was wir hier ausgraben mussten.“ Sie legte die Schaufel an das Schloss, stöhnte als sie ihre Kraft auf das Holz einwirken ließ. Ein Krachen und Knarren, dann sackte das Schloss ein wenig hinunter. Die Frau stieß einen erfreuten Laut auf. „So, lass uns mal sehen...“ Mit der Stiefelspitze zog sie den Deckel der Truhe nach oben. Dann ächzte sie.

„Was ist...es ist zu dunkel!“ Der Mann holte die Lampe, die er an den Baumstamm gestellt hatte, näher heran. Das Licht fiel in die leeren Augenhöhlen eines Schädels. Bis auf den knochigen Hals, um den ein Strick gewickelt war, fehlte der Rest des Körpers. „Bei Travias furunkeligem Hintern...“
„Na, was auch immer er damit will. Ich hoffe, der Medicus zahlt jetzt ein wenig besser.“ Die Frau reichte dem dicklichen Mann die Truhe nach oben und schob dann die Schaufel über den Rand der Grube. „Los, hilf mir hoch.“ Der Mann grunzte, dann zog er sie mit einem Ruck nach oben. „Das reicht nicht, du Sikrami!“ Die Frau versuchte sich am Rande der Grube hochzuziehen. Sie warf dem dicklichen Mann einen wütenden Blick zu. Dann traf sie die Schaufel auf den Schädel. Wie ein nasser Sack fiel die Frau zurück in die Grube und blieb dort liegen.

Der Mann nahm eine Schaufel voll Erde aus dem Hügel und schüttete sie in das Loch. Ein Teil der Erde blieb am klebrigen Rot an der Schaufelspitze hängen. „Oh, keine Sorge, der Medicus wird mich gut bezahlen. Dumm nur, dass ich das jetzt alleine zugraben muss.“

Heroicum, Arivor, Zwischen den Jahren

Die Friedhofsmauer hatte sich nicht lange gewehrt, als der Mann mit dem Dolch begonnen hatte, seine Initialien in den Stein zu ritzen. Eine Weile hatte er erwogen, ob er in den Gräbern nach versteckten Beigaben suchen sollte, während er wartete, aber den Gedanken dann verworfen. Eine Grabschändigung pro Woche musste reichen. „Habt Ihr den Ort gefunden, Pagolo?
Der Angesprochene zuckte zusammen, als er die Stimme aus der Finsternis hinter sich dringen hörte. Er schüttelte den Kopf. „Wie seid Ihr denn hinter mich...“ Er hatte sich eben erst zum vereinbarten Ort durchgeschlagen. Pagolo reagierte nicht auf seine Worte, sondern griff nach dem Bündel, das der andere mit sich führte. „Habt Ihr alles, wie besprochen, erledigt.“
Der Mann wich zurück. „Ja, alles erledigt, Signore.“ Er deutete eine spöttische Verbeugung an. Dann runzelte er die Stirn. „Habt Ihr abgenommen?“ Der Mann unter der grauen Perücke wirkte abgemagert.
Ausdruckslos musterte ihn der Medicus. „Die letzten Tage waren...ereignisreich. Hat sich die Frau gewehrt, etwas geahnt?“
Pagolo schnaubte. „Hört zu, Signore. Wenn Sie sich gewehrt hat, dann nicht erfolgreich, sonst wäre ich schließlich nicht hier. Ich habe sie zum Tausch gegen das da...“ er deutete auf das Bündel in der Hand des Medicus, „den Würmern dagelassen. Es ehrt Euch, dass Euch mein Wohlbefinden so kümmert, aber mich interessiert nur das versprochene Gold.“
Der Mann, der angeblich aus Almada stammte, lächelte. Seine Augen lächelten nicht. Er griff unter sein Wams, das von einem nicht unerheblichen Bäuchlein aufgebläht wurde. Pagolo wich einen Schritt zurück, die Hand am Griff des Langdolchs, der in seinem Gürtel steckte. Der Medicus hob beschwichtigend die Arme. „Ich will Euch nur Euren Lohn aushändigen.“
Der Mann lachte. „So wie ich dieser närrischen Kuh ihren Lohn ausgehändigt habe? Habt da so ‘ne Balliste drin versteckt, oder?“ Der Medicus schüttelte wortlos den Kopf.
„Ganz langsam...nur eine Hand! Kalman ist tot, das Weib ist tot – aber mir könnt Ihr den Lohn nicht vorenthalten.“ Der Almadaner zog vorsichtig einen Beutel unter seinem Wams hervor. „Das hatte ich nicht vor.“ Drinnen im Beutel klimperte es vernehmbar. Die Züge Pagolos hellten sich auf und er griff nach seinem Lohn. „Ich will auch gar nicht wissen, warum Ihr einen Schädel wollt, den irgendjemand bei Nardolet vergraben hat. Ich nehme einfach meinen Lohn und dann bin ich weg.“ Er ließ das Bündel mit den Knochen drin ließ er achtlos fallen. Er löste die Schnur, die um den Geldbeutel gewickelt war und ging einige Schritte entlang der Friedhofsmauer. Der Medicus folgte ihm nicht, sondern nahm lediglich das Bündel, das Pagolo aus Nardolet mitgebracht hatte, und beobachtete ihn.
Pagolo kramte im Beutel herum. Er fühlte die Münzen, die durch seine Hände glitten. Das sich bereits andeutende Grinsen wurde mit einem Mal von einem Fluch vertrieben. Er nahm einen Finger in den Mund, saugte daran und betrachtete dann den Schnitt in seiner Fingerkuppe. „Was soll das denn, Mann. Sind da Schnittmünzen dabei?“ Vorsichtiger geworden ließ er einen Teil der Münzen auf die Friedhofsmauer rieseln. Der Medicus näherte sich langsam. „Soll ich mir den Schnitt mal ansehen?“
Der Mann kicherte. „Ach, so ein Kratzer...“ Die Münzen fielen zu Boden, klackten, als sie gegen die Seite der Friedhofsmauer prallten. Seine Hand hatte gezittert. Er blickte den Medicus an. Der Fluch verließ seine Lippen als Brabbeln. Er fühlte sich mit einem Male matt... Er musste sich setzen. „Ich bin müde...“ Er kippte von der Mauer.

Der Mann mit der Perücke und dem Bäuchlein wartete noch einige Zeit, bis er zu dem Gefallenen hinüberging. Er zog den Zusammengesackten herum, legte ihn auf den Rücken und nahm ihm Dolch samt Gürtel und Geldbeutel ab. Dolch und Geldbeutel verschwanden in einer Tasche an seiner Hüfte.
„Ich kann Euch sagen, warum jemand einen Schädel bei Nardolet vergräbt. Hochverräter werden auf mehrfache Weise hingerichtet. Ich könnte Euch die erstmalige Festlegung besonderer Hinrichtungspraktiken für Hochverräter im Codex Methumicus nennen, aber Ihr würdet es Euch wohl nicht merken können.“
Er griff er unter sein Wams und riss. Eine Schweinsblase fiel zu Boden. Nun war der Schlafende kräftiger als der Mann mit der Perücke. „Er wurde auf dem Richtplatz gehängt, wie ein gewöhnlicher Verbrecher. Daher das Seil. Das war in Arivor. Er war noch lebendig, als man ihm das Innerste nach außen kehrte. Er starb wahrscheinlich, bevor man ihn köpfte.“
Wieder griff der Mann, der ein Medicus sein wollte, unter sein Wams und holte ein tönernes Fläschchen hervor. Er träufelte eine bräunliche Flüssigkeit auf ein helles Tuch und tupfte dem Mann am Boden damit über Schläfen, Haaransatz und Schädel. Dann nahm er mit einem Seufzen die Perücke vom Kopf. Ein paar geübte Griffe und der Gefallene trug die Perücke, als sei sie für ihn hergestellt worden.
„Von den Eingeweiden ist nichts geblieben, sie werden direkt nach dem Ausweiden verbrannt.“ Der Mann fuhr fort und packte den immer noch reglosen Pagolo unter den Armen. „Die Glieder, die man ihm nahm, sind auch längst verfault, in den vier Ecken des Reiches."
Dann trat er hinter den Mann, packte ihn unter den Armen und zog.
Eine Weile später hatte er ein kleines Waldstück erreicht und lehnte den Schlafenden gegen einen Baum. Nun schwitzte er. „Aber der Kopf wurde in seinem Heimatort aufgepflanzt. Das war in Nardolet. Eine Getreue fand ihn dort und vergrub ihn.“ Er begann ein Seil um einen Ast zu winden. Dann nahm er den Gürtel und ließ sich behutsam neben dem Mann nieder. Als alles am Hals befestigt war, zog er die Schlaufe des Seils hinten durch den Gürtel. „Eine recht komplizierte Art, jemanden zu töten. Zum Glück gilt das nur für Hochverräter – nicht für Verbrecher wie Euch.“
Er ging mit dem Seil einige Schritte zurück, prüfte den Sitz, nickte dann. „Gehabt Euch denn Wohl, Isonzo Honorio von Punin.“ Er zog das Seil straff.

Die Alte Burg, Arivor, kurz vor Beginn des Jahres 1039 BF

Der Mann rieb sich über das Kinn aus dem erste Stoppeln sprossen. Das Geräusch war in der Stille zu hören, glaubte er. Er hatte nur seine Hände davon abhalten wollen, wieder unruhig den Schweiß abzuwischen. Es war nicht nur die Schwüle jener Nacht inmitten der Jahre, das Warten setzte ihm zusätzlich zu. Längst hatte er die graue, fransige Perücke ausgezogen, aber noch immer trug er das löchrige, weißgetünschte Wams und die zerschlissenen Hosen. Er prüfte noch einmal den Sitz der eisernen Schellen, die seine Hände banden. Der Wächter hatte ihn gegen ein – wenn auch horrendes – Entgelt hineingelassen. „Ihr habt mein Ansinnen betreffs des Wässerchens für den Signore Tarquinio erfüllt?“ Der Wächter hatte zögernd genickt. Er war eines jener Exemplare, das seine Taten hinter angeblicher Ahnungslosigkeit oder falschem Vertrauen versteckte. Schon deshalb gehörte es zu seinem Selbstverständnis, dass es nicht die Gier war, die ihn antrieb. Also hatte der Mann seinerseits den Vorschlag gemacht, eine höhere Dukatensumme zu zahlen. Letztlich wusste er nicht genau, was den Ausschlag gab, ihm zu Willen zu sein. Das Geld? Die Lügen? Beides? Es war ihm im Grunde einerlei. Er wollte in die Zelle eingelassen werden, die an diejenige des della Pena angrenzte.
Dann, endlich, ein Schlurfen in der Tiefe der Gänge, ein Klappern an den Kerkerstangen und der Wächter kam zurück. Sein unruhig umherwandernder Blick strafte seine stoische Miene jedoch Lügen. Er bedeutete ihm zu folgen. Der Mann gehorchte. Als er mit fast unhörbarem Schritt tiefer in das Kerkergewölbe hinabstieg, war zugleich der erste Schritt seines letzten Vorhabens getan.

Am Abend am gleichen Ort

Am Abend brachte man ihnen schließlich zur gleichen Zeit das Essen. Zwei hölzerne Schüsseln mit bröckelndem Brot und einem Brei aus Möhren und Apfel. Der Mann war nicht hungrig und er lauschte vergeblich auf Essensgeräusche von der Zelle Tarquinios. Eine Nebenwirkung des Rauchquarzes.
Er wartete noch etwas, dann schleuderte er den Brei gegen die Zellentür. „Sagt Eurem Erzherrscher, er soll den Fraß für seine stumpfen Greisenzähne aufsparen!“ Er tobte noch etwas weiter, bis eine Reaktion aus der Nachbarzelle ertönte. „Ob man uns wohl erlauben will, einen eigenen Koch herbeizubringen?“ Der Mann lachte. „Hätte ich eine Frau, würde ich sie bitten, mir etwas mitzubringen. Leider ist sie mir abhanden gekommen. Davongeflattert, könnte man sagen.“ Er erntete nur Schweigen. Er ging an die Tür, streckte die Nase durch das Gitter. „Was ist mit Euch, Signore, seid Ihr den Bund eingegangen?“ Zuerst fürchtete er, wieder keine Antwort zu erhalten. Nach einer Weile kam ein gemurmeltes „Ja.“ „Ihr Glückspilz! Sicher bringt Sie Euch manche Früchte vorbei, wenn Sie Euch besucht.“ Wieder Stille. Der Mann wartete. „Sie besucht Euch doch noch...?“ Er räusperte sich, als wieder keine Antwort kam. „Na, wenn Sie mein Weib wäre, würde ich sie her bestellen, Signore!“

Arivor, am letzten Tag vor Beginn des Jahres 1039 BF

„Ich habe mit Signora Edelmunde gesprochen. Sie ist eigens länger in Airvor geblieben, um mir beizustehen.“
Tsabella Catalina ya Mornicala, die nunmehr den Namen della Pena trug, sah ihren Mann vorsichtig an, bevor sie fortfuhr. „Sie sagt, Sie würde mich gemeinsam mit der Eskorte des Grafen Rimon gen Norden nehmen. Vielleicht würde den Kindern die Seeluft guttun, Signore Tarquinio?“ Sie zögerte. „Mein Vater würde uns gut aufnehmen. Ich...Tarquinio...ich habe genug von all dem Dreck und Blut in Urbasi und nun auch hier...“ Sie stockte und blickte ihren Mann an.
Eine kurze Weile lang erwiderte dieser ihren Blick, ohne äußerliche Regung. Dann schoss seine Hand nach vorne, traf Tsabella hart im Gesicht. „Du verräterisches Weib!“ Die Getroffene stöhnte laut, sackte zu Boden. Blut floss zwischen ihren Händen hervor, wo der Schlag Tarquinios ihre Nase getroffen hatte. „Du willst mich verlassen? Mir gar die Kinder nehmen?“ Er ignorierte das Fluchen und die hastigen Schritte, die sich der Tür näherten. Tarquinio trat auf die benommen am Boden liegende Frau zu. Noch einmal sauste die Hand nieder. Tsabella wimmerte. Der Schlüssel wurde umgedreht.
„Bitte, Gemahl...“ Der della Pena spie sie wütend an und wollte ein drittes Mal zuschlagen, als sich ihm ein Mann im Gewande des Ardaritenordens entgegenstellte. Tarquinio stieß ihn von sich, aber schon war ein Wächter da, ihn zurückzuhalten. Wutschnaubend schrie er Tsabella zwischen den Wächtern hindurch zu: „Du kannst froh sein, dass ich mein Rapier nicht habe, sonst erginge es dir wie dem verräterischen de Crux!“
Eine Wache brachte die schluchzende Signora Tsabella nach draußen, während man Signore della Pena mit mehreren Männern beiwohnte, um zu warten, bis dessen Wutanfall endete. Die nur angelehnte Tür der nun leeren Nachbarzelle bemerkte keiner.

Einige Zeit später in der Zelle des gefallenen Greifen

Die Gestalt auf der Lagerstatt blickte auf, als der Mann, der gewöhnlich einen Bart trug, eintrat. Adalrik von Schreyen blinzelte aus müden Augen, bevor er sein Gegenüber erkannte. „Ich habe Euch gar nicht erkannt, ohne Euren Bart.“ Er war nicht aufgestanden, als die Wächter an der Tür vorbeigeeilt waren und saß auch jetzt noch.
„Seid Ihr gekommen, um dem gefallenen Greifen den Todesstoß zu versetzen?“ Er lächelte müde. Der Besucher breitete die Hände aus und schüttelte den Kopf. „Eure Tat wollen wir nicht mit blutiger Klinge vergelten, wenn Ihr auch glaubt, gescheitert zu sein. Ihr habt der Sache zu einem großen Sieg verholfen.“ Eine vorsichtige Hoffnung glimmte im Blick des Cavalliere auf. „Dann wollt Ihr mir die Freiheit schenken? Es gibt noch vieles, was ich tun kann.“
Wieder schüttelte sein Gegenüber den Kopf, diesmal mit bedauernder Miene. „Ich fürchte, das übersteigt meine Fähigkeiten. Hineinzugelangen war mir möglich und auch, für unser ungestörtes Gespräch zu sorgen. Aber aus der Burg vermag ich Euch nicht zu bringen.“
„Aber wird der Zirkel ohne mich nicht zerfallen?“ Adalriks Stimme war leiser geworden.
„Für den gefallenen Greifen wird sich ein anderer in die Lüfte erheben.“ Der bärtige Mann lächelte. Dann machte er eine beschwichtigende Handbewegung. „Aber glaubt nicht, dass man Eure Dienste für den Einen vergessen wird! Ihr habt den vergänglichen Ruhm des eitlen Reiches geopfert, für den Ihr jahrelang gearbeitet habt. Der bräsigen Fratze der Ritterschaft habt Ihr Euer strahlendes Lächeln und Euren unermüdlichen Arm geschenkt. Und auch wenn Euer falscher Name jetzt vor aller Augen mit Abscheu ausgespien wird, wissen wir doch um die Wahrheit.“ Adalrik antwortete nicht, sondern lehnte sich mit dem Rücken an die kalte Kerkerwand.
Der Besucher löste die Kordel von seinem Gewand, die sich bald als dunkel-verfranstes Seil entpuppte. Unter seinem Gewand zog er ein Bündel hervor, nahm den Gegenstand darinnen heraus und legte ihn in eine Kuhle im Mauerwerk, wo ein Stück Stein herausgebrochen war.
Der einstige Favorit der Gerondrata erhob sich nun doch und blieb in einem Schritt Entfernung stehen, als er den Schädel erkannte. „Was bringt Ihr mir da, Bärtiger?“ Der Besucher wies auf den Schädel in der Dunkelheit. „Der große Daicon würde mit Stolz auf sein Kind blicken, auf das er zu Lebzeiten nie seine Augen senken durfte!“ Adalrik von Schreyen blickte ihn fragend an, dann verschwand der Ausdruck aus seinem Gesicht. „Ich will Euch nun verlassen, Bruder. Ihr müsst Eure Kraft hegen, um Euch der Kerkerhaft zu stellen. Ich sehe nicht, was Ihr sonst tun könntet.“ Der Bärtige verbeugte sich und ließ den Mann, der sich von Schreyen nannte, zurück. Eine lange Weile starrte er nur in die leeren Augenhöhlen des Schädels, den der Besucher dagelassen hatte. Erst spät wanderte sein Blick zu jenem alten Seil, das noch immer da lag, wo der Bärtige es ausgezogen hatte.