Briefspiel:Magistratswahlen 1046 BF/Nominierung und Wahlkampf

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Sheniloneu3k klein.png Briefspiel in Shenilo Sheniloneu3k klein.png


Am 15. Praios 1046 BF soll das Amt des Ersten Rats von Shenilo für vier Jahre neu besetzt werden.

Nominierung

Giuliana di Matienna schlägt Travin di Asuriol vor

“Geehrter Gransignore Cordur, werte Consilieri” Guiliana di Matienna erhob sich aus ihrem Sitz und sprach zu allen Anwesenden. “Nachdem sich nun ein neuer Gransignore gefunden hat, gilt es nun, auch drei Magistratsämter zu besetzen. Selbstverständlich gebührt es euch, Gransignore Cordur, die einzelnen Magistratsämter auf Vorschlag des Consilium Draconis zu bestzen, doch möchte ich vorschlagen, Nominierungen aus den Reihen der Consiliere anzuhören, bevor ihr Eure Entscheidung fällt.”
Nach einer kurzen Pause, die kaum Zeit für eine Reaktion des neu ernannten Gransignore zuließ, fuhr die hoch gewachsene Baronin fort: “Die Entwicklungen um Sewamund in den vergangenen Monaten führten uns vor Augen, dass die Freiheiten und der Reichtum, welche einige Städte - Shenilo im Besonderen - errungen haben, Begehrlichkeiten unter unseren Nachbarn geweckt haben werden. Begehrlichkeiten, die durch die Bedrängnis, in die Baron von Streitebeck die Sewamunder zu bringen vermochte, nur weiter angefacht wurden. Durch diesen Umstand trägt unser Erster Rat als wichtigster äußerer Repräsentant dieser Stadt die einzigartige Verantwortung, unseren Nachbarn die Fähigkeit und den Willen des Sheniloer Bundes, sich gegen fehdehungrige Nachbarschaft zur Wehr zu setzen, unmissverständlich zu machen.Für dieses wichtige Amt schlägt das Haus di Matienna den ehrenwerten Cavalliere Travin di Asuriol vor. Er hat in der Vergangenheit seine Beständigkeit und Ehrbarkeit mehrfach unter Beweis gestellt. Er besitzt ein einzigartiges Gespür dafür, wann Fingerspitzengefühl nötig ist - und wann handfestere Lösungen gefragt sind. Wenn ihr mich fragtet, wer in diesen Tagen die Aufgabe übernehmen sollte, die freie Stadt Shenilo nach außen hin zu repräsentieren, mir würde, bei den Zwölfen, kein besserer einfallen als Travin di Asuriol.”
Giuliana ließ mit erhobenem Kinn den Blick über die Consilieri wandern, als rechnete sie mit Widerrede. Als Travins und ihr Blick sich trafen, nickten sie sich kaum wahrnehmbar zu.

Tassilo Brettschneider schlägt Atroklea ya Papilio vor

“Di Matienna, wie man sie und ihre Familie kennt”, flüsterte Eolan ya Aragonza, Berichterstatter für das Sheniloer Hesindeblatt, seiner adretten Nebensitzerin zu. Diese spürte im Gegensatz zu dem Schreiber sogleich die tadelnde Aufmerksamkeit der Baronin von Arinken auf ihnen ruhen und senkte errötend den Blick.
Aragonza notierte derweil, gänzlich unbeeindruckt: ‘Nach diesem mit Vehemenz und Autorität vorgetragenen Vorschlag wagte kein Consiliere, noch einen anderen Namen zu nennen und…’ Er hörte, wie ein schwerer Lehnstuhl nach hinten geschoben wurde und blickte überrascht auf. Dann strich er eilig seinen letzten Satz durch und lauschte gespannt.
„Es ist keine bindende Regel, aber gute Tradition“, hub der Consiliere Pryrdacor Tassilo Brettschneider an, „dass das Consilium Draconis nicht nur eine Liste geeigneter Bewerberinnen für die Sheniloer Magistratsämter zusammenstellt, sondern auch, dass einzelne Consilieri aus ihrer Sicht besonders geeignete Personen vorschlagen. Einen solchen Vorschlag für das respektable Amt der Ersten Rätin möchte nach Hochgeboren Guiliana von Arinken nun auch ich einbringen.“
Die Baronin, die nach ihrem Vorschlag wieder auf der Zuhörerbank des Magistratspalasts Platz genommen hatte, zog überrascht die Augenbrauen hoch: „Hört, hört“, raunte sie leise, doch laut genug, dass man sie auch auf der anderen Seite der Halle vernehmen konnte. Mit deren Akustik war sie wohlvertraut.
Meister Tassilo indes ließ sich von ihrem Einwurf nicht stören und fuhr fort: „Shenilo hat die Gunst, dass für dieses Amt, dessen Bedeutung mit ‚Stellvertretung des Gransignors‘ nur unzureichend beschrieben ist, wie wir nicht zuletzt während der Landherrenhändel erfahren haben, ein respektiertes und sich dem Wohl des gesamten Contados verpflichtet fühlendes Haus eine dafür mehr als geeignete Bewerberin vorgestellt hat: Edelgeboren Atroklea ya Papilio, die nicht zuletzt als Vertreterin des Familienoberhaupts Sharane in der Eteria vielen bekannt ist.“
Nach diesen Worten drehten sich viele Köpfe zur Zuhörerbank: Am von Guiliana aus gesehen anderen Ende erhob sich eine zierliche Frau in ihren 50ern, gewandet in ein elegantes, doch nicht protziges, blaues Seidenkleid mit gelben Rüschenverzierungen und Handschuhen. Zwei der vier Farben aus dem Wappen der Stadt, bemerkten aufmerksame Anwesende sogleich, sicher kein Zufall. Atroklea überließ selten etwas dem Zufall.
Umgeben von ihrem Bruder Baran, ihrem Sohn Horasio und ihrer Nichte Sinestra hatte sie zuvor still und aufmerksam die Versammlung verfolgt. Nun ließ sie lächelnd den Blick über die teils neugierig, teils überrascht Schauenden streifen, nickte dem ein oder anderen vertrauten Gesicht zu – auch Travin di Asuriol – und setzte sich wortlos wieder.
Tassilo fuhr fort: „Die Damosella lebt seit 1039 BF in unserer Stadt. Ihr bisheriges Engagement für dieses Gemeinwesen sollte bekannt sein – ich verweise exemplarisch auf die Instandsetzung des Theaters zur Maske. Was Atroklea ya Papilio als Erste Rätin zur besten Wahl macht, wird sie Euch später selbst darlegen.“
Der Consiliere setzte seine Augengläser ab und legte sie vor sich auf den Tisch, als Zeichen dafür, dass sein Wortbeitrag abgeschlossen war.

Reden

Travin di Asuriol

Bedächtig erhob sich nun auch Travin di Ausriol, der, zwischen seiner Tochter Aurelia und einem leeren Sitz, in der Nähe derer di Matienna saß. Bevor er sprach, strich er seinen Damastrock glatt, der fein geschneidert und vom tiefsten Schwarz war, das die Färber hervorzubringen vermochten, und blickte währenddessen in die Runde. “Es ist wahr. Damosella ya Papilio hat sich in der kurzen Zeit, seit sie den Palazzo ya Papilio zu ihrem Wohnsitz gemacht hat, stark für das die Strukturen und das Gemeinwesen unserer Stadt engagiert. Niemand hier kann ihr dies absprechen.”
Eine kurze Pause folgte, während der der Cavalliere in den Mienen einiger Anwesender erkannte, dass fest mit einer scharfzünigigen Spitze gerechnet wurde.
“Doch die di Asuriol haben sich ebenfalls und mit mindestens dem gleichen Aufwand an Zeit und Silber für Shenilos Bewohner eingesetzt. Meine Familie pflegt regelmäßigen Austausch mit der Riesenzunft und ich selbst bin Altmeister der Innung der Rebleute. Als solcher bewirtschafte ich nicht nur das Weingut meiner Familie, sondern auch den Albornshof im Besitz des Signore di Ulfaran.
Diejenigen, die sich regelmäßig in Nuovo Ruthor bewegen, wissen um die Wohltätigkeit der Traviaschwestern- und Brüder vom Kloster Sancta Lamea, die ihre Mittel in großen Teilen der Freigiebigkeit der di Asuriol zu verdanken haben. Und als Patriarch bin ich es, bei dem all diese Fäden zusammen führen. In brevis: Ich weiß, welche Bedürfnisse die Popoli und die Nobili haben, kann nachvollziehen, worum sie sich sorgen und dementsprechend auch als Delegat für sie sprechen. - Shenilo ist eine freie Landstadt, und als solche können wir es uns nicht leisten, dass das Patriziat sich in den Palazzi und Landsitzen einschließt. Denn es sind die zünftigen Handwerker und die Kaufleute, die das Rückgrat Shenilos bilden. In ruhigen Zeiten ermöglichen sie Wohlstand, während Fehden und im offenen Krieg decken sie die Mauern und stellen die Fußknechte unseres Aufgebots. Wir Patrizier sind der Kopf des Bundes und müssen mit Verstand agieren. Sind Subtilitäten und Zurückhaltung gefragt, müssen wir wohl überlegt handeln. Erfordern die Zeiten jedoch einen starken Schildarm, so hat sich in der jüngeren Vergangenheit gezeigt, dass die di Asuriol sich nicht davor scheuen, ihren Freunden persönlich zur Seite zu stehen.” Nach diesen letzten Worten seiner Ansprache setzte sich Travin, und gab damit den Anwesenden den Blick auf den unbesetzten Sessel zu seiner Rechten frei, wo gewöhnlich sein Sohn und Erbe, Athaon di Asuriol, saß.

Atroklea ya Papilio

Ehe sie zu sprechen begann, ließ Damosella Atroklea noch einmal ihre grauen Augen ruhig über die versammelten Consilieri und Zuhörer streifen. Nach angemessenen Begrüßungsworten hielt sie sich nicht mit einer langen Vorrede auf, sondern kam direkt auf die bevorstehende Entscheidung des Gransignors zu sprechen: „Hochgeboren Guiliana hat Edelgeboren Travin empfohlen und dies im Wesentlichen mit der Möglichkeit begründet, dass Stadt und Land Shenilo, somit Rechte und Besitz aller Einwohner, durch äußere Feinde in Gefahr geraten könnten. Diese Möglichkeit ist bedauerlich, aber in der Tat nicht auszuschließen.“
Atrokleas Gesicht zeigte erst Sorge, dann aber beruhigende Gelassenheit: „Doch diese Möglichkeit ist keinem von uns neu, insbesondere jenen unter euch nicht, deren Familien in Shenilo leben, seit die Herauslösung aus der Domäne Pertakis Freiheit und Selbstbestimmung brachte, und nicht auf einer Burg, fern von hier, hinter dem Wald.“
Eolan ya Aragonza blickte erschreckt von seiner Schreibkladde hoch und erkannte, dass es in der damit Angesprochenen Baronin von Arinken innerlich kochte. Kaum hielt es sie schweigend auf ihrem Platz.
Atroklea schien das gar nicht zu bemerken und fuhr fort: „Immer wieder waren die Errungenschaften des Sheniloer Bunds bedroht, immer wieder wurden diese aber auch verteidigt – nicht zuletzt von Gransignores und Magistratsmitgliedern, die aus der Gemeinschaft zur richtigen Zeit in jenes Amt gewählt wurden, für das sie am besten befähigt waren. Alle gemeinschaftlichen Aufgaben werden in dieser Stadt aufeinander abgestimmt und beauftragt – und das war ein Grund für mich, nicht im fernen Wanka zu residieren, sondern die meiste Zeit in Shenilo zu verbringen.“
Sie blickte einen Augenblick in die Ferne und rief sich etwas ins Gedächtnis, ehe sie ihren Gedankengang weiterführte: „Die Abwehr äußerer Bedrohungen ist ebenso eine Gemeinschaftsaufgabe. Ich zweifle keinen Moment daran, dass Travin di Asuriol die richtigen Fähigkeiten hat, dazu beizutragen.“
Die Damosella hielt inne und erlaubte dieser Bemerkung, ihre Wirkung bei den Zuhörern zu entfallen. Erst als in genügend Gesichtern Verwunderung oder Verstehen zu erkennen war, setzte sie nach: „Im richtigen Rahmen, in der richtigen Funktion.“ Noch eine Pause.
Die Papilio sah der Reihe nach einige besonders einflussreiche Personen in der Halle an, dann fuhr sie fort: „Es ist vornehmlich Sache des Gransignors, nach eingehender Beratung zu entscheiden, ob und wann im Fall einer äußeren Bedrohung – ich zitiere - ,handfestere Lösungen gefragt sind‘. Nicht Sache des Ersten Rats. Oder vielmehr: der Ersten Rätin Shenilos. Dieses Amt bedarf Fingerspitzengefühls, das stimmt. Ebenso aber auch der Bereitschaft, die eigenen Interessen und Impulse hintanzustellen, um besonnen das Wohl der Stadt, des Landes und der Einwohner verfolgen zu können, die die Erste Rätin beispielsweise im Kronkonvent, bei diplomatischen Anlässen im Reich oder gar als horasische Delegatin in fernen Landen vertritt.“ Das Gemurmel in den Sitzreihen zeigte, dass ihre Worte einigen Anlass zur Diskussion boten und manchen womöglich über seine zuvor gefasste Position grübeln ließen.
Atrokleas schlanke Hand hob sich und ließ die meisten Anwesenden noch einmal verstummen: „Haus ya Papilio stand immer für die Gemeinschaft der bedeutenden Familien ein, die Shenilo und dessen Contado prägen. Es übernimmt verlässlich Ämter und Aufgaben, auch wenn diese kein großes Ansehen bringen, gleichwohl aber für Fortbestand und Entwicklung dienlich sind. Dem fühle ich mich verpflichtet und werde als Erste Rätin meine Kontakte in andere Städte für Sicherheit und Wohlstand einsetzen. Drohgebärden werden mich nicht einschüchtern, denn ich vertraue darauf, dass der Gransignor und der Constabler Shenilo auf äußere Bedrohungen vorbereiten. Und das ist, um meine Rede zu schließen, für Haus ya Papilio Grund genug, dem geschätzten Travin di Asuriol Unterstützung zuzusagen, sollte er in zwei Götterläufen entscheiden, für das Amt des Constablers zu kandidieren. Für dieses Amt stände er nicht zur Verfügung, sollte er nun auf vier Jahre als Erster Rat gewählt werden.“
Ob dieser erstaunlichen Wendung fehlten einigen Anwesenden die Worte. Nur dem Berichterstatter Eolan nicht. Er notierte für die kommende Ausgabe des SHB: „Alle spielten Inrah, bis Damosella Atroklea ihnen zeigte, dass sie auf einem Garadanbrett standen.“

Hinter den Kulissen/offene Unterstützung

Familie Tuachall

"Ya Papilio? Ach, die gibt's ja auch noch", murmelte Scibor Tuachall und nickte zufrieden, als weitere Vorschläge ausblieben. Bei den beiden Anwärtern war für den Consiliere Teclador klar, wie der Familienrat entscheiden würde. Man müsste ihn noch nicht mal einberufen. Gleich auf mehrerlei Wegen war man der Familie di Asuriol und ihren Unterstützern verbunden:

  1. Obra Tuachall schloss vor zwei Jahrzehnten einen lukrativen Vertrag mit dem Haus di Matienna, der dem Kontor Tuachall in Arinken zur Blüte verhalf. Guiliana di Matienna als Baronin von Arinken war dabei stets ein verlässlicher Partner.
  2. Zudem fungiert die einflussreiche Tilliane di Asuriol als Ziehmutter der Donatorierin Saria Tuachall. Das Tandem hat mit seiner Gastfreundschaft und Kochkunst nicht nur den Orden und die Besucher von Sancta Lamea, sondern auch die Mitglieder der Familie Tuachall für sich eingenommen. Zuletzt vollzog die scheidende Priorin den Traviabund von Thalya Tuachall mit Eolan van Kacheleen und gewann mit der romantischen Trauung im Buchenhain die Herzen der Gäste.

Somit erübrigte sich für Scibor jede Diskussion. Aus Respekt vor dem ehrenwerten Haus ya Papilio nahm er sich mit allzu starken Bekundungen zurück und spendete nach dem Beitrag des Consiliums-Kollegen gebührend Applaus. Mit der Hand auf dem Herz und einem kurzen Blick gab er sodann Guiliana di Matienna zu verstehen, dass die Tuachalls ihren Vorschlag unterstützten. Hinter den Kulissen würde er bei Gelegenheit ein gutes Wort einlegen, um dessen Wahl zu befördern.

Leomar Gabellano

Ein feines Lächeln umspielte die Züge Leomar Gabellanos. “Und?”, fragte er leise seine Tochter Rebecca, die neben ihm saß, während seine Augen genau die Reaktionen des einen oder der anderen beobachteten, nachdem Atroklea ihre Ansprache beendet hatte. Es bedurfte für Rebecca keiner weiteren Worte ihres Vaters, um zu wissen, was er von ihr zu erfahren verlangte.
“Geschickt. Und gleichsam … unverfroren. Ya Papilio will mit ihrer Rede gleichsam den Patriziern schmeicheln wie auch auch dem Grandsignore selbst. Und indem sie ihn für den Constabler vorschlägt und mit diesem Amt seine von ihm selbst vorgetragenen Stärken hervorhebt, schließt sie eine Tür für di Asuriol und stellt diesen gewissermaßen selbst vor eine Wahl.”
Leomar nickte zufrieden. “Und weiter?”
Rebecca hielt einen Augenblick lang inne. Überlegte. “Travin beschwört die Bande zwischen Popoli und Nobili. Interessant, dass er die Popoli zuerst nennt. Womöglich ein Fehler. Die Meinung jener dürfte den meisten derjenigen, die dieser notablen Gesellschaft angehören, in der wir uns augenblicklich befinden, eher weniger von Belang sein.”
“Und wie denkst du darüber?”
“Nun… die Ereignisse in Sewamund haben gezeigt, dass Travin durchaus einen Punkt hat. Womöglich hat ya Papilio recht, wenn sie ihn zum Constabler vorschlägt.”
Leomar winkte ab. “Das allein ist es nicht, meine Liebe. Der Constabler führt Befehle aus, macht aber keine Politik. Und es ist die Frage, in welche Richtung Shenilo sich bewegen will. Die Ereignisse in Sewamund zeigen uns nur zu deutlich, wohin ein allzu hitziges Verlagen uns führen kann.”
“Und wen wirst du unterstützen, Vater?”, fragte Rebecca.

Das Familienoberhaupt der Gabellanos sog schwer die Luft ein. Als ehemaliger Grandsignore von Shenilo wusste er, dass sein Wort nicht ohne Gewicht war. Leomar erhob sich.
“Hochgeschätzter Gransignore Cordur, werte Consilieri!" Bitte erlaubt mir, zu sprechen.”
Nachdem er sich der Zustimmung des amtierenden Grandsignore versichert hatte, fuhr Leomar fort.
“Zunächst will ich den beiden Kandidaten für dieses ehrenhafte und verantwortungsvolle Amt für ihre Bereitschaft danken, diese Bürde auf sich zu nehmen. Es sind fürwahr bemerkenswerte Zeiten, in denen wir uns befinden. Obgleich: Wann waren sie das nicht?”
Ein dezentes Schmunzeln hier und da in den Reihen der Consilieri ließ Zustimmung erkennen.
“Ich zweifle nicht im Geringsten daran, dass sowohl Travin di Asuriol wie auch Atroklea ya Papilio gleichermaßen in höchstem Maße geeignet wären, das notable Amt des Ersten Rats zu bekleiden. Insofern dürfen wir uns glücklich schätzen, gleich zwei geeignete Anwärter in unseren Reihen zu wissen. Gleichwohl stellt uns dies vor die schwierige Prüfung der Wahl.”
Leomar ließ seinen Blick einen Moment schweifen. Er wusste um die Bedeutung solcher Pausen. Zuletzt blickte er Atroklea an. Und es schien, als würde er ihr dezent zunicken. So, als habe er einen Handel besiegelt.
“Die Worte aus dem Haus Papilio indes scheinen mir in der Tat überzeugend. Sollte der höchst ehrenwerte Herr Travin di Asuriol sich für das Amt des Constablers zur Verfügung stellen, so darf er sich der Unterstützung des Hauses Gabellano sicher sein. Denn ich hege nach seinen Worten nicht den geringsten Zweifel, dass er für dieses gewichtige Amt mehr geeignet ist als jeder oder jede andere.
Atroklea ya Papilio indes ist nicht nur aufgrund ihrer Erfahrung, ihrer weit verzweigten Kontakte sowie ihrer Umsichtigkeit nach meinem Dafürhalten die Richtige, um in diesen Zeiten das Amt der Ersten Rätin zu bekleiden. Meine Unterstützung ist ihr daher gewiss.”

Die Entscheidung

Die Worte Leomar Gabellanos hatten im ganzen Saal für einiges Gemurmel gesorgt. Der Vorschlag, sozusagen die Wahl ohne Wahl enden zu lassen, hatte nicht wenige überrascht. Und so dauerte es einige Zeit, bis sich wieder jemand zu Wort meldete.
Es war Scibor Tuachall, der zunächst die Ausführungen und Eignungen beider Kandidaten lobte und sich dann für Travin di Asuriol aussprach. Dieser Empfehlung stimmten dann weitere Häuser zu, neben den Cordur auch die di Matienna, die Häuser Schwarzenstamm und Aurandis sowie natürlich Travin di Asuriol selbst, also sechs der 15 Mitglieder. Für Atroklea ya Papilio sprachen sich Daryl Brahl, Tyerka Wankara, Geronya Menaris und Marino von Calven aus - für die Häuser Calven und di Imirandi - sowie, wenig verwunderlich, Sharane ya Papilio, die die Debatte gelassen verfolgt hatte, also ebenfalls sechs Mitglieder. Dies alles war für viele Kundige auch recht erwartbar gewesen.
Drei mehr oder weniger große Überraschungen gab es dabei jedoch, die letztlich das Ergebnis entschieden: Orsino Carson, dem bisher durchaus eine gewisse Nähe zum Haus ya Papilio nachgesagt worden war, entschied sich für Travin di Asuriol. Einige Beobachter gaben später an, dass er insbesondere während der Rede Atrokleas einige Blicke mit seinem Neffen Gianbaldo gewechselt hatte, dem amtierenden Constabler. Noch etwas größer war das Erstaunen, als auch die Stimme des Hauses di Côntris nicht an Atroklea ging, sondern Dartan di Côntris angab, angesichts der auf beiden Seiten unbestreitbar vorhandenen Eignung für diese Amt, keine Empfehlung abgeben zu wollen.

Das letzte Wort des Hauses Dorén

Somit stand es nun 7:6 für Travin di Asuriol, als zuletzt Sybaris Dorén das Wort ergriff: “Meine Empfehlung ist offenbar noch von einer gewissen Bedeutung, könnte sie doch das Votum der Eteria eindeutig oder auch uneindeutig werden lassen. Aber sie hat noch eine andere Bedeutung, denn es könnte meine letzte Empfehlung in dieser Runde sein. Ich habe kürzlich meine Nichte Leonore verlobt… verlobt mit Hector, dem Enkelsohn der ehrenwerten Ascania Calleano, und ich ersuche die Eteria, meinen Sitz bei nächster Gelegenheit an das Haus Calleano zu übertragen, zunächst vertreten durch Hectors Vater, Artù Calleano. Diese Familie hat bereits viele Verdienste für Shenilo erworben, so wie es auch meine getan hat,” er hielt kurz inne und ließ seinen Blick durch die Halle schweifen, die den Namen seines Hauses trug, “aber die Zeit der Dorén in Shenilo scheint an ein Ende gekommen zu sein, meine Familie hat anderswo eine Heimat gefunden und diesem Umstand will ich nun Rechnung tragen. Die Eteria möge diesem meinem Ansinnen also bei nächster Gelegenheit zustimmen, wobei ich es für angemessen halten würde, dass der Name dieses Gebäudes auch in Zukunft die Erinnerung an meine Familie bewahren soll.” Sybaris wartete einige Augenblicke, um dem einsetzenden Getuschel und den zustimmenden Zurufen den angemessenen Raum zu geben, und fuhr dann fort: ”Daher habe ich mich bei meiner Entscheidung, wie ich explizit anmerken möchte, mit Artù beraten, und wir stimmten dankenswerter Weise darin überein, dass das Haus Dorén eine Empfehlung für Travin di Asuriol ausspricht.” Damit war die Entscheidung gefallen, Travin di Asuriol war die mehrheitliche Empfehlung der Eteria für das Amt des Ersten Rates und die Stimmabgabe Dorio Cordurs ließ wenig Zweifel daran, dass sein Cousin Tolman, der neue Gransignore, dieser Empfehlung folgen würde, wie es ohnehin guter Brauch in Shenilo ist.
Orsino Carson erhob sich: “Ich möchte an dieser Stelle meine Freude über diese Verlobung zum Ausdruck bringen und dazu anmerken, dass ich Signor Sybaris meinen Dank für all das, was die Dorén für Shenilo Gutes bewirkt haben, ausspreche und sein Anliegen unterstütze und dies auch bereits sichtbar habe werden lassen, denn Artú Calleano wurde von mir als Baron von Gilforn vor einigen Tagen in den Rang eines Cavalliere erhoben.” Nach einer Pause erhob er dann noch einmal das Wort: “Die Eteria gibt ja nur eine Empfehlung - zudem scheint mir, wenn ich richtig mitgerechnet habe, das Ergebnis bereits festzustehen - so halte ich es für angemessen, wenn wir bei einer solchen Entscheidung, die die Zukunft Shenilos betrifft, auch eine weitere Stimme hören. In der nächsten Sitzung wird, wie ihr bereits wisst, die Eteria auch darüber befinden, ob wir einem weiteren Haus Sitz und Stimme in dieser Runde anvertrauen. Einem Haus, das angesichts seiner Reputation und weitreichenden Verbindungen ein Gewinn für Shenilo und seinen Bund sein wird. Insofern würde mich interessieren, welche Empfehlung Ihr zu dieser Sache abzugeben habt, Signor Festo.” Der angesprochene Festo von Schreyen erhob sich, bedankte sich kurz und begründete danach seine Entscheidung, sowohl jene, um einen Sitz in der Eteria nachzusuchen, als auch für die Wahl zum Ersten Rat. Letztere erhöhte dann den Vorsprung Travin di Asuriols und beendete die Prozedur.

Worte des Gewählten

Nun stand Travin di Asuriol noch einmal vor der Eteria. Denen, die ihm am nächsten saßen, schien es, als würde mit der Aussprache der Familienoberhäupter für die eine oder andere Seite eine schwere, körperliche Last von ihm genommen. “Werte Signori, ich möchte mich bei all jenen bedanken, die soeben ihr Vertrauen in meine Fähigkeiten und Intentionen zum Ausdruck gebracht haben. Euch allen möchte ich versprechen, dass ich mich diesem ausgesprochenen Vertrauen als würdig erweisen werde. Euch allen jedoch, auch jenen, die an meiner statt lieber jemand anderen in der Position des wichtigsten äußeren Vertreters der Stadt und des Bundes sähen, will ich folgendes geloben: ich werde mich nach Kräften für das Wohl der Stadt einsetzen und im Interesse aller, die wir das Schicksal dieser bestmöglich zu lenken versuchen, sprechen und handeln … denn als vom Gransignore ernannter Vertreter der Stadt und mit der ausgesprochenen Mehrheit der Eteria im Rücken stehe ich für die Dauer dieser Amtszeit, Shenilo und Euch Anwesenden im Besonderen, in der Verantwortung.”

Gewählte Worte

Wie es in der oftmals vom Bemühen um Konsens geprägten Stadtgemeinschaft gute Gepflogenheit ist, ließ man der in der Abstimmung unterlegenen Damosella ya Papilio die ersten Wort an den neuen Ersten Rat. Inmitten der zahlreichen Nebengespräche und Spekulationen nach den dreifach überraschenden Veränderungen in Bezug auf die Dorén, Schreyen und Calleano verfolgten nur wenige Umstehende ihre ohne Aufregung und mit sanfter Stimme vorgetragene Gratulation: “Ihr sprecht das Selbstverständliche aus, Euer Edelgeboren. Und selbstverständlich wird auch Haus ya Papilio hinter Euch stehen, wenn ihr in Stellvertretung des Gransignors - planvoll oder unvorhergesehen - für das Wohl des Contados einsteht. Ich bin gewiss, dass Ihr auch ein gewissenhaftes Auge für die kleinen, administrativen Tätigkeiten entwickeln werdet, die in der Stadt in die Zuständigkeit des Ersten Rats fallen, über die aber selten gesprochen wird und die darob oft vergessen werden. Für Eure Aufgaben, die in dieser bewegten Zeit sowohl bestimmte als auch konziliante Worte erfordern, wünsche ich Euch im Namen meines Hauses den Segen Praios’ und Hesindes.” Noch über den Kern dieser Sätze grübelnd, deutete Travin einen Kuss auf die gereichte Hand Atrokleas an, dann war er bereits von weiteren Patriziern umgeben, die ihm gratulieren wollten.