Briefspiel:Magistratswahlen 1046 BF/Nominierung und Wahlkampf
Am 15. Praios 1046 BF soll das Amt des Ersten Rats von Shenilo für vier Jahre neu besetzt werden.
Nominierung
Giuliana di Matienna schlägt Travin di Asuriol vor
“Geehrter Gransignore Cordur, werte Consilieri” Guiliana di Matienna erhob sich aus ihrem Sitz und sprach zu allen Anwesenden. “Nachdem sich nun ein neuer Gransignore gefunden hat, gilt es nun, auch drei Magistratsämter zu besetzen. Selbstverständlich gebührt es euch, Gransignore Cordur, die einzelnen Magistratsämter auf Vorschlag des Consilium Draconis zu bestzen, doch möchte ich vorschlagen, Nominierungen aus den Reihen der Consiliere anzuhören, bevor ihr Eure Entscheidung fällt.”
Nach einer kurzen Pause, die kaum Zeit für eine Reaktion des neu ernannten Gransignore zuließ, fuhr die hoch gewachsene Baronin fort: “Die Entwicklungen um Sewamund in den vergangenen Monaten führten uns vor Augen, dass die Freiheiten und der Reichtum, welche einige Städte - Shenilo im Besonderen - errungen haben, Begehrlichkeiten unter unseren Nachbarn geweckt haben werden. Begehrlichkeiten, die durch die Bedrängnis, in die Baron von Streitebeck die Sewamunder zu bringen vermochte, nur weiter angefacht wurden. Durch diesen Umstand trägt unser Erster Rat als wichtigster äußerer Repräsentant dieser Stadt die einzigartige Verantwortung, unseren Nachbarn die Fähigkeit und den Willen des Sheniloer Bundes, sich gegen fehdehungrige Nachbarschaft zur Wehr zu setzen, unmissverständlich zu machen.Für dieses wichtige Amt schlägt das Haus di Matienna den ehrenwerten Cavalliere Travin di Asuriol vor. Er hat in der Vergangenheit seine Beständigkeit und Ehrbarkeit mehrfach unter Beweis gestellt. Er besitzt ein einzigartiges Gespür dafür, wann Fingerspitzengefühl nötig ist - und wann handfestere Lösungen gefragt sind. Wenn ihr mich fragtet, wer in diesen Tagen die Aufgabe übernehmen sollte, die freie Stadt Shenilo nach außen hin zu repräsentieren, mir würde, bei den Zwölfen, kein besserer einfallen als Travin di Asuriol.”
Giuliana ließ mit erhobenem Kinn den Blick über die Consilieri wandern, als rechnete sie mit Widerrede. Als Travins und ihr Blick sich trafen, nickten sie sich kaum wahrnehmbar zu.
Tassilo Brettschneider schlägt Atroklea ya Papilio vor
“Di Matienna, wie man sie und ihre Familie kennt”, flüsterte Eolan ya Aragonza, Berichterstatter für das Sheniloer Hesindeblatt, seiner adretten Nebensitzerin zu. Diese spürte im Gegensatz zu dem Schreiber sogleich die tadelnde Aufmerksamkeit der Baronin von Arinken auf ihnen ruhen und senkte errötend den Blick.
Aragonza notierte derweil, gänzlich unbeeindruckt: ‘Nach diesem mit Vehemenz und Autorität vorgetragenen Vorschlag wagte kein Consiliere, noch einen anderen Namen zu nennen und…’ Er hörte, wie ein schwerer Lehnstuhl nach hinten geschoben wurde und blickte überrascht auf. Dann strich er eilig seinen letzten Satz durch und lauschte gespannt.
„Es ist keine bindende Regel, aber gute Tradition“, hub der Consiliere Pryrdacor Tassilo Brettschneider an, „dass das Consilium Draconis nicht nur eine Liste geeigneter Bewerberinnen für die Sheniloer Magistratsämter zusammenstellt, sondern auch, dass einzelne Consilieri aus ihrer Sicht besonders geeignete Personen vorschlagen. Einen solchen Vorschlag für das respektable Amt der Ersten Rätin möchte nach Hochgeboren Guiliana von Arinken nun auch ich einbringen.“
Die Baronin, die nach ihrem Vorschlag wieder auf der Zuhörerbank des Magistratspalasts Platz genommen hatte, zog überrascht die Augenbrauen hoch: „Hört, hört“, raunte sie leise, doch laut genug, dass man sie auch auf der anderen Seite der Halle vernehmen konnte. Mit deren Akustik war sie wohlvertraut.
Meister Tassilo indes ließ sich von ihrem Einwurf nicht stören und fuhr fort: „Shenilo hat die Gunst, dass für dieses Amt, dessen Bedeutung mit ‚Stellvertretung des Gransignors‘ nur unzureichend beschrieben ist, wie wir nicht zuletzt während der Landherrenhändel erfahren haben, ein respektiertes und sich dem Wohl des gesamten Contados verpflichtet fühlendes Haus eine dafür mehr als geeignete Bewerberin vorgestellt hat: Edelgeboren Atroklea ya Papilio, die nicht zuletzt als Vertreterin des Familienoberhaupts Sharane in der Eteria vielen bekannt ist.“
Nach diesen Worten drehten sich viele Köpfe zur Zuhörerbank: Am von Guiliana aus gesehen anderen Ende erhob sich eine zierliche Frau in ihren 50ern, gewandet in ein elegantes, doch nicht protziges, blaues Seidenkleid mit gelben Rüschenverzierungen und Handschuhen. Zwei der vier Farben aus dem Wappen der Stadt, bemerkten aufmerksame Anwesende sogleich, sicher kein Zufall. Atroklea überließ selten etwas dem Zufall.
Umgeben von ihrem Bruder Baran, ihrem Sohn Horasio und ihrer Nichte Sinestra hatte sie zuvor still und aufmerksam die Versammlung verfolgt. Nun ließ sie lächelnd den Blick über die teils neugierig, teils überrascht Schauenden streifen, nickte dem ein oder anderen vertrauten Gesicht zu – auch Travin di Asuriol – und setzte sich wortlos wieder.
Tassilo fuhr fort: „Die Damosella lebt seit 1039 BF in unserer Stadt. Ihr bisheriges Engagement für dieses Gemeinwesen sollte bekannt sein – ich verweise exemplarisch auf die Instandsetzung des Theaters zur Maske. Was Atroklea ya Papilio als Erste Rätin zur besten Wahl macht, wird sie Euch später selbst darlegen.“
Der Consiliere setzte seine Augengläser ab und legte sie vor sich auf den Tisch, als Zeichen dafür, dass sein Wortbeitrag abgeschlossen war.
Reden
Travin di Asuriol
Bedächtig erhob sich nun auch Travin di Ausriol, der, zwischen seiner Tochter Aurelia und einem leeren Sitz, in der Nähe derer di Matienna saß. Bevor er sprach, strich er seinen Damastrock glatt, der fein geschneidert und vom tiefsten Schwarz war, das die Färber hervorzubringen vermochten, und blickte währenddessen in die Runde. “Es ist wahr. Damosella ya Papilio hat sich in der kurzen Zeit, seit sie den Palazzo ya Papilio zu ihrem Wohnsitz gemacht hat, stark für das die Strukturen und das Gemeinwesen unserer Stadt engagiert. Niemand hier kann ihr dies absprechen.”
Eine kurze Pause folgte, während der der Cavalliere in den Mienen einiger Anwesender erkannte, dass fest mit einer scharfzünigigen Spitze gerechnet wurde.
“Doch die di Asuriol haben sich ebenfalls und mit mindestens dem gleichen Aufwand an Zeit und Silber für Shenilos Bewohner eingesetzt. Meine Familie pflegt regelmäßigen Austausch mit der Riesenzunft und ich selbst bin Altmeister der Innung der Rebleute. Als solcher bewirtschafte ich nicht nur das Weingut meiner Familie, sondern auch den Albornshof im Besitz des Signore di Ulfaran.
Diejenigen, die sich regelmäßig in Nuovo Ruthor bewegen, wissen um die Wohltätigkeit der Traviaschwestern- und Brüder vom Kloster Sancta Lamea, die ihre Mittel in großen Teilen der Freigiebigkeit der di Asuriol zu verdanken haben. Und als Patriarch bin ich es, bei dem all diese Fäden zusammen führen. In brevis: Ich weiß, welche Bedürfnisse die Popoli und die Nobili haben, kann nachvollziehen, worum sie sich sorgen und dementsprechend auch als Delegat für sie sprechen. - Shenilo ist eine freie Landstadt, und als solche können wir es uns nicht leisten, dass das Patriziat sich in den Palazzi und Landsitzen einschließt. Denn es sind die zünftigen Handwerker und die Kaufleute, die das Rückgrat Shenilos bilden. In ruhigen Zeiten ermöglichen sie Wohlstand, während Fehden und im offenen Krieg decken sie die Mauern und stellen die Fußknechte unseres Aufgebots. Wir Patrizier sind der Kopf des Bundes und müssen mit Verstand agieren. Sind Subtilitäten und Zurückhaltung gefragt, müssen wir wohl überlegt handeln. Erfordern die Zeiten jedoch einen starken Schildarm, so hat sich in der jüngeren Vergangenheit gezeigt, dass die di Asuriol sich nicht davor scheuen, ihren Freunden persönlich zur Seite zu stehen.” Nach diesen letzten Worten seiner Ansprache setzte sich Travin, und gab damit den Anwesenden den Blick auf den unbesetzten Sessel zu seiner Rechten frei, wo gewöhnlich sein Sohn und Erbe, Athaon di Asuriol, saß.
Atroklea ya Papilio
Ehe sie zu sprechen begann, ließ Damosella Atroklea noch einmal ihre grauen Augen ruhig über die versammelten Consilieri und Zuhörer streifen. Nach angemessenen Begrüßungsworten hielt sie sich nicht mit einer langen Vorrede auf, sondern kam direkt auf die bevorstehende Entscheidung des Gransignors zu sprechen: „Hochgeboren Guiliana hat Edelgeboren Travin empfohlen und dies im Wesentlichen mit der Möglichkeit begründet, dass Stadt und Land Shenilo, somit Rechte und Besitz aller Einwohner, durch äußere Feinde in Gefahr geraten könnten. Diese Möglichkeit ist bedauerlich, aber in der Tat nicht auszuschließen.“
Atrokleas Gesicht zeigte erst Sorge, dann aber beruhigende Gelassenheit: „Doch diese Möglichkeit ist keinem von uns neu, insbesondere jenen unter euch nicht, deren Familien in Shenilo leben, seit die Herauslösung aus der Domäne Pertakis Freiheit und Selbstbestimmung brachte, und nicht auf einer Burg, fern von hier, hinter dem Wald.“
Eolan ya Aragonza blickte erschreckt von seiner Schreibkladde hoch und erkannte, dass es in der damit Angesprochenen Baronin von Arinken innerlich kochte. Kaum hielt es sie schweigend auf ihrem Platz.
Atroklea schien das gar nicht zu bemerken und fuhr fort: „Immer wieder waren die Errungenschaften des Sheniloer Bunds bedroht, immer wieder wurden diese aber auch verteidigt – nicht zuletzt von Gransignores und Magistratsmitgliedern, die aus der Gemeinschaft zur richtigen Zeit in jenes Amt gewählt wurden, für das sie am besten befähigt waren. Alle gemeinschaftlichen Aufgaben werden in dieser Stadt aufeinander abgestimmt und beauftragt – und das war ein Grund für mich, nicht im fernen Wanka zu residieren, sondern die meiste Zeit in Shenilo zu verbringen.“
Sie blickte einen Augenblick in die Ferne und rief sich etwas ins Gedächtnis, ehe sie ihren Gedankengang weiterführte: „Die Abwehr äußerer Bedrohungen ist ebenso eine Gemeinschaftsaufgabe. Ich zweifle keinen Moment daran, dass Travin di Asuriol die richtigen Fähigkeiten hat, dazu beizutragen.“
Die Damosella hielt inne und erlaubte dieser Bemerkung, ihre Wirkung bei den Zuhörern zu entfallen. Erst als in genügend Gesichtern Verwunderung oder Verstehen zu erkennen war, setzte sie nach: „Im richtigen Rahmen, in der richtigen Funktion.“ Noch eine Pause.
Die Papilio sah der Reihe nach einige besonders einflussreiche Personen in der Halle an, dann fuhr sie fort: „Es ist vornehmlich Sache des Gransignors, nach eingehender Beratung zu entscheiden, ob und wann im Fall einer äußeren Bedrohung – ich zitiere - ,handfestere Lösungen gefragt sind‘. Nicht Sache des Ersten Rats. Oder vielmehr: der Ersten Rätin Shenilos. Dieses Amt bedarf Fingerspitzengefühls, das stimmt. Ebenso aber auch der Bereitschaft, die eigenen Interessen und Impulse hintanzustellen, um besonnen das Wohl der Stadt, des Landes und der Einwohner verfolgen zu können, die die Erste Rätin beispielsweise im Kronkonvent, bei diplomatischen Anlässen im Reich oder gar als horasische Delegatin in fernen Landen vertritt.“ Das Gemurmel in den Sitzreihen zeigte, dass ihre Worte einigen Anlass zur Diskussion boten und manchen womöglich über seine zuvor gefasste Position grübeln ließen.
Atrokleas schlanke Hand hob sich und ließ die meisten Anwesenden noch einmal verstummen: „Haus ya Papilio stand immer für die Gemeinschaft der bedeutenden Familien ein, die Shenilo und dessen Contado prägen. Es übernimmt verlässlich Ämter und Aufgaben, auch wenn diese kein großes Ansehen bringen, gleichwohl aber für Fortbestand und Entwicklung dienlich sind. Dem fühle ich mich verpflichtet und werde als Erste Rätin meine Kontakte in andere Städte für Sicherheit und Wohlstand einsetzen. Drohgebärden werden mich nicht einschüchtern, denn ich vertraue darauf, dass der Gransignor und der Constabler Shenilo auf äußere Bedrohungen vorbereiten. Und das ist, um meine Rede zu schließen, für Haus ya Papilio Grund genug, dem geschätzten Travin di Asuriol Unterstützung zuzusagen, sollte er in zwei Götterläufen entscheiden, für das Amt des Constablers zu kandidieren. Für dieses Amt stände er nicht zur Verfügung, sollte er nun auf vier Jahre als Erster Rat gewählt werden.“
Ob dieser erstaunlichen Wendung fehlten einigen Anwesenden die Worte. Nur dem Berichterstatter Eolan nicht. Er notierte für die kommende Ausgabe des SHB: „Alle spielten Inrah, bis Damosella Atroklea ihnen zeigte, dass sie auf einem Garadanbrett standen.“
Hinter den Kulissen/offene Unterstützung
Familie Tuachall
"Ya Papilio? Ach, die gibt's ja auch noch", murmelte Scibor Tuachall und nickte zufrieden, als weitere Vorschläge ausblieben. Bei den beiden Anwärtern war für den Consiliere Teclador klar, wie der Familienrat entscheiden würde. Man müsste ihn noch nicht mal einberufen. Gleich auf mehrerlei Wegen war man der Familie di Asuriol und ihren Unterstützern verbunden:
- Obra Tuachall schloss vor zwei Jahrzehnten einen lukrativen Vertrag mit dem Haus di Matienna, der dem Kontor Tuachall in Arinken zur Blüte verhalf. Guiliana di Matienna als Baronin von Arinken war dabei stets ein verlässlicher Partner.
- Zudem fungiert die einflussreiche Tilliane di Asuriol als Ziehmutter der Donatorierin Saria Tuachall. Das Tandem hat mit seiner Gastfreundschaft und Kochkunst nicht nur den Orden und die Besucher von Sancta Lamea, sondern auch die Mitglieder der Familie Tuachall für sich eingenommen. Zuletzt vollzog die scheidende Priorin den Traviabund von Thalya Tuachall mit Eolan van Kacheleen und gewann mit der romantischen Trauung im Buchenhain die Herzen der Gäste.
Somit erübrigte sich für Scibor jede Diskussion. Aus Respekt vor dem ehrenwerten Haus ya Papilio nahm er sich mit allzu starken Bekundungen zurück und spendete nach dem Beitrag des Consiliums-Kollegen gebührend Applaus. Mit der Hand auf dem Herz und einem kurzen Blick gab er sodann Guiliana di Matienna zu verstehen, dass die Tuachalls ihren Vorschlag unterstützten. Hinter den Kulissen würde er bei Gelegenheit ein gutes Wort einlegen, um dessen Wahl zu befördern.
Die Entscheidung des Gransignors
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