Briefspiel:Mythraelsturnier/Ein unwahrscheinlicher Sieg
![]() ![]()
|
Ein unwahrscheinlicher Sieg
Autor: Gonfaloniere
Für einen Moment war es so still, dass Arissa ihr Herz pochen hören konnte. Dann brach um sie herum lautstarker Jubel aus. Menschen fielen sich vor Freude in die Arme. Andere standen wie erstarrt daneben, mit ungläubigem und doch irgendwie entzücktem Gesichtsausdruck. Sie vermochten nicht zu glauben, was sie soeben mit eigenen Augen gesehen hatten: Eine junge Kriegerin … ein unbeschriebenes Blatt … eine Urbeterin … hatte den weithin verachteten und doch über viele Jahre im Fußkampf unbesiegten Heiligenmörder geschlagen! Mit dem Schwert!
Travian di Faffarallo, der – wider eigenen Willen – größte Duellant seiner Zeit, stand nicht weniger ungläubig inmitten der jubelnden Popoli. Seine Schwerthand war leer, der vertraute Griff war ihr entrissen worden. Stattdessen blitzte die Klinge seiner jungen Gegnerin vor seinem Hals in der Sonne. Sie schien einige Augenblicke länger zu benötigen, bevor sie ihre Waffe senkte. Dann huschte ein Lächeln über das Gesicht des berüchtigten Condottiere. Es war eine Geste der Anerkennung, aber auch der Erleichterung … als hätte er auf diesen Moment schon lange gewartet. Irgendwann musste jeder einmal verlieren, das war ihm klar. Und es war ihm lieber, diese Niederlage hier im Turnierkampf zu schmecken als im tödlichen Duell, das ihm so viele andere aufzwangen … soviel war sicher.
Arissas Starre fiel erst vollständig von ihr ab, als ihre Brüder Poldoron und Potulino herangestürmt waren. Letzterer versetzte ihr einen liebevollen, doch schon nicht kraftlosen Schlag in die Seite, während ersterer nach ihrem Handgelenk griff, wohl um es mit dem siegreichen Schwert in die Höhe zu reißen. Die ältere, beide Zwillinge auch von der Größe her überragende Schwester ließ sie widerstandslos gewähren. Dass sie, die soeben mit einer selten beobachteten Kampfeskälte erfolgreiche Kriegerin, plötzlich zu schwitzen anfing und errötete, mochte allenfalls besonders aufmerksamen Beobachtern auffallen. Arissa hatte vertraute Familienmitglieder schon am Vorabend überrascht, als sie mit einem gänzlich ungewohnten öffentlichen Selbstbewusstsein ihren Zweikampf vom Condottiere einforderte. Diese seit ihrer Gefangennahme durch die Brüder des Blutes im Vorjahr offene Rechnung hatte sie lange beschäftigt. Jetzt dämmerte ihr aber, in welche Lage sie sich als an sich aufmerksamkeitsscheue junge Frau mit ihrem gänzlich unwahrscheinlichen Sieg gebracht hatte …