Briefspiel:Besuch im Alveransgarten/Im Palazzo Solivino

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Auge-grau.png

Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: Firun 1046 BF Schauplatz: Stadtteil Magistralia, Urbasi Entstehungszeitraum: Sommer 2024
Protagonisten: Sonata Daria ya Malachis, Ricardo Solivino Autoren/Beteiligte: Familie Solivino.png Bella, Familie ya Malachis.png Cassian
Zyklus: Übersicht · Unter der Horasstatue I · Im Palazzo Solivino · Unter der Horasstatue II

Im Palazzo Solivino

Autoren: Bella

Signorino Ricardo

„Sag mal, hast du heute schon Alvinia gesehen?“
Ricardo hob langsam den Blick und sah seiner Mutter in die Augen.
„Ja“, antwortete er vorsichtig.
Sie saßen zu viert beim gemeinsamen Frühstück. Ricardo, seine Mutter Traviane, sein Vater Rahdrigo und seine Tante Cerceri.
Ricardo starrte sofort wieder auf seinen Teller. Er hatte sich den ganzen Morgen vor diesem Gespräch gefürchtet. Es war zwar keine Seltenheit, dass seine Schwester Alvinia unangekündigt verschwand, doch meistens ging es dabei nicht um so wichtige Dinge wie die Kaiserjagd. Eine lange, unangenehme Pause entstand, in der seine Eltern darauf warteten, dass er fortfuhr.
„Und, wo ist sie?“, hakte sein Vater schließlich nach.
„Äh, sie …“ Ricardo schluckte. Wie sollte er das bloß formulieren? „… sie ist auf dem Weg …“ Er räusperte sich und rutschte auf seinem Stuhl hin und her. „… zur Kaiserjagd.“
Eine weitere unangenehme Stille entstand, in der ihn alle entgeistert ansahen. Rahdrigos Gabel klirrte, als sie ihm aus der Hand auf den Teller fiel.
„Zur Kaiserjagd?“ Seine Stimme klang mühsam kontrolliert.
„Äh ja …“
„Und du hast es nicht für nötig befunden, uns Bescheid zu sagen? Sie davon abzuhalten?“, polterte er los. „Weiß denn niemand hier, was auf dem Spiel steht? Sie kann doch nicht einfach alleine, ohne sich mit irgendjemandem abzusprechen, zur Kaiserjagd aufbrechen!“
„Jetzt beruhige dich!“ Cerceri funkelte ihren Bruder an. „Rahjesco ist bei ihr. Er wird schon aufpassen, dass nichts Schlimmes passiert.“
„Er weiß doch nicht mal, dass sie auf dem Weg ist! Sie hat ja niemandem etwas gesagt.“
„Alvinia ist nicht dumm. Sie wird nichts ruinieren“, sagte Traviane mit strenger Stimme. „Hast du mal darüber nachgedacht, dass sie nur so unerfahren ist, weil du sie nie auf solche Veranstaltungen lässt? Aber jeder muss einmal seine Erfahrungen und ja ... auch Fehler machen. Und das ist eben jetzt.“
„Sie hätte uns Bescheid sagen müssen.“
„Da widerspreche ich dir nicht.“
„Womit wir wieder bei dir wären, Ricardo, warum hast du ...“, Rahdrigo unterbrach sich, denn in diesem Moment bemerkte er, dass der Platz seines Sohnes leer war.

In dem Augenblick, in dem die Erwachsenen sein Verschwinden bemerkten, war Ricardo schon am Eingangstor des Palazzos. Als er hinaustrat, spürte er sofort die winterliche Kälte. Doch er wollte nicht wieder umkehren. Sollten sie sich doch alleine über ihn austoben, er hatte richtig gehandelt.
„Junger Herr, braucht ihr keinen Mantel?“, fragte ihn ein Bediensteter.
„Doch, danke.“ Ricardo nahm den warmen Mantel entgegen und eilte hinaus, um die nächste Straßenecke. Er rannte weiter und genoss das Gefühl der Freiheit in der morgendlichen, leeren Stadt. Erst auf der Piazza di Renascentia wurde er langsamer, betrachtete die hochaufragenden Gebäude: Den Hesinde-Tempel, den Magistratspalast, das Castello Quadrigon. Jetzt, nachdem er sich wortwörtlich abgekühlt hatte, fragte er sich, wohin er eigentlich wollte. Einfach zurückzugehen, war keine Option, das wäre erbärmlich. Da fiel sein Blick auf den Rahja-Tempel auf der anderen Seite des Platzes. Er könnte zu seinem Onkel und seiner Cousine in den Tempel gehen. Sie würden ihn bestimmt verstehen und vielleicht sogar ein gutes Wort bei Rahdrigo für ihn einlegen. Aber nein, auch das wäre erbärmlich, sich wegen seiner Probleme zu anderen zu flüchten und auszuheulen. Er seufzte, wandte dem Tempel der Heiligen Ricarda, seiner Namensgeberin und Ahnin, den Rücken zu und lief in Richtung Alveransgarten. Er liebte die Statuen der Götter und Alveraniare, doch vor allem interessierten ihn die Legenden dahinter.
Langsam und ehrfürchtig schlenderte er an Praios', Ucuris und Rondras Statuen vorbei, als er plötzlich Kinderstimmen hörte.
Neugierig ging er auf die Stimmen zu und sah schließlich bei der Horas-Statue eine Schar Kinder, die ein Mädchen, von der Gewandung her eine Hesinde-Novizin, umringten. Sie erzählte die spannende Geschichte des Ucurisohnes und wurde dabei immer wieder vorlaut von Zwischenfragen unterbrochen. Der letzte Rest Wut auf die Ungerechtigkeit seines Vaters, der sich noch in Ricardo angestaut hatte, verpuffte und ein kleines Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Er ging weiter auf die Gruppe zu, denn jetzt wollte er wissen, wie die Geschichte weiterging. Als er in Sichtweite der Zuhörer kam, nickte er ihnen unsicher zu und ließ sich dann unaufgefordert neben dem ein Jahr älteren Praionor Deraccini nieder, den er schon ein oder zweimal auf einer Tsatagsfeier in seinem Bekanntenkreis getroffen hatte. Nach einem flüchtigen Zulächeln blickte er aufmerksam nach vorne zu der Erzählerin.