Archiv:Rosenaufstand niedergeschlagen (BB 42)
Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 42, Seite 26
Aventurisches Datum: Ende Boron 1038 BF
Vogteigarde und Draconiter brechen Belagerung der „Hundert Tage“
von Xeledonius da Dalvretta
Der große Spuk ist vorbei. Recht und Ordnung in Kuslik sind wiederhergestellt. Sechs Tage beherrschten Mob und Pöbel die Straßen unserer schönen Stadt. Dann sprach die Allweise – und schenkte den meisten ihrer Kinder Vernunft. Die Garde des Landvogts und die Draconiter setzten die letzten Aufrührer schließlich fest.
Wir erinnern uns: Nachdem es bereits seit Tagen in der Stadt gebrodelt hatte, die Rotschweife unzählige Schlägereien in Kneipen in der Unterstadt und anderswo, gar öffentlichen Aufruhr in Aldtenküslich unterbinden mussten, geschah am Abend des 23. Boron Denkwürdiges. Überall sprossen plötzlich Rosen in den Gassen empor, auf wundersame Weise, wie es schien. Die Geronten und Notabeln Kusliks fanden sich zu dieser Stunde gerade im Ständehaus, dem alten Rahja-Tempel der Alten Burg, zur Feier des Hl. Cereborn versammelt wieder. Graf Aurention von Harderin hingegen beging sein eigenes Fest, im Schilfgrasschloss von Rigalento auf der anderen Seite des Yaquirs – bis er sich, nach Unsterblichkeit gierend, in einen Rosenbusch verwandelte. Dass dies der eigentliche Auslöser aller folgenden Ereignisse war, erschließt sich den um eine Aufarbeitung der Geschehnisse bemühten Gelehrten jedoch erst Tage später.
Das „Rosenwunder“ gleichwohl, von Verschwörern binnen Augenblicken als Zeichen des Aufstands gedeutet, und durch bereits vorgefasste Flugblätter, den sogenannten „Xeledon-Spiegel“, ausgehend vom berüchtigten Weinlokal „Die Quelle“ unterstützt, war nur der Anfang. Tausende ließen sich vom Aufruhr anstecken, trugen bald als Erkennungszeichen die Rose am Revers, folgten den falschen Versprechungen von Wohlstand, Gleichheit und politischer Mitbestimmung für alle – und hofften auf die Unterstützung der Republik Belhanka, die angeblich bereits eine Flotte entsandt hatte, um den Kuslikern in ihrem Freiheitskampf gegen die eigenen Aristokraten zu helfen. Die Notabeln flohen, wenn sie nicht längst in der Alten Burg belagert wurden. Die Wortführer des Aufstands skandierten Parolen aus der Zeit des Unabhängigkeitskriegs, erinnerten an die „Hundert Tage von Kuslik“, aber auch an die Schlacht auf den Rosenfeldern, die Belhanka im Thronfolgekrieg gewonnen hatte. Derweil wurden Paläste geplündert und in Brand gesteckt. Über den Hallen der Weisheit stand eine Rauchsäule, die zeitweise befürchten ließ, dass die Verblendeten nicht einmal vor dem Allerheiligsten des Hesinde-Kults innehielten.
Comto Tarin von Salicum-Selzin, der Alt-Galahanist und ehemalige Schatzkanzler, stellte den Grafen von Harderin ob seiner Hybris vor dem Popolo bloß und machte sich zum Sympathisanten der Aufrührer. Comto Thûan della Gribaldi, der Landvogt des Großfürsten und Kaisers, riegelte die Stadt währenddessen von der Yaquirinsel Morrisca aus zunächst vom östlichen, jenseitigen Flussufer und bald darauf auch vom übrigen Umland ab. Die Horaslegion in Arivor bereitete sich auf Befehl des Comto Protectors angeblich bereits darauf vor, die Metropole zu stürmen. Ralman wolle Kuslik nun endlich seinem Willen unterwerfen, fachten die Wortführer des Aufstands den Widerstandswillen der Popoli an.
Doch es sollte anders kommen: Am 28. Boron ergriff die Magisterin der Magister, Aldare Firdayon, nach Tagen der Unsicherheit ob der Haltung des Hesinde-Kults Partei – gegen die Aufständischen. In einer Predigt, zu der viele Kusliker in die Hallen der Weisheit gekommen waren, forderte sie ein Ende des Aufruhrs und die Rückkehr zu Recht und Ordnung. Die Unterstützung der einfachen Bürger für die Wortführer der Rebellion sank in der Folge beträchtlich. Die letzten Aufständischen wurden tags darauf von der Vogteigarde della Gribaldis und den Draconitern auseinandergetrieben, ihre Anführer festgesetzt.
Hinter dem Kusliker Rosenaufstand steckten maßgeblich Mitglieder des Bunds der Freidenker (RdH 216), die Graf Aurention von Harderin in eine sorgsam vorbereitete Falle tappen ließen, als sie ihm eine vorgeblich Unsterblichkeit verheißende „Rezeptur der Uthurischen Rose“ zuspielten. Für Comto Tarin von Salicum-Selzin, der sein Lebenswerk hierdurch abgeschlossen sieht, kamen auch persönliche Motive hinzu: Er machte den Grafen (vermutlich zurecht) für die Vergiftung von dessen Gemahlin und seiner (Tarins) Nichte verantwortlich. Dass die Zeit für einen Erfolg des Aufstands noch nicht bereit war, ist für die Verschwörer unglücklich, aber kein Weltuntergang. Mitverschwörer wie die einflussreiche Kusliker Patrizierin Lovisa Weyringer werden die Saat, die hier in Form weiter verbreiteter Ideen einer offeneren Gesellschaft gelegt wurde, zunächst auf subtilere Art nutzen um das konservative Kusliker Patriziat aufzubrechen. |