Briefspiel:Exkursion nach Althosamor/Erstes Blut

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: ab Praios 1045 BF Schauplatz: Markgrafschaft Goldfelsen und benachbarte Territorien Entstehungszeitraum: ab September 2022
Protagonisten: Auricanius und weitere Urbets, Kalman della Tegalliani, Doriana Solivino, Nepolemo van Kacheleen, Sumudan Talligon u.w. Autoren/Beteiligte: Familie Solivino.png Bella, Haus Urbet.png Gonfaloniere, Familie van Kacheleen.png Kacheleen
Zyklus: Übersicht · Kalmans Ermächtigungen · Aurelias Journal I · Im Feuerschein · Unter Studiosi I · Unter Studiosi II · Unter Studiosi III · Unter Dozenten · Überfall · Erstes Blut · Unter Baronen · Braijaan · Fragen und Antworten

Erstes Blut

Autoren: Bella, Gonfaloniere

Fortsetzung von hier.

Doriana stolperte orientierungslos durch die Dunkelheit. Es gelang ihr jedoch, die Balance zu wahren und einen Sturz zu verhindern.
‚Warum hat Rahjada mich abgedrängt?‘, schoss es ihr durch den Kopf. Dass die ältere Studiosa sie nicht hatte zu Fall bringen wollen, stand außer Frage. ‚Zurück!‘, hatte sie gerufen und sie zur Seite gestoßen. Wollte sie, dass sie die Flucht ergriff? Aber was war mit ihr selbst?
Wenige Schritte später kam Doriana in einem Busch zum Stehen. In dem schwachen Madalicht konnte sie zwar kaum etwas erkennen, spürte jedoch, dass die Äste mit Dornen gespickt waren.
„Schlampe!“, hörte sie plötzlich die wutentbrannte Stimme des Fremden brüllen. Einen Wimpernschlag später vernahm sie einen dumpfen Aufprall. Eilig stapfte sie aus dem Gestrüpp zurück in Richtung der Stimme und bemerkte flüchtig, wie Dornen ihre Beine zerkratzten und eine Ranke ihr gegen die Wange schlug, eine blutige Strieme hinterlassend. Sie lief weiter und sah, dass Rahjada und der Fremde in heftigen Kampf verwickelt waren.
Unsicher blieb sie stehen. Es gab zwei Möglichkeiten, die sie in ihrem Geist gegeneinander abwog: Flucht oder Angriff. Gleichzeitig schalt sie sich für ihre Feigheit. Dass sie überhaupt daran dachte, wegzulaufen und Rahjada im Stich zu lassen! Dennoch zögerte sie einen Augenblick.
Im Moment sah es so aus, als hätte die Comtessa aus dem Hause Urbet die Oberhand, doch da schloss sich eine Hand des Fremden um den Griff seiner Waffe – er musste sie bei der wilden Verfolgungsjagd weggesteckt haben – während er mit der anderen Hand versuchte, sein Gesicht vor Rahjadas Schlägen zu schützen.
Die Angst war wie verflogen und wich Entschlossenheit.
‚Oh nein, das wirst du nicht tun! Nicht mit mir!‘, dachte Doriana zornig und stürzte sich in den Kampf. Der Fremde fluchte und versuchte, die überraschend angreifende Studiosa abzuschütteln, doch sie umklammerte mit aller Kraft die Hand, die gerade dabei war, die Klinge hervorzuziehen.

Während Rahjada den über sie gestürzten Widersacher noch mit Schlägen eindeckte, sah sie sich hastig um.
‚Wo ist Doriana?‘, war dabei ihr wichtigster Gedanke. Sie würde vom Angreifer erst ablassen können, wenn sie die Jüngere in Sicherheit – oder jedenfalls mit gutem Vorsprung auf dem Weg dahin – wusste. Sie konnte die Gesuchte hinter sich aber gar nicht ausmachen. Stattdessen tauchte schräg vor ihr eine Person am Rand ihres Sichtfelds auf. Die Signora aus der Familie Solivino näherte sich ihnen wieder!
Rahjada wollte ihr gerade zurufen, dass sie zum Lager laufen soll, da stürzte die sich stattdessen ebenfalls auf den halb unter Rahjada begrabenen Angreifer und umklammerte dessen ihr selbst abgewandten Arm. Erst jetzt sah die Comtessa, was ihr Gegner vorgehabt hatte, und ihre Verärgerung über Doriana wich Erleichterung.
„Danke“, raunte sie ihrer Schicksalsgefährtin schnaufend zu, stets bedacht, ihr volles Gewicht auf den Angreifer einwirken zu lassen.
Da Doriana einen Arm fest umklammert hielt und Rahjada den anderen gerade so mit ihrem Knie niederhalten konnte, drohte von diesem zwar keine unmittelbare Gefahr, doch waren sie gleichzeitig nicht in der Lage von ihm abzulassen und sich selbst ins Innere des Lagers zu flüchten. Aus diesem Dilemma führte nur ein Weg heraus …
‚Selbst schuld‘, befand die Comtessa mit einer sie selbst überraschenden inneren Härte, als sie nun mit beiden Händen nach dem Kopf des Gegners griff, diesen zwei Handbreit vom Boden hob und dann mit voller Wucht auf einen zuvor direkt neben dem Kopf aus dem Boden ragenden kantigen Stein schmetterte.
Blut quoll unter dem verdeckten Gesicht des Fremden hervor, während seine Selbstbefreiungsversuche augenblicklich aufhörten und der Körper erschlaffte.

****

‚Verdammte Dunkelheit‘, fluchte Poldoron für sich, als er zwischen den herunter brennenden Feuern an den Lagerrand trat, den ihm Selinde gewiesen hatte. Das Feuer, an dem die Studiosi vor einer Weile noch lauthals gesungen hatten, war inzwischen gänzlich verwaist. Die Soldaten des Alten Regiments wehrten weiter links weiterhin mehrere Angreifer ab.
„Hier, Baron, hörte Poldoron es über dem übrigen Lärm dennoch aus der Dunkelheit flüstern. „Hier sind welche!“
Der Cavalliere war sich sicher, dass die Stimme von jenseits des Lagers kam, dabei war sein Baron, war Auricanius doch noch hinter ihm …
„Was ist das?“, hörte er dessen Stimme plötzlich genau neben sich und zuckte beinahe zusammen. Jetzt sah er es auch. Ein schwaches Licht vor ihnen, wie von einer weitgehend abgeblendeten Laterne.

****

Doriana atmete erleichtert auf, als der Fremde nach dem Schlag gegen den Boden aufhörte, sich zu wehren und ließ seine erschlaffte Hand los.
Sie lächelte ihre Kampfgefährtin dankbar und nicht ohne Stolz an. Da bemerkte sie die Blutlache, die sich unter dem Kopf des Besiegten ausbreitete.
„Ist er… tot?“, fragte sie leise an Rahjada gewandt. Doch diese kam nicht dazu, zu antworten, da sie plötzlich beide leises Flüstern vernahmen.
„Hier, Baron. Hier sind welche!“ Der Sprecher schien Wert darauf zu legen, von niemandem außer dem angesprochenen Baron gehört zu werden. Welcher Baron? Soweit Doriana wusste, nahm nur ein einziger Baron an dieser Exkursion teil, Rahjadas und Selindes Onkel, der Praios-Geweihte Auricanius von Urbet, der Exkursionsleiter. Warum sollten seine Leute heimlichtuerisch agieren? Das konnte nur bedeuten, dass noch mehr Angreifer hier versteckt waren.
Alarmiert suchte sie den Blick der Älteren. Diese starrte angestrengt in die Dunkelheit. Dann zeigte sie auf ein wenige Schritte entferntes, schwaches Licht, das die Jüngere bisher kaum wahrgenommen hatte und bedeutete ihr, leise zu sein, indem sie einen Finger an die Lippen legte.
Da kam Doriana eine Idee. Sie zog möglichst ohne ein Geräusch zu machen, die Waffe ihres nun bewusstlosen Verfolgers aus dessen Scheide. Nach kurzem Zögern hielt sie Rahjada den Griff hin. Die ältere Studiosa war viel besser im Fechten als sie selbst.

Rahjada nahm den Griff der Waffe, bei der es sich wohl um ein kurzes, sehr schlankes Schwert oder einen überlangen Dolch handelte, und versteckte diese sofort halb hinter ihrem dem Toten zugewandten Rücken. Ein nur angedeutetes Nicken sollte Doriana dabei zu verstehen geben, dass sie ihren Gedanken verstanden hatte. Das Flüstern und das sich nähernde Licht hatten beiden Studiosas augenblicklich jegliche Erleichterung über den soeben überwundenen Gegner ausgetrieben und schärften ihre Konzentration. Aufzuspringen kam der Älteren dabei nicht in den Sinn. Zu nahe waren die ‚Flüsterer‘ schon heran – und stehend würde man sie zweifellos eher entdecken.
Das schwache Licht wurde von seinem Träger scheinbar den Boden absuchend hin und her bewegt.
‚Zieht vorbei‘, versuchte die Comtessa der Gruppe in Gedanken zuzureden.
Es waren mindestens drei Gestalten, soviel konnte sie in der vom entfernten Lager kaum noch erleuchteten Dunkelheit inzwischen erkennen. Die linke, dem Lager nächste Person hielt die Laterne in der eigenen rechten, eine längere Klingenwaffe dagegen in der linken Hand. Die ganz rechte Silhouette trug wohl einen Speer, mit dem sie die Gruppe nach außen und zur Mitte absicherte. Details der mittleren Person konnte sie noch nicht ausmachen, gewann aber den Eindruck, dass diese von den anderen beiden in der Mitte der – man mochte es wohl so nennen – Formation gehalten oder abgeschirmt wurde. Und diese Formation war nun zum Stehen gekommen, nur noch wenige Schritt von den Studiosas enfernt.
‚Vermaledeit!‘, fluchte Rahjada innerlich. Sie wagte es aber immer noch nicht aufzuspringen, weil sie sich sicher war, dass die Gruppe nun genauso konzentriert auf jedes Geräusch, jede Bewegung achten würde, wie sie selbst. Und weil sie natürlich auch nicht wusste, ob sie damit ihre Leidensgenossin nicht überrumpelte und als sichere Beute ihrer Widersacher zurückließ.

****

Poldoron folgte nach einer kurzen Erklärung nun seinem Baron – und war überrascht, mit welcher taktischen Finesse dieser ins ihnen womöglich gleich bevorstehende Gefecht ging. Auricanius hatte dem Cavalliere mit zwei kurzen Handbewegungen zu verstehen gegeben, dass sie die Lichtquellen in ihrem eigenen Rücken loswerden mussten und sich deshalb erstmal schräg entgegen der Richtung der vor ihnen laufenden Gruppe vom Lager weg bewegt. Erst als sie die brennenden Feuer seitlich neben sich hatten, schlichen sie den mit der abgeblendeten Laterne ausgerüsteten Personen hinterher.
Dann passierte, was nicht hätte passieren sollen. Der Baron aus dem Haus Urbet trat wohl auf einen trockenen Ast, der mit einem Knacken zerbrach … und die drei gerade noch von ihnen Verfolgten waren alarmiert.
„He“, rief der Laternenträger unmittelbar auf, riss die Lichtquelle dabei herum und sogleich die Blende nach oben.
Die beiden Männer aus dem Haus Urbet konnten gerade noch die Augen abwenden, bevor sie vollends geblendet wurden.
„So trifft man sich wieder, Baron“, war der hämische, auf dem letzten Wort betonte Kommentar des mittleren der drei ‚Flüsterer‘ das erste, was daraufhin die einige Wimpernschläge anhaltende Stille durchbrach.

Hier geht es weiter.