Archiv:Sewakien in Aufruhr - Droht ein Krieg im Norden (BB 46)

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Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 46, Seiten 1-2 Kusliker Kurier Datiert auf: Travia 1046 BF


Sewakien in Aufruhr - Droht ein Krieg im Norden?

Sonderbericht aus Farsid über den Konflikt in Phecadien. Getreuliche Wiedergabe des Berichts unseres Kusliker Gesandten am Hofe des Herzog von Grangor zu Farsid, Alrigio ya Cerrano, durch Schreiberin Selinde Camerania.

von Alrigio ya Cerrano


Das Wappen der Seestadt Sewamund


Kuslik, 15. Travia. In einem ausführlichen Bericht informierte der Kusliker Gesandte am Hof von Herzog Cusimo Garlischgrötz, Cavalliere Alrigio ya Cerrano, die Versammlung der Notabeln über die jüngsten Entwicklungen und Ereignisse, die Phecadien und Sewakien erschüttern. Der Gesandte trat vor die Versammlung der vornehmsten Familien Kusliks und bestätigte ernsten Blickes die Befürchtungen, die bereits als Gerüchte und Informationsbrocken den Weg nach Kuslik gesucht hatten:

“Signores und Signoras, Comti und Comtessas, die Lage in Phecadien spitzt sich zu, während politische Intrigen und Machtkämpfe die Region erschüttern. Als Gesandter unserer geliebten Heimatstadt Kuslik am Hof Herzog Cusimos habe ich die Gelegenheit, aus erster Hand zu berichten, was sich hinter den Kulissen abspielt und wie sich diese Ereignisse auf unsere Region auswirken könnten.” Cavalliere Alrigio räusperte sich, seine Mimik und Gestik verriet ernsthafte Sorge.

“Das einstmals so ruhige und geschäftige Sewamund ist derzeit das Epizentrum eines Konflikts, der ganz Phecadien und ebenso die südliche Septimana oder gar den Yaquirbruch in Brand zu stecken droht. Die Auswirkungen für Kuslik sind kaum abzusehen, aber der Konflikt droht sich immer weiter auszubreiten. Daher warne ich die Versammlung davor, das Problem nicht zu unterschätzen und sich auf eine weitere militärische Eskalation einzustellen.” Gemurmel breitete sich in der Versammlung aus, waren den meisten doch der Thronfolgekrieg, das Jahr der Nachbeben und auch der Krieg der Farben in der Gerondrata noch frisch in Erinnerung.

“Nachdem Baron Irion von Streitebeck am 2. Praios mit einem gewitzten politischen Manöver mit seiner Entscheidungsstimme eine Resolution zur Neubesteuerung in der Baronie und Landstadt Sewamund durchgesetzt hatte, kam es, wie die meisten von euch bereits wissen, zu einer ungewöhnlichen politischen Unruhe in Sewamund. Die Mächtigsten der führenden Familien fühlten sich vom Baron hintergangen und ausgetrickst, das so sorgsam gepflegte politische Gleichgewicht in Sewakien drohte zu zerbrechen. Gerade in diesem Moment flammten Unruhen in der Stadt auf: aufrührerische Flugblätter, Gewalt in den Straßen, Brandstiftung und sogar Mord an einigen hochgeschätzten Persönlichkeiten wie dem Ratsherrn und geachteten Kaufmann Esquirio Leonardo Cortesinio verhärteten die Fronten, beide Seiten beschuldigten einander der Eskalation. Für den Außenstehenden war es unmöglich, Licht in die Schuldfrage zu bringen! Zum Ende des Praiosmondes war die Einigkeit in der Stadt so zerüttet wie seit der Sewamunder Fehde 1027/1028 BF nicht mehr. Vor allem nachdem Signor Reonius van Hoven die geheimen Absprachen der kleineren Familien der Stadt mit dem Baron öffentlich machte und am Tag darauf ermordet wurde.” Die Schilderung führte zu Unruhe im Saal, einzelne Notabeln schüttelten den Kopf und zeigten ernste Mienen.

Cavalliere Alrigio wartete kurz, bis der Saal sich beruhigt hatte und setzte dann seinen Bericht fort: “Zu Beginn des Rondramondes kehrte zudem der Seilermeister und Zunftherr Gerbondo Filotrin nach Sewamund zurück, nachdem er laut eigener Aussage auf Geheiß Baron Irions 17 Götterläufe im Kerker der Feste Phecanostein eingesessen hatte, obwohl er ihm in der Sewamunder Fehde die Schlüssel zur Stadt und letztlich indirekt die Baronskrone überreicht hatte. Dies in Kombination mit den Enthüllungen und Morden und Unruhen der Tage und Wochen zuvor ließ wohl das Fass der Unzufriedenheit überlaufen. Eine Mehrheit der mächtigen Sewamunder Familien forderte den Baron auf, die Steuerresolution rückgängig zu machen und die Morde aufzuklären. Der Baron lehnte jedoch jede Verhandlung ab und so versammelten sich seine Gegner gemeinsam mit einigen lokalen Verbündeten im Castello Selzin zum Selziner Schwur und beschlossen, ihn wegen schädlicher Handlungen gegenüber dem Lilienrat und der Stadt in seiner Funktion als Vorsitzenden des Lilienrats, die er Kraft seiner Baronswürde innehatte, abzusetzen.” Von den Notabeln war zum Teil Empörung, aber Zustimmung zu vernehmen, je nachdem, ob die Sympathie eher auf Seite des städtischen Patriziats oder des alten Landadels gelagert war.

“Eine kontroverse Entscheidung, daran gibt es keine Zweifel! Die mit der Arrestierung und Versetzung des Barons in Hausarrest beauftragte Sewakgarde scheiterte jedoch mit ihrem Unterfangen, da die Stadtgarde treu auf Seiten des Barons stand. So entwickelte sich im Hof des Schlosses Corello ein Handgemenge, das diverse Mitglieder beider Sewamunder Garden verwundet oder gar erschlagen zurückließ. Der Baron konnte aber auf einem Schiff der ihm zugeneigten Kaufmannsfamilie ya Diamero nach Nordphecadien auf den Stammsitz seines Hauses flüchten und begann sogleich, für den nun vollends eskalierten Konflikt zu rüsten, Verbündete zu suchen und seine Kräfte für den Gegenschlag zu sammeln.” Die Zuhörer hingen nun gebannt an den Lippen des Gesandten, auch wenn einige durchaus bereits gut über den Konflikt informiert waren.

“Während nun also die Familien des Lilienrats die Stadt befriedeten und ihrerseits, beispielsweise in Shenilo und Ruthor, nach Verbündeten suchten, passierte etwas durchaus Unerwartetes: Die Commodora Sewamunds, Karianna Degano, stahl das städtische Kriegsschiff ‘Stolz von Sewamund’, plünderte die Vorräte des Kriegshafens und verschwand damit auf hohe See. Gerüchten zufolge verdingt sie sich seither als Freibeuterin und hat mit ihrer Familie gebrochen.” Einige der Notabeln schüttelten empört den Kopf. “Unerhört, das ist ja Piraterie!”, hörte man den greisen Patriarchen der Güldenlandfahrerdynastie, Jaan Bramstetter rufen.

Alrigio ya Cerrano wartete ab, bis der Saal sich beruhigt hatte. “Im Efferdmond eskalierte die Lage noch weiter. Heimlich in Unterfels angeworbene Söldner nahmen des Castell della Leonis an der Grenze von Phecadien zu Veliris im Handstreich. Heerhaufen des Barons zogen durch Nordphecadien, um die dortigen Ländereien seiner Gegner zu besetzen. Dabei kam es in Garlan zu Kampfhandlungen, bei denen die dortige Vögtin des Herzogs, Rondriane Tribêc, zu Tode kam. Gerüchten zufolge hat der Baron sogar Söldner aus Drôl, Albernia, Almada und dem Windhag angeworben. Nach der Befriedung der Region zog das inzwischen deutlich angewachsene Heer des Barons auf Sewamund, während der Lilienrat auf Vermittlung der Häuser Piastinza, Amarinto und della Carenio eine Allianz mit Baronin Oleana di Bellafoldi und dem Concilium Ostreae, der Signoria von Ruthor, geschlossen hatte.” Alrigio trank einen Schluck Wasser.

“Auf dem Weg gen Süden, des Streitebecks Leute zogen sich bereits über eine beträchtliche Strecke der König-Khadan-Straße entlang, querten sie ohne Widerstand die Tribêcer Lande, wo sich ihnen darüber hinaus Truppen anschlossen. Offenbar hielt die Familie Tribêc wie ehedem treu zu Baron Irion. Als die Söldner die Ländereien des Hauses Amarinto erreichten, trafen sie jedoch auf Widerstand. Über Einzelheiten möchte ich mich hier nicht auslassen, festzuhalten bleibt, das Dorf Amarinto wurde nächtens ein Opfer der Flammen und es fiel die Feste Amardûn an Baron Irion. Hernach schnitten die Truppen des Barons Sewamund von allen Zugängen nördlich des Sewak ab, nur noch der Weg über die Sewakbrücke in der Stadt ist frei. Die versammelten Damen und Herrschaften können sich sicherlich vorstellen, was dies für den Handel und Warentransport in der Region bedeutet.” Verschiedene Notabeln nickten wissend oder rollten gar mit den Augen.

“Die Stadt Sewamund wimmelt inzwischen von Söldlingen, Flüchtlingen aus der Umgebung und allerlei fahrendem Volk und Kriegsgewinnlern. Auch die Gegner des Barons haben ein ansehnliches Heer vor der Stadt auf der Südseite des Sewak versammelt. Mit eigenen Augen konnte ich dort die Banner vieler bekannter Söldnerhaufen und Condottieri bestaunen. Auch die Wappen bekannter ortsfremder Adelshäuser wie den Bellafoldi aus Ruthor, d’Illumnesto aus Pertakis und Carson aus Shenilo waren darunter. Darüber hinaus haben auch einige andere septimanische Städte dem Lilienrat Truppen zur Unterstützung geschickt, Nevorten, Selzin, Serillio und Pelêshir zum Beispiel. Vor wenigen Tagen hielten der Lilienrat und ihre Verbündeten schließlich einen großen Kriegsrat in Sewamund ab. Sicherlich waren sowohl die Örtlichkeit als auch der Zeitpunkt aufgrund ihrer deutlichen Symbolik gewählt: Man traf sich am Tag der Treue im Schloss Corello, der bisherigen Residenz ihres Kontrahenten.” Baronin Avessandra ya Lionessa schien dieser offensichtlich an Baron Irion gerichtete Affront deutlich zu missfallen. Mit gerötetem Antlitz und verschränkten Armen sowie energischem Kopfschütteln machte sie ihre Position in dieser Frage nur allzu deutlich.

Alrigio ya Cerrano seufzte. “Die ehrenwerte Versammlung hat mich gebeten, nicht nur einen Bericht über die Lage vorzutragen, sondern auch meine persönliche Einschätzung zum weiteren Verlauf abzugeben. Die Herrschaften und Damen mögen mir nachsehen, dass ich nur mutmaßen kann und diese Mutmaßungen eher düster erscheinen. Aber ich denke, wir werden schon sehr bald eine weitere Eskalation der Lage erleben, meinen Informationen nach sollen sowohl Herzog Cusimo Garlischgrötz als auch sein Statthalter Comto Zandor von Nervuk bald nach Phecadien zurückkehren und beide Konfliktparteien werden vorher versuchen, ihre Position zu stärken und den Gegner zu schwächen. Ein militärischer Sieg oder ein gewagtes diplomatisches Manöver dürfte es dem Herzog leichter machen, sich ohne Gesichtsverlust hinter die überlegene der beiden Parteien zu stellen in dieser verworrenen Situation. So wie ich den Herzog kenne, dürfte er auch versuchen, die Lage zu seinen Gunsten zu nutzen und am Ende sogar gestärkt aus dem Konflikt hervorgehen. Er hat zudem eine Schwäche für Hasardeure, welche Dinge in die Hand nehmen. Eine Lösung des Konflikts auf Basis eigener Stärke sollte ihm also imponieren. Vorher werden wir jedoch, die Zwölfe mögen es verhüten, zusehen müssen, wie weiter gutes horasisches Blut in diesem Konflikt vergossen wird.” Der Gerontokrat Efferdan Pechstein lächelte vielsagend, bedankte sich höflich beim Gesandten für den umfassenden Bericht und lenkte danach die Aufmerksamkeit der Versammlung auf andere drängende Fragen der Stadtpolitik.