Briefspiel:Das Fest der vielen Bösartigkeiten/Ball und Epilog
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3. Akt: Der Ball
- Della Pena ä.H.
Im Ballsaal verteilten sich die Ankommenden zunächst in kleinen Grüppchen im ganzen Raum, während letzte Nachzügler noch die Wendeltreppe von der Galerie herabkamen. Doch als auf ein Zeichen des Hausherren die Musiker eine Kuslikana intonierten, sammelte man sich schnell in der richtigen Aufstellung, um den Schreittanz ordnungsgemäß beginnen zu können.
Die Kapelle hatte ihren Platz auf einer bühnenartigen Erhöhung am Ende des Saales gefunden, an der man deutlich sah, dass der Raum bei Bedarf auch für konzertante Musikaufführung genutzt werden konnte. Heute aber brachte man die beliebtesten Tanzmelodien zum erklingen – allerdings auf eine so formvollendete und edle Weise, dass auch der unbedarfteste Zuhörer bemerken musste, dass die Musiker die vom Kapellmeister eigens arrangierten Tanzsätze sorgfältig einstudiert hatten und nicht etwa gerade aus dem Stehgreif ihr Glück am Instrument versuchten, wie es Rahja und Hesinde zum Missfallen leider viel zu oft bei öffentlichen Tanzveranstaltungen geschah.
Kapellmeister Ricardo Stellmacher leitete hierbei vom Cembalo aus die anderen Instrumentalisten an, welche an Violinen, Gamben, Zinken und auch einer großen Standharfe ihr Bestes gaben, die Tänzer aufs Trefflichste zu unterhalten.
- Di Salsavûr
Acanio hatte sich beim Beginn des Tanzes ein wenig an den Rand des Saals gestellt. Für seine alten Knochen, war Tanzen nichts mehr, stattdessen schaute er lieber seiner Tochter und seinen Enkeln beim Tanz zu.
Lorian hatte die di Punta auf die Tanzfläche geführt und Khadan seine Mutter Elea, aber nur um sich bald darauf, nachdem Elea einen anderen Tanzpartner hatte, zu seinem Großvater und Romualdo zu gesellen.
"Acanio setz dich doch mal bitte mit den dell'Arbiato in Verbindung und auch mit den anderen Häusern, die nicht so gut auf den geliebten Stadtherrn zu sprechen sind", sagte Romualdo halblaut zu dem alten di Salsavûr.
"Ich werde mal die di Onerdi und ihren Mann ansprechen, ob sie sich ebenfalls dazu gesellen wollen.“
Acanio nickte nur und wartete darauf, dass der Tanz beendet wurde, damit er Alessandero dell'Arbiato ansprechen konnte, ohne die Tanzenden zu stören.
Eine ähnliche Strategie verfolgte auch Romualdo, der während der Tanz noch lief, weiter die Anwesenden beobachtete, um eventuell noch weitere potentielle Verbündete zu finden.
- Dell'Arbiato
Mit sicheren Schritten beendete Alessandero zu den letzten Takten der Musik den Tanz und verneigte sich höflich vor seiner Partnerin, einer unscheinbaren Tochter eines feisten und teiggesichtigen Geschäftspartners der della Pena. Rahja sei Dank, hatte die junge Dame nicht das Aussehen ihres Vaters geerbt, sondern prunkte vielmehr mit einem vielversprechenden Ausschnitt ihres Kleides.
Was überhaupt der Grund war, dass Alessandero dell'Arbiato mit ihr tanzte.
Nachdem er seine Tanzpartnerin zu ihrem misstrauisch blickenden Vater geleitet hatte, gönnte sich Alessandero einen Augenblick Pause und überblickte die versammelte Menge im Festsaal, die wie er die Pause nutzte, um Atem zu schöpfen oder sich einfach nur zu unterhalten.
"Signore dell'Arbiato?", sprach ihn eine Stimme hinter ihm an, worauf sich Alessandero überrascht umdrehte.
"Acanio d'Alsennin-Salsavûr", verneigte er sich höflich vor dem alten Salsavûr, "welche Freude, Euch hier zu sehen. Darf ich fragen, wie es Euren Enkeln ergeht? Wie ich hörte, ist der junge Lorian zum Capitano Eurer Haustruppen ernannt worden."
Alessandero lächelte leicht bei dem überraschten Ausdruck Acanios. Nam et ipsa scientia potestas est, dachte er, Wissen ist Macht und Alessandero gedachte nicht, sich hierbei von irgendjemandem übertrumpfen zu lassen.
"Aber wie konntet Ihr ...", Acanio tat so, als ob er überrascht stottern würde, "ich meine, Romualdo hat doch erst heute ..."
"Mein lieber Acanio", erwiderte Alessandero mit einer wegwerfenden Handbewegung, "so inkommodiert Euch doch nicht. Es ist ja nicht so, dass diese Entscheidung in obscuro, im Geheimen getroffen wurde. Morgen wird es die ganze Stadt wissen."
"Natürlich", Acanio spielte das Spiel, was er angefangen hatte weiter, sollte ihn sein Gegenüber doch unterschätzen. "Wenn es Euch genehm ist, würde der Patriarch unseres Hauses gerne einige Worte mit Euch wechseln."
"Romualdo?", hob Alessandero fragend eine Augenbraue, "und was wäre das Thema dieses ... Wortwechsels?"
"Es wäre besser, dies mit Romualdo zu besprechen", wies Acanio mit einem nichtssagenden Lächeln hin.
Alessandero warf ihm einen durchdringenden Blick zu und begann leicht zu lächeln: "Soso. Dann richtet Romualdo aus, es wäre Signore dell'Arbiato genehm, einige ... Worte mit ihm zu wechseln."
- Di Salsavûr
"Wir sollten uns in einem etwas ruhigren Teil des Hauses treffen, da man hier ja schlecht unterhalten kann, wegen der Musik." Acanio lächelte immer noch. ,Außerdem sind hier zu viele Ohren, für die das Gespräch nicht gedacht ist', fügte er in Gedanken hinzu.
Er verneigte sich knapp und kehrte zu Romualdo zurück.
"Der dell'Arbiato ist zu einem Gespräch bereit ...", Acanio schwieg kurz, bevor er weitersprach, "... aber so ganz sollten wir dem nicht trauen."
Acanio lächelte geheimnisvoll, als ihn Romualdo fragend anschaute, worauf hin dieser nur nickte, als habe er verstanden.
Währenddessen hatte Acanios Enkel ebenfalls den Tanz beendet und kam mit der di Punta zu den anderen Mitgliedern seines Hauses zurück.
Romualdo hatte sich hingegen schon auf den Weg zu dem Changbari und dessen Frau gemacht.
"Ah, Hohe Dame di Punta, Lorian, ihr kommt gerade recht, wollt ihr euch gleich zu uns gesellen?"
Acanio warf seinem Enkel einen fragenden Blick zu und dieser nickte als Antwort.
"Wollt ihr uns begleiten, Desideria?", fragte Lorian mit einem freundlichen Lächeln seine Begleiterin.
"Gelehrter Herr, entschuldigt, wenn ich euch unterbreche", unterbrach Romualdo freundlich den Vertreter des Hauses Changbari in Urbasi, der sich mit gerade mit einer anderen Person unterhielt.
"Hättet ihr eventuell auch Interesse an einer kleinen Unterredung wegen ... ähm ... unseres überaus freundlichen Stadtherrn?"
Romualdos Stimme hatte, während er vom Stadtherrn sprach, einen ironischen Unterton bekommen.
- Della Pena ä.H.
Etwas abseits stand das Familienoberhaupt der della Pena und beobachtete das Ballgeschehen. Seine Verletzung hinderte ihn daran, selbst das Tanzbein zu schwingen und daher kam er sich ein wenig unnütz vor.
Seine Frau Odina erwies gerade Azzo Silbertaler, dem Gastgeber der letzten Monate, der in dieser Zeit zu einem geschätzten Geschäftspartner geworden war, die Ehre eines Tanzes. Leomar war froh, dass sie trotz seiner Inkommodiertheit Gelegenheit zum Tanz fand. Viel zu selten fand sich während dieses unsäglichen Krieges ein Anlass dazu …
Gerade als er weiter über den seltsamen Lauf des Weltgeschehens nachsinnen wollte – der schwere Rotwein hatte ihn offenbar in melancholische Stimmung versetzt – bemerkte er, dass sich einige der Gäste unauffällig aus dem Saal entfernten: ein Teil der zahlreichen Salsavûr mit einigen weiteren Adligen, die nicht unbedingt zu den Freunden der della Pena zählten.
Sofort wieder hellwach, rief Leomar einen der Diener zu sich und hieß ihn, die tuschelnde Gruppe unbemerkt im Auge zu behalten. Nur mäßig beruhigt, aber doch zufrieden etwas getan zu haben, wandte Leomar seine Aufmerksamkeit wieder dem Ball zu.
Gerade war eine getragene Pavane zu Ende gegangen und nun bat Odina della Pena den eleganten Rahjalin Solivino für die nachfolgende Albernande den Tanzmeister zu geben und die versammelten Tänzer anzuleiten.
Für alle war ersichtlich, dass Odina hier in ihrem Element war. Als geborene Gastgeberin schaffte sie es intuitiv allen Gästen gerecht zu werden, jedem die Möglichkeit zu geben einmal im Mittelpunkt zu stehen oder sich zumindest der Gunst der Gastgeber zu versichern. Geschickt wählte sie für jeden Tanz ihre Partner aus und gab auch mal ihrem schmucken Sohn Tsaiano eine stumme Anweisung, welche Patrizier-Tochter er zum Tanz bitten solle.
- Urbet-Marvinko
Seine Gedanken schweiften ab. Das festliche Treiben im Ballsaal vermochte ihn nicht mehr übermäßig zu fesseln, es fing trotz seiner üblichen Spielchen, mit denen er seine Umgebung und noch viel mehr sich selbst zu beschäftigen wusste, langsam an ihn zu ermüden. Eben hatte er sich nach dem Abschied von seiner letzten Tanzpartnerin noch etwas überraschend in die Unterhaltung einer Traube eher unbedeutender Landadliger und Patrizier am Rand des Saals eingemischt, doch schon wenige Augenblicke später schenkte Traviano den Worten eben dieser nur mehr oberflächlich Aufmerksamkeit.
Unberechenbar zu sein, das war ihm wichtig - und die Überraschung über sein Hinzutreten konnte der Gransignore in den Gesichtern der unverhofft durch seine Anwesenheit Geehrten durchaus ablesen. Auch wenn er ansonsten gerne einen arroganten und unnahbaren Eindruck hinterließ, wusste Traviano sehr genau, dass er dies immer wieder mal durchbrechen musste, wollte er seine Untertanen nicht zu sehr in Sicherheit wiegen.
Doch jetzt fiel ihm selbst dieses oft erheiternde Spiel schwer, zu sehr beschäftigten ihn noch die Geschehnisse der letzten Tage und Wochen. Der Verrat Ralmans an Timor hatte Vieles verändert. War Traviano zunächst vor allem deshalb auf Seiten Aldares in den Krieg gezogen, um dem Haus Firdayon-Bethana die Rolle als zweiter Anwärter hinter der eigentlichen kaiserlichen Familie streitig zu machen, focht er nun auf derselben Seite. Dass Ralman von ihm nach der Eroberung Vinsalts die blutverschmierte Brünne der Zwillingsschwester überbracht bekommen hatte, konnte der Prinz - vielmehr Erzherzog mittlerweile - noch nicht vergessen haben ...
Die sich ihm zuwendenden Blicke der Patrizier verdeutlichten Traviano gerade rechtzeitig noch, dass ihm wohl eine Frage gestellt worden war, bevor es zu unhöflichem Schweigen gekommen wäre. Kurz suchte der Gransignore nach einer seiner häufiger verwendeten Phrasen, um die eigene Unaufmerksamkeit zu überspielen, als er beiläufig den Kontorleiter Domenico Changbari samt Gemahlin neben einigen Anderen aus dem Saal entschwinden sah.
"Entschuldigt, die Herren", wandte er sich da an seine Gegenüber, "doch sehen wir uns soeben der Entrüstung wegen abgelenkt. Was lässt unseren efferdischen Freund", und er wies auf den gerade noch sichtbaren Domenico, "so voreilig flüchten, bevor wir seiner Gattin die versprochene Ehre eines Tanzes haben angedeihen lassen können?"
Der bewusst ironische Tonfall entlarvte seine Entrüstung freilich schnell als gespielt und er erntete für die spöttische Bemerkung auf Kosten des Efferdiers sogleich einiges Gelächter. Das verschmitzte Grinsen noch auf dem Gesicht, ging Traviano indes im selben Moment bereits die Gründe durch, die für die Abwesenheit der dem Saal soeben Entschwundenen verantwortlich sein konnten ...
- Familie Changbari
Domenico hatte die Worte des Gransignores nicht mehr vernommen, da er im Gespräch mit seiner Gemahlin war. Erleichtert seufzte diese gerade auf: „Ich hoffe, unser Verschwinden bleibt unbemerkt.“
„Da würde ich mir keine Sorgen machen“, versuchte ihr Gemahl sie lächelnd zu beruhigen, „Der Gransignor scheint mir, in der ihm eigenen Selbstverliebtheit, nur Augen für sein Spiegelbild zu haben. Außerdem dürften ihn seine Speichellecker, die jeden seiner Kommentare mit affektiertem Gelächter versehen, genügend beschäftigen.“
Nun musste auch Sanya schmunzeln: „Gut, nach dem Tanz mit dem werten Tarquinio della Pena“, ihr gequälter Blick wanderte in diesem Moment nach unten auf ihre weißen Seidenschuhe, auf denen sich einige Abdrücke von Herrenschuhen befanden, „hätte ich keinen Tanz mit dem Gransignor mehr ausgehalten. Den gequälten Blicken der armen Hofdamen zufolge, die das Vergnügen eines Tanzes mit ihm hatten, müssen sich dabei seine Füße weniger auf dem Parkett als auf ihren Füßen befunden haben.“
Letztere Worte musste sie wohl einen Hauch zu laut gesagt haben, den Blicken der sie begleitenden Patriziern zufolge. Doch während die meisten schmunzelten oder das Gehörte mit einem belustigten Blick quittierten, lag auf den Zügen einiger weniger Damen hohen Geblüts ein seltsamer gequälter, erschreckter und doch zugleich wissender Blick …
- Dell'Arbiato
"Verzeiht bitte", entschuldigte sich Alessandero lächelnd bei dem jungen Patriziersohn, der anscheinend von Aliena hingerissen war, "aber meine Gemahlin würde es mir vorhalten, würde ich nicht zum Tanze mit ihr schreiten." Der Junge verneigte sich verständnisvoll und wandte sich ab, um sich ein neues Objekt der Begierde zu suchen.
"Nun", fragte Aliena leise, während Alessandero sie zu den anderen Tänzern geleitete, "was haben denn die Salsavûr gewollt?"
"Aber Aliena", amüsierte sich Alessandero, "in diesem Palazzo haben die Wände Ohren und die Bilder Augen. Natürlich sprach keiner aus, was er meinte, und niemand zeigte auch, was er wollte. Es genügte schon, dass man ein gemeinsames Gesprächsthema fand: Wie herrlich doch die strahlende Gegenwart des Stadtherrn dieses Fest zu einer Zierde der Stadt machte. Und alle Anwesenden waren sich einig, dieses Gespräch zu gegebener Zeit fortzusetzen."
"Und niemand tat eine Äußerung, die ein unbedarfter Zuhörer ..."
"Keine Sorge, zwar gab es einige, welche in medias res gehen wollten, aber die Jugend ist hitzköpfig, nicht wahr? Bei Rondra", grinste Alessandero, "da rede ich von der Jugend, als ob wir nicht dazugehören würden. Und jetzt genug, schließlich wollen wir uns doch so gut wie möglich in diesem Hause amüsieren. Übrigens, die Salsavûr werden uns eine Einladung zusenden und ich plane, sie im Herbst zur Hatz nach Alicorno zu bitten. Und der Changbari hat sich angeboten, Dir in Deinen Gemächern die besten Stoffe seiner Manufactura vorzustellen. Darf ich jetzt zum Tanze bitten?"
- Della Pena ä.H.
Mittlerweile hatte Leomar Position auf der Galerie bezogen und ließ von oben den Blick über die Tanzenden schweifen. Seufzend fragte er sich, wie lange er noch tatenlos herumstehen und dem Treiben zuschauen müsste. Er erwog ernstlich sich als unpässlich entschuldigen zu lassen und sich mit einer weiteren Flasche Cassianti in seine privaten Gemächer zurückzuziehen.
Gerade als Leomar begann aus Langeweile die Geländerpfosten der Galerie zu zählen, meldete ein Diener ihm das Eintreffen eines Eilboten.
Überglücklich ob der Abwechslung ging Leomar dem Boten entgegen und erwartete ihn in seinem privaten Kabinett.
Nachdem der Bote berichtet hatte war Leomar höchst zufrieden. Selbst die Meldung, in Thalusa sei ein Sack Reis umgefallen, hätte er sich an diesem Abend in aller Breite schildern lassen, aber das, was der Bote zu berichten gehabt hatte, war eine Sensation – wenn auch keine besonders erfreuliche.
Umgehend beorderte Leomar seinen Schweigersohn und Feldherren Drakon in sein Kabinett.
- Etwas später
Als die Gäste bemerkt hatten, dass nach dem Hausherren auch sein Schwiegersohn den Ball verlassen hatte, dachten sie sich schon, dass irgendetwas Wichtiges geschehen war. Als aber nun Leomar Romualdo della Pena an den Rand der Galerie trat und seine Stimme erhob um Ruhe zu fordern – geistesgegenwärtig intoniert Kapellmeister Stellmacher eine Fanfare samt Tusch – konnten sich alle sicher sein, dass eine wichtige Meldung bevorstand. Und wirklich:
„Liebe Freunde, verehrte Gäste, ein letztes Mal erheben wir an diesem Abend unsere Stimme und fordern Gehör. Wir bitten dabei die eifrig Tanzenden vielmals um Entschuldigung, ihr vergnügliches Treiben gestört zu haben, aber ein Vorfall von außerordentlicher Relevanz für uns alle ereignete sich nicht weit von hier. Die Nachricht darüber wurde mir soeben zugetragen und wir möchten die Versammelten nicht im Unklaren über eine Situation belassen, die empfindlich die Sicherheit unserer schönen Stadt bedroht …“
War zu Anfang der Rede noch ein allgegenwärtiges Murmeln zu hören gewesen und hatten sich einzelne über die Störung des Tanzes beschwert, war jetzt eine gespannte Stille eingetreten, die nur kurz vom Eintreffen der vorhin verschwundenen Adligen, die soeben in den Saal zu zurückkehrten, gestört wurde.
Doch auch diese lauschten gebannt, als Leomar nach seiner Kunstpause fortfuhr: „Unsere Garnison in Castello Salmanya in der Ortschaft Siburetta gab soeben Meldung darüber, dass es in unserer Nachbarstadt Sibur zu Praios-lästerlichen Umstürzen gekommen ist. Man hat dort das alteingesessene Geschlecht der Radoleths entmachtet und eine sogenannte Nandusrepublik Sibur ausgerufen. Nicht genug, dass die Dämonokraten sich in unwürdiger Weise auf Nandus berufen, nein, ein wütender Mob belagert die Türme der Adligen und droht sie zu erdrosseln.
Um es deutlich zu sagen: Der Pöbel regiert nun in Sibur und es ist klar, dass die Umstürzler von ihrem kurzzeitigen Erfolg angestachelt nicht an den Stadtgrenzen haltmachen werden, sondern ihre frevlerische Ordnung und ihr ketzerisches Gedankengut weiter verbreiten wollen.
Und unser stolzes Urbasi könnte ihr nächstes Ziel sein. Also heißt es: zusammenstehen und sich bereitmachen, damit die Welle des Pöbels an den trutzigen Mauern Urbasis zerschellt.
Ich lade die Anwesenden Adligen daher umgehend zu einer Besprechung in mein Kabinett ein, um die nötigen Schritte zeitnah in die Wege zu leiten.“
Epilog
- Spät in der Nacht
Der Ball hatte noch einige Zeit angedauert und Odina hatte ihr bestes getan, um schnell wieder für gute Stimmung zu sorgen. Nach einigen flotten Kuslikanas hatten viele der Gäste wieder zur Feierlaune zurückgefunden. Einige jedoch hatten sich bald verabschiedet und sich nach Hause begeben, wohl aus Angst, der Pöbel könnte sich schon in dieser Nacht in Urbasi erheben.
Nun stand Leomar auf dem Balkon über dem Eingangsportal, starrte in die sternenklare Nacht und sann über die neue Situation nach. Bei der Besprechung in seinem Kabinett hatte man sich darauf geeinigt, nichts zu überstürzen, sondern zunächst weitere Botenberichte abzuwarten und sich dann, einige Tage später, über das weitere Vorgehen zu verständigen. Doch schon in dieser kurzen Zusammenkunft war deutlich geworden, dass die Parteien zu zerstritten waren, um tatsächlich einen koordinierten Schlag gegen Sibur führen zu können. Jeder war auf seinen eigenen Vorteil bedacht, manche sympathisierten vielleicht gar heimlich mit den Aufrührern – allzu gut war Leomar noch die Unterstützung des Jaltekenaufstands durch den Neuadligen Alarion ya Ranfaran in Erinnerung, eine schmerzende Narbe am linken Schlüsselbein erinnerte ihn täglich daran. Auf jeden Fall schien eine Einigung der Adelsgeschlechter in weiter Ferne.
Doch Leomar hatte ohnehin weitere Pläne. Graf Croenar von Marvinko hatte schon lange ein Auge auf die reiche Stadt Sibur geworfen und würde sich diese Chance sicher nicht entgehen lassen. Wer weiss, vielleicht brauchte der Marvinko ja bald einen Statthalter in Sibur … Es konnte sicher nicht schaden, dem Grafen seine Unterstützung bei der Befriedung und Reinigung des Aufrührernestes zuzusichern und die strategisch günstige Feste Siburetta als Garnison anzubieten.
Zufrieden blickte Leomar ein letztes Mal auf das Sternbild des Schwertes, schloss die Türen hinter sich und bewegte sich in Richtung seiner Schlafgemächer.
Ja, im Krieg der Drachen war für einen entschlossenen Mann einiges zu gewinnen …