Briefspiel:Das Fest der vielen Bösartigkeiten/Vorbereitungen
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Einladung
Geschätzter Traviano,
gleich zwei Gründe gibt es, dieser Tage zu feiern. Zum einen ist es mit vereinten Kräften der Hohen Häuser der Urbasiglia gelungen, die Timoristen aus unseren Ländereien zu vertreien. An die glorreichen Neun Schlachten von Urbet werden sich die Historiker noch lange erinnern und den siegreichen Feldherren Traviano um seines Schlachtengeschicks preisen. Der andere Grund ist nicht minder geschichtsträchtig, wenn auch weniger kriegerisch: stolz dürfen wir verkünden, dass die Residenz der della Pena in Urbasi fertiggestellt ist. Der Palazzo Lacrimosa ist in diesen Tagen von uns bezogen worden und endlich sind wir ganz in Urbasi angekommen. Um diese beiden Anlässe zu feiern möchte ich Euch und Eure Begleitung zu einer großen Festivität mit Bankett und Ball einladen, die wir am 4. Efferd, dem Geronstag, nach den Theateraufführungen auf den Märkten in unserem Palazzo veranstalten.
Euer Kommen wäre uns eine große Ehre
gez. Leomar Romualdo della Pena
– Solche oder ähnliche Nachrichten gingen Ende Rondra 1029 BF an alle Mächtigen Urbasis und der Urbasiglia, an die Adeligen und die Patrizier Urbasis.
Vorbereitungen
- Anfang Efferd, im Palazzo del Castello zu Urbasi
„Was scheren uns die Almadaner? Sollen die sich doch Unterfels und Bomed holen … da kräht ohnehin kein Hahn nach. Dass Folnor sie aufgehalten und dabei sein Leben gelassen hat, ist doch allenfalls eine Randnotiz des Krieges, der anderswo entschieden wird …“
Die Stimme Gransignore Travianos nahm einen leicht bedrohlichen Klang an, nachdem sein Bruder Rondralio das Gespräch wiederholt auf die gewonnene Schlacht im Norden des Horasreiches und fort von offensichtlich wichtigeren Geschehnissen gelenkt hatte.
„Der Verrat Ralmans ist das, was uns jetzt interessieren sollte“, setzte das Oberhaupt des Hauses die Unterhaltung fort.
„Welche Notwendigkeiten und Chancen sich daraus ergeben, sind die Fragen, die wir beantworten sollten.“
„Zweifellos wird Abelmir darin maßgeblich verwickelt sein“, mutmaßte die frisch vermählte Odina, die nach dem Bruch der Urbet-Marvinko mit dem Grafen Croenar ihrer Aufgabe als Comtessa Erbseneschallya der Grafenmark Silas lieber aus dem fernen Urbasi heraus nachging.
„Sich an Abelmir zu orientieren, ist aber zwecklos. Der hat schon seinen Bruder nie über seine Politik unterrichtet und folgt den Interessen seines – unseres – Hauses wenn überhaupt, dann nur noch sehr fragwürdig.“
Odinas Vorgängerin im Amt, ihre Tante Udora verfügte in Fragen der Familienpolitik über die größte Erfahrung und war vor allem Traviano eine der wichtigsten Beraterinnen.
„Immerhin ermöglicht uns der Seitenwechsel Ralmans eine Neuausrichtung auch unserer eigenen Politik“, brachte Traviano das Gesprächsthema wieder auf die Notwendigkeiten und Chancen zurück.
„Ob Croenar uns dabei folgen will oder nicht, sollte ja nicht mehr unser Problem sein …“
„Weiß man denn, wo sich Timor aufhält?“
Auricanius, von seinen Geschwistern meist noch immer Amando genannt, dachte den Gedankengang seines Bruders weiter.
„Nein“, setzte dieser wieder fort, „aber genau das gilt es jetzt herauszufinden, bevor man in dieser Sache weitere – konkrete – Überlegungen anstellen kann. Was steht sonst noch an, Salquirio?“
Der Angesprochene, seit dem Ausscheiden seiner hochschwangeren Vorgängerin Rahjina erster Privat-Secretario an Travianos Hof, blätterte kurz in den vor ihm liegenden Dokumenten.
„Die Einladung Leomars, mein Herr, zur Besichtigung seines neuen Palazzo und anschließenden Feierlichkeit.“
„Ahja“, kam es nun auch dem Gransignore wieder in den Sinn.
„Er hatte es ja recht eilig bei der Errichtung seines neuen Domizils. Wenig verwunderlich bei der Bleibe, die er in der Zwischenzeit beziehen musste …“
Lächelnd sah sich Traviano in den ihm selbst zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten um und warf durch die großen Fenster des durchaus stattlichen Saals einen Blick auf die Baustelle seines eigenen neuen Palazzo am schräg gegenüber liegenden Rand der Piazza di Renascentia.
„Ihr hattet als Geschenk bei der Steinzunft bereits die Marmorplatte in Auftrag gegeben, auf der seine Verdienste zur Verteidigung der Stadt noch mal gewürdigt werden sollten“, fügte der selbst dem Haus des Gastgebers der Feierlichkeit entstammende Secretario hinzu. „Nur die Frage mit eurer Gattin wäre noch zu klären …“
„Preciosa? Unter ihren Umständen hat sie das Haus nicht zu verlassen“, beantwortete Traviano diese. „Sie sollte jetzt nur noch an das Wohl unseres Erben denken – und sicherstellen dass es sich dabei um einen Sohn handelt, der seinem Vater dereinst ein würdiger Nachfolger wird …“
- Villa dell'Arbiato, nahe Arivor
„Was eigentlich verlangt Rondra noch von mir?“, fragte ich rhetorisch.
„Ich habe ein absolut grauenvolles Jahr in der Horaslegion gedient, an der Trollpforte Leib und Seele aufs Spiel gesetzt und jetzt in Urbasi wieder meinen Hals ...“
„Rondra verlangt von Dir Pflichterfüllung“, unterbrach mein Vater Rondrakan meine Tirade.
„Und unsere Familigia verlangt von unserer Familie Führung und Leitung in dieser schwierigen Zeit.“
Damit meinte er all jene, die von unserer Familie abhängig waren, bis hin zum ärmsten Pächter ihrer Güter.
Wie mancher vielleicht schon vermutet hat, hielten wir Arbiatos eine Familienkonferenz ab, zu der das Familienoberhaupt Rondrakan dell'Arbiato eingeladen hatte. Einladungen meines Vaters hatten den Charakter einer Befehlsausgabe vor der Schlacht, also war Anwesenheit dringend geboten, wollte man nicht seinen Zorn auf sich ziehen. Anwesend waren außerdem noch mein Bruder Malvolio sowie meine jüngere Schwester Camilla, die noch den Idealismus der Jugend versprühte.
„Du versuchst nur, Deine Rückkehr nach Urbasi hinauszuzögern“, bemerkte Malvolio trocken.
„Und warum auch nicht“, entgegnete ich. „Dort erwirbt sich keiner Lorbeeren, der nicht mit den Urbet-Marvinko verwandt ist, dafür sorgen schon seine Lakaien. Wenn man den Berichten glaubt, hat dieser Urbeter samt seinem Knecht della Pena alleine die Timoristen in die Flucht geschlagen.“
„Es war zumindest mutig und rondragefällig“, mischte sich meine Schwester ein. Wie gesagt, jung und idealistisch. Ich sah sie an und erwägte, einen Medicus zu rufen.
„Genug davon“, entschied mein Vater, „wie der Zufall es will, wird es auch abseits der Schlachtfelder Möglichkeiten geben, den Ruhm dieser Familie zu mehren.“
Mein politischer Spürsinn schlug Alarm. „Ein Richtungswechsel in der Familienpolitik, nehme ich an?“
„Alle finden, dass der Urbeter bereits zuviel Macht und Ansehen hat“, erklärte Malvolio. „In gewissen Kreisen fürchtet man, er könne, gestützt auf seine dynastischen Verbindungen nach seiner Heirat, selbst Ansprüche anmelden und damit einer rechtmäßigen Thronanwärterin die dringend notwendige Unterstützung verweigern.“
„Bei Rondra“, hauchte ich, „Salkya?“
„Sehr bald wird die Tochter der großen Horas ihre Ansprüche auf den Adlerthron anmelden“, sagte Rondrakan knapp. „Wenn dies geschieht, müssen der Reichtum und die Waffen Urbasis zu ihrer Verfügung stehen. Und diese Familie wird alles tun, damit niemand den Anspruch der neuen Horas in Frage stellen kann. Geh nach Urbasi, Alessandero. Sorge dafür, dass der Urbeter, wenn die Zeit gekommen ist, sich für Salkya und nicht für diese Drachenbuhle oder den horaskaiserlichen Hofnarren erklärt.“
- Anfang Efferd, auf Burg Salsavûr
„Hast du Informationen über deinen Bruder erhalten?“ Acanio schaute seinen Lieblingsenkel freundlich an.
Lorian schüttelte den Kopf. „Direkt gehört habe ich von Dartan nichts, ich habe nur Gerüchte gehört, dass er, mit einer Söldnertruppe, unter dem Banner der della Trezzis kämpfen soll. Aber ob das stimmt, weiß ich nicht.“
„Besser als überhaupt keine Informationen zu haben. Aber …“
Bevor er weitersprechen konnte, klopfte es an die Tür, kurz darauf trat ein Mann in Magiergewandung ein.
„Ah, Khadan, schön dich zu sehen“, Acanios Lächeln wurde noch ein wenig breiter, als er den Ältesten seiner fünf Enkel sah. „Du hast lange gebraucht um hier herzukommen…“
Der Magier nickte. „Romualdo hatte noch ein paar Aufgaben für mich in Urbasi und ich bleibe auch nicht lange hier.“
Er schaute erst seinen jüngsten Bruder und dann seinen Großvater an.
„Und ihr beide auch nicht. Romualdo möchte, dass wir nach Urbasi kommen.“
Er machte eine kurze Pause, um die Gesichter seiner Verwandten besser mustern zu können.
„Die della Pena geben, wie ihr wohl schon gehört habt, ein Fest zur Einweihung ihres Palazzos ...“
Die beiden anderen Anwesenden nickten, als Bestätigung.
„... und Romualdo möchte, dass wir ihn begleiten.“
Acanios Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. „Kommt Romualdo ohne uns da oben nicht zurecht, oder was?“
Lorian grinste fast ebenso breit wie sein Großvater und nickte zustimmend.
„Kann sein, aber ich glaube Romualdo plant da irgendetwas, sonst würde er nicht dich“, Khadan schaute Acanio an, „Lorian und mich zusammenrufen.“
Lorian schaute seinen Bruder ungläubig und fragend zugleich an. „Sollen nur wir nach Urbasi kommen?“
Der Kampfmagier nickte nur als Antwort.
„Dann sollten wir uns recht bald auf den Weg machen, damit wir rechtzeitig ankommen. Ein Geschenk für den della Pena habe ich schon, falls Romualdo noch keines hat.“
Acanios Grinsen wurde noch ein Stück breiter, aber auch geheimnisvoller.
„Er hat ein Geschenk, aber ein zweites kann nicht schaden, würde ich sagen“, antwortete Khadan.
„Dann mal los, in zwei Stunden brechen wir nach Urbasi auf.“
Die beiden jüngeren Männer nickten, dass sie verstanden hatten und verließen das Zimmer, um sich bereit für die Reise zu machen.
Zwei Tage später, in dem sich in Bau befindlichen Palazzo di Salsavûr in Urbasi, rollte eine Kutsche in den Hof, die von fünf Reitern begleitet wurde.
Ein Diener kam sofort angelaufen, öffnete die Tür der Kutsche und heraus stiegen Acanio und Khadan.
„Wo ist Lorian? Ich hatte gesagt, dass der auch mitkommen möchte!“, kamen aus dem Eingang des Palazzos die scharfen Worte des Oberhaupts des Hauses di Salsavûr.
Acanio lächelte seinen Verwandten an.
„Anstatt dich gleich immer so aufzuregen, wenn etwas nicht nach deinem Willen zu gehen scheint, solltest du auch mal die Umgebung betrachten.“
Mit diesen Worten deutete er auf einen jungen Reiter, der die Reiter wohl befehligte.
Nun schaute Romualdo genauer zu dem jungen Mann und machte ein paar Schritte auf ihn zu. Dann trat er wieder ein paar Schritte zurück und lächelte.
„Verdammt Lorian, du hast dich verändert … Deine Gesichtszüge sind härter und männlicher geworden, seitdem ich dich das letzte Mal gesehen habe.“
Lorian stieg vom Pferd und umarmte das Oberhaupt des Hauses erst mal freundlich, was von diesem erwidert wurde.
„Man, und du hast eine Menge mehr Muskeln bekommen“, Romualdo schaute dem jüngeren Mann ins Gesicht, „und ein paar Narben wie es scheint ebenfalls.“
Lorian lächelte freundlich. „Das passiert nun mal, wenn man in der Horaslegion dient und mit seinen Männern in die Schlacht zieht.“
Romualdo nickte. „Wohl wahr, aber lasst uns mal in meinem Arbeitszimmer weiterreden, allzu viel Zeit haben wir nicht mehr.“
Mit diesen Worten ging Romualdo, ohne sich noch mal umzuschauen, in Richtung seines Arbeitszimmers davon.
Die drei Männer aus der Nebenlinie des Hauses di Salsavûr folgten ihm kurz darauf.
Nach ein paar Minuten traten alle in das prachtvolle Arbeitszimmer des Hausherrn ein.
Auf einem kleinen Tisch, um den vier Sessel herumstanden, standen Getränke und Schnittchen bereit.
„Nehmt Platz und bedient euch.“ Romualdo deutete auf die Sessel und setzte sich, nachdem sich die anderen drei Mitglieder des Hauses gesetzt hatten, ebenfalls. Bevor er zu sprechen anfing, nahm er sich ein Glas und trank einen Schluck von dem Wein, der sich in dem Kelch befand.
„Kommen wir gleich zur Sache. Ich habe Khadan, schon als er hier ankam, zum stellvertretenden Kommandeur der Haustruppen gemacht, da er den Kommandeursposten nicht wollte.“ Er schaute Lorian an. „Er meinte, dass du besser für den Posten geeignet bist, Lorian.“
Lorian war gerade dabei sich ein Schnittchen in den Mund zu stecken, als Romualdo dies sagte.
„Mach den Mund zu, Junge. Du bist ja kein Fisch“, meinte Acanio, mit einem belustigten Unterton.
Lorian gehorchte sofort, ohne sich die Speise in den Mund zu schieben.
„Ähm … warum gerade ich? Khadan ist älter und war länger als ich bei der Armee.“
Bevor Romualdo was erwidern konnte, redete Khadan auf seinen Bruder ein.
„Mag sein, dass ich länger beim Militär war als du, aber ich bin jetzt zuerst Magister und dann Offizier, außerdem habe ich das Kommandieren langsam satt.“
Lorian schaute immer noch ungläubig zwischen seinem Bruder und dem Oberhaupt des Hauses hin und her.
„Ja oder ja, Lorian? Ein ‚Nein’ dulde ich nicht“, sagte Romualdo nun ebenfalls mit einem belustigen Unterton in der Stimme.
Lorian brauchte nicht lange zu überlegen, bevor er antwortete.
„Ja!“
„Gut, dann bist du ab sofort Kommandeur unserer Haustruppen und der Söldner, sollten wir welche anwerben.“ Er schaute Lorian freundlich in die Augen. „Ich habe gehört, dass dir einige Männer deiner alten Einheit gefolgt sind. Die kannst du von mir aus zu den Haustruppen hinzufügen, wenn sie das wollen.“
Lorian nickte nur, was Romualdo als Antwort reichte, und schob sich nun endlich das Schnittchen in den Mund.
„So und nun zum anderen Thema. Khadan hat euch sicherlich mitgeteilt, das wir auf die Einweihung des Palazzos der della Pena gehen werden.“ Romualdo spuckte den Namen des Hauses förmlich aus. „Ich nehme mal an, dass ihr passende Kleidung mitgebracht habt, da es wohl kein Schneider schafft in so kurzer Zeit einen Rock zu schneidern.“
Alle drei anderen Männer nickten zustimmend.
„Gut, dann hat sich das auch erledigt. Auf dem Ball werden wir wohl auch einige Verbündete treffen, mit denen sollten wir beide reden.“ Dabei schaute er den Großvater der beiden anderen Männer an, der darauf nur nickte und wieder sein geheimnisvolles Lächeln aufsetzte.
„Ein Geschenk habe ich schon, aber wie ich dich kenne, hast du auch eins für den Gastgeber, Acanio.“
„In der Tat, das habe ich.“ Mehr verriet Acanio allerdings nicht über das Geschenk.
„Dann war es das auch schon, ihr könnt euch eure Räumlichkeiten schon mal anschauen, sie wurden mit als Erstes fertig gestellt, passt allerdings auf, wo ihr hintretet, die Arbeiter sind in einigen Teilen des Palazzos noch nicht mit dem ganzen Boden in den einzelnen Etagen fertig.“
Mit diesen Worten erhob sich der Hausherr und begab sich hinter seinen Schreibtisch, wo er sich wieder hinsetzte und zu arbeiten begann.
Die anderen Drei waren entlassen und verließen den Raum, um sich ein wenig in der neuen Residenz umzuschauen.