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Die Grotte
Lissa konnte deutlich ihre Aufregung spüren, als sie an der Rückwand des Raumes tatsächlich einen Spalt fand. Vorsichtig schob sie den Stiel des Löffels mit der kristallenen Eidechse voran in das Loch.
Nichts passierte. „Mist! Der Mechanismus muss wohl außer Kraft gesetzt worden sein. Oder die arkane Struktur.“ Sie wollte gerade den Löffel wieder herausziehen, als sie den schwachen Lichtschimmer entdeckte.
„Na schau mal an“, kommentierte sie sich selbst und winkte Antonius zu sich. „Vielleicht finden wir hier den Grund, was der Besucher vor uns gesucht hatte.“ Sie drückte etwas an dem Stein, der sich überraschend leicht in den Raum bewegen ließ und damit den Weg zu einer weitläufigen Grotte frei gab. In regelmäßigen Abstanden waren blau schimmernde Gwen-Petryl Steine angebracht, die jedem Efferdtempel einiges an Talern wert wären und tauchten die natürliche Höhle in ein mystisches Licht. In der Ferne hallten einzelne Tropfen, die von den vielen kleinen Stalaktiten herunter rannen.
„Schöne Höhle“, kommentierte Antonius trocken, aber Lissa spürte eine gewisse Ehrfurcht, die auch sie ergriff.
„Sieh dir das an! Diese Zeichen sind nicht von Menschen gemacht, das ist Rssah, die Echsensprache!“, erklärte die Hesindegeweihte staunend.
„Dann nehme ich an, dass hier ist ein Altar von diesen … Echsen“, sagte Antonius und sah sich einen länglichen Block an, der halb hinter einer Reihe Stalagmiten verborgen lag. Lissa meinte eine gewisse Unsicherheit zu erkennen und erklärte: „Die Kultur der Achaz war in einem früheren Zeitalter vorherrschend, Relikte lassen sich fast überall finden und auch wenn ihre Blüte wohl vorbei ist, gibt es noch genug von ihnen in Aventurien. Wenn du die Zeit hast, solltest du unbedingt mal in den Süden gehen, dort gibt es sogar noch ganze Stämme und …“
„Ist das nun ein Altar, oder nicht?“, unterbrach der Ritter ihren Redeschwall und untersuchte das Gebilde selbst.
Lissa resignierte: „Ja, das ist ein Altar. Vielleicht kann ich herausfinden, welcher Gottheit – Wo willst du hin?“
Antonius hielt inne und drehte sich im Gehen wieder zu ihr um. „Ich hole einen Hammer. Immerhin müssen die Bildnisse von falschen Göttern zerschlagen werden.“
„Das wirst du schön bleiben lassen!“, rief Lissa entrüstet. Wenn sie etwas aufregte, dann eine so blinde Zerstörung. „Weißt du denn nicht, dass einige der Zwölfe schon von den Achaz verehrt wurden, wenn auch in anderer Form? Bleib hier und schau dir das an. Dies Zeichen da dürfte Hesinde darstellen.“ Sie deutete auf ein halb im Stalagmiten versunkenes Relief und winkte Antonius noch näher heran. „Wenn ich mich recht entsinne, dürfte das Zeichen daneben für eine Form von Ingerimm stehen. Willst du etwa die Zwölfe erzürnen?“
Antonius sah sich das ganze immer noch fragend an. „Mir gefällt das nicht. Warum ist eine Kultstätte der Achaz direkt hinter dem Tempel?“
Die Geweihte spielte mit ihrem Halsreif und überlegte. „Genaueres kann ich dir da auch nicht sagen. Noch nicht. Ich brauche etwas Ruhe, damit ich mir das genauer ansehen kann. Aber dafür reichen unsere Vorräte noch nicht.“ Sie stemmte sich wieder hoch und strich ihre langen, blonden Haare nach hinten, auf denen durch die leuchtenden Steine ein blauer Schimmer lag. Dabei bemerkte sie ein rötliches Blitzen, das von einem Rubin stammte. Neugierig brach sie ihn aus seiner Einfassung aus Kalk an einem Stalagmiten.
„Ach, aber du darfst hier alles kaputt machen?“, fragte Antonius mit hochgezogener Braue.
„Dieser Kristall muss früher lose herumgelegen haben, sonst wäre er viel weiter im Stalagmiten eingeschlossen gewesen. Die Achaz zauberten mit Kristallen. Ob dieser hier verzaubert ist, weiß ich aber noch nicht.“ Lissa hielt ihn in Richtung des leuchtenden Gwen Petryl Steins bei dem Altar, konnte aber nichts erkennen. „Ich fürchte, ohne das Auge Madas werde ich nicht mehr viel herausfinden können. Wir sollten gehen. Ich sollte mit einer Hilfe und Vorräten für eine Woche wieder kommen. Außerdem brauche ich noch einige Grabungsgeräte, falls sich hier mehr finden lässt und mehr Licht. Wer weiß, wie weit die Grotte reicht und was sich noch verbirgt?“
Antonius nickte nur und entschied sich, nichts weiter dazu zu sagen. Sie verließen die geheimnisvolle Grotte und schlossen die Tür hinter sich wieder. Als sie mit dem Licht den Raum mit dem Podest hinter sich ließen, zog Antonius den Vorhang mit dem Horriphobus vor dem Durchgang. „Wer auch immer hier gewesen sein mag, sollte hier nichts finden und auch nicht groß suchen wollen“, kommentierte er.
„Wenn es tatsächlich ein Achaz war, würde ich nur zu gern wissen, ob er von dieser Grotte wusste und wo er her kam. Was er wohl wollte? Er muss einen ziemlich weiten Weg dafür gegangen sein, nur um dann einem Horriphobus zu erliegen.“ Sie grübelte weiter, während beide ihr Lager abbauten und die Reittiere bereit machten.
„Wenn er wieder kommt, solltest du ihn fragen“, warf Antonius abwesend ein. „Ich weiß nicht, auch wenn ich nie eine gesehen habe, gefallen mir diese Echsen nicht. Elfen sind ja schon seltsam genug, da brauche ich nicht auch noch aufrecht gehende Reptilien.“ Er schwang sich auf seinen Sattel, ebenso wie Lissa.
„Ich kenne selbst nicht viele, aber sie scheinen mir weder besser, noch schlechter als Menschen, zumindest aus einer wissenschaftlichen Sicht betrachtet.“
„Mordbuben gibt es auf jeder Seite, ich verstehe schon“, winkte Antonius ab. „Lasst uns zurück reiten, mir schwirrt schon der Kopf von so vielen neuen Informationen.“
„Wenn es sich so anfühlt, wie ein Muskelkater im Hirn, machst du alles richtig.“