Briefspiel:Das Fest der vielen Bösartigkeiten/Bankett
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2. Akt: Das Bankett
- Della Pena ä.H.
Drei lange Tafeln waren in Form eines Hufeisens aufgestellt. Der Tisch an der Kopfseite wies in der Mitte einen hohen Lehnstuhl auf. Hier würde offenbar der Hausherr im Kreise seiner Familie sitzen.
Die übrige Sitzordnung wurde durch kleine Namensschildchen verdeutlicht. Jedes Schild steckte dabei in einer kleinen, der Jahreszeit angemessenen Kastanienbastelei, die die kleine Tharinda mit ihrer Gouvernante angefertigt hatte, wie Odina della Pena den Umstehenden stolz erklärte.
Am Tisch des Hausherren fanden die Familie della Pena, Stadtherr Traviano und der Stadtvogt Alessandero dell'Arbiato, jeweils mit Begleitung Platz. Die übrigen Plätze waren nach dem Rang der Gäste verteilt, dergestalt dass die höheren Adeligen nahe am Tisch des Gastgebers saßen, während mit absteigendem Rang die Plätze in immer weitere Entfernung zum Ehrentisch rückten.
Mit einem solch zahlreichen Auftreten der di Salsavûr war wohl nicht gerechnet worden, denn nicht für alle standen Namensschilder bereit, doch dienstbare Geister hatten die Bestuhlung offenbar so verändert, dass alle Platz finden würden – dem aufmerksamen Beobachter erging jedoch nicht, dass die Stühle durch die Umbaumaßnahme hier doch merklich enger standen.
- Di Salsavûr
Lorian geleitete Desideria di Punta zu ihrem Sitzplatz und verscheuchte den Diener, der ihr den Stuhl zu Recht rücken wollte und machte dies selbst.
Währenddessen hatten sich auch die anderen di Salsavûrs zu ihren Plätzen begeben. Kurz darauf gesellte sich auch Lorian zu seiner Familie, allerdings nicht ohne noch einmal einen Blick auf die di Punta zu werfen.
Seine Schwester, Joela, hatte dies wohl mit bekommen und musterte ihren jüngeren Bruder kurz, mit einem seltsamen Lächeln im Gesicht.
- Della Pena ä.H.
Als alle Gäste Platz genommen hatten, dauerte es nicht lange, da füllten die Bediensteten die Becher mit erlesenen Weinen und Krüge mit frischem Quellwasser wurden aufgetragen.
Bald danach kehrte das Gesinde zurück, nun beladen mit Schalen, in denen sich eine dunkle Suppe befand, gefolgt von Körben mit duftenden Brotlaiben.
„Rinderschaumcréme mit Maronenstückchen, dazu frisches Brot mit einem Hauch Knoblauch“, verkündete Rimon Mafaldine, der Koch der della Pena, den Beginn der Menüfolge.
Als sich alle an der Suppe gütlich getan hatten und die leeren Schalen fort getragen worden waren, bracht man den zweiten Gang an die Plätze.
„Wachteln im Speckmantel auf einer Apfel-Zwiebel-Komposition“, erläuterte Mafaldine.
Nachdem auch vom zweiten Gang nur noch kärgliche Überreste zurückgeblieben waren und die eifrigen Mägde und Knechte die Tafeln wieder in einen ordentlichen Zustand gebracht hatten, legte man eine kleine schöpferische Pause ein, in der nun zahlreiche Gäste die Gelegenheit nutzten dem Gastgeber ihr Gastgeschenk zu überreichen.
- Della Pena j.H.
Der Signor von Marvinko erhob sich, begab sich kurz aus dem Raum und kam schließlich mit einer Dienerin zurück, die neben ihm eine Kiste aus südländischem Mohagoni auf den Händen vor sich her trug.
Vorsichtig setzte sie einen Schritt vor den anderen, darauf bedacht das wertvolle Kleinod nicht fallen zu lassen.
"Es wäre mir eine Ehre, geschätzter Patron, wenn Ihr mir erlauben würdet der Erste zu sein, der Euch in Form einer unbedeutenden Aufmerksamkeit seine Aufwartung machen darf", wandte sich Tarquinio an Leomar Romualdo, der gutmütig lächelte und mit einem leichten Nicken seine Zustimmung gab.
Tarquinio drehte sich zu der Kiste und öffnete die vergoldeten Riegel, achtsam hob er den Deckel an und trat dann zur Seite. Die Dienerin schritt nun etwas voran und verbeugte sich vor Leomar Romualdo, so dass er einen besseren Blick in die Kiste hatte.
In rotem Samt sah er ein ebenfalls aus dem tropischen Holz gefertigtes Fernrohr, an einigen Stellen mit goldenen Verzierungen besetzt. Vorne, nahe der Linse prangte ein goldener Frosch.
"Das Stück gehörte Ludiron di Yaladan, dem Befehliger der timoristischen Meute, die wir in den Neun Schlachten von Urbet vertreiben konnten. Es ist ein besonderes Glas aus Bethana, wie mir Kenner versicherten."
Leomar Romualdo griff nach dem Instrument, hob es an und wog es in seinen Händen. Tarquinio setzte derweil weiter seine Erklärung fort.
"Es soll ein Zeichen dafür sein, dass der Held von Urbasi stets wachsam ist", er blickte sich im Saal um und suchte mit seinen Augen die di Salsavûr, seine Stimme wurde lauter, "kein Feind und kein Verräter soll denken, man erkenne ihn nicht rechtzeitig, damit ihr Schaden von der liebreizenden Silberstadt fern haltet."
Er drehte sich zu Leomar Romualdo und verneigte sich.
- Della Pena ä.H.
Erfreut nahm der Familienpatriarch das Glas entgegen.
„Habt Dank, werter Tarquinio. Sowohl die Symbolik dieses Instruments, als auch die Umstände, wie ihr es errungen habt, gereichen unserem Haus zu Ehre.“
Mit diesen Worten übergab er das Geschenk an einen eilfertigen Diener, der die Gabe auf einem bereitstehenden Tisch platzierte.
- Di Salsavûr
Acanio erhob sich und verließ, wie kurz davor Tarquinio, den Saal und kehrte mit einem Diener zurück, der einen länglichen Kasten trug. Der alternde d'Alsennin-Salsavûr verbeugte sich kaum merklich vor dem Gastgeber.
„Es ist wohl bekannt, dass sich unsere Häuser nicht gerade verstehen, was wohl, unter anderem, an solchen Jungspunden liegt, die sich noch ihre Hörner abstoßen wollen."
Acanio warf kurz einen Blick zum Signor von Marvinko.
„Aber dennoch kann man nicht abstreiten, dass euer Haus einige fähige Personen in seinen Reihen hat oder hatte."
Er schaute zum musikalisch begabten Sohn des Hausherrn und nickte diesem freundlich zu. „Eine schöne Hymne habt ihr da komponiert."
Dann wandte er sich wieder Leomar zu: „Da der ‚Held von Urbasi' nicht nur ein Fernrohr braucht, um seine Feinde zu beobachten, sondern auch Waffen, um sich zu verteidigen, wollen wir diesem Abhilfe schaffen."
Auf ein Nicken hin öffnete der Diener den länglichen Kasten und trat einige Schritte nach vorne. In dem steineichernen Kasten befand sich, auf Samt gebettet, ein Degen. Auf der Scheide des Degens war deutlich das Wappen der della Pena zu erkennen. Der Knauf war einem Löwenkopf nachgeformt und der Griff selbst wurde von einem vergoldeten Griffkorb umschlossen.
„Auf dass ihr weiter Urbasi gegen Feinde verteidigt, wenn dies wieder der Fall sein sollte."
Mit diesen Worten verneigte sich Acanio noch einmal kurz und ging dann zu seinem Stuhl zurück. Romualdos Gesicht war nicht zu entnehmen, was er von dem Vortrag seines Verwandten hielt.
- Della Pena ä.H.
Innerlich schmunzelte Leomar. Man hatte ihm den Degen wohl in einer Schatulle überreicht, um die Entscheidung zu vermeiden, ob man ihm die Waffe mit der Schneide oder dem Heft zuerst überreichte. Das eine wäre höflich, das andere aber wohl eher den Motiven der Salsavûr entsprechend.
Dennoch bedankte er sich wohlwollend: „Auch Ihr seid vielfach bedankt für eure kostbare Gabe. Erlaubt uns jedoch noch richtig zu stellen, dass unser Sohn zwar ein talentierter Sänger ist, das Lob für die Komposition der Hymne jedoch unserem Kapellmeister Ricardo Stellmacher zusteht, der es momentan leider nicht entgegennehmen kann, da er bereits das Orchester für den Ball instruiert.“
- Dell’Arbiato
Der Stadtvogt nutzte die Gelegenheit, erhob sich und bat mit einer Handbewegung um Ruhe.
"Verehrter Leomar della Pena, vielgeliebter Stadtherr Traviano von Urbet-Marvinko, liebe Gäste aus unserer innig geliebten Heimatstadt, auch wir möchten diese Gelegenheit nutzen, um zu diesem Anlass unsere Liebe und Freundschaft zu diesem Haus zu bekräftigen.
Lange haben wir nach einem passenden Geschenk gesucht, dass unsere Wertschätzung unserer Gastgeber ausdrückt. Nicht Waffen wollten wir überreichen, denn was ist stärker als der Wille zum Sieg und die Liebe zu unserer Heimat? Auch keine Rüstungen, denn die Liebe und die Bewunderung der Bewohner Urbasis stellen jedwede Armierung in den Schatten. So haben wir uns für etwas entschieden, dass dem Geist dieses Hauses entspricht und wir glauben nach der Darbietung, welche wir erleben durften, damit richtig entschieden zu haben."
Alessandero schnippte mit den Fingern und ein herbeigeeilter Diener eilte mit einem bronzebeschlagenen Kasten herbei. Als der Deckel gehoben wurde, konnten die Anwesenden einen Einband auf blutrotem Samt sehen.
"Als nach der Verheerung durch die Garether Barbaren der Heilige Palladio sich daran machte, Urbasi wieder seinen Bewohnern zurückzugeben, da ließ er sich hiervon leiten. Es ist ein Exemplar des berühmten 'Artem non odit nisi ignarus' von Carlo Moderno, Erstabschrift mit persönlicher Widmung, in dem der Maestro die unwiederbringlich verlorenen Kunstwerke des alten Bosparan wieder im Bild auferstehen ließ. Und wir hoffen, dass auch Ihr, mein Freund Leomar, durch dieses Werk inspiriert werdet, Euer Wirken im Geiste jener Zeit fortzusetzen."
Mit einer leichten Verbeugung setzte sich Alessandero wieder. Es brauchte keiner zu wissen, dass er zunächst ernsthaft überlegt hatte, dem "Freund" eine maraskanische Giftschlange zu schenken.
- Della Pena ä.H.
Auch die Gabe des Stadtvogts wurde auf dem Tisch mit den Geschenken drapiert und Leomar versicherte, dass das Buch einen Ehrenplatz in der Bibliothek des Hauses erhalten würde.
In der Folge überreichten zahlreiche weitere Gäste ihre Geschenke, manche prächtiger, manche weniger. Neben reich verzierten Waffen wurden auch kunstfertige Schmuckstücke, kleinere Möbel und nutzlose Ziergegenstände, wie eine versilberte Zwergtanne überreicht.
Viele fragten sich, was Stadtherr Traviano für den Gastgeber vorbereitet hatte, doch der Urbeter wartete offenbar auf den richtigen Augenblick für seinen Auftritt.
- Urbet-Marvinko
Gerade als die Dienerschaft Anstalten machte, nach den letzten überreichten Gastgeschenken mit dem Bankett fortzufahren, drang von der Tür des großen Speisesaals her ein schweres hölzernes Poltern zu den versammelten Adligen und Patriziern vor – gefolgt von einem lauten: „Heda, pass doch auf, du Tölpel, wenn du diesen Abend noch in einem Stück erleben willst!“
Wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür und ein breitschultriger Mann betrat den Saal, dem ob der auf ihn gerichteten Blicke zu seinem eigenen Entsetzen sofort klar wurde, dass seine letzte Äußerung wohl mehr Zuhörer gehabt hatte, als ihm lieb war.
Ihm – es handelte sich um Thion de Falcona, den Leibcapitan Travianos – folgten einige Bedienstete des Hauses Urbet-Marvinko, die eine fahrbare hölzerne Konstruktion in den Saal schoben, über der ein großes Tuch ausgebreitet war.
„Im Namen meines Herrn, des Gransignore Traviano Nepolemo Seneb Casciano Gardelan Fusco Gerondriano von Urbet-Marvinko, ist es mir eine Ehre, euch Signore Leomar Romualdo della Pena sowie euren Anverwandten dieses Geschenk zu überreichen“, riss sich Thion wieder zusammen und enthüllte eben dieses: Eine anderthalb auf zweieinhalb Schritt große Marmorplatte kam unter dem Tuch zum Vorschein. Kunstvoll und äußerst plastisch waren darauf der heroische Leomar und seine nächsten Verwandten abgebildet, die vor den Türmen Urbasis den Feinden der Stadt die Stirn boten. Darunter fand sich eine längere Widmung, in der der Stadtherr Traviano der Familie für ihre Treue und ihren Mut dankte.
„Die Steinmetze der Steinzunft sind ausdrücklich angewiesen worden, sich bei der Größe dieses Geschenks an dem freien Platz unterhalb eurer Freitreppe zu orientieren“, erläuterte der Leibcapitan weiter – und sprach damit bereits eine Empfehlung für das Anbringen des Marmorbilds aus.
Während die Anwesenden noch über die Größe (und Protzigkeit) des landherrlichen Geschenks staunten, führte Thion eine bislang hinter diesem versteckte Dame – eher noch ein bildhübsches, jugendliches Mädchen – nach vorne.
Diesem war das Unwohlsein deutlich anzumerken, bevor es nach einem halb ängstlichen, halb hasserfüllten Blick zum Gransignore kurz räusperte und laut ein Gedicht vortrug:
„Von den Schmerzen
Der Schmerz ist eine Sache,
wohlbekannt im ganzen Land,
seit die Kaiserin keinen Erben fand.
Das Land, dem Leid es anheim fällt,
die Stadt zudem, wäre nicht der Held,
der mutig opfert sich.
Dir, Leomar, verdanke ich,
dass ich noch lache.
Die Pein in deinem Namen steckt,
auch wenn kein Freund,
nur böser Feind,
deinen gerechten Zorn erweckt.
Das Leid zu kennen,
erfüllt dich mit Stärke,
hilfreich dir bei deinem Werke,
heldenhaft in allen Sennen.
Der Schmerz uns ein Begleiter ist,
bei allem Mutigen und Schönen,
ihm voran oder es zu krönen.
Mutig der, der Pein erfährt,
Leidvoll schön, was bald verjährt.
So wie es mich jetzt schon trauert,
dass dieser Abend nicht ewig dauert,
und irgendwann vorüber ist.“
Das abschließende Lächeln des Mädchens wirkte gequälter und zynischer, als es offensichtlich hätte sein sollen, weswegen sich nun auch Traviano selbst von seinem Stuhl erhob.
„Ganz soweit scheint es bei dieser jungen Dame mit der schauspielerischen Begabung noch nicht zu sein, wie es ihr Berufsstand vermuten lassen sollte“, setzte er zu einer Erklärung an. „Denn um niemand Geringeres als die Tochter Maestra Yaquiria Avessinas handelt es sich hier, die kürzlich beim Versuch eines Eindringens in das Castello Ferrantesco aufgegriffen wurde.“
Dass Yaquiria Avessina seit ihrer Beteiligung am urbasischen Jaltekenaufstand im Ingerimm dort inhaftiert war, war den allermeisten Anwesenden natürlich klar – ebenso wie die Tatsache, dass gerade Leomars Standhaftigkeit sie dorthin gebracht hatte.
„Als Dichterin des Stückes ist indes unsere Schwester hervorzuheben“, wies Traviano auf die neben ihm sitzende (und sich nun kurz erhebende) Odina.
„Die dichterische Begabung scheint wohl ein Namenserbe zu sein“, spielte der Gransignore auf die Komponistin der Urbasi-Hymne, Leomars gleichnamige Gemahlin an und deutete dabei dieser gegenüber eine Verbeugung an. Dann setzte er sich wieder und ließ seinen Auftritt wirken …
- Di Salsavûr
Lorian warf Desideria di Punta bei dem Geschenk Travianos einen Blick zu, der mehr sagte als jedes Wort. Ähnliche Blicke waren auch bei den anderen di Salsavûrs zu sehen.
„Typisch Marvinkos, meint ihr nicht, meine Liebe?"
Der junge di Salsavûr wählte bewusst diese Bezeichnung für Desideria.
Etwas entfernt beobachtete Joela weiter das Geschehen zwischen ihrem Bruder und der Dame aus dem Hause di Punta. Sie warf ihrem Großvater einen Blick zu und dieser nickte kaum merklich. Auch er hatte gemerkt, wie gut die di Punta und sein Enkel wohl miteinander auskamen.
An Romualdo gewandt, sagte Acanio: „Wir sollten zu unserer kleinen Unterredung, die später wohl noch folgt, eventuell auch die Dame aus dem Hause di Punta hinzuholen, oder was meinst du?"
Das Oberhaupt des Hauses di Salsavûr schaute nun auch zu Lorian und Desideria und lächelte.
„Schaden kann es nicht, würde ich sagen. Den Changbari sollten wir ebenfalls dazu bitten … Unser geliebter Stadtherr macht sich ja mal wieder überaus beliebt, mit seinen Äußerungen." Deutlich war die Ironie in Romualdos Stimme zu hören.
„Noch dazu ist sie eine entfernte Verwandte deiner Mutter, wenn ich mich nicht irre, oder?"
Acanio schaute seinen Vetter fragen an, worauf dieser nur nickte. Acanio musterte nun den Hausherrn und meinte dann zu Romualdo. „Wir sollten eventuell auch mal eine gewisse andere Person kontaktieren und ein Treffen vereinbaren …"
Romualdo folgte dem Blick des Älteren und nickte kaum merklich, sagte aber nichts.
„Das hat noch ein wenig Zeit … Jetzt sollten wir erst mal die Gastfreundschaft der della Pena genießen. Ich kann dir die Mousse empfehlen, sie ist äußerst delikat."
- Della Pena ä.H.
„Überwältigt ob der prächtigen Gabe fällt es mir schwer angemessene Worte des Dankes abzustatten“, erhob nun Leomar das Wort, „aber seid versichert, dass wir die Tafel alsbald am empfohlenen Platz anbringen werden, um auch nach außen unsere Wertschätzung eures Geschenkes zu demonstrieren. Eine wahre Zierde wird es der Fassade unseres Domizils sein, ebenso wie die Dichtkunst eurer Schwester eine Zierde für euer Geschlecht ist.“
Über die vortragende Schauspielerin verlor Leomar Romualdo kein Wort, er wusste jedoch zu schätzen, dass Traviano hierdurch den Wissenden seinen Einsatz für die Stadt beim Jaltkenaufstand wieder in Erinnerung rief.
Nachdem auch die Marmorplatte einen gut sichtbaren Platz im Speisesaal erhalten hatte, setzte man das Bankett weiter fort. Nun wurden die Hauptspeisen aufgetragen.
Wildschweinragout mit Maronen, Gänsebraten gefüllt mit Trüffeln, Flussfische aus dem Sikram, in einer sanften Weißwein-Zitronen-Soße und viele weitere Spezialitäten, die der Maestro Mafaldine sowohl auf Region, als auch auf die Jahreszeit abgestimmt hatte.
Nach dem Hauptgang ergriff nun Odina della Pena, die Hausherrin, das Wort:
„Nun ist es an uns, euch die Großzügigkeit eurer Preziosen zu vergelten. Mein Gemahl hat mir die angenehme Aufgabe überlassen, euch unsere Geschenke zu überreichen. Es war uns ein Bedürfnis, eine bleibende Erinnerung an diesen erbaulichen Abend zu schaffen und euch mit nach Hause geben zu können. Daher haben wir die Prägung einer Medaille in Auftrag gegeben, die an diese Feierlichkeit erinnern soll.“
Bei diesen Worten strömte zahlreiches Gesinde in den Raum und überreichte jeder anwesenden Familie eine Schatulle aus poliertem Kirschbaumholz, in der auf Tuch gebettet eine silberne, einen halben Spann durchmessende, Medaille lag.
Auf der einen Seite war das Wappen der Stadt Urbasi zu sehen, umkränzt von einem Schriftzug „Urbasi – Silbernes Kleinod im Sikramtal – Heimat der Tapferen – Hort der Tugend“. Auf der anderen Seite war die Fassade des Palazzo Lacrimosa zu sehen, darunter ein Banner mit der Aufschrift „Im Gedenken an eine Feier, die Ihr mit Eurem Kommen bereichert habt. IV. EFF 2521 HOR“.
Das waren also die Gastgeschenke, über die schon seit einigen Wochen in der Stadt getuschelt wurde. Erstaunlich, wie wenig davon bekannt geworden war. Offenbar hatten die della Pena die Werkstücke bei kleinen Handwerkern in Auftrag gegeben mit der Auflage, kein Wort darüber zu verlieren, um die Überraschung zu verderben.
Viele freuten sich über das hübsche Andenken, wiewohl andere sich sichtlich mehr erwartet hatten und ihre Enttäuschung nur mäßig verbergen konnten.
Nun folgte aber direkt der Käsegang, mit zahlreichen Spezialitäten aus dem gesamten Lieblichen Feld. Ja sogar einen echten Warunker Sembelquast hatte man auftreiben können.
Auch die Desserts konnten sich sehen lassen. Verschiedene Cremes, Mousses und Pastetchen, flankiert von kandierten Früchten und knusprigem Gebäck machten die Auswahl schwer.
- Dell'Arbiato
"Sehr hübsch", kommentierte Aliena gelangweilt und kratzte verstohlen über die Oberfläche der Medaille. Ein feiner Riß in der silbernen Oberfläche ließ sie still lächeln. "Wie ich es mir dachte, versilbertes Blei", flüsterte sie Alessandero zu, der seinen Blick über die Gesellschaft schweifen ließ.
"Natürlich, meine Liebe", meinte der Stadtvogt mit einem aufgesetzten Lächeln, "Ridet argento domus, dieses Haus strahlt vor Silber", rief er dann dem Hausherr zu und hob seinen Kelch empor.
Wie es schien, teilten einige Gäste seine Ansicht und stimmten nur zögernd in den Trinkspruch ein. Zufrieden leerte Alessandero den Kelch und winkte dem Diener, er möge ihn wieder auffüllen. Vielleicht würden die Gaben der Rahja die Stunden schneller vergehen lassen.
'Vile donum, vilis gratia', dachte er im stillen, 'dürftige Gabe, dürftige Dankbarkeit'.
- Della Pena ä.H.
Satt und zufrieden sahen sie alle aus – so wie es sein sollte. Leomar war zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Abends. Deutlich hatte er seine neue bedeutende Rolle in der Stadt zur Schau gestellt und den anderen Mächtigen von Stadt und Umland gezeigt, dass das Haus della Pena fortan ein gewichtiges Wort in der Region mitzureden hatte.
Ein weiteres mal ergriff er nun das Wort: „Verehrte Gäste, nachdem wir nun ausgiebig gespeist haben, wollen wir nun in ausgelassener Stimmung das Tanzbein schwingen. Wir würden euch bitten uns dazu in den Ballsall zu folgen, wo unsere Hauskapelle schon ungeduldig darauf wartet zum Tanz aufzuspielen.“
Mit diesen Worten ergriff er die Hand seiner Gemahlin und führte sie galant aus dem Saal in den Flur. Die anderen Mitglieder des Hauses della Pena folgten, wobei Thalionmel della Pena von ihrem jüngeren Bruder Tsaiano begleitet wurde, während Lutisana natürlich am Arm ihres Gemahls Drakon di Gorfar einherschritt.