Briefspiel:Königsturnier/Ein Essen für die Jugend

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Horasturnier.png Geschichten am Rande des Königsturniers Horasturnier.png
Datiert auf: 20. Rahja 1038 BF Schauplatz: Schenke "Zum Schreyen" zu Arivor Entstehungszeitraum: Sommer 2015
Protagonisten: Fulvian ya Malachis, Lorian und Timor di Salsavûr Autoren/Beteiligte: Haus di Salsavur.png Rondrastein, Familie ya Malachis.pngCassian


Die folgenden Begebenheiten ereignen sich am Rande des Königsturniers im Rahja 1038 BF.


Prolog

Fulvian ya Malachis! Das ihr euch mal wieder blicken lasst! Ich habe gehört, ihr habt das Theater nun gegen die große Bühne der Politik getauscht?“ Dorinte, die Wirtin vom „Zum Schreyen“ klopfte dem Sänger zur Begrüßung kameradschaftlich auf die Schulter.
Fulvian lächelte die Mitfünzigerin mit dem gutmütigen Gesicht freundlich an, sie war eine gute alte Bekannte. Dorinte nahm sich der Künstler in ihrem Hause immer besonders an. „Rahja mit Euch Dorinte, da habt ihr schon recht gehört, aber es macht gar nicht so den großen Unterschied, Komödien gibt es da wie dorten.“ Heiter lachte die Wirtin dann fragte sie: „Was kann ich denn heute für dich tun?“ „Ich brauche eine deiner gemütlichen Nischen. Ich bin zum Essen verabredet.“
Wenig später saß Fulvian an einem ovalen Tischchen in einer Fensternische mit Blick über die Piazza Sancta Lutisana. Einen Kelch mit Arivorer Blut und einen Teller mit kleinen Bruschetta vor sich und wartete auf seinen Gast.

Das Eintreffen der Gäste

Einige Zeit nachdem Fulvian Speisen und Trank erhalten hatte, öffnete sich die Tür des Gasthauses und es traten zwei Männer ein, die alleine schon aufgrund des Wappens, das sie auf ihrem Wams trugen, eindeutig als Verwandte identifiziert werden konnten. Bei dem Linken der Beiden zeichnete sich selbst durch die Kleidung, die eindeutig primär praktisch war und nicht der aktuellen Mode entsprach, die durchtrainierten Muskeln ab. An seiner Seite hingen, was zahlreiche Blicke auf sich zog, Breitschwert und Orknase, zwei Waffen, die man eher selten im Horasreich zu Gesicht bekam. Der rechte Mann hatte eine deutlich abgestimmtere Garderobenwahl. Neben dem Wappen, dass beide auf der Brust trugen, konnte man bei ihm noch ein weiteres sehen, einen weißen Wolfskopf auf rotem Grund. Auch er hatte einen Waffengurt, an dem Kusliker Säbel und Linkhand zu sehen waren.
Beide blieben an der Tür stehen und schauten sich im Gastraum um, so als ob sie jemand suchen würden. Als sie Fulvian entdeckten, steuerten sie geradewegs auf seinen Tisch zu.
„Den Göttern zum Gruße, Signor ya Malachis“, mit diesen Worten des Barons von Montarena, setzten sich Timor und Lorian di Salsavûr ebenfalls an den Tisch. „Entschuldigt, dass wir euch haben warten lassen, aber wir … oder viel mehr ich wurde noch durch einige Briefe aufgehalten.“

„Das macht gar nichts. Dorinte hat mich gut versorgt und auch unterhalten“, halb erhob sich der Sänger und deutete eine höfliche Verbeugung zu Begrüßung der beiden Männer an.
Während er der Bedienung winkte fuhr er fort. „Im Gegenteil freut es mich um so mehr, dass ihr euch die Zeit für ein Gespräch, neben dem Turnier und euren anderen Pflichten nehmt.“ Hier wurde das Gespräch durch einen Sohn der Wirtin unterbrochen, der nach den Wünschen der neuen Gäste fragte. Erst als der junge Bursche den Tisch wieder verlassen hatte setzte Fulvian seine Begrüßung fort: „Und ihr Signor seid bestimmt Timor Sâl der Jüngere, der als „Nordmann“ bereits in aller Munde ist.“

„Entschuldigt, wo sind meine Manieren“, Lorian antworte dem Sänger, bevor es sein Vetter tun konnte. „Wie ihr richtig festgestellt habt, ist das mein Vetter Timor Sâl di Salsavûr und ja manche nennen ihn den 'Nordmann'.“ Der als Nordmann bezeichnete Mann nickte zustimmend. „Auch ich grüße Euch, Signor ya Malachis. Wie es scheint, eilt mir mein Ruf voraus, auch wenn es überaus interessant ist, dass man, nur weil man in Thorwal diente als einer der ihren angesehen wird. Da müsste es im Horasreich hunderte Nordmänner geben, einschließlich des Comto Protectors, der ebenfalls dort diente.“ Ein Lächeln breitete sich auf den Zügen Timors aus und auch sein Vetter kam nicht um hin zu schmunzeln.

„Manchmal bleibt eben ein Ruf an einem hängen, ohne dass man viel dazu getan hat“, auch Fulvian schmunzelte. „ Aber ihr müsst zugeben, dass ihr nicht ganz unschuldig an eurem Image seid. Es fällt eben auf, wenn man nicht in Rüstung, sondern Kette und mit einer exotischen Waffe, wie den Euren zum Tjost erscheint. Bitte versteht das nicht als Kritik, ich finde es erfrischend seinen eigenen Stil zu haben, das zeugt von Selbstbewusstsein.“

Timor zog die linke Augenbraue nach oben. „Bevor es Plattenrüstungen gab, haben die Kämpfer Kettenhemden im Turnier getragen. Also dürfte das nicht sonderlich neu oder exotisch sein. Was meine Waffen angeht, so haben sie mir bisher gute Dienste geleistet, also wäre ich ein Narr, wenn ich sie gegen andere austauschen würde.“ Nach den ernsteren Worten lächelte der Salsavûr wieder. „Dennoch habe ich nichts dagegen, als 'Nordmann' bezeichnet zu werden, die haben nämlich noch so etwas wie Ehre beziehungsweise kokettieren nicht damit herum, wie es hier der Fall ist. Noch dazu haben die meisten das Herz am rechten Fleck...“
Neben ihm schüttelte sein Vetter, mit einem amüsierten Schmunzeln, den Kopf, so als ob ihm diese Diskussion schon bekannt war. Während sich die Herrschaften unterhielten wurden die Bestellungen für die beiden Salsavûr gebracht und von diesen dankend entgegen genommen. „Genug zu diesem Thema, wegen dem wir ja nicht hier sind und, wenn wir es weiter behandeln würden, sitzen wir vermutlich noch einige Tage hier.“ Der Baron von Montarena hatte freundlich aber bestimmt gesprochen und Timor nickte kurz darauf zustimmend. „Wollen wir uns dem Thema zu wenden, weswegen wir hier sind?“ Lorian schaute den Malachis fragend an.
„Zweifelsohne wäre es durchaus auch noch interessant die Unterschiede zwischen dem Ehrbegriff der Thorwaler und dem der Horasier zu erörtern. Aber dies können wir ja gerne noch im Anschluss tun. Zunächst, ja in der Tat, sollten wir uns den vordringlichen Problemen widmen, nämlich eine vernünftige Möglichkeit für eine kriegerische Ausbildung meines Neffen zu erörtern.“ stimmte Fulvian dem Montarener zu. „Ich gebe zu vor dieser Frage steht meine Familie nicht all zu häufig. Wie ist denn das übliche Prozedere bei eurem Haus?“

Timor wollte gerade ansetzen, aber sein Vetter kam ihm zuvor, so dass er sich nicht mehr zum Thema 'Ehrbegriff' äußern konnte. „Das kommt darauf an, was für ein Prozedere ihr meint.“ Lorian schaute seinen Gegenüber an und nahm einen Schluck seines Weins. „Das Prozedere für eine Ausbildung an einer Akademie für Krieger ist ein anderes, als das für einen angehenden Ritter. Schon deswegen, da Erstere einige Jahre früher beginnt. Euer Neffe ist - elf Sommer sagte er - glaube ich. Damit wäre er für eine Kriegerakademie eigentlich schon zu alt.“ Wieder trank der Baron von Montarena einen Schluck aus seinem Pokal. „Einer Knappenschaft geht eigentlich eine Pagenschaft voraus, allerdings kann diese auch übergangen werden, wenn das Kind bei seiner Familie schon eine ähnliche Ausbildung erhalten hat. Davon gehe ich bei Eurer Familie mal aus, Signor. Aber zu Eurer Frage, in unserem Haus gibt es dafür keine abweichendes Prozedere, die Kinder erhalten eine ordentliche Grundlagenausbildung, bevor sie dann auf eine Akademie gehen oder einen Schwertvater oder Schwertmutter erhalten. Die Wahl, welches das Richtige ist, entscheiden die Eltern und, das wird vermutlich einige überraschen, auch das Kind hat ein gewisses Mitspracherecht, wo es hin möchte.“

„Nein, das überrascht mich tatsächlich nicht. Es schwebte uns im Gegenteil sehr wohl vor, Calvert bei der Wahl eines Schwertvaters nicht zu übergehen. Ich kann mir vorstellen, dass eine Ausbildung, die auf einem sehr engen Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler beruht, nur zu befriedigenden Ergebnissen führt, wenn Einvernehmen besteht“, stimmte Fulvian dem Salsavûr zu. „Ich glaube übrigens auch, dass mein Neffe in einer persönlichen Ausbildung besser aufgehoben ist, als an der Akademie. Calvert lernt am besten, wenn er ein Vorbild hat zu dem er aufschauen kann. So werde ich mich wohl in den nächsten Tagen umhören müssen, wer gewillt sein könnte einen Knappen bei sich aufzunehmen. Herr Baron, ihr kennt doch die anwesenden Streiter weit besser als ich, könntet ihr mir nicht raten, bei wem eine Anfrage Erfolg haben könnte?“

Lorian schmunzelte, vor den Titel ein 'Herr' zu setzen, schien eine Eigenart der Familie ya Malachis oder vielleicht auch der Menschen am Mardilo zu sein. Auf alle Fälle war ersichtlich, woher Calvert es vermutlich hatte. „Das ist leider leichter gesagt als getan. In unseren Landen ist eine Knappschaft eher unüblich, auch wenn ich sie für durchaus sinnvoll halte. Am ehesten würdet ihr vermutlich Glück bei den älteren Häusern, die Rondra besonders verehren, haben.“
Der Baron von Montarena fühlte sein Kelch wieder aus der Karaffe auf um kurz darauf wieder einen Schluck des Weins zu nehmen. Wie es schien, dachte er derweil nach oder tat so.
„Von diesen Häusern wären die Carson, Armarinto, Matienna, Schreyen, Imirandi...“ „Torese ebenfalls“, warf Timor ein. „Ja, Torese und natürlich unser Haus. Das wären vermutlich die Häuser, bei denen ihr am ehesten Chancen hättet einen Schwertvater für euren Neffen zu finden.“ Der Salsavûr beobachtete die Reaktion seines Gegenüber und sprach dann weiter: „Solltet ihr konkrete Streiter suchen, muss ich leider, außerhalb meines Hauses, passen. Was mein Haus angeht, so hätten zum Beispiel sowohl mein Vetter, als auch ich zur Zeit keinen Knappen.“ Neben ihm zog der Vogt von Garlák die Augenbraue hoch, als Lorian so direkt auf sie beide zu sprechen kam.
Timor war nicht der einzige, dem man ein gewisses Erstaunen, ob der Aussage des Barons ansehen konnte. Auch Fulvian war verblüfft. Hatte ihn der Baron gerade durch die Blume aufgefordert direkt nachzufragen? Sofort erwachte der Politiker in ihm, was versprach sich ein Salsavûr davon einem 'Jungen vom Land' in Knappschaft zu nehmen? „Zur Zeit?“ schmunzelte Fulvian und trank ebenfalls einen Schluck Wein. „Was bedeutet das? Hat euer letzter Zögling seine Ausbildung gerade beendet oder seid ihr eine solche Verpflichtung noch gar nicht eingegangen?“
Lorian blickte Fulvian an und schwieg eine kurze Zeit, bevor er antwortete. „Dass was ich gesagt habe. 'Zur Zeit haben weder Timor noch ich einen Knappen.' Meine letzte Knappin hat schon vor einigen Jahren ihren Ritterschlag erhalten und dient aktuell bei den Eisenwölfen. Bisher hat sich kein neuer Kandidat für eine solche Ausbildung gefunden, da die klassische Ritterausbildung im Horasreich, wie ich schon sagte, nicht mehr so verbreitet ist.“
Neben ihm brummelte sein Vetter etwas vor sich hin, was danach klang, dass er wohl nur bedingt Interesse an einem Knappen hätte, da ihn das zu sehr einschränken würde. Der Baron von Montarena ignorierte Timor dabei bewusst, da auch dieser durchaus einen Zögling ausbilden könnte.
Fulvian nickte zustimmend und weil ihm klar war, dass er nicht um eine direkte Frage herumkommen würde. Das hier lief anders als Debatten im Cronconvent, wo alle möglichst um den heißen Brei herumredeten. Also lehnte er sich zurück und fragte: „Wie ist es mit meinem Neffen? Käme er als Knappe für euch in Frage?“
Wieder lächelte Lorian, da er auf diese Fragen gewartet hatte. „Euer Neffe scheint ein aufgeweckter Junge zu sein. Aber ob er als Knappe in Frage kommt oder nicht kann ich nur schwerlich beantworten, da ich ihn ja nur kurz kennenlernen durfte. Da fällt eine Einschätzung nicht so leicht, allerdings machte er bisher einen recht guten Eindruck und ihm schien es auch nicht an Motivation zu mangeln.“
„Nun, Motivation hat er, mehr als genug. Meine Schwester und ihr Gatte sind sehr friedfertige Menschen. Calvert muss sich sehr ins Zeug gelegt haben sie davon zu überzeugen, ihn das Kriegshandwerk erlernen zu lassen.“ Fulvian grinste, hatte er doch das entnervte Schreiben seiner Schwester noch vor Augen. „Da ihr nicht rundheraus mit einem Nein geantwortet habt, Signor, scheint ihr euch die Sache ja durchaus zu überlegen. Wollt ihr den Jungen nicht einfach die nächsten Tage ein wenig im Auge behalten?“

Lorian schwieg einige Zeit, bevor er auf die Frage antwortete. „Ich hätte nichts dagegen, euren Neffen im Auge zu behalten. Wenn er dies selbst wünscht und ich ihn dadurch am besten im Auge behalten kann, könnte er mir während dem Turnier zur Hand gehen.“ Der Baron schaute seinen Gegenüber an.
„Allerdings wird er, was ihn vermutlich enttäuschen wird, erst einmal kein Schwert oder ähnliches in die Hand nehmen um damit zu üben. Wie jeder Knappe muss er mit den Grundlagen beginnen und Übungskämpfe gehören da nicht zu.“
„Ich bin mir dennoch sicher, dass Calvert eine solche Absprache begrüßt. Was ihr für richtig haltet das tut. Sollte sich aus dieser Probezeit mehr ergeben, dann weiß der Junge wenigstens woran er ist und in seine Lehrmethoden lässt sich denke ich kein Ausbilder gerne reinreden, am aller wenigstens von Jemanden ohne Sachkenntnis. Wann soll Calvert morgen früh bei euch sein? Und darf ich noch eine Karaffe Wein kommen lassen oder ist das auf Grund der morgen zu erwartenden Strapazen eher ungünstig?“ Auch wenn der Malachis recht gelassen blieb, so war ihm doch anzusehen, dass er mit dem Gesprächsverlauf mehr als glücklich war, aber im Gegensatz zu seinem Neffen hatte sich der Onkel weit besser im Griff.

Lorian nickte, während Fulvian sprach. Auch er schien recht zufrieden, bei den Worten des Malachis zu sein. „Calvert sollte noch vor dem Morgengrauen bei mir sein. Der Tag eines Knappen beginnt früh. Meine Leute werden ihn einweisen, welche Aufgaben er zu tun hat.“ Lorian trank sein Pokal leer bevor er weitersprach. „Für mich bitte keinen weiteren Wein mehr, danke.“ „Oh... ich würde noch einen nehmen, Signor“, warf Timor, der zwar am nächsten Tag auch Kämpfe zu bestreiten hatte, aber wohl nicht so viel vom weniger trinken vor einem Kampf hielt, ein.
Nach dem Einwurf seines Vetter, sprach der Baron weiter. „Wie kommt es, dass euer Neffe so ein Interesse an Kämpfen und eine Ausbildung zum Kämpfer hat? Wie ich aus euren bisherigen Erzählungen heraushöre, scheint eure Familie eher der Kunst, als dem Kampf zugeneigt zu sein.“
Lorians Stimme klang völlig neutral und in keiner Weise abwertet, so als ob er kein Problem mit der eher künstlerischen Ausrichtung der Malachis hatte. Viel mehr schien ihn die Neugier gepackt zu haben.

Der Barde grinst spitzbübisch und sagt mit einem Augenzwinkern: „Ein schwarzes Schaf gibt es wohl in jeder Sippschaft.... Calvert ist dann wohl dasjenige unserer Familie. Nein, Spaß beiseite, es ist schon richtig, dass nicht viele Mitglieder der Malachis sich im Kampf hervortun, aber gelegentlich kommt es vor. Einer meiner Onkel war auf der Kriegerakademie zu Neetha beispielsweise. Aber woher Calvert die Neigung hat? Vielleicht ein Erbe seines Urgroßvaters, einem de Torri. Nun, singen kann der Junge jedenfalls nicht.“

Die Gesichter beider Salsavûr verdunkelten sich leicht, als sie den Namen Torri hörten. Nach einem Augenblick wurden die Mienen der beiden wieder lichter. „Nach ein paar Krügen Bier und Premer Feuer kann jeder singen und so lange die Zuhörer im ähnlichen Maße getrunken haben, finden sie es auch gut“, Timor grinste den Malachis an, so als ob er schon das ein oder andere Erlebnis in dieser Art hatte. Der Baron schüttelte den Kopf, konnte sich ein Schmunzeln aber auch nicht verkneifen. „Hör du bloß auf mit dem Kopf zu schütteln... Ich erinnere mich noch gut an unserer Zeit hier in Arivor....“ Timors Grinsen wurde noch breiter, während er über ihre guten, alten Zeiten auf der Akademie sprach.
„Wusste ich es doch, dass ihr beiden mir bekannt vorkommt....“ Kaum merklich zuckten die beiden gestanden Salsavûr zusammen, als sie die Stimme hörten. Ein säuerlich dreinblickender Mann war an ihren Tisch getreten. Er ragte wie ein Berg vor den Sitzenden auf. Die Kleidung des Mitsechzigers deutete daraufhin, dass er wohl als Koch tätig war. „Dass ihr euch noch mal in meine Stube traut...“ Spätestens jetzt war unverkennbar, dass es sich um den Ehemann der Wirtin handeln musste und er schien alles andere als begeistert, die beiden Salsavûr zu sehen.

Fulvian lauschte amüsiert den Geschichten der beiden Krieger. Er mochte dieses draufgängerische Volk, sie strotzten nur so vor Energie und Übermut und je jünger sie waren, desto weniger wussten sie wohin mit ihrer Kraft. Als sich der Wirt mit Gewittermine an ihrem Tisch aufbaute, war ihm schon fast zum Lachen zu Mute. „Umberto, mein Freund, welche Freude dich außerhalb deiner heiligen Küche zu sehen... dein Essen war wie immer ein Gedicht, nirgendwo im Horasreich ist das Bruchetta knuspriger oder das Hühnchen saftiger. Aber sag, warum diese Rondrasmine, wo sich Blitz und Donner vereinen?“ zog er die Aufmerksamkeit des Neuankömmlings auf sich.

„Diese beiden“, er deutete auf den Baron und dessen Vetter, „und noch ein paar andere Halunken haben es fast geschafft das gesamte Wirtshaus zu verwüsten...“ Die Miene Umbertos verfinsterte sich noch weiter, während Timor derweil aufgestanden war und sich dem Hausherrn gegenüber aufgebaut hatte. Bei dem Anblick wirkte der Koch nicht mehr ganz so sehr wie ein Berg, war aber dennoch größer als der Vogt von Garlák. Er zögerte allerdings einen Moment, als er bemerkte, dass sowohl Timor als auch Lorian einen Waffengurt trugen und scheinbar nichts mehr von den Jünglingen hatten, die sie vor mehr als einem Jahrzehnt waren.
„Wenn nennt ihr hier Halunken?“ Der als 'Nordmann' bezeichnete Krieger hatte die Frage ruhig gestellt, allerdings mit einer solchen Ruhe, die schon wieder gefährlich wirkte. Umberto ließ sich nach einem kurzen Zögern davon nicht beirren. „Dass Mädchen und der andere Junge... wart alle von der Akademie, wenn ich mich nicht irre...“ Wie unschwer zu erkennen war, schien in stehenden Salsavûr langsam die Wut hoch zu kochen und er wollte gerade ansetzen etwas zu sagen, kam aber nicht mehr dazu. „Komm runter, Timor!“ kam Lorian ihm zuvor, danach wandte er sich an Umberto. „Dieser Junge und das Mädchen, wie ihr sie nennt, Herr Wirt, sind beide in meinen oder im Dienste meines Hauses und tragen beide den Titel eines Cavalliere.“ Lorian schaute den Koch abschätzig an, schien aber im Gegensatz zu seinem Vetter die Ruhe selbst zu sein. „Halunken sind sie sicherlich keine. Ebenso wenig wie mein Vetter und meine Person.“ Selbst im Sitzen und ohne seinen Titel zu nennen, strahlte der Baron eine natürliche Autorität aus, die einen aufhorchen ließ. „Dennoch habt ihr nicht ganz unrecht, was eure Schenke angeht... Die Verwüstung wurde nie gezahlt, wenn ich mich nicht irre. Also ist die Schuld noch offen. Ein Mitglied meines Hauses begleicht seine Schulden.“
Umberto schnappte nach Luft, schien er doch die Art Lorians mit Herablassung ihm gegenüber zu verwechseln und wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzten. Dass diese nicht freundlich werden würde, war mit Leichtigkeit zu erraten.
Auch Fulvian stand nun auf. Begütigend legte er dem aufgebrachten Umberto die Hand auf den Arm. „Gemach, gemach, bester Wirt Arivors. Die Jungspunde von einst sind nun Männer und werden ihre Schuldigkeiten wie Männer begleichen. Im Gegenteil, ihr könnt euch vielleicht sogar rühmen, dass der zukünftige Miles Horanthi einst euer Lokal zertrümmerte, na wie klingt das?“
Umberto zog die rechte Augenbraue hoch, als er die Worte Fulvians hörte. Derweil knurrte Timor etwas in einer Sprache, die Kenner als Thorwalsch identifizieren würden. In deutlich ruhigerem Ton antwortete ihm sein Vetter in der gleichen Sprache, was dafür sorgte, dass der Vogt eine entspanntere Haltung einnahm.
„Wie sowohl ich, als auch Signor ya Malachis schon sagten, werden wir die Schulden begleichen, die wir noch bei euch haben. Mein Wort euer Pfand!“ Timor schaute Lorian mit einem leicht ungläubigen Blick an, so als ob er irgendwas bedeutendes gesagt hätte.
Der Wirt schaute vom einen zum anderen und wusste nicht ganz so recht wie ihm geschah. „Wenn Hochgeboren, dass sagt, dann werden wir das tun“, sagte Timor in einem leicht spöttischen Ton mehr zu sich selbst als zu den anderen. Umberto hingegen zuckte, als er die Anrede hörte, sichtlich zusammen. Hatte er gerade einen Baron zurecht gewiesen und diesen beleidigt.
„In Oordnung..., Hochgeboren...“ Jetzt wirkte der große Koch sogar ein wenig verlegen. „Ich …ich werde euch noch etwas Wein bringen.“
Lorian nickte: „Gerne, aber dann müsst ihr einen Schluck mit uns trinken. Notiert den Schaden, der euch entstanden ist und ich werde ihn bis zum Ende des Turniers begleichen.“ Geistesabwesend kam ein Nicken Umbertos, der schon auf dem Weg war sich vom Tisch zu entfernen.
„Timor setz dich wieder hin.“ Die Worte des Barons klangen mehr wie ein Befehl, als eine Bitte. Timor befolgte diesem und nahm wieder neben seinen Vetter Platz. „Der gute Umberto...“ seufzte Fulvian während er ebenfalls Platz nahm und die letzten Reste Wein verteilte, immerhin würde ja bald Nachschub kommen. „...sein Temperament ist berüchtigt unter den Schauspielern. Es heißt seine scharfen Soßen seinen nur deshalb so gut, weil er sie mit seiner Heißblütigkeit würzt. Aber mit Verlaub, ihr müsst damals eine denkwürdige Schlacht in seinen ´heiligen Hallen` geschlagen haben, wenn er sich heute noch an sie erinnert. Darf ich fragen was geschehen ist?“
Sowohl Lorian als auch Timor lächelten bei der Frage Fulvians und schauten sich an, bevor Lorian antwortete. „Ja, Umberto ist durchaus bekannt... auch bei den Schülern der Arivorer Akademie, das könnt ihr mir glauben... Was eure Frage betrifft, wird diese, zumindest vorerst, unbeantwortet bleiben müssen beziehungsweise ihr werden darauf von mir keine Antwort bekommen.“ Auch er leerte nun seinen Pokal. „Aber zu euch, ihr wart in Arivor am Theater?“
„Bei einer Operntruppe, die auch immer wieder hier in Arivor gastierte.“ berichtigte der Sänger. „Ich habe mit diesem Ensemble das ganze Horasreich bereist. Neetha, Belhanka, Arivor, Vinsalt... ich kenne die großen Bühnen alle.“ Auch Fulvian lächelte nun versonnen und gedachte dieser unbeschwerten Vagabundentage. „Es war eine wunderbare Zeit.“ setzt er noch schwärmerisch dazu. „Aber leider beendete der Krieg meine Karriere als Sänger, denn ich wurde zu Hause gebraucht. Mittlerweile stehe ich mehr auf der politischen Bühne als auf der künstlerischen.“
Lorian schmunzelte, als er die Begeisterung, mit der Fulvian von seiner Opernzeit erzählte, sah. „Der Krieg hat vieles beendet, aber auch anderes begonnen oder in Bewegung gesetzt. Aber euch erging es, wie zahlreichen anderen ebenso und seht es mal so, nichts ist wichtiger als die eigene Familie.“ Der Baron von Montarena trank etwas aus seinem Pokal, den der Wirt wieder gefüllt hatte. „Seid froh, dass eure Familie nicht in dem Gebiet ihren Stammsitz hat, in dem hauptsächlich die Kämpfe tobten oder die Lutisanen plündernd durch die Lande zogen.“ Der Blick seiner Hochgeboren wirkte kurz abwesend, bevor er weiter sprach. „Die Gräueltaten, die diese Bastarde über viele Bewohner brachten, waren abscheulich. Zum Glück wurden sie schlussendlich vernichtet und zerstörten nicht auch noch Methumis.“

„So weit ab vom Kriegsgeschehen war meine Familie gar nicht.“ unterbrach Fulvian die Ausführungen des Barons und fügte noch erklärend hinzu: „Gut, unsere Stammlande in den Goldfelsen, die sind wie ein Adlerhorst und blieben unberührt. Aber im Winter der Tränen standen die Marodeure auch vor den Toren Marudrets. Meine Mutter, unser damalige Familienoberhaupt verlor durch sie ihr Leben. Nun, aber das liegt ja mittlerweile Jahre zurück. Wollen wir hoffen, dass wir die kriegerischen Zeiten hinter uns haben und unter dem jungen Horas einer ruhigen und prosperierenden Zukunft entgegenblicken, in der Turniere, wie dieses, der einzige Grund sind um zur Waffe zu greifen.“

„Ihr habt Recht, Marudret wurde von ihnen belagert. Aber, seht es mal so, die Stadt wurde nicht geplündert. Das bringt euch eure Mutter nicht zurück, aber...“, der Baron unterbrach sich selbst und überlegte kurz, bevor er weitersprach. „ihr habt nicht den Rest eurer Familie verloren, so wie es in Parsek geschehen ist. Sei es drum, die Geschichte wurde geschrieben und lässt sich nicht mehr ändern. Was die kommenden Zeiten angeht...“ Lorians Gesichtsausdruck deutete darauf hin, dass er an ruhige Zeiten nicht glaubte. „Hier im Horasreich, mag es ruhiger werden, auch wenn ich selbst daran nicht glaube. Im Osten des Neuen Reichs aber ist ein Feind, der immer noch präsent ist und gefährlicher denn je ist, wenn man den Gerüchten Glauben schenkt.“

„Ja, das ist wohl so.“ stimmt Fulvian zu. Bevor er mit leisem Misstrauen in der Stimme nachfragt: „Gedenkt ihr denn euch auf den Heerzug gegen diesen Haffax zu begeben?“

Das Thema blieb noch einige Zeit der Inhalt des Tischgesprächs, bevor es durch ein anderes ersetzt wurde. So verging die Stunden schnell und dass ein oder andere Glas Wein wurde noch geleert. Erst in der frühen Nacht verließen die drei Herrschaften die Schenke und kehrten in ihre jeweiligen Unterkünfte zurück. Morgen würde das Turnier weitergehen, für die einen als Teilnehmer, den anderen als Zuschauer und für einen jungen Burschen, in den frühen Stunden des Tages, bei seinen ersten Schritten auf dem Weg ein Kämpfer zu werden.

Weiter geht es am frühen Morgen des nächstens Tages mit den Ersten Schritten.