Briefspiel:Vom Frieden in Zeiten des Kampfes
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Die vorliegende Briefspiel-Geschichte Vom Frieden in Zeiten des Kampfes greift die Beendigung des Kriegszustands der Rondra-Kirche am 4. Peraine 1032 BF auf und schildert die Reaktionen in der Spielerstadt Urbasi darauf.
Autor: Dellapena
- Zwischen den Stadtmauern und dem Campo Nuovo (morgens)
Mit einem hellen Klirren trafen die Klingen aufeinander und funkelten in der Morgensonne. Unaufhörlich traf Hieb auf Hieb.
Einige Schaulustige hatten sich zusammengefunden und beobachteten den Kampf. Die meisten Tagelöhner Camponuovos kannten die beiden Streiter nicht und waren einfach froh über die willkommene Unterhaltung die dieses Duell in ihrem freudlosen Tagwerk darstellt. Doch die wenigen, die sich in der städtischen Politik ein wenig auskannten, wunderten sich gar sehr mit wem der Priore ruris der Fürstlichen Gemeinde Urbasis hier so heftig die Klinge kreuzte. Denn der eine Streiter war kein anderer als Leomar Romualdo della Pena ä.H., Baron von Sibur, Oberhaupt des Hauses della Pena ä.H., Mitglied der städtischen Signoria und eben zur Zeit Priore ruris – zumindest bis zu den baldigen Neuwahlen des Consiglio. Doch wer war sein Kontrahent?
Leomar schnaufte mittlerweile schwer. Es war schon einige Zeit her, dass er sich einen so heftigen Zweikampf mit dem Schwert geliefert hatte. Einige Duelle hatte es durchaus gegeben und aus allen war er siegreich hervor gegangen – trotz oder gerade wegen seines fortgeschrittenen Alter eilte ihm ein Ruf als begnadeter Fechter voran –, doch bei diesen war ausnahmslos der Degen die Waffe der Wahl gewesen. Eine schnelle und elegante Waffe, in den Straßen und auf dem Fechtboden oder, wenn es notwendig war, auch in den Straßen ihren Platz hatte, während das Schwert ins Felde gehörte. Zu größeren Feldschlachten war es aber, Tsa sei es gedankt, seit dem Ende des Thronfolgekriegs nicht mehr gekommen und so hatte Leomar auch sein treues Schwert schon lange nicht mehr ziehen müssen. Nun verfluchte er jede Unze, die die Klinge mehr auf die Waage brachte als ein Degen. Sein Arm war wurde allmählich schwer wie Blei. Es wurde Zeit die Sache zu Ende zu bringen.
Wieder umkreisten sich die Duellanten, besser gesagt: der Baron wurde von seinem Gegner umkreist. Seiner Kriegsverletzung am Bein geschuldet hatte sich Leomar auf einen eher statischen Kampfstil verlegt, der schnelle Schritte und Ausfälle möglichst vermied und etwaige Positionsänderung des Gegners mit nur kleinen Korrekturen der Kampfhaltung beantwortete. Leomars Gegner, ein drahtiger Kämpe mittleren Alters mit kurzgeschorenem Haar, drängte ihn nun wieder in die Defensive und deckte ihn mit einem wahren Hagel an Schlägen ein. Doch lange konnte auch der Angreifer diese Schlagfrequenz nicht durchhalten und in einer kurzen Atempause zuckte Leomars Schwert blitzschnell vor und zielte dabei auf eine ungedeckte Stelle seines Gegners. Im letzten Moment gelang es dem Überraschten sein Schwert herunterzureißen, doch nun zeigte sich, dass der Stoß Leomars eine Finte gewesen war: seine Klinge schwang zur Seite und fuhr kraftvoll auf den nun entblößten Oberarm des Kämpfers hernieder. Der Kampf war vorüber.
Das war knapp gewesen. Lange hätte Leomar das Tempo des Kampfes nicht mehr durchgehalten. Es war nur noch eine Frage der Zeit bis das Alter seinen Tribut fordern würde und ihm den Sieg verwehren würde. Aber noch war es nicht soweit, noch konnte er seinem kleinen Bruder zeigen, dass Rondra ihre Geweihten nicht automatisch mit einem Sieg in jedem Duell belohnte. Sein Bruder Shafirio stand schon lange im Dienst der Stürmischen und war ohne Frage ein wackerer Recke, der seinen Heldenmut schon vielfach unter Beweis gestellt hatte, doch Leomar war stolz darauf, dass er bei einem Kampf mit dem Schwert noch immer die Oberhand behielt. Seit dem Zwischenhalt der „1000 Meilen von Yaquirien“ in Urbasi hatten sie sich nicht mehr gesehen und Leomar war äußerst überrascht gewesen, als Shafirio vor einigen Tagen auf der Schwelle des Palazzo Lacrimosa gestanden hatte, um für einige Zeit hier Quartier zu nehmen, doch er hatte sich sehr über den Besuch seines Bruders gefreut. Und am gestrigen Abend hatte Shafirio ihn abermals überrascht: am 4. Peraine war der „Tag der Heiligen Thalionmel“ und da der Tag für die Familie della Pena eine besondere Bedeutung hatte – die Ahnherrin Lacrimosa della Pena starb angeblich an der Seite der Heiligen – wollte Shafirio den Feiertag mit einem rituellen Duell der Brüder im Morgengrauen begehen. So war es zu diesem Kampf gekommen und auch wenn Shafirio eine Niederlage hatte hinnehmen müssen, schien er hoch zufrieden mit dem Verlauf des Morgens zu sein. Als beide wieder zu Atem gekommen waren und Leomar die Wunde seines Bruders verbunden hatte, richtete er das Wort an ihn: „So, mein Bester. Nun lass uns den Tempel aufsuchen. Die Fluten des Chabab sind weit fort, also wollen wir dort unsere Klingen segnen lassen.“
Autor: Rondrastein
- Im Rondra-Tempel San Raidri (später am Morgen)
Ruhe herrschte in der Kammer der Hochgeweihten zu Urbasi, nur das sanfte, gleichmäßige Atmen von Amene di Salsavûr war zu hören. Den Gottesdienst am heutigen Morgen hielt gerade ihr Mann, da sie bis in die Früh gearbeitet und die Papierarbeit, die sie so hasste, erledigt hatte.
Die Hochgeweihte fuhr aus dem Schlaf hoch. Was war das? Sie schaute sich in ihrer Kammer um. Etwas fehlte, was sie über Jahre begleitet hatte, aber was war es? Amene stand auf und warf sich Wasser aus der Schüssel, die auf der Kommode stand, ins Gesicht.
Was war hier los? Sie spürte eine Leere, die eigentlich keine Leere war.
Während sie sich anzog, grübelte sie weiter darüber, was ihr fehlte. Sie ließ das Kettenhemd an Ort und Stelle und warf nur den weißen Wappenrock über, der den roten schreitenden Löwen der Rondra-Kirche zeigte, gurtete ihr Schwert und legte den Umhang mit der Fibel um, der ihren Rang ausdrückte.
So gekleidet verließ sie ihre Kammer und begab sich in die große Halle des Tempels, wo noch der Gottesdienst lief oder viel mehr laufen sollte. Sie schaute ihrem Mann, der vor dem Altar stand, in die Augen und wusste sofort, dass er es ebenso gespürt hatte. Hlûthar stand wie versteinert da und blickte seine Frau an.
Die Besucher des Gottesdienstes schauten die beiden Geweihten an und wurden langsam unruhig, da so eine Ruhe doch eher ungewöhnlich für Geweihte der Rondra war. Ebenso waren die vier Akoluthen und die beiden jungen Novizen der Kirche unsicher, was sie tun sollten.
Plötzlich traf es Amene wie ein Schlag. Sie wusste, was ihr fehlte, was sie lange Jahre begleitet hatte: die Verbundenheit zu der Gemeinschaft der Leuin. Dies konnte nur eine Bedeutung haben.
Amene schaute zu ihrem Mann und wie es schien, kam auch bei ihm langsam die Erkenntnis, was sich in Perricum zugetragen hatte.
Die Hochgeweihte trat neben ihren Mann vor den Altar, straffte den Oberkörper und ergriff das Wort. "Dreizehn Jahre wehten über den Tempeln Rondras die Kriegsflaggen der Kirche, dreizehn Jahre, in denen die Rondra-Kirche blutete, um die Anhänger der Abscheulichen aus dem Osten Aventuriens zu vertreiben, dreizehn Jahre, in denen die Geweihte Seite an Seite gegen die Bethanier kämpften und fielen. Dreizehn Jahre, in denen die Rondra-Kirche der Marschallin des Schwertbunds bedingungslos folgte und ausblutete. Die Kirche der göttlichen Leuin befand sich im Kriegszustand!"
Amene machte eine Pause und schaute in die Gesichter der Anwesenden. Dort spiegelte sich Unwissenheit, Ratlosigkeit und vieles andere wider.
"Diese Zeit, die Zeit des Krieges, ist nun vorbei! Gerade eben sprach das Schwert der Schwerter die alten Worte, die den Kriegszustand beenden. Dort, wo die Kriegsflaggen der Sennen wehten, werden nun wieder, nach dreizehn Jahren, die Friedensflaggen des Schwertbunds wehen."
Die Hochgeweihte wendete sich den vier Ardariten zu. "Schließt die großen Tore des Tempels, wie es der Brauch ist, wenn Frieden herrscht. Lasst die Fanfaren erschallen, auf das ganz Urbasi, die gesamte Urbasiglia die Kunde erreicht!"
Sie wandte sich wieder der Menge zu. "Die Zeit des Krieges ist vorbei!" Die Ardariten taten, wie ihnen geheißen wurde, schlossen die Tore und ließen die Fanfaren erklingen, auf dass jeder wusste, dass wieder Frieden herrschte in der Kirche der Leuin.
Amene schaute die Menge an, zog ihr Schwert und stellte es mit der Spitze voran auf den Boden.
"Lasst uns beten, auf dass die Kirche Rondras wieder zu alter Stärke kommt, um ihren Feinden und den Feinden der Zwölfe das Fürchten zu lehren."
Autor: Dellapena
- Am selben Ort, zur selben Zeit
Es war eine lange Diskussion gewesen, die sich zwischen den Brüdern entsponnen hatte, denn der hiesige Tempel wurde – wie so viele im Lieblichen Feld – von den Ardariten betreut und Shafirio war kein besonderer Anhänger der ardaritischen Auslegung des Rondra-Glaubens. Er selbst hing einer sehr speziellen Ausrichtung an, die das Prinzip des Kampfes allegorisch in vielerlei Verrichtungen und Tätigkeiten des menschlichen Lebens vorhanden sah und somit den Glauben an die Kriegerische in den Alltag der Menschen tragen wollte.
Erst durch den Hinweis auf seinen Sieg im Duell und die daraus abgeleitete Dominanz, zumindest an diesem Morgen, gelang es Leomar schließlich Shafirio zu überreden den Göttinnendienst mit ihm zusammen zu besuchen. Nun knieten sie einträchtig nebeneinander, die Schwerter vor sich auf dem Boden, und hörten den rituellen Worten Hlûthar Löwenschlags zu, der heute den Göttinnendienst leitete.
Plötzlich hielt dieser mitten im Wort inne und kehrte ihnen den Rücken zu. Offensichtlich hatte ihn etwas völlig aus dem Konzept gebracht, mehr noch: hatte ihn tief erschüttert, denn er suchte nun Halt am Altar. Leomar wandte sich an seinen Bruder, um sich mit diesem darüber auszutauschen, was da gerade geschehen sei, doch da bemerkte er, dass Shafirio wohl demselben Phänomen unterworfen war. Auch sein Bruder war wie vom Donner gerührt und wirkte völlig in sich gekehrt.
Die Augen geschlossen, hatte er den Kopf auf die Brust gesenkt und die geballten Fäuste vor dem Herzen gekreuzt. Was war das für ein Zauber, der offenbar nur Diener Rondras befiel?
Da trat die Schwertschwester des Tempels, Amene di Salsavûr, vor und erhob die Stimme.
Es dauerte einige Zeit bis Leomar die Konsequenzen dieser Geschehnisse abschätzen konnte. Shafirio hatte ihm nach der flammenden Predigt der Hochgeweihten noch längere Zeit erläutert, welche Veränderungen die Aufhebung des Kriegszustands der Rondra-Kirche mit sich brächten. Der erste Gedanke, der ihm in den Sinn kam, war, dass die Rondrianer, speziell die Ardariten, damit wohl an politischem Gewicht gewinnen würden, da sie ihre Kräfte nun freier einsetzen könnten. Würde dies vor allem den dell’Arbiato nützen, die sich schon häufiger gegen die della Pena gewandt hatten, oder konnten die Salsavûr mehr davon profitieren, Verbündete, mit denen man in den vergangenen Jahren häufig zusammen in der Signoria gestritten hatte.
Leomar war über sich selbst erschrocken als er merkte, was für Gedanken ihm da durch den Kopf gingen. War er schon so sehr ein Politiker geworden? Ein Mann des Wortes, der nur noch auf dem Parkett der Tagungssäle und Konferenzräume agierte und nicht mehr mit starkem Schwertarm und tapferem Herz auf dem Felde?
Auch sein Bruder wies ihn streng zurecht, als er seine Überlegungen mit Shafirio teilte. Ausführlich setzte dieser Leomar auseinander, dass die Aufhebung mitnichten hieß, dass die verderbten Länder der Erben Borbarads unterworfen waren. Diese Pestbeulen auf dem Leib Deres mussten immer noch vertilgt werden. Doch das Schwert der Schwerter hatte offenbar entschieden, dass die Kirche nicht mehr als gleichgeschaltetes Heer dagegen vorgehen sollte, sondern jeder einzelne Rondrianer auf seinem eigenen Weg einen Beitrag leisten sollte.
Es war nicht mehr eine Zeit für Krieg, es war eine Zeit für Heldentaten!
Autor: Horasio
- Unweit vom Campo Nuovo
Der Junge legte an und fokussierte mit zusammengekniffenen Augen sein Ziel. Während er seine Atmung kontrollierte, zwang er sich die Waffe ruhig zu halten. Nichts sollte schief gehen. Eins, zwei, drei. Er zog den Zeigefinger zurück und im Bruchteil eines Wimpernschlages lösten sich die extrem gespannten Windungen und katapultierten den Bolzen aus seiner Spur heraus.
Mit Wucht schlug das Geschoss in die bunt bemalte Zielscheibe ein. "Seht ihr, Signor, ich habe euch gesagt, dass wir dieses Jahr einen hervorragenden Schützen haben", hörte er schon, als er gerade erst die Armbrust senkte und sich zu den zwei Beobachtern umdrehte.
"Bitte, Onkel", wandte er ein und blickte verlegen zu Boden, während ihn der Edelmann musterte und dann seine Hand auf die Schulter legte.
"Kein Grund für falsche Bescheidenheit. Du schießt schon mit diesem Ding da", Tarquinio della Pena wies auf die alte Armbrust, "recht brauchbar. Wie schießt du erst mit einer Waffe, die deinem Talent angemessen ist?"
"Ich, ich, ich weiß nicht", stotterte der junge Schütze.
"Ich auch nicht. Aber ich habe eine Ahnung", entgegnete der Signor und Patron der Fleischerzunft, welcher der Onkel des Jungen angehörte, "daher werde ich dir ein Meisterstück aus meinem Besitz zur Verfügung stellen. Es war ein Geschenk des Fürsten an mich, als er noch lebte."
Der Mund des Jungen stand einen Augenblick zu lang offen, so dass ihm sein Onkel sachte mit dem Ellbogen in die Seite boxte. "Oh, danke. Habt dank Signor!", beeilte er sich zu erklären.
Tarquinio della Pena lächelte. "Dank mir, wenn du gewonnen hast und dich deine Nachbarn jubelnd auf den Händen tragen, ehe du den Palio schwenkst." Er wies auf die Zielscheibe. "Und nun hol deinen Bolzen und setze deine Bemühungen fort."
Der Angesprochene nickte eilig, verbeugte sich noch einmal und drehte sich dann um und stiefelte zu den aufgestapelten Heuballen, an denen man die farbige Scheibe befestigt hatte.
"Ein vielversprechender Junge", entfuhr es dem Signor und er sah den Onkel an, "wie war noch sein Name?"
"Er heißt Finnian, Herr."
"Finnian. Ich werde mir den Namen merken", antwortete Tarquinio ruhig und sah dem rothaarigen Schützen kurz zu, wie er den Bolzen herauszog, ehe er sich umwandte um zu gehen. Er erinnerte ihn an einen Schützen der Arbalettieri, den er im Krieg der Drachen kannte.
Der Edelmann ritt langsam zum Campo Nuovo und wurde von einer kleinen Horde Kinder begrüßt, die abgewetzte Kleidung trugen und ganz offensichtlich zu den Ärmsten der Armen gehörten. Wie erwartet begannen sie sogleich zu betteln, achteten dabei allerdings auf Distanz zu ihm. Zu groß war die Angst vor dem Zorn der Reichen und Mächtigen.
Er griff in sein Wams und zog seinen Geldbeutel heraus, den er kurzerhand ausleerte. Einige Kupfermünzen fielen hinaus, gar zwei Silberlinge mit dem Antlitz des Fürsten Traviano, die dieser damals hatte prägen lassen, schlugen auf dem Boden auf. Und wie hungrige Tiere machten sich die armen Kinder über diese Reichtümer her, ließen ihn selbst aber nun in Frieden weiter ziehen.
Als er die Piazza Salkya erreichte, ertönten Fanfaren und mit einem Blick zur Seite konnte er erkennen, dass zwei Ardariten aus voller Brust die Instrumente bliesen, während hinter ihnen andere Tempeldiener die Tore des Tempels schlossen.
'Was geschieht hier', fragte er sich und ritt näher heran zu den Stufen vor dem Haus der Göttin des Krieges. Als die Bläser kurz Luft holten, hörte er durch die sich schließenden Türen die Stimme der Prälatin, Amene di Salsavûrs. Doch sogleich verschluckten die nächsten lauten Töne die Worte der Hochgeweihten und dröhnten dermaßen in Tarquinios Ohren, dass er sich entschloß weiter zu reiten.
Hatte der Bund des Schwertes tatsächlich den Kriegszustand aufgehoben? Waren die Nachfolger des finsteren Borbarads, eines Schwarzmagiers, von deren götterlosen Taten man gar im Königreich Yaquirien gehört hatte, besiegt und in die Niederhöllen geschickt worden, in die sie zweifellos hingehörten?
Er runzelte die Stirn und ritt weiter nach Urbasi. Eine politische Kabale dahinter zu vermuten, hätte er bei manch anderem Geschlecht der Signoria für möglich gehalten, doch die Salsavûr schätzte er nicht derart ein. Es musste stimmen, der Krieg der Rondrianer war beendet.
Autor: Gonfaloniere
- Im Palazzo Casciano (kurz vor Mittag)
Die Unterredungen mit seinem Geheimsekretär Salquirio della Pena waren für Auricanius von Urbet-Marvinko längst zum täglichen Ritual geworden. Die Doppelbelastung der Familien- und Klosterführung forderte ihren Tribut – er konnte sich gar nicht mehr um alles selbst kümmern. Deshalb ließ er sich von dem erfahrenen Politologen einmal am Tag in seinem Studiolo hoch über der Piazza di Renascentia auf den neuesten Stand bringen. Gerade unterzeichnete er noch ein vorgefertigtes Dokument, da bedeutete er dem Bediensteten, der mehr Berater und Freund als Unterstellter war, mit dem nächsten Punkt fortzufahren.
„Hochwürden Salsavûr hat die Tore des Rondra-Tempels schließen lassen.“
Auricanius, in Gedanken noch bei dem soeben signierten Schriftstück weilend, schaute gar nicht auf, wunderte sich nur über die Pause, die Salquirio nach diesem einen Satz schon wieder machte: „Ja, und?“
„Ehrwürden …“ Die kurze Antwort des Sekretärs hatte einen mahnenden Unterton, der den Praios-Geweihten nun doch aufblicken ließ. Der Ausdruck im Gesicht seines Gegenübers ließ sich nur als ein ‚Das wisst ihr selber‘ deuten. Auricanius dachte nach. Wann hatte er zuletzt eine verschlossene Tempeltür der Kriegsherrin gesehen? Das war Jahre her, er selbst damals noch ein Jugendlicher, eher noch ein Kind. In Urbet muss es gewesen sein, im alten Castello auf dem Tafelberg. Er erinnerte sich an eine Zeremonie, die sein verstorbener Onkel Bassanio, selbst ein Geweihter der Göttin, abgehalten hatte …
„Die Kirche hat den Kriegszustand beendet?“ fiel es ihm schlagartig wieder ein.
Ein einzelnes Nicken des Sekretärs war die einzige Bestätigung.
„Interessant … es scheint sich ja plötzlich Einiges in Arivor und Perricum zu tun …“, sann er zugleich über den Schulterschluss des Ardaritenordens mit der Rahja-Kirche vor wenigen Monaten nach.