Briefspiel:Drachenfeuerturnier/Alte Rechnungen

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Drachenfeuer links.png Städteübergreifendes Briefspiel Mythraelsbund.png
Datiert auf: 20.-24. Rahja 1045 BF Schauplatz: Stadt Terubis Entstehungszeitraum: ab Dezember 2022
Protagonisten: viele Cavallieri aus dem Horasreich, dazu einer aus den Nordmarken und eine Handvoll Almadaner Autoren/Beteiligte: Haus Amarinto.png Amarinto, Haus di Malavista.png Cordovan, Familie Cordur.png Coturnix, Familie Cortesinio.png Cortesinio, Königreich-Almada-klein.png Der Sinnreiche Junker von Aranjuez, Familie Flaviora.png Flaviora, Wappen Hirschenau.png Gishtan re Kust, Haus Urbet.png Gonfaloniere, Haus Torrem.png Horasio, Familie Luntfeld.png Luntfeld, Haus Novacasa.png Novacasa, Haus Carson.png OrsinoCarson, Haus di Salsavur.png Rondrastein, Haus Veliris.png Schatzkanzler, Familie Wankara.png Thera Uhdenberg, Familie Zorgazo.png Toshy, Haus ya Pirras.png VivionaYaPirras u.w.
Zyklus: Übersicht · Eröffnung · Regeln · Tjost · Einhandwaffen · Zweihandwaffen · Schildstechen · Wagenrennen · Buhurt · Alte Rechnungen · Jacop vs. Ovarca / Edoran / Shafiro / Geronthe / Er­da­no 💬︎ / Travian · Zwei Brüder · Nicht nur ein Turnier · Ungeahnte Interessen · Der Minnesänger

Alte Rechnungen und neue Forderungen

Autor: Der Sinnreiche Junker von Aranjuez

Terubis, 21. Rahja 1045 BF

Missmutig verzog El Mozalbete die Lippen als die Auslosung für den Zweihandwaffenwettbewerb verkündet ward. Trutzer! Obgleich er vor wenigen Monden seinen dreißigsten Tsatag gefeiert hatte, nannte man Gualterio Colonna ob seiner jugendlichen Züge und des spärlichen Bartwuchses noch immer „Das Bürschchen.“ Zumindest hinter seinem Rücken. Das Abwarten welcher Reizer hervortreten würde, um ihn zu fordern passte so gar nicht zum Ungestüm des Teniente. Zumal sein Vater Tego und sein Onkel Hernán sich längst besprochen hatten, als sie zu dritt Einblick in die Teilnehmerfelder genommen hatten. „Der prügle ich die Scheiße aus dem Leib“, hatte sein Vater gewohnt derb vernehmen lassen, als des Condottieres Finger am Namenszug von Ricarda ya Cantarra hängen geblieben war.

Bald ein Jahrzwölft war es her, dass die Bürger von Unterfels unter Mitwirkung des einen oder anderen Aranjuezers das Terrorregime Romualdo ya Cantarras gestürzt hatten. Offensichtlich nicht lange genug um die Verachtung gegenüber diesem Namen vergessen zu machen – wenngleich böse Zungen behaupten mochten, dass die Feindschaft des Hauses Aranjuez weniger aus den manigfaltigen Schandtaten des damaligen Herren von Carindôr resultierte, sondern vor allem daraus, dass man selbst auf die Statthalterschaft geschielt hatte. Und, dass man diese Zurücksetzung weder dem ya Cantarra verziehen hätte noch Josmina von Bregelsaum, aus deren Diensten man sich sogleich unter dem mehr oder weniger zutreffenden Vorwand absentierte, dass ihr Vormarsch die vereinbarte Neutralität von Unterfels verletzt hatte.

Und, nachdem es dieses Mal keinen Sirensteen zu fordern gab, kam es, dass weder der Baron und Junker als Reizer im Tjost irgendwelche Zeit verlor noch später sein Vater später in gleicher Funktion bei den Zweihandwaffen und spornstreichs Ricarda ya Cantarra herausforderten. Schade eigentlich, sinnierte er schmunzelnd beim Blick auf die wohlgefällige Gestalt der Geforderten. Ihm, der einen ähnlich rahjagefälligen Lebensstil pflegte wie seine Mutter, Asmodena di Côntris, fiel gewisslich noch ein anderes Schlachtfeld ein, auf welchem er sich mit der Cavalliera messen würde. Immerhin, hier würde ihn zu gegebener Zeit niemand per Los zum Däumchendrehen verdammen. Doch vor etwaigen Huldigungen von Herrin Rahja hatte der Tag erst noch die Huldigungen ihrer ungleich gestrengeren Schwester Rondra gesetzt.

Für derlei Überlegungen hatte der Caballero de Torre Nuevo ausreichend Zeit und Muße, zogen sich doch die Forderungen scheinbar endlos hin, bis überhaupt einmal die Zweihandwaffen an der Reihe waren. So schnitt er mit dem Messer ein Stück des Apfels in seiner anderen Hand ab und führte den Schnitz zum Mund, derweil er seinen Blick weiter über die Szenerie schweifen ließ. Im Gegensatz zu seinem Onkel war er kein profunder Kenner der Heraldik beider Reiche, sodass er nur dienjenigen Streiterinnen und Streiter einordnen konnte, die er bereits irgendwo einmal getroffen hatte: hier Koromar von Liobas Zell, der Nordmärker, der beim Grafenturnier 1035 BF die Fürstennichte Morena von Harmamund aus dem Sattel gestoßen und im Kampf zu Fuß erst im Finale etwas überraschend Tsaya von Ragathsquell den Vorrang hatte geben müssen. Dort Yandriga von Urbet, die seinerzeit den Schützling des Hauses Aranjuez im ersten Anritt bezwungen hatte, nur um hernach der Lanze des späteren Siegers Rondrigo de Braast zum Opfer gefallen war. Rondrajane von Veliris, deren Lanzenstoß seinem Onkel bei der Goldenen Lanze von Bomed 1034 BF zwei Rippen gebrochen hatte und Colmar Luntfeld, mit dessen Cavallieri das Viejo de Ragatia das Winterquartier in Unterfels teilte. Nicht zuletzt ob der hochgeschossenen Gestalt erkannte er den Edlen von Selkethal, von dem sein Onkel einmal im Scherz gesagt hatte, dass man in der Schlachtreihe entweder direkt hinter ihm gehen oder aber möglichst weit entfernt stehen solle, weil er unweigerlich die Aufmerksamkeit jedes Bogen- und Armbrustschützen auf sich ziehen musste. Mit Laurentio von Taldur – für dessen Farben reichten seine Heraldikkenntnisse dann doch noch – erkannte er einen weiteren Streiter aus der almadanischen Heimat. Und dazu noch zwei, drei andere bekannte Gesichter, deren Namen ihm aber gerade nicht einfallen mochten.

Firumir“, wandte er sich zu dem greifenfurter Pagen seines Onkels um, den alte answinistische Seilschaften in die Dienste des Hauses Aranjuez gebracht hatten „…sei so gut und reiche mir ebenfalls einen Kelch.“ Soeben hatte sich sein Vater nach vollbrachter Forderung mit metallischem Scheppern auf den Feldstuhl fallen lassen und nach Wein gerufen. Zufrieden stießen die beiden Alten an, dass es ihnen beiden gelungen war Ricarda ya Cantarra zu fordern. El Mozalbete hingegen musste sich noch gedulden und konnte daher seinen Platz nicht verlassen. Kaum aber drehte er sich wieder um, fiel ihm plötzlich ein Schatten ins Gesicht, als eine junge Kriegerin vor ihn trat, die sich mit ihrer Größe kaum vor Dom Algerio zu verstecken brauchte …


Autor: VivionaYaPirras

Missmutig stapfte Gwena ya Pirras, in Begleitung ihrer Knappin Kyrilla, durch das Lager der Teilnehmer auf der Suche nach einem weiteren Trutzer. Nachdem ihr Vater ihr vollends freie Hand gelassen hatte, stürmte sie nach einem Blick auf das Teilnehmerfeld in Richtung der Zelte mit den belhankaner Farben, um Mythraela ya Aranori zu fordern. Es gab einen lautstarken Austausch an Unfreundlichkeiten, als man in ihr ein Mitglied des Hauses ya Pirras erkannte. Nur durch ein beherztes Eingreifen ihrer Knappin begann das Duell nicht schon vor den Zelten und letzten Endes konnte die Geforderte sich nicht die Blöße einer Ablehnung geben.

Der Ärger war gerade abgeklungen, als Gwena sich auf den Weg zu ihrer zweiten Forderung machte. Wie beim letzten Turnier wollte sie Nevinia ya Stellona ihre Aufwartung machen. Enttäuscht musste sie aber feststellen, das mit Leonora di Salsavûr jemand schneller war. Auch bei Yandriga von Urbet war jemand aus dem Haus di Salsavûr vor ihr zugegen. Dass gerade die di Salsavûrs ihre Forderungspläne durchkreuzten, schien Schicksal zu sein. Schon beim Mythraelsturnier gab es Zwistigkeiten zwischen den Häusern, beginnend mit der abgelehnten Forderung durch Timor di Salsavûr und weiteren Nickligkeiten. Den di Malavista hatte ihr Vater bereits gefordert. Nun waren nur noch ihr unbekannte Streiter übrig. Dies gefiel ihr überhaupt nicht.

Nach kurzer Überlegung entschloss sie sich keinen liebfelder Streiter zu fordern sondern stand vor dem Lager derer von Aranjuez. Dieses Haus hatte in Almada einen wahrhaft großen Namen und war auch hier im Lieblichen Feld durch den Thronfolgekrieg nicht gänzlich unbekannt. Den Baron selbst zu fordern wäre vermessen, wobei sie sich auch nicht sicher war, ob dieser überhaupt für einen Waffengang gemeldet war. Aber jemanden aus seinem Gefolge, das war durchaus interessant. Nachdem ihre Knappin in Erfahrung gebracht hatte, wer als Trutzer zur Verfügung steht, begab sie sich direkt in die Richtung des wartenden Kämpfers, den sie schon länger ins Auge gefasst hatte. Als sie seine Aufmerksamkeit hatte, berührte sie mit dem Blatt ihrer Glefe das Wappenschild der Aranjuez um ihre Forderung auszusprechen. "Der Herrin Rondra zur Ehr'", sprach sie noch mit fester Stimme, und wandte sich dann um.


Autor: Der Sinnreiche Junker von AranjuezZweihandwaffen: Tego Colonna besiegt Ricarda ya Cantarra

„Yalsicor!“ Stahl krachte metallisch auf Stahl. „Arindon!“ Abermals sangen die Klingen ihr ehernes Lied. Tego Colonna machte seiner Ankündigung alle Ehre und trieb Ricarda ya Cantarra mit wuchtigen Hieben über die Turnierbahn und wiederholte mit jedem Streich blechern unter dem Helmvisier das Unglück des Hauses ya Cantarra. „Yalsicor!“, „Arindon!“, „Yalsicor!“, „Arindon!“, regnete es Stahl auf die Cavalliera nieder – ohne nennenswerte Kunstfertigkeit, bar jeder Finesse, sondern allein brutale, blindwütige Kraft. Längst mussten ihr alle Glieder weh tun, längst erkaufte sie jede Parade mit einer Welle des Schmerzes, die durch ihren Leib fuhr, wenn sie einen neuerlichen Hieb ihres Gegners abwehrte. An Gegenangriffe war längst nicht mehr zu denken sondern im Gegenteil wurden ihre Bewegungen zusehends langsamer, ihre Paraden kamen nicht mehr so genau, sie vermochte das Schwert nicht mehr gänzlich über das Haupt zu heben. Und so kam es schließlich wie es kommen musste: ein Abwehrversuch geriet zu ungelenk, die Klingen trafen sich in allzu ungünstigem Winkel und der Hieb ihres Kontrahenten prellte ihr die Waffe in hohem Bogen aus den taub gewordenen Fingern.

Sie sah das Blitzen der Augen hinter dem Visier des Colonna und für einen Moment musste sie fürchten, dass er einfach weiter auf sie einschlug. Doch ließ er seinen Zweihänder nur einen Augenblick später sinken, nachdem ihre eigene Waffe den sandigen Turniergrund berührt hatte. Der Condottiere grunzte nur kurz und stapfte dann in klirrender Rüstung davon als sei nichts gewesen, um Colmar Luntfeld zu suchen. Selbstverständlich gebot es die freundschaftliche Rivalität zweier im gleichen Winterquartier liegender Tercios, dass sich ihre Hauptleute hier miteinander maßen.

Sein Sohn Gualterio hingegen hatte beinahe Mitleid mit Ricarda ya Cantarra. Während sein Onkel Hernán sie gleich im ersten Anritt mit einem sauberen Stoß aus dem Sattel befördert und dann im Vorbeiritt kurz höflichkeitshalber die gesplitterte Lanze zum Gruß erhoben hatte, war seinem Vater solcherlei Cortezia gänzlich fremd. Sondern er war angetreten, um sie buchstäblich in Grund und Boden zu prügeln. Und nun wurde von ihm erwartet, dass er seinen Teil für die Ehre des Hauses Aranjuez tat und die ya Cantarra ebenfalls forderte.

Gerade hatte er sich zu diesem Behufe von seinem Feldschemel erhoben, als ihm auch schon der Weg verlegt wurde. Er blinzelte Erdano ya Pirras an, der nächste Streiter, der ihn, der für einen Almadaner beileibe nicht kleingewachsen war, um mehr als eine halbe Haupteslänge überragte. Der Mann trug die Farben seiner vorherigen Kontrahentin, welche ihr Aufeinandertreffen zu seinem Bedauern nicht gänzlich unbeschadet überstanden hatte. Vom Alter her mochte der Herausforderer ihr Vater oder ihr Onkel sein. Gedachte er sich für die Verletzung zu rächen? Oder war er, El Mozalbete, etwa dieses Hauses von güldenen Birnen und blauen Forellen ya Cantarra? Kurz furchte er die Stirn, ob er wohl eine Anverwandte der beiden geschwängert hatte? Seit die Schwägerin seines Onkels den Herzog der Nordmarken geehelicht hatte, hatte sich auch das eine oder andere amouröse Abenteuer jenseits von Amboss und Eisenwald ergeben. Doch mochte ihm dieses Wappen partout nicht einfallen. Freilich, ein eifriger Student der Wappenrollen war an ihm noch nie verloren gegangen.

So nickte er dem Mann zur Bestätigung zu, dass er die Forderung annahm. Die Klärung, wer seine Gegnerin und sein Gegner zum Auftakt waren, musste bis zum nächsten Gespräch mit seinem ungleich wappenkundigeren Onkel warten. Dieser wiederum hatte eigentlich vorgehabt gegen den langen Culming zu reiten, doch war ihm ausgerechnet Ricarda ya Cantarra hier zuvorgekommen. Man hätte meinen sollen, dass sie für heute genug von allem Almadanischen gehabt hätte. So lenkte der Baron und Junker sein Ross in Richtung Laurentio von Taladurs.


Autor: Jott, Der Sinnreiche Junker von AranjuezTjost: Hernán von Aranjuez besiegt Laurentio Valiento von Taladur

„Ist’s gewiss?“, beugte sich Hernán von Aranjuez zu seinem Vertrauten, Anzures Ballan, herunter. Der Waffenmeister des Hauses Aranjuez fungierte in Ermangelung eines Escudero, eines Knappen, als Helfer seines Freundes und Dienstherren, wenn es bei Turnieren darum ging zu assistieren und die Rüstung anzulegen. In einigen Götterläufen würde diese Funktion wohl Firumir vom Silbernen Tann übernehmen, doch noch war dem Pagen die Turnierbahn vorenthalten. Anzures Ballan nickte, als er den Caldabreser entgegennahm und dem Baron und Junker dafür zum Tausch den Gestechshelm mit dem überlangen, reinweißen Helmbusch reichte, passend zur Schärpe, die er um die Leibesmitte gewunden hatte. „Ja, Dom Laurentio hat sich beim Einhandkampf gegen einen Liebfelder verletzt. Wenn die Taladurer keinen Magus in ihren Diensten haben, tritt er ohne Zweifel angeschlagen an.“ Nachdenklich stülpte der Condottiere den Helm über und zog den Kinnriemen fest. Es wäre eine Untertreibung zu sagen, dass Anzures Ballan dem Glückspiel zugetan war und zweifellos hatte er wie immer zahllose Wetten platziert. Entsprechend gut informiert war er gewöhnlich, was derlei Dinge anging.

Prüfend blickte er die Schranke entlang, welche ihre Anritte trennen würde, zum anderen Ende der Bahn, wo sich seinerseits sein Kontrahent wappnete. Wenn der junge Taladurer angeschlagen war, so sah man es ihm zumindest äußerlich nicht an. Was freilich bei einem Streiter in einer Gestechsrüstung nicht allzu viel heißen mochte. Hernán von Aranjuez pflegte aus Prinzip keine verletzten Gegner zu fordern, doch hatte sich sein Gegner wenn dann nach seiner Forderung verletzt. Und war es seine Schuld, dass der dennoch antrat? Solcherlei Gedanken gingen ihm durch den Kopf, derweil Anzures Ballan ihm zunächst den Schild und dann die erste Lanze reichte. Langsam ließ er sein Schlachtross, eine Kreuzung von Tralloper und kräftigem Tulamide, wie man sie im Kalifat für die Kataphraktenreiterei verwendete, die Schranke auf der Seite der Ehrentribüne entlang traben, wo er sich in der Mitte mit Laurentio von Taladur zum gemeinsamen Gruß des Publikums traf.

Diesem bot er den an das Silberschwarz seines Hauses angepassten Anblick: sein Grauschimmel trug eine schwarze, silberdurchwirkte Schabracke und Zaumzeug, an welchem Münzen und Medaillons klingelten und silbern im Licht der Praiosscheibe blitzten, während der Reiter die bei den Aranjuezern übliche geschwärzte Rüstung trug. An dieser ließ sich auch recht gut die Rangfolge ablesen, denn während auch sein Bastardbruder Tego und dessen gleichermaßen unehelicher Sohn Gualterio ebenfalls jeweils den Rabenschnabel ihres Wappens silbern auf der Brustplatte einziseliert trugen, blitzte bei ihrem Soberan jedes Scharnier und jeder Verschluss, jede Schnalle und jede Öse silbrig. Nach einem knappen gegenseitigen Nicken wandten beide Streiter ihre Rösser in Richtung der Ehrentribüne, um zunächst gemeinsam Baron Baldur von Terubis und die übrigen Honoratioren mit erhobener Lanze zu grüßen.

„Hernán von Aranjuez, Baron von Dubios und Junker von Aranjuez fordert Laurentio von Taladur ä.H., Leutnant der dritten Schwadron des Garderegiments der Ragather Schlachtreiter“, rief der Herold mit turniererprobter Stimme über die Geräuschkulisse des Publikums hinweg. Eine Geräuschkulisse, in welche sich bei der Erwähnung der Nachfolgeeinheit der berüchtigten Almadaner Dragoner nun auch hörbar einige Pfiffe mischten. „Man liebt die Dragonaden nicht eben jenseits der Gugella“, stellte der ehemalige Leutnant der Ragather Schlachtreiter nüchtern fest. Doch hatte er da nicht trotz jener Geräuschkulisse ein Schnaufen Dom Laurentios bei der Ehrenbezeugung vernommen? Ein Zeichen, dass das Recken der Lanze für ihn bereits eine Anstrengung war? Hatte dessen Lanzenspitze beim Gruße nicht leicht geschwankt? „Es heißt, ihr seiet vom Fußkampf verletzt, Dom Laurentio“, sprach er nun mit einem Seitenblick, die dunklen Augen verengt, im Lärm des Publikums und der Fanfaren unhörbar für Dritte. Derweil ließen sie ihre Pferde synchron auf der Stelle wenden, um den Gruß gegenüber der ungleich weniger edel besetzten Gegengeraden zu wiederholen.

Laurentio betrachtete den Baron und versuchte ihn einzuschätzen. Würde Dom Hernán von ihm fordern von dem Kampf zurückzutreten? Kurz zögerte er mit seiner Antwort, dann nickte der junge Offizier. "Ihr seid wohl informiert, Hochgeboren." Mit einem starren Lächeln versuchte Laurentio den verräterischen Ausdruck des Schmerzes, der in sein Gesicht trat, zu überspielen, als er dem Beispiel des Barons folgend seine Lanze nun ein zweites Mal zum Gruße in die Höhe streckte und tausend Nadeln Schulter und Arm durchstachen.

Wäre da nicht die verräterische Bewegung des Federbusches gewesen, so hätte man kaum das sachte Nicken des Condottieres ausmachen können. „Es steht Euch wohlan, dass Ihr dennoch antreten wollt, Leutnant.“, sprach er anerkennend. „Solltet Ihr freilich bei unserem ersten Lanzengang feststellen, dass es keinen Sinn macht, so wird niemand gering von Euch denken, wenn Ihr auf einen zweiten Anritt verzichtet.“

Kurz stahl sich bei den letzten Worten Dom Hernáns ein freudloses Lächeln in des Leutnants Gesicht und er schüttelte fast unmerklich den Kopf. Für einige Wimpernschläge wanderten seine Augen zu der Tribüne, von der aus Richeza von Taladur seine Unterhaltung mit dem Baron aufmerksam und mit gewohnt strengem Blick verfolgte. Währenddessen nutzte sein jüngster Bruder Assavo ihr ausschließliches Interesse an den Geschehnissen auf dem Turnierplatz augenscheinlich dazu, der jungen Dienerin einer ein Stück neben ihnen sitzenden Dame mit unverkennbaren Gesten seine rahjanischen Absichten ihr gegenüber zu bekunden. Laurentio seuftze leise und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Kontrahenten zu. "Ich fürchte da irrt Ihr, Hochgeboren. Doch danke ich Euch für Eure freundlichen Worte! Möge Rondra Euch hold sein!" Der junge Offizier nickte dem Condottiere zu.

„Ne virtus langueret iners dum bella quiescunt“, schmunzelte Hernán von Aranjuez. Möge die Tauglichkeit nicht untätig erschlaffen, solange die Kriege schweigen. Dann ritten beide zu ihrem jeweiligen Ende der Turnierbahn. Dort angekommen atmete Laurentio, den stechenden Schmerzen in seiner Seite dabei zum Trotz, einige Male tief und ruhig ein, dann schloss er sein Visier. Durch die schmalen Schlitze sah er, dass auch Dom Hernán bereit war. Gut!, dachte der Taladurer bei sich. Je schneller der Kampf vorbei war, desto schneller würde er diese Rüstung ablegen können, die trotz etwas lockerer Gurtung als gewöhnlich, bei jedem seiner Atemzüge und jeder Bewegung auf seine verletzte Seite drückte und sie so zur Tortour werden ließ.

Auf seiner Ausgangsposition angekommen hob der Aranjuezer die Lanze zur dritten und letzten Ehrenbezeugung nunmehr gegenüber demjenigen, auf den er gleich in den Schranken treffen würde. Er beneidete Dom Laurentio wohl kaum in jenem Moment, als dieser den Gruß seinerseits erwiderte. Mit ein und derselben Bewegung senkte er die Lanze wieder herab und schloss damit gleichzeitig das Visier seines Helmes.

Als der Ritt freigegeben wurde, ließ Laurentio seinen Hengst augenblicklich die Sporen spüren und zwang ihn in den Galopp. Nur mühsam gelang es dem Taladurer Offizier die Lanze in den Rüsthaken seines Brustpanzers einzulegen. Was er schon im ersten Jahr seiner Ausbildung im Schlaf beherrscht hatte, wurde nun zur Herausforderung. Die Lanze im richtigen Winkel nach vorne zu halten zur Marter. Einige Meter vor ihrem Zusammentreffen trieb Laurentio seinen Rappen in den gestreckten Galopp. Doch immer wieder sank ihm die Lanzenspitze ab, kaum das er sie unter Qualen ein Stück angehoben hatte. Und so sehr er sich bemühte, den Schmerz zu ignorieren und seinen verwundeten Muskeln seinen Willen aufzuzwingen, sie versagten ihm den Dienst. Ein zählbarer Treffer war so ausgeschlossen. Allenfalls Dom Hernáns Beine oder den nur durch die Schabracke bedeckten Pferdeleib würde er treffen können. In beidem lag keine Ehre, auch wenn ein solcher Beintreffer Dom Hernán bei einem möglichen zweiten Anritt schwächen oder ihn bei einer ernsten Verletzung, wie sie dabei durchaus immer mal wieder vorkamen, zur Aufgabe zwingen könnte. Doch war dies nicht Laurentios Art einen Kampf zu führen! Und auch wenn er selbst diesen Lanzengang überstehen könnte, mit jedem folgenden würde ihm das Halten der Lanze schwerer fallen und es für alle Beteiligten gefähricher machen. Den Kampf nach diesem Ritt aufzugeben, wie der Condottiere es vorgeschlagen hatte, stand jedoch außer Frage. Der Blick seiner Mutter von der Tribüne hatte ihm dies unmissverständlich zu verstehen gegeben. Nicht dass er nach ihrem Besuch im Lager nach seiner Niederlage gegen Poliaro di Barbacante einer Erinnerung an ihre Sicht bedurft hätte!

Und so entschied sich der junge Leutnant, während sich ihr Abstand rasant verringerte und damit der Moment des Aufpralls der Lanzen immer näher kam, den einzig gangbaren Weg zu wählen. Kurz vor ihrem Zusammenstoß lehnte er sich ein wenig im Sattel zurück, um durch das verlagerte Gewicht den Rennspieß zumindest etwas anzuheben und an die Schulter seines Rappen legen zu können, ohne dafür die verletzen Muskeln mehr beanspruchen zu müssen, als es ihm derzeit möglich war. In dieser Haltung würde die Lanze weder Dom Hernán noch sein Pferd auf ungewollte Weise treffen, noch mit der Spitze zwischen die Pfosten des Tilts geraten und ihn selbst unkontrolliert aus dem Sattel drücken und womöglich über die Schranken hinweg stürzen lassen. Unter normalen Umständen hätte er diese Position stets vermieden, da sie die Wahrscheinlichkeit, sich bei einem gelungenen Treffer des Gengers nicht im Sattel halten zu können und so einen Sturz zu erleiden, stark erhöhte. Doch hier und heute war dies genau das, was er erreichen wollte. Und so drehte sich Laurentio einen Wimpernschlag vor dem Aufprall der silbernen Lanzenspitze in den Stoß des Rennspießes des Barons, damit dieser ihn bestmöglich treffen und ihn sauber aus dem Sattel heben würde, und bereite sich innerlich auf den Sturz und die Schmerzen, die er für ihn mit sich bringen würde, vor.

Nachdem er wusste worauf zu achten war, war dem Baron von Dubios die unsichere Lanzenspitze des Taladurers nicht entgangen, während er den eigenen Lanzenschaft senkte und die Brustplatte seines Kontrahenten, auf welche die Schaftspitze zielte, mit jedem Augenblick größer wurde. Im buchstäblichen letzten Moment aber änderte das Schlachtross Dom Hernáns für einige Schritte um Nuancen seine Richtung fort von der Bahn, sodass die Lanzenspitze des Ragatiers den Panzer der gesunden Schulter des Leutnants knappestmöglich zu verfehlen schien. Alleine dieser spürte, dass die stilisierte Faust ihn so hauchzart am Oberarm touchierte wie der sanfte Kuss einer Geliebten. Der Lanzenstoß seines Gegners indes glitt wirkungslos am schwarzen Wappenschild ab. Ein Raunen ging durch das Publikum ob des ereignisarmen Durchgangs. War es möglich, dass ein so erfahrener Streiter im entscheidenden Moment die Kontrolle über sein Pferd verlor, und sei es auch nur für einen Augenblick? War es möglich, dass ihm gar ein Fehler unterlaufen war? Oder wollte er dem jungen Waldwachter tatsächlich die Möglichkeit zur ehrenhaften Aufgabe geben? Hatte er es als Beleidigung aufgefasst, dass sein Gegner ihm den Treffer zu vereinfachen gedachte und zwang er den Verletzten daher in die Pein eines zweiten Anritts? Oder trieb der Schwarze Junker nur ein grausames Spiel?

Solcherlei Gedankenspiele mochten dem Publikum verborgen bleiben, derweil die Streiter mit intakten Lanzen die Enden der Schranken erreichten. Dreck spritzte, als er sein Ross herumriss und die stählernen Hufe den Boden des Turniergrundes aufwühlten. Dabei schien es abermals so, als hätte der Condottiere Schwierigkeiten sein Pferd zu kontrollieren, welches wiehernd auf die Hinterbeine ging und die silbernen Ösen und Verschlüsse seiner Rüstung, die Medaillons und Münzen des Zaumzeugs das Licht der Praiosscheibe in alle Richtungen funkelnd und blitzend reflektierten. Vielleicht wollte er aber auch nur einen Augenblick abwarten, ob sein Gegner das Signal zur Aufgabe gab? Dieser jedenfalls machte keinerlei dahingehende Anstalten, sodass Hernán von Aranjuez sein Tier wieder in die Bahn trieb und mit donnernden Hufen abermals auf Laurentio von Taladur zu preschte, derweil die Geräuschkulisse des Publikums in Erwartung des neuerlichen Zusammenstoßes wieder anschwoll.

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