Briefspiel:Kronkonvent Boron 1041 BF (1)

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Datiert auf: Anfang Boron 1041 BF Schauplatz: Konventshalle zu Vinsalt Entstehungszeitraum: Frühjahr 2018
Protagonisten: etliche Delegierte des Edlenhauses Autoren/Beteiligte: Familie Menaris.png Athanasius, Haus Urbet.png Gonfaloniere, Familie Luntfeld.png Luntfeld, Haus re Kust.png re Kust, Haus Carson klein.png OrsinoCarson, Haus di Piastinza klein.png di Piastinza
Zyklus: Übersicht · Wohl und Wehe des Vertragswerks · Der Schatzkanzler im Fokus · Der Bunte Hund

Im Inneren der Halle

Autor: Athanasius

Die Glocke läutete zum dritten Mal, aber nur langsam erstarben die Gespräche der Abgeordneten auf den verschiedenen Bänken der Konventshalle. Allerorten wurden noch Auszüge aus dem Vertragstext zu Mantrash'Mor diskutiert, die manche Anwesende heute zum ersten Mal gesehen hatten. Nur bei den Rondrianern war das Thema ein anderes, aber der Streit nicht minder ernst: Leidenschaftlich stritten sich Anhänger Ancuiras Alfarans und solche des Meisters des Bundes, Romur von Schreyen, über die Zukunft der Gerondrata, nun, da Alfaran ins Exil gehen wollte. Polyana dil Cordori hatte sicherheitshalber die Saalwachen angewiesen, in der Nähe von deren Bänken Stellung zu beziehen.
Was die Glocke der Stimme der Edlen bisher nicht vermocht hatte, erzeugte der Auftritt des Comto Großsiegelbewahrers, Adilron ay Oikaldiki. Als der grauhaarige Kanzler des Horasreichs den Raum betrat, verstummten viele Gespräche, denn es war äußerst selten, dass der Comto an den Kronkonventssitzungen teilnahm, seine Pflichten erlaubten es ihm gewöhnlich nicht. Heute schien das anders zu sein – oder er betrachtete die Aussprache über den von ihm mitverhandelten Vertrag als Teil seiner Pflichten.
Polyana warf einen fast dankbar wirkenden Blick in Richtung der Kronamtsbänke, bevor sie die Stimme erhob. „Ich entbiete den anwesenden Delegierten der Städte, den Baronen und den ehrenwerten Comti Schatzkanzler und Großsiegelbewahrer, die dieser Sitzung beiwohnen wollen, meinen Gruß. Der drängendste Punkt scheint mir die Aussprache über das Vertragswerk, das im vergangenen Mond zu Mantrash'Mor vorgelegt wurde.“
Nun wandten sich wirklich fast alle Augenpaare den beiden Kronamtsträgern zu.

Essalio Weyringer

Autor: Athanasius

„Und der erste Redebeitrag stammt vom Delegierten des Barons von Montalban, Signore Weyringer, Ihr habt das Wort.“
Der schwarze Brokat seines Wamses schimmerte in schwachen, silbernen Ringen als sich Essalio Weyringer erhob und dankend in Richtung der Stimme der Edlen nickte.
„Im Vorfeld wie im Nachgang der Verhandlungen in den Bergen wurde vieles disputiert und vieles verteufelt. Doch der Baron von Montalban – und mit ihm viele andere Herren von Stand aus der Gerontokratie – findet, dass die Delegation unter der Führung der ehrenwerten Comites einige beachtliche Erfolge erzielt hat. Unter dem Zeichen Efferds wurde die Schifffahrt zur Erkundung und zum Handel auf den Meeren weithin sichergestellt und im Zeichen Phexens wurde ebensolche Freiheiten auf den Straßen und Pässen zwischen den Reichen festgelegt.“ Zustimmendes Gemurmel war daraufhin von manchen, vor allem aus den Reihen der Libertarier, zu vernehmen. In die zuvor wohlwollend klingende Stimme schlich sich indes kaum verhohlener Ärger, als er fortfuhr.
„Was jedoch mehr als bedauerlich ist, ist die unglückselige Zollerhöhung für Manufakturwaren. Denn eine solche Regelung schadet einzig und allein jenem Land, in dem der Manufakturbetrieb zur Perfektion entwickelt wurde – und dabei handelt es sich bekanntlich um das Horasreich. Ein solcher Passus schädigt mithin nicht nur Manufakturbetreiber, sondern auch den Popolo, der in diesen reichhaltige Arbeit findet, die nun schwerlich weiterhin gut entlohnt werden kann!“

Gishtan re Kust

Autor: Gishtan re Kust

Eine Laufmagd in der Uniform der Konventshallenbediensteten reichte Polyanas Schreiber einen Handzettel. Er überflog ihn, nickte und setzte einen Eintrag auf die noch überschaubare Rednerliste, die er sodann der Stimme der Edlen reichte.
Deren Blick wanderte über die Abgeordneten und fand den Gesuchten in der hintersten Reihe der Barone. Halb war ihr Blick auf den Wohlbekannten von einem Korb mit verschiedensten Früchten verdeckt, den kurz vor Beginn der Sitzung ein Hallendiener auf der Schreibbank abgestellt hatte. „Er schon wieder...“ murmelte Polyana, unterdrückte ein Seufzen und griff zu ihrem Glöckchen, um das Gemurmel der Versammlung zu dämpfen: „Das Wort hat als nächstes der Baron von...“, sie blickte auf die Rednerliste: „...ich korrigiere: der Baron ya Ramaúd.“

Gishtan re Kust blickte auf, lächelte verlegen und schluckte rasch noch ein Stückchen Karambola hinunter, ehe er sich erhob. Nach einer Verbeugung in Richtung der Kronämter und der Vorsitzenden nahm er einen dünnen Stapel papierner Blätter auf und zog einen der Bogen heraus. Dann richtete er das Wort an die Versammelten.
„Ich bin ganz der Meinung von Signore Weyringer“, hielt er fest und deutete auf das Druckwerk. „Der dritte Absatz des Passus Ingrimmas hätte an sich gar nicht in diesem Vertrag enthalten sein sollen. Dagegen haben die meisten Vertreter des Horasreiches zu Mantrash'Mor, mich persönlich eingeschlossen, während der langen und schwierigen Verhandlungen vehement gefochten.“
„Und wieso habt Ihr es dann nicht gleich ganz verhindert?“, rief die Delegierte der Stadt Torremund dazwischen. „Gemach“, bat Gishtan freundlich um Geduld. „Dazu will ich gleich gelangen“, sagte er, um dies umgehend zu tun: „Die Ergänzung des dritten Absatzes war ein schwer umkämpfter Kompromiss, der Entgegenkommen stimmstarker Provinzdelegationen an anderer Stelle erbrachte“, erklärte er vor allem jenen Abgeordneten, die selbst noch nie bei schwierigen Verhandlungen mit dem Mittelreich dabei gewesen waren. „Auf einen Teil der so erzielten Erfolge im vorliegenden Vertrag ist der Delegierte des Barons von Montalban ja bereits eingegangen.“

Der erfahrene Diplomat tippte mit einem weiß behandschuhten Zeigefinger auf die drei wortkargen Zeilen des Vertragstextes, die Essalio Weyringer angesprochen hatte. „Die nun vorliegende Formulierung, um die zwischen den formulierenden Beamten beider Reiche nochmals gerungen wurde, lässt an... äh... Interpretationsmöglichkeiten wenig zu wünschen übrig. Mein geschätzter Vorredner sprach davon, dass eine Erhöhung der Zölle für Manufakturwaren beschlossen worden sei. Lest genau: 'In Manufakturen gefertigte Waren sollen fürderhin in den beiden Reichen mit höheren Abgaben belegt werden als andere Waren.' Weniger konkret könnte man das kaum formulieren. Da fällt mir ein... liegt eigentlich jedem Abgeordneten ein gedruckter Vertragstext vor, damit auch alle wissen, worüber wir genau sprechen?“

Von dem aufkommenden Gemurmel ließ sich der Redner gleichwohl nicht bremsen, unbeirrt fuhr er fort: „Die Verhandlungen haben gezeigt, dass viele politische Entscheider des Mittelreichs tatsächlich zuallererst an höhere Zölle denken – besonders jene aus... nun... weniger progressiven Provinzen wie Kosch oder Weiden – und in dem genannten Absatz eine Möglichkeit sehen, ihre vom Fortschritt überholten Kleinhandwerker zu protegieren. Aber von Zöllen ist hier ja gar nicht die Rede, sondern von Abgaben allgemein. Auch steht da nicht, welche Arten von Waren genau mit höheren Abgaben belegt werden sollen. Es wird nicht einmal der Begriff Manufakturware oder auch nur definiert, was eine Manufaktur genau ist – da gibt es ja selbst in der horasischen Handwerkerschaft unterschiedliche Ansichten. Ich vermute darüber hinaus, dass viele mittelreichische Adelige nicht einmal wissen, dass viele auch bei ihnen geschätzte Einfuhrwaren ausschließlich aus Manufakturfertigung zu bekommen sind oder nur durch diese zu einem auch für sie und ihre Untertanen erschwinglichen Preis. Kurz gesagt: Welche Waren in welcher Höhe und an welcher Stelle des Handelsweges verteuert werden sollen, ist in diesem Passus völlig offen gelassen. Welche Auswirkung der Vertrag haben wird, ist dadurch – wie so oft in der Politik – eine Frage der Implementierung und der vielfachen, punktuellen Aushandlung verschiedenster Detailregelungen mit unterschiedlichen Akteuren. Denn, auch darauf weise ich hin, die Vorgabe heißt nicht 'horasische Waren sollen höher verzollt werden', sondern 'Waren sollen in den beiden Reichen mit höheren Abgaben belegt werden'. Das bedeutet, dass horasische Zoll- und Steuerbeamte umgekehrt Abgaben auf mittelreichische Erzeugnisse – idealerweise nach Produktionsregionen unterschieden -, beziehungsweise deren Höhe, beim Treffen grenzübergreifender Vereinbarungen als Gewicht auf die Waage legen können. Der ausgehandelte Kompromiss ergibt also viele Möglichkeiten, guten und preiswerten Erzeugnissen aus horasischen Werkstätten doch Wege auf mittelreichische Märkte zu bahnen sowie Manufakturbetrieben und Steuerschatullen weiterhin Gold einzubringen. Mit Phex' Hilfe!“

Nach diesem Sturzbach an Erläuterungen und Details herrschte in der Halle einen Moment Schweigen. „Nach Gishtan re Kust zu sprechen ist wie nach dem Rollenden Donner zu musizieren“, hatte einmal ein befreundeter Diplomat gesagt. Auch jetzt dauerte es einige Momente der Stille, bis die meisten ihm zum Ziel seines mäandrierenden Redeflusses gefolgt waren.

Gleichwohl war der Baron ya Ramaúd noch nicht fertig. Er blieb stehen und blickte nun jene Abgeordneten direkt an, deren Nähe zu den Kirchen ihm bekannt war: „Lasst mich nur ein Beispiel anbringen, wo der vermeintliche Zollzwang auf Manufakturwaren gleich wieder aufgehoben ist. Der Passus Rahjanis des Vertrags befreit ausdrücklich alle liturgischen Gegenstände der Zwölfgöttlichen Kirchen vom Zoll. Das ist eine etwas verkürzte Formulierung dessen, was auf Mantrash'Mor tatsächlich beschlossen worden ist, denn selbstverständlich gilt das auch für in zwölfgöttlichen Liturgien verwendete Verbrauchsgüter. Und darunter fallen nicht nur kunsthandwerklich angefertigte Einzelstücke, sondern auch Waren, die man mit etwas gutem Willen als 'massenproduziert' bezeichnen darf. Ich nenne als Beispiele nur hochwertige, einheitliche Gewänder für Messdiener der Praioskirche aus großen Webereien, schön gestaltete Trinkgefäße oder Geschirre aus Glas oder Porcellan, wie sie nicht zuletzt die großen Tempel der Travia-Kirche verwenden, oder edle Perlweine wie den echten Bosparanjer, die bei Festen der Rahjakirche in großen Mengen rituell ausgeschenkt werden. Diese und viele andere Dinge sind typische Erzeugnisse aus horasischen Manufakturen, die es in dieser Qualität und zu diesen vergleichsweise günstigen Preisen kaum anderswo gibt, und die dennoch keinen Kreuzer Zoll kosten. Ihr seht: Niemand muss bangen, dass Zölle und Abgaben die Manufakturen ernsthaft beeinträchtigen werden. Es gibt viele Möglichkeiten, mit modernen Methoden hergestellte Erzeugnisse auch weiterhin über alle Grenzen des Horasreiches auszuführen und gute Einnahmen zu erlösen.“

Baron Gishtan verbeugte sich leicht, setzte sich und nahm sich eine Handvoll dunkelroter Kirschen aus dem von seiner Gemahlin liebevoll gefüllten Korb.

Panthino von Urbet

Autor: Gonfaloniere

Panthino von Urbet folgte den Ausführungen der Kusliker Baronsvertreter zunächst allenfalls mit einem halben Ohr. Die Debatte über den - doch nur pro forma geschlossenen - Vertrag mit dem Mittelreich interessierte ihn angesichts des Ancuiras-Rückzugs aus der Erzherrschaft nur mäßig. Stattdessen musterte er vor allem den neben ihm sitzenden Delegierten des Barons von Aldan eindringlich. Reon Croenars ganze Legitimation im Machtkampf in der Gerondrata drohte schließlich gerade mit dem scheidenden Erzherrscher zusammenzubrechen. Erst als der so unverhohlen taxierte Delegierte ihm einen missbilligenden Blick zuwarf, fing er an pflichtschuldig in der ihm von seiner Tochter vor der Sitzung ausgehändigten Kopie des Vertragswerks zu blättern.
Nachdem der Ramaúder seinen Redeschwall mit einer Handvoll Kirschen endlich selbst eingebremst hatte, stieß Panthino als erster in die sich für einen Moment ausbreitende Stille: "Wohl getan, Baron. Da werden sich die Krämer freuen." Die Ironie war kaum zu überhören ...
"Wenn wir hier bereits bei den Expertisen zum Vertragswerk angekommen sind, drängt es mich aber auch zu erfahren, was es mit diesem Passus Firunis auf sich hat." Er machte eine kurze Pause, die manche der Umsitzenden wohl nun ihrerseits nutzten, um zur angesprochenen Passage zu blättern. "Es stellt sich mir hier vor allem die Frage nach der Relevanz des Paragrafen ..." Dabei runzelte er deutlich sichtbar die Stirn.

Avessandra Bergenoor

Autor: Athanasius

Nur die erfahrensten Edlen unter den Anwesenden erahnten den Blickkontakt, der aus den Reihen der Loyalisten hinüber zur Stimme der Edlen aufgenommen wurde und schließlich zur Wortmeldung Avessandra Bergenoors führte:

"Wie mir die Magister der Anatomischen Akademie dankenswerterweise erklärten, wird der Umgang mit Theriak einen besonderen Wert tatsächlich nicht in Handelsfragen entfalten, sondern vor allem für die Forschungen der Magier. Wie mir zugetragen wurde - aber das werden Euch die Delegierten aus dem Sikramtal, namentlich die Signori Flaviora und della Pena genauer darlegen können - haben wir es hier wiederum mit dem Verhandlungsgeschick unserer Seite zu tun, dass dieser offenbar äußerst seltene und wertvolle Werkstoff nicht gänzlich für den bewundernswerten..." ein solches Wort despektierlich klingen zu lassen war eine seltene Gabe der Signora Bergenoor "Kampf um das Ewige Eis verwendet werden muss."

"Doch erlaubt mir den Ausführungen des Barons ya Ramaùd etwas hinzuzufügen. Auch hier müssen wir unserer Delegation und ihrer Leitung besonderen Lob zollen, wie ich meine, denn die letztlich gewählte Formulierung erlaubt es uns tatsächlich, den Kopf aus dieser von den Mittelreichern - dankenswerterweise sehr grob - gewundenen Schlinge zu ziehen. Was mich hier aber immer noch verwirrt ist die Tatsache, dass der Passus überhaupt die Zustimmung unserer Seite fand, Vorteile bringt er dem Reich nun wirklich keine. Ich vermag nun nicht zu sagen, ob es so ist, wie Signore Gishtan andeutete, dass damals unserer Unterstützung im Tausch gegen die Unterstützung der Garether in einem anderen Punkt gewonnen werden sollte. Vielleicht kann einer der Teilnehmer in diesem Rund in dieser Sache Aufklärung liefern?"

Die Signora beendete ihre Ausführungen damit, nicht ohne jedoch einen erwartungsvollen Blick in Richtung der entsprechenden Gesichter in der Halle zu werfen.

Gishtan re Kust

Autor: Gishtan re Kust

Nach Avessandras Frage eilte sich der Baron ya Ramaúd, dem Secretär der Vorsitzenden sein Interesse an einer Antwort zu signalisieren. Kurz darauf ward er erneut aufgerufen: "Eine gute Frage, Signora Bergenoor. In der Tat war sich die Delegation in den Vorberatungen in großer Runde eigentlich einig gewesen, den Passus Ingrimmas gänzlich anders fassen zu wollen. So gab es etwa den Vorschlag, die Zölle grundsätzlich zu vereinheitlichen, was eine Benachteiligung von Manufakturwaren verhindert hätte. Wir waren uns unserer Verpflichtung gegenüber Bastlern und Krämern bewusst und haben uns bemüht, auch in kleinteiligen Angelegenheiten ernsthaft und engagiert zu verhandeln", fügte er süffisant in Richtung des Barons von Cindano hinzu.
"Soweit ich mich erinnere, wurde mir von anderer Stelle jedoch zugetragen, es sei in einer kleinen Runde mit Vertretern beider Reiche der Comto Schatzkanzler selbst gewesen, der darauf hingewirkt habe, den Passus als Kompromiss zu akzeptieren, um Entgegenkommen an anderer Stelle zu erwirken. Es mag sein, dass ich dies missverstanden habe, aber vielleicht kann ein anderer Delegierter dies bestätigen und erweitern? Alternativ könnte man Comto Kantra um eine Stellungnahme zu der Angelegenheiten vor dieser Versammlung bitten. Letzteres soll kein Antrag sein", betonte er in Richtung der Protokollanten, "sondern eine Überlegung, zu welcher die Abgeordneten sich äußern mögen."
Gishtan re Kust nahm wieder Platz. Er begann damit, eine maraskanische Stachelbeere zu schälen und ihr leuchtend grünes Fruchtfleisch zu zerteilen.

Panthino von Urbet

Autor: Gonfaloniere

Panthino hatte sich getäuscht. Dieser "Friedensvertrag" mit einem benachbarten Kaiserreich, mit dem man bereits seit 10 Götterläufen friedlich koexistierte, war am Ende wohl doch nicht umsonst. Es war nur eben so, dass er keinen Frieden zwischen den Reichen stiftete, sondern seinen Zweck hauptsächlich darin zu sehen schien, Krämer und Arkane zu befrieden. Und das mit solch banalen Bestimmungen wie diesem Passus Firunis über eine fragwürdige "Handelsware", die aus keinem beider Reiche stammte, und die zumindest seines eigenen Wissens nach in einem davon auch gar nicht nennenswert gehandelt wurde ... Er nahm diese Erkenntnis mit einem Schulterzucken hin und entledigte sich dann fast beiläufig seiner Vertragskopie, indem er sie auf den wappengeschmückten Sitz des Barons von Castarosa zu seiner anderen Seite warf.

Es hatte immer wieder auch Vorteile, dass dieser als ehemaliger Comto Marschall seinen Sitz im Haus der Edlen auf Lebenszeit ruhen lassen musste ... mehr Ablageraum für den Baron von Cindano! Auch wenn es Panthino sicher gerade heute gefallen hätte, genau zwischen den Delegierten der Anführer beider verfeindeter Parteien im Machtkampf in der Gerondrata zu sitzen. Mit diesem Gedanken über seine Mittelposition als zweitwichtigster Baron der Weißen zwischen den wichtigsten der Roten und Schwarzen hier im Konvent schaltete er anderthalb Ohren in der laufenden Debatte erstmal wieder auf Durchzug ...

Amaldo di Piastinza

Autor: DiPiastinza

Polyana nahm vom Schreiber die nächste Ankündigung einer Wortmeldung entgegen: Khardan Luntfeld als Vertreter der Stadt Sewamund. Das musste nicht bedeuten, dass er selbst sprechen wollte - es war zu einer regelmäßigen Übung geworden, dass der Vertreter der Stadt andere Abgeordnete der Stadt Sewamund an seiner Stelle zu sprechen aufforderte, welche aus eigenem Recht nicht über das Wort im Cronconvent verfügten. Sehr häufig war dies der umtriebige Justiziar der Stadt, Amaldo di Piastinza gewesen, der in der Vergangenheit schon tumultartige Szenen unter den Abgeordneten provoziert hatte und zu denen gehörte, denen aufgrund unbotmäßiger Zwischenrufe immer wieder Bußgelder auferlegt wurden, der aber auch seine Gegner, insbesondere aus der Coverna, regelmäßig erfolgreich zu bußgeldbewehrten Invektiven provozierte. Mitunter, so dachte sie, konnte das bei all der Steifigkeit und Förmlichkeit im Hause sogar unterhaltsam sein. Ihre Vermutung erwies sich als zutreffend, als Khardan Luntfeld das Wort ergriff: "Ich bitte die Abgeordneten, dem Signor di Piastinza ihr Ohr für eine Stellungnahme zu den maritimen Aspekten des Vertragswerks von Mantrash'Mor zu leihen, so wie ich als Vertreter unserer Stadt dem Signore hierfür mein Wort abtrete!" Amaldo erhob sich und begann zu sprechen:

"Verehrte Anwesende! Der zu Mantrash'Mor abgeschlossene Vertrag zwischen den beiden Kaiserreichen an dessen Verhandlungen ich die Ehre hatte, teilzunehmen, hat durch harte Arbeit und glückliche zwölfgöttliche Fügung allerhand Angelegenheiten zum Wohle beider Reiche geregelt - und enthält gleichwohl schwerwiegende Lücken, deren Materie von einer Übereinkunft ausgenommen wurden. Denn sowohl im Passus Efferdis wie auch im Passus Phexis sind in Bezug auf die getroffenen Übereinkünfte "Häfen und Gewässer der Kolonien beider Reiche" von eben diesen Übereinkünften ausgenommen. Ich muss also an dieser Stelle dem Baron von Montalban, Signore Weyringer widersprechen, wenn er zu behaupten geruht, die Schifffahrt zur Erkundung und zum Handel auf den Meeren sei weithin sichergestellt. Nichts könnte weniger der Fall sein als dieses!

Denn aus den Bestimmungen beider genannter Passus ergibt sich tatsächlich, dass zwischen den Kontrahenten des Vertragswerks die im Folgenden aufgezählten Verpflichtungen nicht bestehen:

  • Primo: in Kolonialgewässern Schiffe nicht an der Fahrt zu hindern.
  • Secundo: unter Kriegsflagge fahrende Schiffe nicht aufzubringen.
  • Tertio: in Seenot das Anlaufen eines Hafens zu gestatten.
  • Quarto: im Bereich der Kolonien zur See und zu Lande den Frieden zu halten.
  • Quinto: Pilgern, Händlern und Geweihten Schutz gewähren zu sollen.

Und "Häfen und Gewässer der Kolonien beider Reiche", verehrtes Publikum, meint nicht nur das fernliegende Uthuria, sondern es umfasst per implicatio auch den Bereich der Gewürzinseln, mithin die gesamte Region der Meridiana! Erweckt nicht, geschätztes Publikum, diese Aufzählung den Eindruck, als befänden sich hinsichtlich der Regionen des Südmeers unsere beiden Reiche nicht im Frieden, sondern im Kriegszustand?

Und muss man mir nicht beipflichten, wenn ich sage, dass seit dem Vertrag von Teremon, an dessen Verhandlungen ich die Ehre hatte, auf hoher diplomatischer Ebene teilzunehmen, unsere Verhältnisse mit dem weithin als ketzerisch und abominabel geschmähten Imperium von Al'Anfa in Südmeerbelangen besser und göttergefälliger geregelt sind als mit unserem kaiserlichen Bruderstaat, dem Raulschen Reich?

Und besteht nicht auch - da das Wiedererstandene Reich des Horas mit den Landen von Born und Walsach im sogenannten Korelkin-Abkommen geregelte freundschaftliche Beziehungen unterhält - im hoffentlich unwahrscheinlichen Falle kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Gareth und Festum die Gefahr, dass der Adlerthron gegen den Greifenthron in einen Krieg zu See hineingezogen wird?

Und was wird vollends geschehen, sollte das Raulsche Reich - und womöglich die Lande von Born und Walsach obendrein - sich entscheiden, Explorationen ins tiefe Südmeer auszusenden und auf uthurischem Boden Siedlungen anzulegen - was umso wahrscheinlicher werden dürfte, als das Beispiel unser eigenen uthurischen Pflanzstadt Neu-Sewamund, anders als die belhankisch-methumische Fehlinvestition namens Nova Methumisa, die Möglichkeit eines ökonomischen Erfolgs glänzend unter Beweis gestellt hat?

[Murren im Saal, Zwischenruf von den Bänken der Coverna: "Man hört, Ihr seiet für diesen Erfolg zum Rauschkrautbaron geworden!"] Das Haus der Edlen möge es mir nachsehen, wenn ich in einer kurzen Abschweifung diese infame und ehrenrührige Unterstellung missgünstiger und neidzerfressener [empörte Zwischenrufe] - Darf ich bitte zu Ende sprechen! - missgünstiger und neidzerfressener Verlierer des wirtschaftlichen Wettstreits sogleich widerlege, um jeglichen Zweifel an der Lauterkeit und Göttergefälligkeit unserer uthurischen Unternehmung zu zerstreuen!

Es trifft zu, dass die Uthuria-Compagnie derzeit in größerem Maße botanische Proben der west-uthurischen Flora einführt und diese zu Preisen veräußert, die dem persönlichen Risiko der sie vor Ort acquirierenden Subkontrahenten angemessen sind, denn sie entstammen keiner Plantagenwirtschaft, sondern der gefahrvollen Wildbeutung durch freie Siedler unserer Kolonie! Doch diese Einfuhr ist überhaupt erst die Voraussetzung dafür, dass durch Anwendung hesindianischer und magischer Künste unserer Geweihten, Gelehrten und Magister diese sich allererst ein Urteil darüber zu bilden vermögen, welche jener Pflanzen aufgrund welcher Wirkungen womöglich für die Einstufung als Rauschkraut in Frage kommen!

Besagte botanische Proben geben wir nur an autorisierte und kompetente Einrichtungen und Personen der zwölfgöttergefälligen Wissenschaft ab, und seltene!, vereinzelte! Übertretungen dieser Maßgabe habe ich in meinem Amt als Justiziar meiner Stadt, in dessen Jurisdiktionsbereich die Einfuhren über den Sewamunder Hafen fallen, persönlich einer harten Aburteilung zugeführt!

Aber zurück zum Thema! Ich hatte zuletzt zu bedenken gegeben, dass ungeregelte Verhältnisse im Südmeer zu allerhand Konflikten zwischen den Seemächten Aventuriens führen könnten.

Birgt nicht die große Entfernung jener derischen Region von unserer Heimat und die lange Dauer jeder Nachrichtenverbindung zu ihr - unsere Uthuria-Compagnie entsendet nicht mehr als eine Flotte pro Jahr! - die Gefahr von vorauseilenden, sich verselbständigenden kriegerischen Entwicklungen, noch ehe die Regenten der hiesigen Gestade überhaupt von der Existenz eines Konflikts Notiz genommen haben?

Warum, verehrte Anwesende, haben wir einen Vertrag abgeschlossen, der solcherlei staatsrechtliche Lücken von der Größe eines Scheunentors hat offen stehen lassen? [Zwischenrufe] Gewiß, gewiß - Ihr habt Recht! Auch mein Name steht unter dem Vertrag! Er steht darunter, weil ich nicht danach trachtete, den zweifellos vorhandenen Nutzen der getroffenen Übereinkünfte geringzuschätzen oder gar ihr Zustandekommen in Tat und Handlung zu hintertreiben!

Doch warum haben wir besagte Fragestellungen ausgespart? Allein eine Antwort scheint mir darauf genügend zu sein: nur das rechtfertigt, sie auszusparen, wenn sogleich mit gesteigertem Fleiß und Eifer zu Folgeverhandlungen vorangeschritten wird, welche diese Probleme einer Lösung zuführen! Nur das rechtfertigt, sie auszusparen, wenn wir das ihnen zukommende Gewicht so hoch einschätzten, um sie in unmittelbarem Anschluss an den Vertrag von Mantrash'Mor zum Gegenstand eigenständiger Konsultationen zu machen!

Verehrte Anwesende! Ehrwürdiges Haus! Ich ersuche diese edle Kurie, sie möge beschließen und ihren Einfluss geltend machen, dass diplomatische Gesandtschaften des Wiedererstandenen Reichs des Horas und des Raulschen Reichs erneut zusammentreffen sollen, um den Entwurf einer die im Vertrag von Mantrash'Mor ausgesparten Südmeerangelegenheiten abdeckenden Thalassokratieakte zwischen Adlerthron und Greifenthron zu erarbeiten und den jeweils zur Entscheidung befugten Amtsträgern mit dem Behufe vorzulegen, sie nach eingehender und gewissenhafter Prüfung als bindenden Vertrag zwischen beiden Reichen in Kraft zu setzen.

Zugleich erbiete ich mich im Namen des Hauses di Piastinza und der anderen in der Sewamunder Uthuria-Compagnie assoziierten Familien, solchen Konsultationen mit Ratschlag und fachkundigem, in diesem juristischen und derographischen Spezialgebiet erfahrenen Personal Unterstützung zu gewähren und, sollte dies gewünscht sein, auch Angehörige einer entsprechenden Delegation zu stellen. Der Delegierte unserer Stadt Sewamund wird einen entsprechenden Antrag in der erforderten Form im Anschluss sogleich einreichen.

Das Haus der Edlen möge bedenken, dass eine Nichtbeachtung dieser juristischen und diplomatischen Angelegenheit zu unabsehbar abträglichen und schädlichen Folgen für den Frieden zwischen beiden Reichen und für die gemeinsame Wohlfahrt unserer Gemeinwesen führen mag!

Ich danke dem Haus der Edlen für die zuvorkommende Erteilung der außerordentlichen Redebefugnis!"

Panthino von Urbet

Autor: Gonfaloniere

Die Hoffnung Panthinos, die in ihrer Relevanz bereits bewertete laufende Debatte zumindest für ein Nickerchen nutzen zu können, zerstob sich rasch. Tumult und Zwischenrufe forderten seine Aufmerksamkeit ein. Im Mittelpunkt stand mal wieder der für seine ausschweifenden Redebeiträge zu uthurischen Themen berüchtigte Justiziar von Sewamund. Und natürlich ging es diesem auch diesmal um sein persönliches Steckenpferd. Kurz überlegte der Baron, welchen Sinn es machte mit dem Mittelreich überhaupt über Kolonialfragen zu verhandeln – bevor er sich ein Narren schalt, dass er diesem absurden Gedanken des Piastinza auf den Leim gegangen war. Durchaus verärgert erhob er sich, um im sich erst langsam legenden Tumult eine Gegenrede zu halten, überlegte es sich dann aber anders.
„Ehrwürdiges Haus“, fing er schließlich zu sprechen an, als sich wieder ein angemessener Geräuschpegel eingestellt hatte, „ich ersuche, dem Signore di Piastinza ein Honorar von je fünf Talern aufzuerlegen … zu zahlen jedem Anwesenden für die soeben so grandios gestohlene Zeit.“