Briefspiel:Kaiserjagd/Prinz und Prinzessin
|
Prinz und Prinzessin
26. Hesinde 1046 BF (St. Festo), Aldyra
Autor: Gonfaloniere
Nur geübte Beobachter konnten das Zucken im Gesicht der Prinzessin von Grangor sehen, als der Körper des unterlegenen, aus dem Sattel gestoßenen Tjosters auf dem harten Boden der Turnierbahn aufschlug. Sein Schmerzensschrei ging einem durch Mark und Bein. Mit der Disziplin, die schon ihre Mutter auszeichnete, zwang die junge Hochadlige ihren äußeren Ausdruck schon einen Wimpernschlag später aber wieder in die Maske, die sie bei solchen Gelegenheiten aufzusetzen gelernt hatte. Freundlich lächelte sie schließlich dem Sieger dieses Lanzengangs zu, als der sein Ross vor die Ehrentribüne gelenkt und den Helm für eine Reverenz abgesetzt hatte.
„Bravo“, polterte da der Gastgeber los, „so sieht ein sauberer Sieg aus! Gratulation Euch, Cavalliere.“ Die Begeisterung des Barons und Fürstensohns für diesen Zeitvertreib war einfach für jeden ersichtlich. Er schien sich hier, anders als die insgesamt vier Frauen an seiner Seite, keiner Maskerade bedienen zu müssen.
Neben Folnor saß als Ehrengast zunächst Heldora, die Herzogin selbst, und schräg versetzt hinter ihr die ebenfalls dem Haus derer vom Großen Fluss entstammende Praios-Geweihte Grimhelda, ihre Anstandsdame. Neben ihrer Mutter war Prinzessin Larona aber der eigentlich interessante Gast des Turniers. Das wusste ihre eigene „Hofdame“ Linara Pirialdo, die vierte und ganz außen sitzende Adlige der Grangorer Delegation, nur zu genau.
Seit Herzog Cusimo die vier vor über einer Woche zunächst nach Vinsalt geschickt hatte, um im garlischgrötz'schen Palast in der Hauptstadt aufs Signal zum Aufbruch nach Aldyra zu warten, war ihnen allen die Sondermission, auf der sie sich befanden, überaus klar: Beim ersten Zeichen einer sich vom Sangreal her nähernden Reisegesellschaft, zu der der Kaiser gehören könnte, sollten sie selbst scheinbar spontan in Aldyramon vorstellig werden, ein paar Tage verfrüht, um vor allem Larona Gelegenheit zu geben sich von ihrer besten Seite zu präsentieren.
Das tat die Prinzessin seither auch geflissentlich, obwohl sich in Aldyra herausstellte, dass der Kaiser gar kein Teil der ersten großen Reisegesellschaft war. Folnor, der Erste Paladin, war mit einem Teil des Hofstaats vorausgereist, wohl um seinen Pflichten als Baron nachzukommen, aber auch um die Ankunft Khadans vorzubereiten. Dass er, Folnor, der noch unvermählte Erbe des Fürstentums Vinsalt, selbst als Nebenziel ihrer Mission ausgegeben worden war, ließ die verfrühte Anreise der Grangorer Damen zumindest nicht überflüssig erscheinen. Sein Interesse für die fast halb so alte Prinzessin schien bislang über eine wohl auch von seiner Seite pflichtbewusste Cortesia hinaus jedoch noch nicht entfacht worden zu sein.
Linara, ihre nächste Vertraute, war sich ehrlich nicht sicher, ob dies der Tochter des Herzogs derzeit nicht sogar ganz recht war.