Briefspiel:Kaiserjagd/Ein Herz und eine Seele
Ein Herz und eine Seele
1. Firun 1046 BF morgens, im Palazzo der Familie Solivino in Urbasi
Autor: Bella
Früh am Morgen, als die ersten Sonnenstrahlen durch die Fenster fielen und der Palazzo gerade träge erwachte, klopfte Alvinia leise an die Tür zum Zimmer ihres jüngeren Bruders. Als ein „Herein!“ ertönte, trat sie ein. Ricardo lag auf dem Bett und las konzentriert ein Buch über Heldensagen.
„Hallo, Schwester“, begrüßte er sie und widmete sich wieder dem Buch. Alvinia ließ sich auf das Bett fallen und sah ihm eine Weile zu.
„Was liest du da?“
„Ein Buch über Gerons Heldentaten, verfasst von Rondriana Carson, es ist erst vor Kurzem erschienen und Mutter hat es mir gekauft. Sie weiß doch, wie gerne ich Helden mag.“
Alvinia nickte und schwieg wieder. Sie und ihr Bruder waren ein Herz und eine Seele, besonders seitdem ihre ältere Schwester Doriana und die jüngste Schwester Innocencia nur noch so selten zu Hause waren und sie sie beide vermissten. Doch sie wusste einfach nicht, wie sie anfangen sollte.
„Ricardo, vor ein paar Tagen ist ja Rahjesco zur Kaiserjagd aufgebrochen. Weißt du, ich würde gerne auch dorthin“, begann sie vorsichtig.
Ricardo legte das Buch zur Seite, richtete sich auf und sah sie erstaunt an. „Warum denn das? Ist das nicht etwas spät? Die Jagd fängt doch heute an.“
„Ich weiß. Aber ich wurde beauftragt, dort hinzugehen.“ Sie sah ihm eindringlich in die Augen. „Bruder, vertrau mir, ich muss dorthin. Die Anreise wird auch kein Problem sein, nur…“
„Vater“, fiel Ricardo ihr ins Wort und grinste. „Ich verstehe schon. Und hier soll ich helfen?“
„Genau, Mutter wird es in Ordnung finden, aber Vater sicher nicht. Er denkt wahrscheinlich, ich wäre zu jung oder so etwas, aber dem ist nicht so.“ Sie schüttelte leicht den Kopf. „Ich wollte nur, dass du weißt, wo ich bin, nicht dass sich jemand unnötig Sorgen macht.“
Ricardo fuhr sich durch die dichte Lockenmähne, die auch seiner Schwester zu eigen war. Er wusste, dass sich trotzdem alle Sorgen machen würden, natürlich, und dass er verantwortlich gemacht werden würde. Dennoch sagte er zögernd: „In Ordnung. Ich werde es ihnen erzählen, wenn sie danach fragen.“ Er blickte aus dem Fenster zum Sonnenaufgang. „Aber beeile dich lieber, gleich werden alle aufstehen.“
Alvinia strahlte ihn an und fiel ihm um den Hals. „Danke, vielen Dank! Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann. Sobald ich zurück bin, werde ich natürlich alles erklären und die Verantwortung voll auf mich nehmen, versprochen! Aber es ist wichtig, dass ich erst einmal dorthin komme. Auf Wiedersehen!“
Ricardo erwiderte die Umarmung. „Auf Wiedersehen!“
Sie sprang auf und eilte aus dem Zimmer. Ricardo lächelte und wandte sich wieder Geron dem Einhändigen zu. Er musste die ruhige Zeit nutzen, die er noch hatte, bevor jemand Alvinias Verschwinden bemerkte.