Briefspiel:Kaiserjagd/Kaiserliche Herausforderung
Kaiserliche Herausforderung
1. Firun 1046 BF vormittags, Aldyra
Autor: Gonfaloniere
Das sonst so beschauliche Aldyra platzte schon am Morgen und frühen Vormittag aus allen Nähten. Überall rannten Bedienstete der edlen Herrschaften – ob sie nun in der Feste Aldyramon, den Herbergen der Stadt oder den Zelten davor untergekommen waren – in hektischer Betriebsamkeit herum. Die beste Vorbereitung war halt doch nie perfekt und wirklich jeder Jagdteilnehmer schien noch letzte Besorgungen oder auch nur den Einkauf von frischem Obst und Backwaren fürs späte Frühstück in Auftrag gegeben zu haben. Für die einheimischen Aldyrer war dies eine Herausforderung, doch auch Gelegenheit für gute phexische Geschäfte. Und das noch vor der erwarteten Ankunft der Galeeren und Barken aus Vinsalt, die weitere Dutzende Adlige und deren Gefolge aus der Hauptstadt bringen würden.
Das Gefeilsche und Geschacher war auf dem Markt im Zentrum natürlich am größten. Da wurden Jagdpfeile für den Waidmann, leichte Verpflegung für die Reise oder bepeltze Fäustlinge für den „bestimmt noch hereinbrechenden Winter“ feilgeboten. Im Stimmengewirr waren selbst die wenigen hoch zu Ross durch die Menge reitenden Edlen kaum zu hören, die etwa den Rondra-Tempel zur Andacht aufsuchen wollten.
„Heda, mach Platz“, brüllten die sie begleitenden Lakaien immer wieder, um ihren Dienstherrn einen Weg zum erwählten Ziel zu bahnen.
Dann erschall irgendwo in der Mitte des Platzes plötzlich eine Stimme, die alles übertönte: „Oh, ihr Narren, was treibt euch an?“
Allein die Lautstärke versetzte vielen Anwesenden einen Schrecken. Es war, als ob ein leibhaftiger Riese sein Stimmorgan über den gesamten Markt ausschütten würde. Binnen weniger Wimpernschläge verstummten alle anderen Gespräche und die Leute sahen sich, manche eingeschüchtert, manche neugierig um, ohne jedoch einen Riesen unter ihnen ausmachen zu können.
„Ihr dient dem, der gekommen ist, seinen Richtspruch zu empfangen. Dem, dessen Größenwahn grenzenlos ist. Ihr wollt ihm gefallen, der Gevatter Firun selbst herausfordert. Doch wehe Euch und wehe ihm, denn seine Kreatur ist uns erschienen! Der grimme Richter hat seinen Diener in unsere Welt entsandt, weil er der Drachenbuhlerei endlich überdrüssig ist. Der Biancervo ist unsterblich und kommt immer wieder! Auch tausend Lanzen können ihn nicht bezwingen. Sein Richtspruch ist unausweichlich, unerbittlich und unendlich. Seine strahlend weiße Gestalt wird blutüberströmt sein, wenn ihr Narren nicht innehaltet. Doch es wird nicht sein Blut sein, sondern eures, das ihn benetzt. Sein Geweih wird euch tausend Stiche versetzen. Und es wird des Größenwahnsinnigen Blut kosten, bis ihm der letzte Atem entweicht. Denn das ist der Wille des Grimmen und aller seiner Geschwister. Die Drachenbuhlerei endlich zu beenden!“
So plötzlich die unbekannte Stimme ertönte, so plötzlich verstummte sie wieder. Irritiert sahen sich die Aldyrer und ihre Gäste noch einige ewig erscheinende Augenblicke um. Dann setzte langsam das Stimmengewirr wieder ein, wobei sich Fragen mit Empörung, Angst mit Trotz und schließlich dem so viel leiseren Gebrüll eines am Rand des Marktes stehenden Uniformierten im Wappenrock des Adlerordens mischten.
„Niemand verlässt den Platz“, erklang es schon dessen halbe Seitenlänge weiter kaum noch hörbar. „Das ist Hochverrat!“
Autor: Bella
Der Cavalliere Rahjesco Solivino war auf dem Weg zur vormittaglichen Andacht im Rondra-Tempel. Als die laute Verkündung über den Platz schallte, legte er unwillkürlich eine Hand an den Schwertgriff und blickte um sich. Wie zu erwarten, konnte er keinen Hinweis auf den Sprecher entdecken, doch er blieb angespannt. Auf einmal entdeckte er in der Menschenmenge eine vertraute Gestalt: Ein junges Mädchen in einem blauen Gewand, einem weißen Gambeson und mit einem roten, wärmenden Umhang. Die Farben seiner Familie, die auch er trug. Sie stand neben einem Autorität ausstrahlenden Ritter mit dem weißen Adler des Hauses Schreyen auf seinem schwarzen Wappenrock.
„Innocencia … und Festo von Schreyen“, sagte Rahjesco leise zu sich selbst. Er hatte zwar nie offiziell eine Pagin gehabt, doch bis vor einem halben Jahr hatte ihn seine jüngste Cousine als so etwas in der Art begleitet. Er lächelte und begann sich voller Vorfreude auf das Wiedersehen einen Weg durch die Menge zu bahnen, während um ihn herum Diskussionen über den Hochverräter entbrannten.
Innocencia Solivino war mit ihren Gedanken gerade weit weg vom Marktplatz Aldyras. Zu viel war in den letzten Tagen in Vinsalt geschehen. Erst die Opernfestspiele, dann das Erleuchtungsfest: beides waren sehr kurze Nächte geworden und die Eindrücke schwirrten noch immer in ihrem Kopf herum.
Zu ihrem Verdruss war sie heute morgen für ihren Geschmack viel zu früh geweckt worden, um mit ihrem Schwertvater Festo von Schreyen eines der ersten Schiffe von Vinsalt nach Aldyra zu nehmen, sodass sie rechtzeitig zur Andacht im Rondra-Tempel da waren.
Die überraschende, laut über den Platz dröhnende Verkündung vertrieb die letzte Müdigkeit und brachte sie zurück in das Hier und Jetzt. Die Knappin sah sich wachsam um und beobachtete dann die Reaktion ihres Schwertvaters. Festo von Schreyen stand ruhig da, wie ein unerschütterlicher Fels in der Brandung. Seine rechte Hand ruhte auf seinem Schwertknauf, er wirkte konzentriert und nachdenklich und auch die Anweisung, dass keiner den Platz verlassen dürfe, brachte ihn nicht aus der Fassung. Innocencia entspannte sich und nahm eine aufrechte Haltung an. Alle sollten sehen, dass sie keine Angst vor diesem Feigling hatte, der nicht einmal sein Gesicht zeigte. Die Leute um sie herum nahmen wieder ihre Gespräche auf, die sich nun nur noch um die Worte des Unbekannten drehten. Als sie gerade Festo nach seiner Einschätzung des Vorfalls fragen wollte, hörte sie eine vertraute Stimme hinter sich.
„Rondra zum Gruße, Euer Edelwohlgeboren. Es ist mir eine unerwartete Freude, Euch hier zu sehen.“
Festo nickte anerkennend, da sich der Cavalliere gemerkt hatte, welche Anrede er dem ‚Signor‘ vorzog. „Rondra zum Gruße, Signor. Die Freude ist ganz meinerseits.“
Obwohl ihr Cousin höflicherweise Festo zuerst angesprochen hatte, drehte sich Innocencia strahlend um und umarmte ihn. „Rahjesco! Was machst du denn hier?“
„Du hast es noch nicht mitbekommen? Ich dachte, dein Vater hätte es jedem lang und breit erzählt.“
„Nein. Was denn?“, fragte sie ungeduldig nach.
„Ich begleite unsere Weinlieferung zu der Jagd.“
„Oh, das ist ja wundervoll! Wir beliefern den Horas!“
Rahjesco hob beschwichtigend die Hände. „Unter anderem, ja.“
Er ließ seinen Blick noch einmal über den Platz schweifen, der inzwischen von Soldaten abgeriegelt wurde, und wandte sich dann wieder Festo zu.
„Was denkt Ihr über diesen Vorfall? Habt Ihr irgendetwas beobachtet oder gedenkt Ihr, etwas zu unternehmen?“, lenkte er das Gespräch auf die Verkündung des Unbekannten.
Innocencia sah ihren Schwertvater gespannt an.
Festo sah sehr nachdenklich aus. „Wüste Spekulationen helfen uns auf jeden Fall nicht weiter.“
Innocencia zeigte auf den Rondra-Tempel. „Wir könnten einen Geweihten im Tempel fragen. Auch hier draußen sind bestimmt ein paar Priester unterwegs. Und solange wir den Platz nicht verlassen dürfen, können wir genauso gut versuchen, die Sache aufzuklären.“
Festo nickte seiner Knappin zu: „Ich vermute, dass uns am ehesten ein Geweihter des Immerwährenden Horts weiterhelfen könnte.“
Autor: Luntfeld
Das Gefeilsche mit dem Armbruster um den Preis für drei Sehnen und einen Köcher Bolzen war vergessen. Konzentriert lauschte Colmar Luntfeld der donnernden Stimme und versuchte gleichzeitig herauszuhören, aus welcher Ecke des Marktplatzes sie wohl ertönte. Als nach dem Verstummen der Stimme unmittelbar Geschrei vom Rande des Platzes ertönte und der Begriff “Hochverrat” fiel, beschloss Colmar, dass es Zeit war, den Markt zu verlassen. Den ob des gerade Erlebten sichtlich erschütterten Handwerker schwatzte Colmar phexgefällig noch einige Heller herunter, packte seine Käufe in einen ledernen Sack und machte sich auf den Weg.
Doch als ob sich alles gegen ihn verschworen hätte, die aufgescheuchte Menschenmenge war schlimmer als ein Hühnerhaufen. Nur mit kräftigem Einsatz von Schultern und Ellbogen kam der Condottiere einigermassen voran. In einem freien Winkel zwischen zwei Marktständen blieb er stehen, um sich einen gedanklichen Überblick zu verschaffen in welcher Richtung er den Platz wohl am besten verlassen könnte, da seine schlachtgestählten Sinne die Schreie der von allen Seiten herbei eilenden Gardisten sehr wohl einordnen konnte. Colmar hatte keine Lust, nur weil er sich zufällig zu dieser Zeit auf dem Markt befand, jemandem lang und breit Auskunft geben zu wollen über was eigentlich?
Autor: Cassian
Fulvian ya Malachis hatte sich den Morgen damit vertrieben über den Markt zu schlendern, die Auslagen der Händler zu begutachten und sich einen Überblick zu verschaffen, wer hier sonst noch so herumflanierte. Als er die Stimme hörte, reckte er zwar den Hals, konnte aber nicht ausmachen woher genau sie kam. Geistesgegenwärtig blickte er sich um, ob er nicht irgendeine Erhöhung finden könnte, um sich mehr Überblick zu verschaffen. Wenige Schritt entfernt hatte ein Fischhändler einige Kisten und Fässer neben seinem Stand stehen.
Fulvian trat auf ihn zu: “Guter Mann, ihr gestattet?” Und ohne viel Umstände stieg der Adelige auf eins der Heringsfässer. Der Sprecher war mittlerweile leider verstummt, dafür schallte der Ruf “Hochverrat!” über den Platz. Fulvian bemühte sich über die Köpfe der Menge zu blicken, um vielleicht zu erkennen, ob jemand mit eingezogenem Kopf eilig davon schlich oder gar rannte.
Leider kam die ganze Menge durch den Ausruf “Niemand verlässt den Platz!” in Bewegung. Fulvian seufzte, natürlich zeitigte eine solche Aufforderung genau den gegenteiligen Erfolg. Mehr als genug Menschen versuchten nun vom Markt zu kommen und an manchen Stellen brach regelrecht Gerangel aus. Nicht all zu weit entfernt konnte der Barde die kräftige Gestalt von Colmar Luntfeld ausmachen. Der Condottiere arbeitete sich mit Schultern und Ellenbogen aus einem Knäuel heraus und verschwand zwischen zwei Marktständen.
“Eh, Signor, wie lang gedenkt ihr denn auf meinen Heringen zu stehen?”, wurde Fulvian in diesem Moment abgelenkt. Der Fischverkäufer sah mit düsterer Miene zu ihm auf. “Ich will den Inhalt noch verkaufen.”
“Schon gut, ich kann sowieso nichts erkennen”, beschwichtigte Fulvian den Mann und kletterte von dem Fass herunter. Er versuchte dieselbe Richtung einzuschlagen wie zuvor der Luntfelder. Als er allerdings den Ort erreichte, wo er ihn zuletzt gesehen hatte, war der Condottiere bereits verschwunden.
Autor: Rondrastein
Ein Mann, in Farben, die er schon mal in Urbasi gesehen hatte, schob an seinem Begleiter und ihm vorbei, kurz nachdem die Stimme endete.
„Wir sollten hier besser verschwinden, bevor wir hier garnicht mehr wegkommen“, kam es von seinem Nebenmann, „Garde und Orden werden hier alles ab und Ermittlungen durchführen. Dann stecken wir hier den ganzen Tag fest. Komm…“
Timor nickte: „Ja, besser ist das.“ Sie waren eigentlich auf dem Weg zur Andacht im Rondratempel, aber dass konnten sie jetzt wohl vergessen, wenn sie nicht danach die Jagd verpassen wollten. Er folgte dem um ein paar Jahre Jüngeren in eine der Straßen, die vom Platz abgingen.
Auch wenn Philo hier nicht aufgewachsen war, bewegte er sich flink und geübt durch die Menschenmassen auf dem Platz. Das Aufwachsen in den Gassen Kusliks hatte ihn gelehrt, wie er sich zügig durch diese bewegen konnte, ohne dass es groß auffiel. So dass die beiden den Platz schnell verlassen konnten und in eine ruhigere Gasse abseits der Hauptstraßen abbogen.
„Was war das denn?“, als sie unter sich waren, erhob Timor das Wort. „Sowas habe ich noch nicht erlebt. Wie wurde das gemacht?“
Der andere, junge Mann, in edler, aber pragmatischer Gewandung, zuckte mit den Schultern. „Magie? Keine Ahnung, ob man damit sowas machen kann, aber man kann ja fast alles mit Zaubern machen.“ Philo fühlte sich nicht Wohl dabei. Es erinnerte ihn an seine Zeit in Kuslik, kurz bevor er den Baron von Montarena kennengelernt hatte und mit diesem von dort weggegangen ist. „Ist aber auch nicht unsere Sache. Lass dass Stadtgarde oder die Adler klären.“
„Aber das war ein Angriff auf den Horas… ein verbaler Angriff“, Timor schaut seinen Begleiter an. Wie dieser war auch er in Kleidung des Landsknechtstils mit dezenten Farben gewandet. Beide trugen Kusliker Säbel und Linkhand an der Hüfte, schwere Stiefel und ein modisches Barett. „Eine Drohung für die Kaiserjagd… Bist du da garnicht neugierig, was oder besser wer das gewesen sein könnte?“
Herausfordern funkelten seine Augen den anderen Jungen an. „Komm, vielleicht kann man sich einen Namen machen und einem Comto vorgestellt werde, oder gar als Dank für die Aufklärung eine Audienz beim Horas erhalten.“ Timor war aufgeregt, ob der Möglichkeiten, die sich boten.
„Bist du wahnsinnig, lass die klären, die dafür ihr Geld bekommen. Auffallen, egal wie, ist nie gut“, kam prompt die Erwiderung Philos. Auch wenn er jünger war, schien er der Vernünftigere der beiden zu sein. Dennoch kribbelte es in seinem Nacken. Auch wenn er es nicht zugeben wollte, war auch seine Neugier geweckt. „Ach verdammt Timor… Lass uns bloß nicht die Jagd verpassen, also haben wir nicht lange Zeit.“
Der Angesprochene grinste breit, wusste er doch genau, dass er die richtigen Köpfe bei seinem Freund gedrückt hatte. „Wo fangen wir an?“