Briefspiel:Kaiserjagd/Die "Minnesängerin"
Die "Minnesängerin"
26. Hesinde 1046 BF (St. Festo), am späten Abend, Aldyra
Autor: Amarinto
Cavalliera Dela von Saladuk seufzte, als sie das Hotel betrat, in dem der Amarinto mit seinem Gefolge untergebracht war. Als sie die Treppe erklomm, pochte ihr Herz unentwegt, sie kam sich albern vor. Was tat sie hier gerade eigentlich? Sie war auf bestem Wege, ihre persönliche Komfortzone weit hinter sich zu lassen und warum? Nur um einen barbarischen Schnösel aus dem fernen Norden zu beeindrucken? Sie straffte die Schultern, noch vor kurzem hatte sie mit den novadischen Räubern des Schwarzen Löwen im Hochgebirge gefochten und nun stand sie in einem Hotel in Aldyra und hatte Angst davor, eine simple Geschichte zu erzählen. Lächerlich! Mit zielstrebigen Schritten erreichte sie die Tür zu den Räumen des Amarinto. Davor wartete bereits wie abgesprochen dessen Leibwächter, der unheimliche, aber doch mit feinen, fast schon elfischen Zügen gesegnete Arion Amarinto. Er hatte zugestimmt, sie vor seinen Herren zu lassen. Aber er hatte sie auch gewarnt und ihr schreckliche Gewalttaten angedroht, sollte sie dieses Vertrauen missbrauchen. Sie glaubte ihm. Sie hatte die Geschichten über ihn gehört.
Er sagte nichts, sein Gesicht mit dieser sadistischen Kälte zeigte keine Regung. Er nickte und öffnete die Tür: “Signor Dareius, Euer Überraschungsgast ist eingetroffen. Es ist die Cavalliera Dela von Saladuk.”
Seine helle Stimme passte nicht so recht zu seiner brutalen Aura.
Dela betrat das Zimmer, wo Dareius Amarinto in einer kleinen Sitzecke saß. Vor ihm ein Krug mit Wein und ein halbgefülltes Glas. Er las offenbar einen Gedichtband. Wie passend!
Er war gleichermaßen überrascht wie erfreut und erhob sich sogleich, um sie zu begrüßen. “Signora, was für eine Überraschung Euch hier zu treffen. Wie freundlich von Euch, mir die Ehre Eures Besuchs zu erweisen!” Die Tür hatte sich geschlossen. Sie waren alleine.
Dela nickte ihm freundlich zu: “Wie ich Euch bereits schriftlich erklärt habe, hat mich Euer poetischer Vortrag beim Turnier in Terubis nicht mehr losgelassen. Noch nie hatte ich die Gelegenheit einer so erbaulichen Darstellung dieser Kunstform beizuwohnen. Ich bin Euch sehr dankbar dafür. Daher habe ich überlegt, dass Ihr es vielleicht schätzen würdet im Gegenzug einem Vortrag der Kunst der Haimamudim, den Geschichtenerzählern meiner Heimat, zu lauschen?”
Sie lächelte unsicher.
Dareius strahlte, er war sichtlich begeistert von diesem Angebot und nickte dankbar. Er bedeutete ihr, sich zu setzen und holte ein weiteres Glas hervor, welches er ebenso mit dem Roten Linnrather befüllte.
Cavalliera Dela räusperte sich. Ihre Nervosität war wie verflogen, dieser vermeintlich barbarische Schnösel aus dem Norden strahlte wieder diesen seltsamen Zauber aus, den sie schon bei ihrem ersten Zusammentreffen gespürt hatte. Sie lächelte und begann zu erzählen: “Also lasst mich erzählen vom jungen Mann von Rashdul und der Sklavin Subaide …”