Archiv:Der Große Brand von Urbasi (BB 39)

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Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 39, Seiten 24-25 Schildwacht.png Datiert auf: Rondra 1035 BF


Der Große Brand von Urbasi

Feuernacht lässt Machtkämpfe eskalieren, Haus Urbet kehrt nach Urbet zurück

von Sinjara Acciaioli


Urbasi kommt nicht zur Ruhe. Waren es bislang die ‘Träume von Salkya’ (das BB berichtete in seiner letzten Ausgabe), die die Stadt in Atem hielten, eskalierten in ganz anderem Zusammenhang in der sogenannten ‘Feuernacht’ vom 7. auf den 8. Rondra 1035 BF nun die Rivalitäten des Patriziats. Der Palazzo Casciano, Fürst Travianos überdimensioniertes Vermächtnis an seine Familie in der Silberstadt, ist niedergebrannt – und hat allein ein Dutzend Patrizier mit sich gerissen. Wer der Brandstifter ist, bleibt bislang ein Geheimnis, auch wenn nicht wenige das Stadtoberhaupt selbst, den erst in der Woche zuvor wiedergewählten Gonfaloniere Romualdo di Salsavûr trotz einer gegenteiligen öffentlichen Erklärung als Hauptverdächtigen sehen. Wie es in Urbasi und seinem Contado in Aurelat und Gerondrata nun weiter geht, ist noch völlig offen.

Dem großen Brand gingen im Praiosmond bereits hitzige Debatten voraus. Am 23. stimmte die Mehrheit der Signoria für die Aufnahme des jüngeren Hauses della Pena in ihre Reihen. Vor allem der Gonfaloniere selbst war einer der entschiedensten Gegner dieser Entscheidung. Dennoch wurde er am 30. in seinem Amt bestätigt, nachdem Duridanya Zorgazo, die neue Priora ruris, sich in letzter Minute gegen die Kandidaten der Häuser Urbet und della Pena j.H. wandte. Diese setzten wiederum zum Angriff auf die Machtbasis des Gonfaloniere an, als sie eine Beschneidung seiner Kompetenzen im Ufficio militaris forderten. Die übliche Rivalität, mochten Beobachter der politischen Verstrickungen in der Silberstadt zu diesem Zeitpunkt noch denken. Und doch stand nur wenige Stunden später alles, was man bislang über die Machtverhältnisse in Urbasi zu wissen glaubte, in Frage.
Das Haus Urbet wollte an diesem Abend den Studienabschluss seiner ersten Absolventin der berühmten Universalschule Methumis feiern, wozu sich auch große Teile des Patriziats der Stadt angekündigt hatten. Nur die namhaftesten Vertreter der Häuser Salsavûr und della Pena ä.H. blieben dem Fest wie in der Vergangenheit oft fern. Selbst die neue Priora Duridanya verpasste die Feierlichkeit nicht. Und gefeiert wurde wohl, auch wenn etwa die sich ankündigende Niederkunft Tsabellas, der Gemahlin Auricanius‘ von Urbet und Tochter Condottiere Uolbo Valpozas kurz für etwas Aufregung sorgte. Was danach in welcher chronologischen Folge genau geschah, bevor der Palast in hellen Flammen stand, lässt sich kaum noch rekonstruieren. Von sprechenden Raben und einem ungewöhnlichen Nebel direkt unterhalb des Palazzos ist unter Augenzeugen der Geschehnisse die Rede. Dann gellte der Schrei, die Salsavûrs hätten den Palast in Brand gesteckt, durchs Gebäude. Tatsächlich gingen zu diesem Zeitpunkt von den Halbkellergeschossen, die der Palast durch seine Hanglage hat, bereits schwarze Rauchfahnen aus, die am sich im Inneren ausbreitenden Feuer keinen Zweifel ließen.
Die – unter Waffen – entsandten Vertreter des Hauses di Salsavûr auf der Feier, des Gonfalonieres Bruder Timor Sâl und Baron Lorians Schwester Larissa, wurden kurz darauf offenbar von den Hausherren eingekreist, wobei Baron Panthino von Urbet mit der Armbrust die einschreitende Priora Duridanya verwundete und zumindest Larissa unter mysteriösen Umständen die Flucht gelang. Der Palast selbst aber brannte bald lichterloh, während sich darin wie davor unter flüchtenden Patriziern und herbeieilenden Popoli Chaos ausbreitete, das erst allmählich einem zumindest teils geordneten Vorgehen zur Hilfe der Überlebenden und Schutz benachbarter Gebäude – darunter des Magistratspalasts und Rahja-Tempels – vor einem Übergreifen der Flammen wich. Wer indes die Embleme der Häuser Urbet oder Salsavûr trug, konnte sich seiner Haut nun nicht mehr sicher sein.
Das Inferno im Palazzo Casciano bildete bald nur noch die Kulisse, vor der sich die Eisenwölfe der Salsavûrs und die Basiliskengarde der Urbets auf dem Renascentia-Platz gegenüberstanden. Mit Timor Sâl als Geisel flüchteten sich letztere in den Hesinde-Tempel, um den die Wölfe ihren Belagerungsring zogen. Erst am frühen Morgen vermittelte die Hohe Lehrmeisterin Ingalfa Dalidion für ihre ungewollten Gäste einen Abzug zum Turaniterkloster vor der Stadt, das hernach ebenfalls von den Salsavûrs abgeriegelt wurde.
In der Stadt selbst brannte der riesige Palast des Hauses Urbet weiter, wenn auch ein völliges Übergreifen der Flammen auf benachbarte Gebäude dank des Einsatzes der Brandbekämpfer und vor allem der Gnade der Götter, die bereits in der Nacht Gewitterregen sandten, verhindert werden konnte. Dass zwielichtige Elemente das Chaos für ihre Zwecke missbrauchten, konnte dies nicht verhindern. Von Plünderungen und sogar Morden unter den Popoli wird berichtet. Vielerorts lagen Recht und Ordnung einfach brach, weil die Entscheidungsträger der städtischen Politik miteinander beschäftigt waren und ein gemeinsames Vorgehen in weite Ferne gerückt schien.
Den sich bald bewahrheitenden Gerüchten, dass der Gonfaloniere schon in der Nacht die Armillaneri, die städtischen Söldner, die stets eine Bannmeile zu achten hatten, unter Aufhebung derselben gerufen hatte, begegneten die übrigen Patrizier misstrauisch. Die Angst vor einer neuen Tyrannei des Stadtoberhaupts, wie es sie zuletzt unter Traviano gegeben hatte, trieb sie zur Ergreifung von Gegenmaßnahmen. Miguel Flaviora, Romualdos Vorgänger als Gonfaloniere, ließ so etwa die gesamte Vorstadt Agreppara, in der seine Familie den größten Einfluss besitzt, vorsorglich selbst von seinen Getreuen abriegeln. Ein Vorstoß vor allem Malvolio della Turanis zu einem geeinten Vorgehen sowohl gegen die Urbets wie Salsavûrs scheiterte hingegen an der Uneinigkeit der anderen Familien. Die Angst selbst bewahrheitete sich am Ende auch nicht: Romualdo ließ die Armillaneri nur vor, aber nicht in die Stadt ziehen.
Und während schon die ersten Toten aus den Brandruinen geborgen wurden, ließ sich der Gonfaloniere auf dem Renascentia-Platz unter heiligem Eid von einem Inquisitor des Turaniter-Ordens dazu befragen, ob er selbst dessen Brandstifter gewesen sei. Das abschlägige Urteil des Geweihten wurde nur durch die Tatsache getrübt, dass er einem traditionell in Diensten der Salsavûr stehenden Rittergeschlecht entstammt. Unterdessen ging die Belagerung der Urbets im Kloster weiter – und die Bergung der vielen Leichen der Feuernacht auch. Neben hochrangigen Mitgliedern der einstigen Fürstenfamilie, darunter Comtessa Udora, Baron Panthinos Gemahlin Areda und die Condottieretochter Tsabella, deren im Inferno geborene Tochter immerhin wie durch ein Wunder überlebte, war etwa auch der Gesandte des Erzherrschers zur Untersuchung der Träume von Salkya, Wulfen von Rodebrannt, unter diesen.
In Arivor, so heißt es, nahm man diese Nachricht bestürzt zur Kenntnis, ohne daraus ein Politikum machen zu wollen. Anders in Urbet, wo Valvassor Valpoza dem Gonfaloniere Urbasis unverhohlen Drohungen entgegen schmetterte, sollte er das im Kloster belagerte Haus Urbet mitsamt seiner neuen Enkelin nicht abziehen lassen. Romualdo wandte sich deshalb ans Patriziat, wünschte dessen Unterstützung für den Konflikt gegen den alten Besatzer der Silberstadt. Die Signoria entschied sich dagegen. So kehrten die Überlebenden des Hauses Urbet am 20. Rondra der Stadt, die sie einst beherrscht hatten, in einem wahren Leichenzug schließlich den Rücken. Geblieben sind allein der Turaniter-Subprior Auricanius, der einstige Streitturm ihres Palasts, der inmitten der Brandruinen bereits der ‘Torre del Terror’, der ‘Turm des Schreckens’ genannt wird … und viele Fragen über die Machtverhältnisse in der Silberstadt, die nach dem großen Brand wohl nie wieder so sein werden, wie man sie einst kannte.

Armin Bundt