Briefspiel:Königsturnier/Die Meister des Tjosts III

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Horasturnier.png Geschichten am Rande des Königsturniers Horasturnier.png
Datiert auf: 25. Rahja 1038 BF Schauplatz: Arivor Entstehungszeitraum: Juli/August 2015
Protagonisten: Der Horas, Nepolemo ya Torese, Udora von Firdayon-Bethana, die 32 Besten des Reiches und weitere Autoren/Beteiligte: Haus Amarinto.png Amarinto, Horasreich-klein.png Athanasius, Calvenschwarz.png Calven, Haus Sirensteen.png Erlan, Haus Urbet.png Gonfaloniere, Haus della Pena jH.png Horasio, Familie di Bassalo.png Klimpermädchen, Haus della Trezzi.png Dellatrezzi, Haus Onerdi klein.png Di onerdi, Haus di Salsavur.png Rondrastein, und weitere
Zyklus: Teil 1, Teil 2, Teil 3

Der Falsche Greif beschreibt die Geschehnisse auf dem Höhepunkt des Königsturniers. Während der Siegerehrung - und nach den Vorfällen um den Geflügelten Löwen und den Schwarzen Turm - attackiert Adalrik von Schreyen den Erzherrscher in tödlicher Absicht. Einen Teil der Vorbereitungen dieses Attentats kann man beim Kellerflüstern belauschen.

An der Ehrentribüne, Schwerterfeld, Arivor, 25. Rahja 1038 BF

Angriff auf den Erzherrscher

Derweil warteten Leonato der Rote und Thalion Gabellano wachsam bei Tarquinio della Pena, der seine Klinge hatte sinken lassen. Cesara della Carenio war neben dem gefallenen Ritter hinter dem Wolfsschädel auf ein Knie gesunken und machte eine grimmige Miene, während sie nach dessen Hals griff. Das hervorquellende Blut mischte sich bereits mit dem Regen, der jetzt auf das Schwerterfeld prasselte. In der Nähe dieser Gruppe stand der Graf von Thegûn, Tilfur, dessen Pfauenfeder im Barett sich unter den Tropfen aus dem Himmel krümmte. Er wandte sich vom Kampf des Schwarzen Turms ab und blickte hinüber zum Erzherrscher.
Nepolemo ya Torese und Udora von Firdayon-Bethana standen noch am Podest mit den noch nicht ausgegebenen Ehrenpreisen für die besten Streiter, von denen nur noch Adalrik von Schreyen bei ihnen geblieben war. Nepolemo hatte die Hand ebenfalls am Griff seiner Klinge und winkte die vom Rande des Feldes nun endlich herbeieilenden Ardariten zu sich. Tilfur von Eskenderun schob sich am Drachen- und am Gabelritter vorbei, den Blick auf die Tribüne gerichtet.
„Comto Erzherrscher! Ihr solltet nicht hier verweilen, wo ihr ungeschützt seid!“ Adalrik von Schreyen sah sich um, ein Dutzend Schritt weiter stolperte gerade einer der Gegner des Schwarzen Turms durch den matschig werdenden Sand. Der Cavalliere von Schreyen sprang behende auf das Podest und nahm die große tulamidische Lanze, die darauf lag, in beide Hände. Er drehte sich in Richtung der anderen Tjoster. Der Erzherrscher trat neben ihn. „Signore, ich brauche Euren Schutz nicht!“
Tilfur von Eskenderun stieß einen Streiter, der ihm im Wege stand, beiseite. Seine Stiefel sanken tiefer in den nassen Sand, als er zu rennen begann.
„Gebt Acht!“ Udora von Firdayon-Bethana hatte eine Hand ausgestreckt, um den Erzherrscher am Ärmel zu greifen. Nepolemo ya Torese drehte sich mit gerunzelter Stirn nach rechts, seine Augen weiteten sich überrascht, als er den chababischen Grafen heraneilen sah.
Dann spürte er einen scharfen Schmerz in seinem Unterleib. Das Metall hatte sich durch die Glieder seines Kettenhemdes gebohrt.
„Für Daicon, Oljana und den Einen!“ zischte der Mann, der die Waffe führte.
Nepolemo ya Torese taumelte vom Podest herunter, die Lanze wurde aus seinem Leib gezogen und der Erzherrscher fiel über das Geländer der Tribünentreppe auf die Sitzreihen. Die dort Sitzenden schrien erschrocken auf und drängten zurück. Von oben eilte nun zwei Imperiale Gardisten die Treppe hinab, ihr Offizier zielte mit seiner Balestra, doch die Prinzessin war im Weg.

Adalrik von Schreyen drehte sich, die Lanze mit der blutigen Klinge in beiden Händen, zu Udora um. Die Prinzessin war nur einen Augenblick erschrocken stehen geblieben. Dann langte sie nach dem Geländer und warf eine der hölzernen Heiligenstatuen um, Adalrik entgegen. Sie eilte die Stufen empor, hinauf zum nun so fernen Baldachin des Horas. Bald, in einem Lidschlag, wären die Gardisten herbei. Adalrik von Schreyen hob die Pala über die Schulter und legte seine Kraft in einen Wurf. Die tulamidische Lanze flog auf den Rücken der Prinzessin zu, die im gleichen Augenblick von einem Mann umgerissen wurde. Die Lanze sauste durch die Luft, zerfetzte den Arm des Mannes und grub sich in den Oberschenkel eines unglücklichen Gardisten.
Udora von Firdayon-Bethana und ihr Retter fielen derweil über den rechten Rand des Geländers. Tilfur von Eskenderun hielt sich den blutenden Arm, schenkte der verwirrt dreinblickenden Udora aber ein schwaches Lächeln. „Seid unbesorgt, Comtessa. Ich werde es überleben.“
Adalrik von Schreyen fluchte wütend, empfing den heraneilenden, zweiten Gardisten aber mit einem Fußtritt und schlug ihm den Schaft von seiner Hellebarde gegen das Kinn. Er zog sein Breitschwert und sprang über den linken Rand des Geländers. Dorthin, wo der Erzherrscher lag.

Der alte Löwe auf dem Weg zum Kampf - dem letzten?

War Darion Amarinto bei den Kampfhandlungen auf der Turnierbahn noch verwundert und verärgert daneben gestanden, während er versuchte sich einen Reim auf die überraschenden Ereignisse zu machen, so beobachtete er die Ereignisse auf der Ehrentribune mit zunehmend erschrocken geweiteten Augen. Er konnte wahrlich nicht glauben was da vor sich ging. Nach dem mächtigen Speerstoß des Adalrik von Schreyen gegen den Erzherrscher rieb er sich verwundert die Augen mit der behandschuhten Hand. Konnte das gerade wirklich passiert sein? War der Erzherrscher wirklich getroffen von der Tribüne gestürzt? Darions Gedanken rasten und das Adrenalin schoß durch seinen Körper. Er musste etwas tun, irgendetwas. Als ob er wirklich etwas ausrichten konnte, wenn schon die Gardisten und Rondrianer diesen überraschenden Angriff nicht verhindern konnten?

Das spielte keine Rolle mehr! Wenn es auch nur den Hauch einer Chance gab das Leben des Erzherrscher zu retten musste er etwas unternehmen.

Er zwang seine alten und durch das Turnier durchaus gebeutelten Knochen, spannte seine Muskeln und zog sein Schwert aus der Scheide. Dann lief er los und legte alle verbliebene Energie in das Vorhaben den Erzherrscher zu erreichen, bevor von Schreyen dort war. Auch wenn er wenig Hoffnung hatte, das diesem Unternehmen Glück beschieden war. Aus vollem Lauf rief er die verbleibenden Turnierstreiter, die noch nicht in den Kampf mit dem de Torri verwickelt waren, auf: "Streiter....schnell, schützt den Erzherrscher!"

Auf dem Weg zu der Stelle, an der der Erzherrscher gestürzt war dachte Darion darüber nach ob dieser Kampf womöglich sein letzter werden könnte. Er hatte in seinem Leben viel erreicht und war zufrieden, sein Sohn war wohlgeraten und hatte sich trotz aller Schwierigkeiten zu einem Mann entwickelt, dem Darion guten Gewissens seine Nachfolge anvertrauen konnte. Seine anderen Kinder waren auch ein Quell der Freude für einen alternden Krieger und trotz aller Schwierigkeiten war ihm das Glück einer liebevollen Ehe beschieden gewesen. Erstaunt über sich selbst schüttelte er diese Gedanken ab, so intensiv mit dem eigenen Ende hatte er sich noch nie beschäftigt, nicht einmal vor Morte Folnor oder den anderen Schlachten des Thronfolgekrieges. Woher her nur also diese düsteren Schatten? Vielleicht war es die unglaubliche Tat von Schreyens gewesen? Hatte der Mann, den er immer für seine Leistungen in der Turnierbahn respektiert und mit dem er schon ein ums andere Mal angestoßen hatte, wirklich alle getäuscht?

Das spielte nun keine Rolle mehr, die nächsten Momente würden den Weg weisen. Darion überließ dies nun alles dem Urteil der Götter und überwand mit einer Gewandtheit die ihn selbst überraschte die Absperrungen zum Zuschauerbereich. Das Schwert schützend und zugleich drohend vor sich haltend bereitete er sich darauf vor Adalrik von Schreyen oder womöglich noch weiteren Verschwörern entgegenzutreten. Inzwischen war er sich wirklich nicht mehr sicher wem man noch trauen konnte...

Pamina hörte den Ruf

Pamina di Bassalo hatte gespannt neben ihrer Zwillingsschwester gesessen und verfolgte die Parade der Finalisten, die zur Siegerehrung schritten. Ihr selbst war das Glück nicht hold gewesen bei diesem Turnier, nur zwei von fünf Ritten hatte sie für sich entscheiden können. Das trübte ihre Stimmung aber nicht sehr, sie war sich ihrer Chancen im Klaren gewesen, bevor sie sich zum Turnier angemeldet hatte. Immerhin war das Tjosten nicht Teil ihrer Ausbildung in Methumis gewesen, sondern eher ein Zeitvertreib, den sie im Mittelreich zu schätzen gelernt hatte. Für sie war es eine Ehre an diesem Turnier Teil genommen zu haben und mit diesen tapferen Recken Seite an Seite in die Bahn geritten zu sein.

Umso entsetzter war sie, als erst der della Pena den Unbewaffneten Valporo angriff und dann auch noch der schwarze Turm scheinbar wahllos auf die andere Finalisten losging. Bei Rondra! Sie war schon aufgesprungen und hatte das Hand am Heft ihres Schwertes – den Göttern sei dank, dass sie in ihrer leichten Rüstung zur Siegerehrung erschienen war - als ihr aufging, dass sie noch inmitten der verunsicherten Zuschauer stand. Sie drängte sich an den Rand der Zuschauerreihen und begann über den Zaun zu klettern, der diese von der Bahn trennte. Am Rand angekommen sah sie, dass der Turm bereits von einigen Finalisten umringt war. Dann hörte sie schwach einen Ruf durch den Kampfeslärm „Streiter…schnell, schützt den Erzherrscher!“ Erst bei diesen Worten wurde ihr das Chaos gewahr, das sich auf der Tribüne abspielte, direkt vor dem Baldachin des Horas. Schon begannen die Ehrengäste wie aufgescheuchte Hühner von der Tribüne zu fliehen. Schützt den Erzherrscher? War etwa Nepolemo ya Torese angegriffen worden? Wer würde so etwas ausgerechnet hier wagen? Sie konnte durch den dichter werdenden Regen nichts Genaueres erkennen, aber die Situation schien keineswegs unter Kontrolle. Statt sich also dem Kampf auf der Bahn anzuschließen, rannte sie los in Richtung Tribüne. Ihr Fortkommen wurde jedoch schon bald gebremst, als ihr die ersten Zuschauer auf der Flucht entgegenkamen.

Urbetische Überlegungen

„Ich, Volparo de Crux, einstiger Leutnant der Collaribianci habe mit dieser Hand den Fürsten von Urbasi, den Tyrannen vom Sikram erschlagen.“

Auricanius war wie erstarrt, seit er diese verhängnisvollen, schmerzhaften, und doch auch erlösenden Worte aus dem Mund des vermeintlichen Wulfenbeiners gehört hatte. Plötzlich sah er seinen älteren Bruder wieder vor sich. Traviano saß hoch zu Ross, in polierter Rüstung, mit weißem, goldverbrämten Wappenrock, sein Blick ging in die Ferne, die goldblonden Haare wehten im Wind. Dieses Bild von den Schlachtfeldern des Thronfolgekriegs hatte sich der Geweihte über viele Jahre als prägendste Erinnerung bewahrt. Es war nicht das einzige Bild, das er von seinem Bruder noch im Kopf hatte, beileibe nicht, aber dasjenige, an das er sich am liebsten erinnerte. Der visionäre Blick des Fürsten von Urbasi hatte so viele in seinen Bann geschlagen … bis seine Mörder ihn für immer brachen …

Volparo war der letzte jener Attentäter, der noch lebte, der letzte, den ausfindig zu machen ihm, dem Geweihten, in all den Jahren nicht gelungen war. Auricanius dachte ans Große Gestech von 1030 BF zurück, seinem letzten eigenen Tjostwettkampf, in dem er Praiopius von Trequerce zu Boron beförderte, einen der anderen Verschwörer, die hinter dem Tod Travianos steckten. Und ganz kurz dachte er daran, diesen dunklen Weg ein weiteres Mal zu beschreiten, verwarf den Gedanken jedoch sofort wieder. Dann sah er – wieviel Zeit war vergangen? – den Cruxer bereits im eigenen Blut auf der Turnierbahn liegen. Tarquinio della Pena, der wohl beste, treuste Freund Travianos, stand daneben.

´Natürlich`, dachte Auricanius, ´Tarquinio war nur wenige Schritte vom chababischen Mörder seines Bruders entfernt gewesen, als dieser sich zu erkennen gab. War das Volparo nicht bewusst, als er vortrat?` Es war ihm eigentlich egal. Nur für den jungen della Pena und das, was dieser offensichtlich getan hatte, brachte er zugleich Verständnis und Mitleid auf. Nun war er, Tarquinio, der Mörder …

„Reiß dich zusammen, Auricanius“, durchdrang die Stimme Panthinos endlich die Starre, die vom Geweihten Besitz ergriffen hatte, „hier geht es zu wie in den Niederhöllen … und auf dich pass ich nicht auch noch auf …“

Erst jetzt wurde Auricanius des herrschenden Tumults gewahr, sah in den Augenwinkeln einen Kampf mit mehreren Beteiligten auf der Turnierbahn, seine eigenen Sitznachbarn, die von der Tribüne flohen, und vor allem die Angst in den Augen seiner eigenen Tochter, die neben ihm stand! Aureliana. Rahjada. Selinde. Sie alle waren in Gefahr! Instinktiv machte er sich breit, versuchte gemeinsam mit Panthino die jungen Mädchen vor den panischen Leuten um ihn herum abzuschirmen. Als von der anderen Seite jemand an ihm zerrte, schlug er aus. Eine Abwehrreaktion, zweifellos, die aber irgendjemanden sehr hart im Gesicht traf …

Yandrigas Wut

Yandrigas Wut über den Auftritt ihres Bruders im Tempel war auch Stunden später noch immer nicht verraucht. Die Blicke ihrer eigenen Tochter hatten sie aber kapitulieren lassen. Sie würde ihrer Base Elea nicht in den Osten folgen. Rondra hatte ihr in drei Tagen und Nächten kein Zeichen dazu gegeben. Eigentlich hatte sie ihr gar kein Zeichen gegeben.

So stand die Cavalliera aus Urbet nun mit ihrer Tochter und ihrer Knappin etwas verstohlen am Ende der Turnierbahn, um dem Spektakel der Siegerehrung doch noch zu folgen. Die Ardaritin vor ihr, die hier eigentlich niemanden hatte stehen lassen sollen, ließ sie wohl aus Mitleid gewähren. Und Tharinda, auf deren Wunsch sie überhaupt noch einmal den Weg zum Turnierfeld angetreten hatte, folgte dem Geschehen gebannt. In Yandriga machte sich eher ein Gefühl von Entkräftung breit, nachdem sie tagelang kaum etwas gegessen und getrunken hatte. Nicht nur deshalb, auch wegen der Entfernung zur Mitte der Bahn, bekam sie von den gesprochenen Worten ebendort kaum etwas mit.

„Kämpfen die noch weiter, Mama? Warum?“

Plötzlich war Yandriga wieder hellwach. Tatsächlich, unter den zu ehrenden Tjostern entbrannte ein erbitterter Kampf. Was war in die gefahren? War das wegen des aufkommenden Regens? Nein, Unsinn. Der Regen ließ aber alles so unwirklich erscheinen. Und er nahm ihnen langsam auch die Sicht auf die Mitte der Turnierbahn. Nur noch schemenhaft erkannte sie, wie jemand geradewegs von der Treppe der Ehrentribüne in die Zuschauerreihen stürzte. Das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Ein Blick Yandrigas zu ihrer Knappin genügte, um dieser zu bedeuten, ihre Tochter in Sicherheit zu bringen, auch wenn Yandriga sie hier abseits des Tumults nicht wirklich in Gefahr wähnte. Dann rannte die Cavalliera los, auf die Mitte der Turnierbahn zu.

Auf der Tribüne

Ein Mann, das Rapier aus dem Gürtel ziehend, stürzte durch den Regen auf ihn zu. Adalrik empfing ihn mit dem Knauf seines Breitschwerts und drückte ihn nach hinten über die Stufe. Mit einem Schrei stürzte der Mann auf eine der unteren Sitzreihen. Die westliche Seite der Tribüne begann sich in ungeordnete Bewegung zu versetzen. Die oberen Reihen leerten sich bereits, weil Menschen von dort hinab zur Treppe - oder einige wenige, sehr verängstigte, direkt auf die Geronsbahn - strebten.
Adalrik von Schreyen achtete nicht auf die Flüchtenden, sondern blickte sich rasch um. Er war etwas oberhalb der Stelle, wo Nepolemo ya Torese gestürzt war, auf die Tribüne gesprungen. Da! Der Erzherrscher lag nur wenige Schritt entfernt, halb gegen eine hölzerne Lehne gestützt. Jemand kauerte über ihm und versuchte, das aus seiner Bauchwunde quellende Blut aufzuhalten. Adalrik sprang vor und streckte den Unbekannten ohne einen weiteren Blick nieder. Für einen Moment sah er dem alten Erzherrscher direkt in die Augen, las Vorwurf, Unverständnis aber auch Schicksalsergebenheit in dessen Blick. Dann vernahm er ein Geräusch in seinem Rücken. Ein scharfer Schmerz zuckte durch seine, durch Adalriks Schulter.
Weiter oben fixierte ein Offizier der Imperialen Garde den Schreyen über das Geländer hinweg - und ließ die Balestra, die den Cavalliere getroffen hatte, zu Boden fallen. Er drängte sich an einigen Gästen vorbei, die zu gebrechlich oder ängstlich gewesen waren, die Flucht zu ergreifen. Zu weit entfernt. Adalrik grinste und drehte sich wieder zum gefallenen Erzherrscher um. Er hob das Breitschwert.

Pamina schlängelte sich durch die ihr entgegenkommenden Adligen und erhaschte gerade noch einen Bilck auf einen Mann, der mit erhobener Waffe über einem Gefallenen stand. Dann schob sich wieder jemand in ihr Bickfeld. Sie würde nicht rechtzeitig eintreffen, um den Schlag abzufangen, sie war erst auf der Mitte der Treppe angelangt.

Darions Schwachpunkt und Dareius' Eile

Seine geschundenen Knochen und Muskeln ächzten, nachdem er die Distanz vom Turnierfeld zu dem Ort, an dem der Erzherrscher gestürzt war, in einem Tempo zurückgelegt hatte, dass er sich selbst kaum mehr zugetraut hätte. Entgegen aller Erwartung und Wahrscheinlichkeit stand Darion nun Adalrik von Schreyen gegenüber, der gerade einen Zuschauer, der sich um den blutenden Erzherrscher gekümmert hatte, mit einem Hieb seines Schwertes niedergestreckt hatte. Adalrik sah seinen alten Turnierrivalen aus dem Augenwinkel näherkommen und wandte sich mit düsterem Gesichtsausdruck Darion zu. Dieser fixierte ihn mit einem Blick, der sowohl Verachtung als auch Enttäuschung ausdrückte. Für einen kurzen Moment erschauderte Darion ob dieser paradoxen und zugleich bizarren Situation, unwillkürlich formten seine Lippen ein lautloses Wort: Warum?
Adalrik antwortete mit einem sardonischen Grinsen, wandte sich seinem neuen Kontrahenten zu und attackierte Darion mit einem Hagel gezielter Hiebe. Natürlich kannte er den Schwertkampfstil des alten Turnierveteranen nur zu gut und ebenso dessen Schwächen. Also konzentrierte er seine Schläge auf die Kopfregion, wo Darions Verteidigung seit seiner Verwundung an der Schulter bei der Goldenen Lanze vor einigen Jahren erheblich nachgelassen hatte. Darion konnte diese Angriffsserie mit einiger Mühe parieren und fluchte in sich hinein, ob der Offensichtlichkeit seines Schwachpunktes.

Währenddessen war Darions Sohn Dareius, welcher sich auch auf der Turnierbahn aufgehalten hatte und das Ringen mit dem de Torri belustigt als auch ratlos verfolgt hatte, durch einen Schrei alarmiert worden. "Streiter ... schnell, schützt den Erzherrscher!" Das war eindeutig die Stimme seines Vaters gewesen. Ohne zu zögern zog er sein Schwert, stemmte seine Beine in den feuchten Sand und lief so schnell es möglich war durch die aufgeweichte Turnierbahn in Richtung Tribüne.
Er konnte durch den starken Regen kaum etwas erkennen, aber als er näher kam erkannte er seinen Vater im Zweikampf mit Adalrik von Schreyen, während neben ihnen am Boden eine offenbar verletzte Person kauerte, die verdächtig dem Erzherrscher ähnelte. Die Gedanken rasten durch Dareius' Kopf, für Verwirrung war jetzt kein Platz, sein Vater und der Erzherrscher brauchten Hilfe. Für alles andere war später Zeit. Er hob sein Schwert zum Angriff und rannte auf den Kontrahenten seines Vaters zu.

Inzwischen hatten mehrere Imperiale Gardisten Udora von Firdayon-Bethana erreicht. Der Graf von Thegûn wich respektvoll zurück, als die Männer sich der Prinzessin annahmen. Sie warf ihm noch einen dankenden Blick über die Schulter zu, bevor sie hinter den Vorhängen des Baldachins verschwand. Eine Handvoll Ardariten war jetzt auf der Geronsbahn erschienen und teilte sich auf: Zwei gesellten sich zu dem immer noch regungslos im Regen stehenden Tarquinio della Pena, der indes weder von ihnen noch von seiner weiteren Umgebung irgendwelche Notiz zu nehmen schien, ein weiterer drängte sich an manchem unschlüssigen Streiter und flüchtendem Zuschauer vorbei zur Tribüne und einer wandte sich dem Kampf um den Schwarzen Turm zu.

Duell der Turnierveteranen

Auch wenn Darion erhebliche Schwierigkeiten hatte, die wütenden Hiebe von Schreyens zu parieren, war dieser nicht der Einzige, der seinen Gegner lange studiert hatte. Er musste nur eine Möglichkeit zum Gegenangriff erhalten und er würde von Schreyens Achillesferse, die Parade von tiefen Attacken, ins Visier nehmen. Nach einem unsauberen Hieb bot sich diese Chance und Darion ergriff sie: Er setzte eine Finte auf den Schwertarm und zog seinen Schlag urplötzlich nach unten. Adalrik konnte gerade noch sein Schwert nach unten reißen und lenkte den Schlag ab, jedoch streifte die scharfe Klinge seinen Oberschnenkel. Ein metallisches Scharren verriet die eingenähten Metallplatten im Gewand von Schreyens, die Darion anfangs für eine Jacke oder einen Gambeson gehalten hatte. Eine Brigantina - er war vorbereitet, schoss es Darion durch den Geist.

Darion wusste, dass der fast zehn Jahre jüngere von Schreyen so nicht zu besiegen war. Er riskierte einen kurzen Blick auf den Erzherrscher, der sich unter Schmerzen am Boden krümmte. Es sah nicht gut aus, er verlor offensichtlich eine Menge Blut. Darion musste diesem Kampf ein Ende setzen, bevor der Erzherrscher verblutet war. Er musste ein Risiko eingehen, auch wenn er sich selbst dadurch in Gefahr brachte. Er erinnerte sich an seine düsteren Gedanken auf dem Turnierfeld, vielleicht war das sein Ende. Aber er bereute nichts und war bereit sich dem Urteil der Götter zu unterwerfen.
Also nutzte er einen weiteren Hieb von Schreyens für einen riskanten und überraschenden Gegenangriff. Es gelang ihm, von Schreyens Klinge beseite zu schlagen und seine freie, behandschuhte Hand ballte sich zur Faust und traf von Schreyen krachend auf dem Nasenücken, der mit einem widerlichen Knacken brach und von Schreyen zurückweichen ließ. Jedoch war Darion durch dieses riskante Manöver etwas zu weit nach vorne gestürmt und glitt auf dem regennassen Holz des Bodens mit dem Standfuß aus, blieb an einem Pfosten hängen und stürzte fast. Er konnte sich nur festhalten, weil er sein Schwert fallen ließ und sich so an den Balken der Tribünenbegrenzung klammern konnte. Sein Kontrahent war ebenso durch den heftigen Fausthieb kurz aus dem Gleichgewicht geraten, Blut schoss aus seiner zertrümmerten Nase und Tränen in seine Augen.
Trotz allem Schmerz konnte er mit Genugtuung Darions Missgeschick wahrnehmen und entschied, sich nicht mit ihm aufzuhalten. Er wandte sich um und stürmte auf den Erzherrscher zu, um sein Werk zu vollenden. Er hob sein Schwert zum finalen Schlag, endlich war er am Ziel angekommen und konnte den verhassten Rondrianer zu seiner Göttin schicken. Ein böses Lächeln zeichnte sich auf seinen Lippen ab. Doch ohne, dass es ihm bewusst geworden war, hatte er sich ein Sandkorn zuviel Zeit gelassen. Sein Hieb schnellte nach unten, aber im letzten Moment schnellte Darion Amarintos gepanzerter Arm dazwischen, während ebendieser sich mit seinem massiven Körper zwischen von Schreyen und den Erzherrscherr warf. Die Klinge wurde durch die stählernen Armschienen abgelenkt und traf Darion, zwar gebremst, aber dennoch mit einiger Wucht mitten im Gesicht. Eine klaffende Wunde zog sich vom Mittelscheitel fast bis zum linken Ohr, aus seiner linken Augenhöhle sprudelte eine große Menge Blut. Sowohl der schwer verwundete Darion, als auch der von Schreyen stießen einen Schrei aus, der Amarinto brüllte vor Schmerz, während der von Schreyen seiner Wut freien Lauf ließ.

Kaiserlicher Entsatz

Ein Mann mit gelbem Barett und blondem Bart war endlich herangeeilt und schob sich mit gezücktem Langschwert zwischen den Erzherrscher und den sich schwach an einer Sitzlehne hochziehenden Darion Amarinto. Der Anblick der beiden blutüberströmten Gesichter ließ den Offizier der Imperialen Garde kaum innehalten, schon sprang er vor, um den Cavalliere von Schreyen zu attackieren. Dieser schnellte seinerseits vor, wandte sein Schwert jedoch nicht gegen den Gardisten, sondern versetzte dem Amarinto einen heftigen Tritt, der ihn gegen den heranstürmenden Gardisten schleuderte. Der Offizier, für seinen Angriff ohnehin seinen Stand riskierend, wurde aus dem Gleichgewicht gebracht und fiel rücklings erst eine und dann noch eine zweite Sitzreihe hinunter, wo er blutend zum Liegen kam.
Darion Amarinto sank einstweilen auf die Holzdielen nieder, nicht weit entfernt vom Erzherrscher. Trotz seiner schweren Verwundung, konnte er gerade noch bei Besinnung bleiben. Er hatte den tödlichen Hieb abgewehrt, aber all das war nichts wert, wenn er jetzt nicht nachsetzte. In Anbetracht der Situation ließ er alle rondrianischen Grundsätze fallen und steckte nochmal seine letzte verbliebene Kraft in einen einzigen Schlag seiner gepanzerten Faust. Sein Schlag traf den Schambereich seines Gegners mit nachdrücklicher Wucht. Der überraschte Ruf von Schreyens verwandelte sich ebenso in Schmerzensgeheul, während sich sein Körper unter dem Hieb in seinen Schritt zusammenkrümmte. Mit schwindenden Kräften sank Darion zu Boden und bemerkte nicht, dass inzwischen noch weitere Personen am Kampfort eingetroffen waren. Dunkelheit vereinnahmte sein Sehen ...

Paminas Ankunft

Pamina lief so schnell sie konnte die Treppe hoch und nachdem sie einer letzten entgegenkommenden Person ausgewichen und über eine am Boden liegende Gestalt – ein Ardarit? – gesprungen war, hatte sie endlich freie Sicht auf den Schauplatz des Kampfes. Der Attentäter – erst jetzt wurde ihr klar, dass es sich bei dem Mann um Adalrik von Schreyen handelte – krümmte sich gerade nach einem wohl heftigen Schlag in den Unterleib. Direkt neben ihm lag blutend und nicht länger bei Bewusstsein ein Mann in den Farben der Amarintos. Sein Gesicht war derart blutverschmiert, dass sie nur anhand der grauen Strähnen in dem schwarzen Haar vermuten konnte, dass es sich um Darion Amarinto handelte. Pamina sprang über den Gefallenen und brachte sich mit dem Rapier in der einen und einer Parierwaffe in der anderen Hand gerade noch rechtzeitig in Stellung zwischen Adalrik und den am Boden liegenden Erzherrscher.
Mit einer schnellen Attacke versuchte sie ihn auf Abstand zu den Verwundeten zu bringen. „Zurück, Frevler! Wie könnt Ihr es wagen!“ Sie zischte es förmlich, zu entsetzt war sie über diesen Verrat der rondrianischen Gebote. Sie wusste, dass sie einem der besten Kämpfer des Horasreiches gegenüberstand, doch hatte er schon einige Hiebe einstecken müssen und die junge Frau war überzeugt, die göttliche Leuin auf ihrer Seite zu wissen.
Tatsächlich wich Adalrik vor der Attacke der jungen Urbasierin zwei Schritte zurück. Und als er ihr plötzlich den Rücken zudrehte, schoss Pamina bereits ein Gedanke durch den Kopf: War's das? Wendet er sich zur Flucht? Zu spät erkannte sie, dass er sich weiter drehte, um ihr mit einem wuchtigen Rundumschlag sein Schwert durchs Gesicht zu ziehen. Sie brachte gerade noch ihr Rapier zwischen den eigenen Kopf und die heransausende Waffe des Gegners. Klirrend gab der Stahl des Rapiers nach, ihre Waffe brach entzwei. Der Schwerthieb Adalriks wurde jedoch um Haaresbreite über ihre Schädeldecke abgelenkt. 'Wie konnte ich nur so unachtsam sein?', schalt Pamina sich selbst, ehe nun sie wieder zwei Schritte zurückwich. Enttäuschend, wie schlecht gearbeitet diese Prunkwaffen sind, war ihr zweiter Gedanke. Ihr gebrochenes Prunkrapier war kaum noch länger als der Parierdolch in der anderen Hand ... und das Schwert ihres Gegners so furchteinflößend wie eh und je ...

Einer gegen alle?

Zu Paminas Glück stand sie dem Angreifer jedoch nicht länger allein gegenüber. „Verräter“, spuckte neben ihr der jüngere Amarinto, Dareius, seine Verachtung für den einst geachteten Arivorer Kontrahenten geradezu heraus. Neben diesem Zorn war ihm gleichwohl auch die Sorge über den im eigenen Blut darnieder liegenden Vater neben Adalrik ins Gesicht geschrieben. Keineswegs wollte er diesen weiter in Gefahr bringen, und positionierte sich deshalb, vom eigenen Sprint zum Kampfort ohnehin noch schnaufend, zunächst so, dass er Adalrik mit seinem ersten Ausfall vom Vater wegtreiben könnte. Fast gleichzeitig komplettierte ein dritter Bewaffneter den Kreis, der sich um den von Schreyen nun zuzog. Der Wappenrock mit dem roten Schwert auf weißem Feld wies ihn als Mitglied des Ardaritenordens aus.
Adalrik zögerte ob dieser sich ihm nun entgegenstellenden Übermacht und gab den anderen dadurch Gelegenheit, einige Blicke untereinander zu tauschen. Der Ardarit wähnte offensichtlich Dareius in der besten Position für die erste Initiative, während er Pamina mit einem kurzen Blick auf ihre kurzen Klingen von einem Ausfall abzuraten schien. Das schweratmige Röcheln des Erzherrschers in ihrem Rücken erinnerte sie zudem daran, zu wessen Hilfe hier eigentlich alle geeilt waren ... und dass es dafür allzubald zu spät sein könnte.
So stürmte Dareius schließlich als Erster auf Adalrik ein, der jedoch zur Seite auswich und dadurch dem Ardariten in seinem Rücken eine Blöße bot. „Bringt es zu Ende“, wandte der sich plötzlich selbst an Adalrik und nahm dessen Platz im Duell mit dem jüngeren Amarinto ein. Der falsche Ardarit hatte Dareius und Pamina genarrt!
Fassungslos blickte Dareius den Ardariten an, als es ihn wie ein Schlag traf. Er hatte dieses Gesicht schon einmal gesehen, zwar mit schwarzer Farbe getarnt und in der Dunkelheit der Nacht, aber dennoch erkannte er die Gesichtszüge wieder. Dieser Mann war einer seiner Peiniger gewesen, welche ihn vor seinem entscheidenen Duell gegen seinen Schwager Hesindiano della Trezzi überfallen und halbtot geprügelt hatten. Die Überrschung, welche sich in seinen Gesichtszügen gespiegelt hatte, wandelte sich in grimmige Wut. Die Knöchel seiner Finger wurden weiß als er sein Schwert fester packte und auf seinen neuen Gegner richtete. „Verrecke du Wurm, ich prügle die Scheiße aus deiner götterlästerlichen Visage heraus und danach reiß ich dir die Eingeweide mit bloßen Händen aus deiner ehrlosen Brust!“ Mit diesen Worten, die seinem cholerischen Vater in jüngeren Jahren auch zur Ehre gereicht hätten, stürzte er sich auf den falschen Ardariten und deckte ihn mit einem Hagel aus brutalen Hieben ein, welche dieser trotz seiner Entschlossenheit gerade so parieren konnte.

Letztes Aufbäumen

Mit einer schnellen Bewegung hinter dem Rücken seines offensichtlichen Mitverschwörers stieß Adalrik wieder zum Erzherrscher vor, der nur noch von der tapferen Pamina abgeschirmt wurde. Göttliche Leuin, jetzt könnte ich deinen Beistand wirklich gebrauchen, versuchte diese sich selbst Mut zuzusprechen, während sie das Schwert des Verräters schon auf sich zufliegen sah. Sie kreuzte beide Klingen und hielt mit letzter Kraft gegen den ersten Hieb von Schreyens, der sein Unterfangen nun wohl mit aller Gewalt umsetzen wollte. Ihr linkes Knie knickte unter der rohen Kraft, die auf sie wirkte, kurz ein. Doch sie fing sich. Ein zweiter Schlag des Arivorers folgte. Wieder konnte sie diesem nur mit beiden Klingen widerstehen ... und wieder drohte sie schon durch den Schlag allein aus dem Gleichgewicht zu geraten. Adalrik erkannte diese Schwäche und stieß plötzlich mit seiner freien linken Hand gegen Paminas Brustkorb. Sie spürte, wie sie den Halt mit dem weit nach hinten ausgestreckten rechten Bein verlor ... mit dem Stiefel von der Stufe der Tribüne glitt. Krampfhaft stemmte sie sich mit ihren Zehenspitzen gegen den drohenden Sturz. Doch es nützte nichts: Sie verlor den Halt und stürzte hintenüber. Das Grinsen Adalriks begleitete ihren Fall. „Nur über meine Leiche“, vernahm sie noch im Fallen eine keuchende Stimme.
Währenddessen hatten der falsche Ardarit als auch Dareius ihre Waffen verloren. Das Schwert Dareius' lag einige Schritt entfernt und das des falschen Ardariten ragte aus einer Zuschauerbank, in der es stecken geblieben war. Der falsche Ardarit stach mit einem Dolch nach Dareius, welcher den Angriffen auszuweichen und dabei den Halt auf dem rutschigen Boden zu behalten versuchte. Dareius wartete offenbar auf eine Gelegenheit, sich auf seinen Gegenspieler zu stürzen, sein Blick verhieß dabei offene Mordlust.
Yandriga von Urbet hielt sich nach ihrem Sprint vom Ende der Turnierbahn kaum noch auf den Beinen und schnaufte schwer. In ihrem Blick lag aber tödliche Entschlossenheit, als nun sie sich Adalrik in den Weg stellte. Dass sie eine Eifererin war, die sich selbst zuallerletzt schonte, wusste der Arivorer sowieso. Und dass ihre schnelle, geschickte Schwertführung ihm nicht übermäßig lag auch. Aber war dies hier dieselbe Kämpferin, die ihn vor Jahren so furios im urbasischen Gestech niedergerungen hatte? Adalrik dachte gar nicht erst darüber nach, denn sein Ziel lag ihm sowieso viel unmittelbarer vor Augen: der Erzherrscher. Wie bei Pamina steckte er auch hier alle Kraft in seine Schwerthiebe, drosch geradezu auf die neue Widersacherin ein, die tatsächlich kaum mehr Widerstand zu leisten imstande war als ihre Vorgängerin. Das Grinsen stahl sich erneut auf Adalriks Gesicht. Siegesgewissheit. Ein Gefühl, das ihm vertraut war. Ein Gefühl, das ihn auch schon manches Mal betrogen hatte. 'Nicht heute, nicht im Kampf meines Lebens', hielt er diesmal gegen alle Zweifel dagegen. Yandrigas Schwert flog im hohen Bogen über die Tribüne, als sie es ob der geradezu fanatischen Attacken Adalriks nicht mehr halten konnte. Ihr Körper gab nach, sie sackte aller Entschlossenheit zum Trotz vor Entkräftung in sich zusammen.
Aus dem Augenwinkel sah er wie Dareius Amarinto über dem falschen Ardariten kniete, aus Dareius' Bein ragte der Griff und ein Teil der Klinge eines Dolches. Mit wutverzerrtem Gesicht würgte er seinen Gegner und schlug dessen Kopf dabei immer wieder auf den Holzboden, während der falsche Ardarit hilflos mit seinen Fäusten um sich schlug und sich aus dem eisernen Würgegriff befreien wollte. Adalrik verwarf den Gedanken, dem Mann zu helfen, rasch. Dareius wäre ohnehin noch einige Momente abgelenkt. Mehr brauche ich nicht. Er musste handeln, bevor sein Helfer endgültig aus dem Spiel genommen war.
Darion, Yandriga und Nepolemo lagen nurmehr sonderbar verkeilt vor dem Verräter, der bereits ausholte, um sie mit seiner Waffe allesamt in Stücke zu hacken. Dann durchfuhr ihn selbst ein niederhöllischer Schmerz. Ungläubig sah er an sich herunter, während er versuchte, die Kontrolle über seine Beine zu behalten. Ein zerbrochenes Prunkrapier steckte ihm im linken Unterschenkel, ein Parierdolch im rechten Oberschenkel. Pamina klammerte sich an die Griffe, mehr liegend als stehend. Ein schwach geführter Schlag Adalriks verfehlte ihren Kopf, als die Urbasierin sich nach hinten fallen ließ. Der Cavalliere machte einen taumelnden Schritt nach vorne. Ich muss es zuende bringen, flackerte es durch seine erlahmenden Gedanken. Dann traf ihn ein ungezielter Tritt Yandrigas, Schmerzen durchfuhren seine Beine. Der Mann mit dem schreienden Greifen auf dem Wappenrock stürzte...

Nach dem Sturz des Greifen

Dareius ließ nun endlich von seinem Kontrahenten ab, da er realisierte, dass sich dieser schon seit einigen Augenblicken nicht mehr rührte, der aufgerissene Mund und die starren, glasigen Augen zeigten keine Lebendigkeit mehr. Er zog sich unter großen Schmerzen den Dolch des falschen Ardariten aus dem Bein, kam mit einem Kraftakt auf die Beine und sah von Schreyen gerade durch einen Fußtritt Yandrigas stürzen. Er schickte sich an, ihr zu Hilfe zu eilen, aber das verwundete Bein trug dieses Vorhaben nicht so recht mit und konnte sich gerade noch einem Pfosten abstützen...

Nachdem der Verräter gestürzt war und wohl keine Bedrohung mehr darstellte, rappelte Pamina sich wieder auf und eilte zu den stärker Verwundeten. Die Zeit wurde langsam echt knapp… „Wir brauchen einen Heiler!“, rief sie etwas hilflos in die Runde. „Schnell, der Erzherrscher verblutet!“, versuchte sie es noch etwas lauter. In der Hoffnung, dass sie jemand gehört hatte, kniete sie sich zu Nepolemo und drückte ihre Hände auf die große Wunde.

Donnergrollen und das Versiegen des Regens

Luca di Onerdi versuchte, die verworrene Situation zu überblicken. Mit einem Mal war auf dem Platz das Chaos losgebrochen. Turnierstreiter gingen, den Turnierfrieden ignorierend, aufeinander los, Menschen starben und der Turm war allem Anschein nach wahnsinnig geworden. Rondras Gebote verhinderten, dass sie sich am Kampf gegen diesen beteiligte und im Chaos hatte sie den ersten Angriff von Schreyens auf den Erzherrscher nicht bemerkt.
Dann hörte sie den Ruf des Amarinto - der Erzherrscher selbst in Gefahr? Luca hatte sich dem Geschehen genähert und von Ferne sah sie nun, wie Adalrik mit mehreren schemenhaft im Regen zu erkennenden Gegnern focht. Adalrik! Sie selbst hatte vor Jahren ein ehrenvolles Duell gegen ihn gekämpft und mehr als einmal war sie gegen ihn in die Schranken geritten. Was war geschehen? Sollten sich alle in ihm getäuscht haben? Menschen liefen durcheinander, versperrten ihr den Weg, stießen gegeneinander. „Platz, in Rondras Namen!“, rief die Geweihte, viel half das jedoch nicht. Ihre Gedanken waren ein einziges Chaos, als sie endlich die Tribüne erreichte.
"Alle Zwölfe, habt Erbarmen!" Entsetzt erblickte Luca den übel zugerichteten Darion Amarinto, die anderen Verletzten und das viele Blut, welches hier vergossen worden war. Am schlimmsten schien es jedoch um den Erzherrscher zu stehen. Die Frau, die sich über Nepolemo ya Torese beugte, hatte Luca bei einem der Tjoste gesehen, erinnerte sich aber nicht an ihren Namen. Zwischen den Händen der jungen Frau floss weiter das Blut heraus und hatte schon ihr Gewand besudelt, während die Lache am Boden größer und größer wurde. Luca di Onerdi blinzelte. Für einen Augenblick hatte sich ein purpurner Schimmer über das Blut gezogen.
Luca schüttelte den Kopf, Wasser spritzte aus ihrem Haar und der Augenblick war vorbei. Sie mussten schnell handeln. Ohne Verbandsmaterial musste Luca auf das nächstbeste zurückgreifen. Mit einem schnellen Griff löste sie die Schwertfibel, die ihren Umhang über den Schultern hielt, und versuchte mit Hilfe der anderen Frau, damit zumindest notdürftig die Wunde des Erzherrschers zu umwickeln und die Blutung zu verlangsamen. Schnell hatte sie einige Handgriffe ausgeführt, die sie beim Militär gelernt hatte, doch ein Blick auf Nepolemo verriet ihr, dass ihre Bemühungen vergebens sein würden. Auch die junge Streiterin musste das bemerkt haben, denn in ihrem Gesicht sah Luca Angst und Verzweiflung. Und auch sie selbst fühlte Panik in sich aufsteigen - der Erzherrscher würde buchstäblich in ihren Armen sterben. Das konnte sie nicht zulassen! Mit zwei tiefen Atemzügen kämpfte Luca di Onerdi ihre Angst nieder und sammelte ihre Kraft für die Aufgabe, die vor ihr lag.

„Betet, Signora!“ rief sie der jüngeren Tjosterin zu, „Betet mit mir, nur die Götter können den Erzherrscher noch retten!“ Luca schaute sich um, um weitere Anwesende auf sich aufmerksam zu machen. Dann kniete sie vor Nepolemo nieder, ergriff seine nur noch schwach herabhängende Rechte und begann mit lauter Stimme ein Gebet zu den Zwölfen, in der Hoffnung, dass die junge Signora sie unterstüzen würde.

„Oh Herrin Rondra, sieh deinen Diener, von frevlerischer Hand niedergestreckt! Herrin Peraine, sieh diesen Sterblichen, leidend von Qualen. Ihr Zwölf Herrscher Alverans, schenkt ihm von der Lebenskraft, für die die Uranfängliche gestorben ist! Denn seht, sein Leib ist geschlagen mit Schmerzen, seht, sein Leben liegt in Eurer Hand. Gebt ihm die Kraft, sich zu erheben und dem Frevel zu trotzen...“

So verharrten Luca und Pamina vor Nepolemo im Gebet. Die Priesterin flehte zu den Göttern, den treuen Diener Rondras zu erretten, und die junge Streiterin sprach die ihr bekannten Zeilen mit, die Luca in ihrem Gebet verwendete. Während die beiden alles um sich herum vergaßen, vernahmen die Umstehenden ein fernes, tiefes Donnergrollen. Die Atmung Nepolemo ya Toreses beruhigte sich allmählich. Noch immer war der Erzherrscher bleich, aber der Blutfluss aus seiner Bauchwunde nahm sichtbar ab.
Dann endlich riss der Himmel über Arivor auf und der Regen begann zu versiegen.