Briefspiel:Arinkelwaldereignisse/Thersion an Endor

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Der folgende Brief stammt aus der Feder von Thersion Gedra und erreichte Endor Dorén am 2. Peraine 1035 BF.

Thersion an Endor

Ehrenwerter Signor Endor, geschätzter Präfekt,
mit Beflissenheit habe ich Euren Wunsch gelesen, verstanden und beantwortet, der Vergangenheit Eures Hauses, Eures Großvaters und des Großen Waldes mit tieferem Verständnis begegnen zu können. In der Tat hat das Hesindeblatt und habe ich selbst über die Jahre eine Reihe von Pergamenten über diese Vorgänge beschrieben und auch bescheidenes Wissen zusammengetragen. Und auch wenn es mich schmerzt, Euch von den Leiden der Vergangenheit zu berichten und so vergessen geglaubte Wunden wieder aufzureißen, so will ich mir doch an Eurer Tapferkeit ein Beispiel nehmen und so gut es geht schreiben, was ich weiß.
Der Tod Eures verehrten Großvaters liegt nunmehr fast drei Dekaden zurück und vieles von dem, was man sich über seine letzte Schlacht erzählt ist in den Jahren seiner Verehrung von Legenden umrankt worden. Nach allem was wir wissen war es der Zwölfte Tag des Peraine-Mondes im Jahre 1006 nach dem Fall Bosparans und Cordovan, der zweite seines Namens, Herr von Shenilo und Gransignor von Pertakis, war ausgeritten, jener Räuberbande das Handwerk zu legen, die seit fast einem Jahrzehnt ihr Unwesen an der Sheniloer Straße und in den umliegenden Waldgebieten des Arinkel trieb. Über die Räuber, die manche als die Vorläufer der noch heute bekannten Arinkelbande ansehen, ist indes nur wenig bekannt geworden. Einige Zeit zuvor hatten sie Aldare Halthera, die Vogtin von Wanka verschleppt und so die Strafmission heraufbeschworen – vielleicht, so muss man heute sagen, gar mit sinistrer Absicht provoziert?
In der Nähe des Dorfes Wanka kam es zum Kampf über den ich nur wenig Hilfreiches zu sagen ist, wie ich fürchte. Klar ist soviel, dass der Angriff zwar zurückgeschlagen wurde, aber unter den aus dem Hinterhalt abgeschossenen Pfeilen der Räuber sowohl Euer Großvater Cordovan, als auch der Hauptmann der Drachenreiter, Aurelio Dorén den Tod fanden. Trotz aller Dokumente, die das Hesindeblatt in den Jahren seines Bestehens zusammengetragen hat, so weiß ich nicht zu sagen, ob einer der Drachenreiter, die damals mit Gransignor Cordovan gen Firun ritten und den Hinterhalt überlebten, heute noch am Leben ist. Vielleicht wäre es weise in dieser Sache den Constabler, Orsino Carson, oder einen seiner dienstälteren Offiziere um Rat zu bitten?
Es betrübt mich sehr, dass mich diese Eure Anfrage erst in diesen Tagen erreicht. Fast will es scheinen, als habe der Herr Boron persönlich, die Zwölfe geben, dass er seine unweigerliche Aufmerksamkeit erst eines fernen Tages auf uns richten möge, einen Schleier des Vergessens über diese Angelegenheit gelegt. Denn vielleicht hätte Ismiane Halthera, die Herrin von Wanka und Kastellanin der Fuldigorsfeste, die unweit der Überfallsstelle liegt, Euch zumindest aus erster Hand von Schlachtfeld, der Pflege der Überlebenden oder der Verfolgung der flüchtenden Räuber erzählen mögen? Aber, ach, die gute Signora Ismiane ward‘ uns – wenn auch in hohem Alter – erst vor wenigen Wochen vom Tode hinfortgerissen!
Euer Vater, Nestor, möge die Herrin Hesinde ihn behüten, hat sich in den folgenden Götterläufen die Verfolgung und Ausmerzung jener Räuber zum Anliegen gemacht. Nach mehreren kleineren Zusammenstößen gelang es ihm schließlich zum Jahresende 1018 nach Bosparans Fall, gemeinsam mit dem getreuen Gardehauptmann Vistelli und einigen Magiern des Draconiter-Institutes die Maleficanten zu stellen. Der Ort dieses – so hofften wir, letzten – großen Kampfes zwischen Räuberpack und tapferen Sheniloer Signores und Drachenreitern war in der Nähe des Gutes Hepheia, etwas nördlich Wankas. Auf beiden Seiten gab es Tote, aber die Räuber bezahlten den Blutzoll für ihre Taten und wurden vertrieben.
Zum ersten Mal zeigte sich jetzt das düstere, verhüllte Antlitz hinter den Räubern: Die Räuber wurden von drei Gestalten in den Wald geführt, zwei Männern und einer Frau, die ganz in schwarze oder dunkelblaue Kutten gekleidet waren, die Gesichter hinter Larven verborgen. Der Vergangenheit eingedenk, verfolgten einige Ritter und der überlebende Magier, kein geringerer als Brilokoros, genannt der Graue, Euer Onkel, die Räuber tiefer in die Wälder. Leider wurden die Einzelheiten jenes letzten Aufeinandertreffens mit den Räubern dem Hesindeblatt damals verschwiegen, und der Magus verschwand wenige Jahre danach und kann dazu nicht mehr befragt werden. Klar ist nur soviel, dass die Räuber – oder Kultisten, wie man sie wohl nennen muss – sich in einer Höhle eingerichtet und dort schwarzen Künsten hingegeben hatten. Die Höhle wurde ausgeräumt und versiegelt, die Kultgegenstände vernichtet, soviel darf gesagt werden, die Räuber und ihre kultistischen Anführer wurden, soviel wir wussten, gefasst oder erschlagen.
Es dauerte dreizehn Götterläufe in denen der Arinkelwald als Hort finsterer Mordbuben nicht mehr in aller Munde war und die in seinem Schatten lebenden Menschen friedlich leben konnten. Sicher, die frechen Küstenfüchse stahlen ehrlos und ohne Respekt vor den Leistungen der Rechtschaffenen, aber es wurden doch keine Menschen verschleppt oder ermordet, keine Kuttenträger mehr gesichtet. Wer mag es uns da verdenken, dass wir die Gefahr für gebannt hielten? Heute ahne ich, dass ein Rest der Räuber, gar einer ihrer larvengesichtigten Anführer überlebt hat und zum Kern jener Wegelagerer wurde, die wir als Arinkelbande fürchten. Ich verhehle nicht, dass ich zwar beunruhigt war, als an jenem Praiostage im eintausendundeinundreißigsten Jahr, da Shenilo zum ersten Mal gemäß der neuen Ordnung einen Gransignore gewählt hatte, die Heroldin des Bundes im Arinkelwald attackiert und verstümmelt wurde! Beunruhigt war ich, in der Tat, aber ahnte ich, was kommen würde, vermutete ich, wer hinter der Tat gesteckt haben muss? Ich gestehe, nein, ich ahnte kaum, vermutete wenig, wusste nichts.
Praios – ich will seinen göttlichen Namen auf Pergament bringen – sei gepriesen, dass nicht ich die Geschicke der Stadt in jenen Tagen in den Händen hatten sondern weisere, tapferere, würdigere Männer! Wie Ihr wisst dauerte es keinen halben Götterlauf mehr, bis Shenilos Reiter und Arinkens Garden von Efferd und Rahja tief in den Arinkelwald vordrangen, in jenem Hesinde-Mond, als Firun eine weiße Decke über das Land gelegt hatte. Während die Drachenreiter um Usvina Cordur, damals noch Ensignia, von mehreren Zusammenstößen mit Wegelagerern und Räubern berichten, ist das Schicksal der drei aus Arinken aufgebrochenen Trupps deutlich finsterer. Wiewohl ich erneut meine Unwissenheit zugeben muss, so kann ich doch nicht umhin zu sagen, dass finstere Magie am Werk gewesen sein muss, wenn wir auch nicht wissen, wer für das Feuer über den schneebedeckten Baumwipfeln verantwortlich war. Verzeiht die nun folgenden traurigen Zeilen, aber ich will getreulich berichten:
Ich sage finstere Magie, weil mir eine andere Erklärung für jene Träume nicht einfällt, die ein halbes Dutzend Kinder in Shenilo, Arinken, Elmantessa und Satara erleiden musste. Ihnen träumte von kämpfenden und fliehenden Menschen im Wald und von Leibern, die von Flammen verzehrt worden waren! Das Hesindeblatt konnte nun herausfinden, dass es tatsächlich gebrannt hat in jener Nacht im Arinkelwald, von Gerüchen berichteten die weitgehend heil heimgekehrten Arinkener Suchtrupps. Genaueres könnten wir – und könntet Ihr – allerdings nur von den Überlebenden jenes bedauernswerten dritten Suchtrupps erfahren, die offenbar in heftige Kämpfe verwickelt wurden und viele Verluste zu erleiden hatten.
Vielleicht gelingt es Euch mit jenen zwei – oh welch' bedauerliche Zahl! – Überlebenden zu sprechen, aber Ihr werdet Phexens Glück brauchen: Die beiden Überlebenden sind Odina Kelpie, eine Patrizierstochter aus Arinken, über die ich wenig zu sagen weiß und niemand anderer als Amaldo di Matienna, Burgherr von Arinken und Anführer jenes unglücklichen dritten Trupps! Amaldo werdet Ihr, so fürchte ich, als wenig gesprächsbereit antreffen – zumal seine Abneigung für die mit Madas Gabe Gesegneten, wie Eure Tochter und jenen Leibmagus aus dem Mittelreiche, weithin bekannt ist.
Ich will schließen, möchte Euch aber erneut meine Hilfe anbieten, sollten diese meine Zeilen mit zu wenig Sorgfalt formuliert worden sein.
Ergebenst
Thersion Gedra, Schreiber
2. Peraine des Jahres 1035 nach Bosparans Fall