Briefspiel:Die Seemannsbraut - 13. Phex 1037 BF - Phexisches Belhanka

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Stadt Efferdas.png Briefspiel in Efferdas Stadt Efferdas.png
Datiert auf: 12. bis 15. Phex 1037 BF Schauplatz: Efferdas und das Meer der Sieben Winde Entstehungszeitraum: Ende 2014 bis Juli 2016
Protagonisten: siehe Übersichtsseite Autoren/Beteiligte: Haus di Camaro.png Dajin, Familie di Bassalo.png Klimpermädchen/Neli, Familie Kanbassa.png Kanbassa, Haus ya Papilio klein.png GrK, Familie di Monte Fuori.png X-toph, Haus ya Pirras.png Elanor, Familie Trenti.png Trenti Haus di Onerdi.png di Onerdi
Zyklus: Übersicht · Bewerberschreiben · Ankunft in Efferdas · 12. Phex 1037 BF - Leinen los · 12. Phex 1037 BF - Leinen los (2) · Die Seemannsbraut - 12. Phex 1037 BF - An anderen Ufern · Phexisches Belhanka · Nachts auf den Zimmern · Auf nach Karsina · Von Marlinen und Lilien · Im Schatten Thuans

Hier geht es um die Ereignisse in Belhanka anlässlich der Brautschau des Croënar di Camaro im Rahmen des Briefspielprojekts Die Seemannsbraut.

Phexisches Belhanka

Folkloristisch und musikalisch setzte sich die Schifffahrt weiter der Küste entlang fort in Richtung Belhanka. Es war eine ruhige Reise, auch der hartnäckige Nieselregen hatte sich bald gelegt, sodass man auf der Verführerin der Rosen sogar in der Lage war, die Planen, die der Festgesellschaft als Dach dienten, einzurollen. Es gab nichts, was irgendwie Sorge hätte hervor rufen können, höchstens als Capitan Cettini vor dem Kap Concordia schon etwas sehr nah an einen aus dem Wasser heran ragenden Felsen heran fuhr. Doch die Anwesenheit des Tempelvorstehers des Dreizacktempels zu Efferdas war da schon von großem Vorteil. Bevor eine größere Havarie geschehen konnte, gab der Geweihte dem unaufmerksamen Capitan einen Klaps auf den Hinterkopf, sodass dieser sich erinnerte, nun besser das Ruder Steuerbord einzuschlagen. Doch selbst wenn, wäre das begleitende Schiff, die Exadaktylos nahe gewesen, um alle Personen schnell an Bord zu nehmen.

So waren auch alle guter Laune, als der Hafen von Belhanka am Abend erreicht wurde. Was für ein Anblick dies doch war. Während auf der einen Seite langsam die Inseln Kosmidions umrundet wurden, um so zum Hafen in Belhamèr zu gelangen, war die Praiosscheibe im Westen kurz davor, den Horizont zu berühren und hatte den Himmel dazu in ein feuriges Rot verwandelt. Es war Esteban, der kurz um Stille bat. „Shhhhshhh... darf ich kurz um Aufmerksamkeit bitten? Es gibt eine alte, sehr rahjagefällige Legende, wonach an Abenden wie diesen, in den Momenten an denen Praios dem Herren Efferd die Hand gibt, genau an diesen Momenten, wo sie sich das erste Mal berühren, ein leises Zischen vernehmen kann, wie als wenn irgendwo ein Feuer erlischt. Der Legende nach können aber nur verliebte dieses Zischen wahrnehmen. Wer also seinem Herz etwas Gutes tun will, der sollte nun ganz genau seine Ohren spitzen.

Es herrschte danach absolute Stille, einzig die Wellen, die an das Schiff prallten und die eine oder andere knarzende Wanke war noch zu vernehmen, sonst war es still. Als letztendlich die Praiosscheibe das Meer küsste, war für die meisten kein Zischen zu vernehmen. Nur Esteban und Isaura, die sich etwas verträumt anblickten, schienen ziemlich sicher zu sein, ein entsprechendes Geräusch vernommen zu haben. Auch die kleine Amaryll di Camaro blickte sehr verträumt in die Weite, auch wenn ihr Blick etwas bittersüßes, trauriges hatte.

Esteban unterbrach die Stille alsbald, es war auch jedem klar, dass die Sonne das Wasser für heute nicht wieder verlassen würde. „Dann will ich doch die Stille und das Abendrot nutzen, um den Ablauf des nächsten Tages zu erklären. Es steht die Prüfung der Phexischen Künste bevor. Jede unserer Brautbewerberinnen wird von uns 20 Dukaten erhalten. Es mag einfach klingen, die Aufgabe wird sein, ein schönes, passendes Geschenk zu besorgen. Bewertet wird dabei allerdings nicht nur die Art des Geschenkes, bzw. wie viel Gestik und Geschichte darin steckt, sondern auch, wie viel von diesen 20 Dukaten dabei Rest bleiben wird. So wollen wir sehen, ob unsere Zukünftige auch mit Handelsgeschick und Hauswirtschaft vertraut ist. Bei Sonnenuntergang sollen alle Gäste wieder zusammen kommen und ihre Gaben präsentieren. Wobei.... ich gestehe, die die Angabe „der nächste Tag“ als Beginn meiner Erklärung war vielleicht nicht ganz richtig ist. Denn wir werden heute unser Quartier auf der Insel Monte Nigro beziehen. Manchen wird dies bekannt sein, dort steht das Casino der Familie ya Duridanya. Und da es eine Phexische Prüfung ist und Phex auch der Gott der Nacht ist, soll eine jede Brautbewerberin die Möglichkeit haben, ihre 20 Dukaten im Glücksspiel zu mehren. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ein Geschenk, dass deutlich mehr als 20 Dukaten gekostet haben mag, allerdings ein Restgeld mit sich bringt, dass 20 Dukaten deutlich übersteigt natürlich ebenfalls als Gültig in die Wertung der Aufgabe mit eingeht. Jeder unserer Einkäuferinnen wird übrigens eine Begleitung haben. Dies soll nur ausschließen, dass jemand den Tag dazu nutzt, eine Banca aufzusuchen. Wenngleich auch das mogeln natürlich phexisch ist, wollen wir es den anwesenden nicht zu einfach machen.

Ich will die neuen Paare auch gleich benennen. Cassiopeia, eure Begleitung durch die nächsten 24 Stunden wird Viviona ya Pirras sein. Corrada, an eurer Seite wird sich meine Tochter Phelippa befinden. Daria, ihr könnt die Nacht und den nächsten Tag mit meinem Sohn Dartan verbringen. Mirinia, auf euch wird meine Base Amaryll achten und Terantina, ihr habt die Ehre, meinen Neffen, ihre Hochwürden Efferdobal durch die Stadt zu führen. So hoffe ich allen einen Phexischen Abend im Casino. Wir werden sicher den ein oder anderen beim Kartenspiel wieder sehen vermute ich.

Im Casino ya Duridanya

Phex liebt andere

Corrada ya Papilio hatte die Einfahrt in den Hafen von Belhanka gelassener verfolgt als ihr Vetter. Horasio fühlte sich an Land wohler und hatte schon hektisch nach einer Schwimmweste gespechtet, als die „Verführerin“ den Küstenfelsen so nah gekommen war. Ein Zischen hatte Corrada bei Versinken der Praiosscheibe im Meer nicht vernommen – so sehr sich der romantische Teil ihrer Persönlichkeit dies auch gewünscht hätte.
Im Casino ya Duridanya war Horasio dann in seinem Element gewesen: Wie ein Wirbelwind war er zwischen Inrahtisch und Würfelspielen, zwischen Phexrad und Pfeilscheibe hin und her geeilt. Dabei hatte er nicht nur Glas um Glas in sich hineingegossen, sondern nicht nur zu Corradas Erstaunen einen ansehnlichen Gewinn eingestrichen. Der Vetter besaß augenscheinlich Talent für und Erfahrung im Glücksspiel.

Sie selbst hatte unter den wachen Augen Phelippa di Camaros mühsam und vorsichtig kleine Beträge gesetzt, bisweilen gewonnen, öfter aber verloren. Phex liebte andere. Nachdem sie doch einmal eine kleine Summe im Kartenspiel gewonnen hatte, beschloss Corrada, es dabei zu belassen.
Phelippa zählte das verbliebene Einkaufsgeld: 18 Dukaten, sechs Taler, neun Heller und ein alter Schilling waren der pausbäckigen Papilio mit den rundlichen Fingern verblieben. Die wertlose Münze hatte ihr ein mitleidiger Spieler als „Glücksbringer“ geschenkt, nachdem er ihre 11 überwürfelt hatte.
Corrada beschloss, vor dem Zubettgehen noch ein süßes, buntes Küchlein zu essen. Wenigstens eine Freude wollte sie heute haben.

Hilf dir selbst, dann hilft dir Phex

Es dauerte einen Moment, bis Santino seine Schwester im regen Getümmel des Casinos ausgemacht hatte. Sie saß an der Theke ein Glas voll tiefrotem Wein in der Hand und ließ ihren Blick aufmerksam durch den Raum schweifen. Santino kämpfte sich durch einen Pulk äußerst angeheiterter Besucher, die allem Anschein nach genug von den phexischen Freuden dieses Etablissements hatten und sich nun andern Orts anderen Vergnüglichkeiten zuwenden wollten. Dabei musste er sich mehrfach den Avancen einiger (seiner Meinung nach für ihr Alter deutlich zu jugendlich auftretenden) Damen erwehren. Als er endlich den Schanktisch erreicht hatte, ließ er sich genervt auf dem freien Platz neben seiner Schwester nieder. Ihrem Blick folgend sagte er dann misstrauisch: „ Du hast doch nicht etwa vor zu spielen oder? Zwanzig Dukaten sind mehr als genug um ein passendes Geschenk für Croënar zu kaufen.“ Halb im Spaß fügte er dann noch hinzu: „Du kennst doch das alte almadanische Sprichwort: Wer sein Glück im Spiel versucht, wird kein häusliches Glück finden.“ Daria rollte mit den Augen. „Und du Sonni weißt: Hilf dir selbst, dann hilft dir Phex.“ – sie nahm einen großen Schluck Wein, stellte dann das immer noch mehr als halbvolle Glas auf der Theke ab und erhob sich von ihrem Hocker. Auch Santino wollte aufstehen, doch seine Schwester schob ihn sanft aber bestimmt zurück auf seinen Platz. „Du solltest dringend lernen dich zu entspannen, schließlich wird hier meine Heiratstauglichkeit geprüft und nicht deine.“ – sagte sie entschlossen – „Außerdem habe ich für heute und morgen ja noch einen anderen Aufpasser.“ Sie nickte in Richtung des an der anderen Ecke des Tresens stehenden Dartan di Camaro. „Denk doch einfach noch ein wenig an den wunderschönen Sonnenuntergang.“ Sie zwinkerte und verschwand in der Menge. Santino seufzte und bestellte sich ein Glas Goldfelser Morgenrot. Ob seine Schwester immer noch sauer war? Wahrscheinlich würde sie ihm die ganze Sache hier in zwei Dutzend Götterläufen noch nachtragen. Er wippte unruhig mit dem rechten Bein – „Hilf dir selbst, dann hilft dir Phex.“ – das klang weniger nach Glückspiel als vielmehr nach einem Casinoraub, hoffentlich schoss sie nicht übers Ziel hinaus… und dann dieser Seitenhieb mit dem Sonnenuntergang, wenn sie ihre Menschenkenntnis doch nur einmal produktiv nutzen würde.

Als Daria die Theke verließ, folgte Dartan ihr mit einigem Abstand. Wenn sie spielen wollte, sollte sie ihr Glück versuchen… Und tatsächlich begab sich die junge Di Monte Fuori direkt zu den Boltantischen, doch sehr zu seiner Verwunderung machte sie keine Anstalten an einem der

Tische Platz zu nehmen, stattdessen stellte sie sich ein wenig abseits und betrachtete Spiele und Spieler. Als an einem Tisch eine Pause eingelegt wurde, gesellte sie sich zu einem der Glücksritter, seinem Aussehen und Benehmen nach… ein Patrizier? Zumindest wohl ein wohlsituierter Händler. Die beiden unterhielten sich einige Zeit, gaben sich schließlich die Hand, der Mann setzte sich wieder an seinen Tisch, während Daria sich zu einem der anderen Tische begab. Dort wiederholte sich das Schauspiel, doch diesmal kam Dartan die Person, mit der Daria sprach, bekannt vor. War sie nicht…? Ja, Sängerin an der Komischen Oper… er kam nicht auf den Namen. Als sich die beiden voneinander verabschiedeten, trat Dartan auf Daria zu: „Entschuldigt meine Neugier, aber es ist nicht zu übersehen, dass ihr etwas im Schilde führt, darf ich fragen was?“ Daria lachte: „Lasst euch überraschen.“ „Das kann ich gerne machen, aber wenn ihr nicht wollt, dass ich weiter wie eine Pelle an euch hänge, wäre etwas Kooperation sicher hilfreich. Es sei denn, euch gefällt es, von mir verfolgt zu werden." Daria lachte erneut, der zweitälteste Di Camaro Sohn machte seinem Ruf alle Ehre. „Ach liebster Dartan, das hier ist doch eine Phexprüfung? Ich habe mit den Herrschaften... gehandelt. Seid unbesorgt, ich habe nicht vor die Regeln der Prüfung zu brechen. Aber ein wenig Geheimniskrämerei ist doch wohl ganz im Sinne des Listenreichen, meint ihr nicht?" Dartan begann zu schmunzeln. „Übertreibt es mit der Phexprüfung nicht, sonst kostet mein Vertrauen auf einmal auch noch eine Gegenleistung." zwinkerte Dartan lächelnd. „Dann macht mal, aber ihr werdet damit leben müssen, dass ich immer wieder mal eine kritische Frage äußere.“ Auch Daria zwinkerte: "Nur zu. Ich werde versuchen mich zu benehmen. Doch falls ihr im Laufe der Prüfung irgendwann das Gefühl haben solltet, eine Gegenleistung wäre angebracht, ich habe gehört auf dem Markt hier gäbe es einen vorzüglichen Weinstand. Wenn alles nach Plan läuft, sollte ich nach dem Kauf des Geschenkes für euren Bruder noch mehr als genug für eine Flasche eurer Wahl übrig haben." „Ich hoffe, ihr glaubt nicht, dass ich das Leben eines Säufers führe, als dass ich mich damit auf jeden Fall kaufen ließe!" lachte er und ließ Daria gewähren.

Bescheidene Gewinne und ein spontaner Ausflug

Cassiopeia stand Ungeduldig an der Rehling. Sie konnte es kaum erwarten, ihr Glück im Casino zu versuchen. Mit Zahlen konnte sie schließlich weitaus besser umgehen als mit Blumen oder Rudern. Endlich mal eine Probe nach ihrem Geschmack! Einzig ihre Begleitung machte ihr etwas Sorgen: Mutter einer Konkurrentin und außerdem noch Jurorin? Na welch ein spaß... Egal, solange sie die Prinzipien der Herren Praios und Phex achtete, und beide sich die Waage hielten, konnte ihr wohl schwerlich etwas passieren. Sie hatte auch schon einen Plan für den nächsten Tag, doch nun stand erstmal das Casino vor ihr, welches sie nicht ohne Gewinn verlassen würde! Eine Zeitlang schlenderte sie durch die Räume, ließ Spiele und Spieler auf sich wirken und begann bald, Statistiken und vermeintliche Siegchancen im Kopf zu überschlagen. Trotz Ihrer Vorsicht und Planung verließ sie das Casino spät am Abend "nur" mit knapp 2 Dukaten Gewinn, was sie ziemlich fuchste. Naja, morgen in der Stadt würde es gewiss besser laufen...

Die merkwürdige Alte, die sie den ganzen Abend hochnäsig schweigend begleitet hatte, richtete so unvermittelt das Wort an Cassiopeia, dass sie regelrecht erschrack. "Phex war Euch heute abend nur mäßig hold, Kind, habe ich recht?" Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr die Dame ya Pirras, von der Cassiopeia nur zu berichten gewusst hätte, dass sie von manchen an Bord des Schiffes mit Comtessa angeredet worden war - von einigen der Wenigen, die sich überhaupt getraut hatten, ihr Wort an sie zu richten, wenn sie es recht bedachte. "Das dauert mich, da ihr ein echtes Interesse am zukünftigen Bräutigam zu haben scheint." Der Blick der Viviona ya Pirras ließ Cassiopeia sich nackt fühlen. "Immerhin bin ich eine waschechte Covernerin und aufrechtes Sehnen lässt mich nicht kalt." Das Lächeln der Matriarchin des Hauses ya Pirras war freundlich und ließ Cassiopeia doch frösteln. "Zufällig bin ich Tempel des Herren Phex zu Belhanka nicht unbekannt und könnte Euch dort hin geleiten, auf dass Ihr um Beistand für Eure Pläne am morgigen Tag nachsuchen könntet. wollt Ihr mich also begleiten?" Viviona ya Pirras zog die Kaputze ihres Umhangs über den Kopf und bog in eine Seitegasse ab. Cassiopeia blieb nicht viel Zeit sich zu entscheiden...

Cassiopeia stand verdutzt da... Wie sollte sie nun darauf reagieren? Gleichwohl die Comtessa zweifellos recht hatte, das Phex ihr nicht über die Maßen hold, und sie auch tatsächlich aufrichtig an Croenar interessiert war, war Comtessa ya Pirras nun einmal doch die Mutter einer ihrer Konkurentinnen, was Cassiopeia vorsichtig werden ließ. Kurz haderte sie mit sich selbst, doch mit einem Achselzucken und einem "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt." eilte sie ihr nach, eiligen Schrittes, aber auch wachen Geistes.

Es viel ihr schwer der Alten zu folgen, die ein ihr schwer zuzutrauendes Tempo anschlug. Cassiopeia hatte kaum Zeit sich den Weg zu merken, die Gassen wurden enger und dunkler. Schließlich verschwand die Baronessa ya Pirras in einem Kellereingang. Kein Klopfzeichen, keine gemurmelten Losungsworte, sie trat einfach ein und zog Cassiopeia einfach mit sich. In eine Spelunke von der Cassiopeia gehört hatte, dass sie geben solle, selbst in Efferdas. Doch ebenso dort wie hier wäre sie auf Idee gekommen eine solche aufzusuchen. "Warte dort, Kindchen", lies die Alte vernehmen und wies auf einen Platz nahe der Wand. "Nur zur Sicherheit", raunte sie ihr noch zu, als sie ihr verstohlen einen Dolch in die Hand drückte, um hernach durch eine rückwärtige Tür zu enteilen. Die Dame ya Pirras schien hier tatsächlich bekannt zu sein: Ein vierschrötiger Kerl, welcher neben eben jener Tür an der Wand lehnte, nickte ihr im Vorbeigehen kurz zu. Cassiopeia stand immer neben dem Tisch, an den sie bugsiert worden war und hielt sich krampfhaft an dem Dolch fest. Alle starrten sie mittlerweile an: Der vierschrötige Kerl, die beiden Matrosen, die eben noch gewürfelt hatten und gegen deren Entermesser der Dolch geradezu lächerlich wirkte, der Alte, der immerhin versuchte ihr ein Lächeln zu schenken, was er tunlicht hätte vermeiden sollen, da ihm alle Schneidezähne fehlten und auch seine anderen Zähne eher Ruinen glichen, denn einer Parade stolzer Schimmel. Aber immer noch besser als der beinah hasserfüllte Blick der alten Hure, die einen Eintopf fragwürdigen Inhalts in sich hinein schaufelte oder der unverhohlen taxierende Blick des Wirtes, dessen Schürze alle Vorurteile gegen Etablissements dieser Art rundweg bestätigte, fanden sich auf ihr doch Reste aller kulinarischen Genüsse, welche in diesem gastlichen Hause in den letzten Wochen offeriert worden waren. "Was darf es denn sein, Mädchen? Möchtest Du auch was essen?" Die Stimme des Wirtes war angenehm ... freundlich, die Art, wie er ihr den Stuhl zurechtrückte, beinah galant zu nennen. Vor Überraschung ließ sich Cassiopeia auf den Stuhl plumpsen. Tja, was sollte sie hier bestellen?

Schnell ließ sie den Dolch im Ärmel ihres Gewandes verschwinden. Nicht, das noch jemand misstrauisch wurde, oder vielmehr... noch misstrauischer. "Habt Dank, guter Mann, aber, mit Verlaub," sie blickte sich verwirrt im Raum um, das verängstigte Mädchen demonstrativ zur Schau stellend, "ich weiß nicht einmal, wo ich hier bin. Die Comtessa wollte mich zum Tempel des Herrn Phex führen. Ebensowenig weiß ich, wann sie zurückkehren wird. Ich halte es von daher für angebrachter, einfach hier zu warten, um uns bei ihrer Rückkehr nicht aufzuhalten. Doch ich danke Euch vielmals für Eure Fürsorge."

"Eine Comtessa war hier, das wäre mir doch aufgefallen." Der Wirt beugte sich zu ihr herab. Cassiopeia hielt instinktiv den Atem an, da sie einen Schwall schlechten Atems erwartete. "Und ihr solltet wissen, dass es in Belhanka keinen Phextempel gibt", raunte er ihr zu, "genausowenig wie ihr hier eine Spelunke voller Halsabschneider mit einem Hinterausgang gibt." Er richtete sich wieder auf; Cassiopeia atmete wieder ein, der erwartete üble Geruch war ausgeblieben. "Einen Becher Roten also für Euch Signorina." ließ der Wirt wieder in üblicher Lautstärke vernehmen und wandte sich um. Die Matrosen würfelten wieder, die Hure war in ihren Eintopf vertieft, der vierschrötige Kerl hatte begonnen sich mit einem Messer den Dreck unter seinen Fingernägeln zu entfernen. Allein der Alte kam mit dieser Farce eines Lächelns unsicheren Schrittes auf sie zu. "So watt wie dich kricht unsereiner hie ja nur selten mal zu Jesicht", lallte er. Soll ich dich mal die Schönheiten von Belhanka zeign?", fuhr er fort und griff sich mit obszöner Geste in den Schritt. Gerade als Cassiopeia anfing sich zu fragen, ob der Dolch scharf genug wäre diesen greisen Lüstling zu entmannen, wurde ihr von unerwarteter Seite Hilfe zuteil: Einer der Matrosen baute sich vor dem Greis auf: "Du solltest jetzt besser zu deinem Platz unter der Brücke gehen, Alterchen, bevor du Signorina - oder mich - noch enrnsthaft entzürnst" Diesen zwar mit drohendem Unterton, doch gleichwohl höflich vorgebrachten Vorschlag schien der alte Lüstling nunmehr eilends umsetzen zu wollen. Als er die Tür hinter sich zuschlug, setzte sich der Matrose wieder und nickte Cassiopeia zu: "Gern geschehen, Signorina." "Danke", murmelte sie, während sie sich wunderte, welch merkwürdige Galane doch die Absteigen Belhankas bevölkerten. Gerade als der Wirt einen Becher Wein vor ihr abstellte, öffnete sich die Hintertür einen Spalt breit. Der Kerl, der sich die ganze Zeit über keinen Fingerbreit von dieser Tür fortbewegt hatte, bedeutete ihr mit einer Kopfbewegung duch die Tür zu gehen. Instinktiv ihrer guten Erziehung folgend angebotenes nicht einfach auszuschlegen griff sich Cassiopeia den Becher, ging auf die Tür zu und öffnete sie. "Ihr könnt später zahlen", rief ihr der Wirt noch nach, als sie die erste Stufe der dahinterliegenden nach oben führende Treppe betrat. Die Treppe war von zwei Öllämpchen nur spärlich beleuchtet. Vierzehn, fünfzehn Treppenstufen zählte sie bevor sie den oberen Absatz der Treppe erreichte. Ohne zu zögern durchschritt sie die Tür vor sich, um danach nicht milde erstaunt zu sein, befand sie sich doch nunmehr in einem Salon. Verschwenderisch eingerichtet, weitaus prächtiger als sie es aus dem

Haus ihrer Familie im heimatlichen Efferdas kannte, wie sie sich eingestehen musste. Was Cassiopeia sicher sein ließ, nicht am falschen Ort zu sein, war die lebensgroße, silbrige Statue eines Fuchses zu ihrer Rechten, der sie sich neugierig zuwandte. "Im Moment ist er nur versilbert, doch wenn aus diesem Ort erst ein richtiger Tempel des Herren Feqz geworden ist, soll er aus lauterem Silber gegossen werden." Cassiopeia fuhr herum. "Ihr braucht nicht zu erschrecken, Kind. Geweihten des Herren der Nacht ist es zu eigen, wie Schatten zu sein." Die Stimme war tief und die tief gezogene Kaputze der weiten tiefschwarzen, von Silberfäden durchwobenen Robe ließ nur den Bilck auf ein scharf geschnittenes Kinn frei, und doch war sich Cassiopeia sicher, es hier mit einer Frau zu tun zu haben. "Setzt dich bitte zu uns", fuhr die Frau fort und wies auf einen der bequem ausshenden Sessel, "und lass uns wissen, was dein Begehr ist."

War diese Frau etwa die Comtessa ya Pirras? Hatte sie die Zeit nur gebraucht, um sich umzuziehen? Cassiopeia setzte sich auf den angeboteten Platz, bedankte sich knapp und nippte am Wein, um etwas Zeit zu gewinnen: er schmeckte überraschend gut. Wieder einmal eine Lektion, das der äußere Schein bei weitem nicht immer das Maß aller Dinge ist... "Euer Hochwürden, zuerst möchte ich Euch danken, das Ihr mich hier in Eurem prunkvollen Tempel empfangt. Meine Begleiterin hat Euch sicher bereits gesagt, worum es geht: eine Familie aus meiner Heimatstadt sucht eine Gemahlin für ihren charmanten und gutaussehenden Sohn." Bei diesen Worten lief Cassiopeia rot an. Sie trank noch einen Schluck Wein, um ihren Kopf zu kühlen, und fuhr fort: "nach langem flehen konnte ich meine Tante überzeugen, mir bei der Brautschau eine Chance zu geben, und nachdem ich die ersten Aufgaben ziemlich in den Sand gesetzt habe, hoffe ich nun, morgen beim Handeln hier in der Stadt mein glückliches Händchen beweisen zu können. Schließlich habe ich an der Seite meiner lieben Tante schon etwas Handelsgeschick bei der Führung unseres Familienunternehmens erwerben dürfen. Heute Abend im Casino war mir Phex leider nicht in dem Maße hold, wie ich es gern gesehen hätte, aber ich bin zuversichtlich, diese Scharte morgen wieder auszuwetzen, so ich denn mit Euch beten und Phex um seine Gunst bitten darf."

Es entstand eine Pause. Wurde sie durch den Stoff der Kaputze hindurch beobachtet? Cassiopeia war sich nicht sicher. "Charmant und gutaussehend. Wohl wahr, wie man mir zugetragen hat. So gutaussehend, dass man sich fragt, wie er mit knapp 30 noch unvermählt sein kann. Weil die Frauen gar nicht schätzt oder gar zu sehr? Das soll Euer Risiko bleiben mein Kind. Doch ist er auch vermögend oder zumindest mit einem passablen Erbe ausgestattet, von dem man noch zehren kann, wenn aller Reiz und alle Schönheit schon lang verflogen sind. Ihr strebt also hohen Gewinn an. Recht so, Feqz liebt die, die Großes wagen. Und auch ist Nehmen seliger denn Geben und doch müssen alle zu ihrem Recht kommen. Wie gedenkt ihr also die zu entlohnen, die euch auf eurem Wege helfen?"

"Nun, in Efferdas gehen zumindest keine Weibergeschichten von ihm um, Hochwürden." beantwortete sie die einfachste Frage zuerst. Der zweite Punkt war etwas kniffliger zu beantworten, galt es doch, ihre Gegenüber nicht zu verprellen. "Er scheint vollauf redliche Absichten zu haben, wie auch die meinen im Traviabund an sich liegen, nicht in einem stattlichen Erbe. Für letzteres könnte ich einfacher die Familiengeschäfte weiterführen, wie es meine liebe Tante eh geplant hatte. Doch der Weg in sein Herz führt nun mal über diese Phexensprüfung. Was mir durchaus lieb ist, versteht mich bitte nicht falsch! Sein - respektive Euer - Segen für ein glückliches Händchen morgen wäre mir im Falle eines Sieges gewiss einiges Wert... Ein Anteil an seinem silbrigen Abbild vielleicht?" und deutete auf die Statue.

Unter der Kaputze drang ein beinah mädchenhaftes Kichern hervor. "Eure Tante tut gut, daran große Stücke auf Euch zu halten. SEINEN Segen erflehen, aber nur erfolgsabhängig zahlen wollen. Das nennt man wohl eine harte Verhandlungsführung. Doch vergesst nicht, dass ER der Meister dieses Spiel ist. Und selbst seine Dienerin glaubt von sich nur schwer zu übervorteilen zu sein. Wenn Ihr also wünscht, dass ich seinen Segen der Händler auf Euch herabrufe, müsst Ihr schon in Vorleistung treten, ihm wie mir gegenüber. Und Götter wie Geweihte sind da recht unnachgiebig. Was könnt Ihr also bieten Cassiopeia aus dem Hause Trenti?"

Cassiopeia dachte nicht lang nach: "Bitte verzeiht, es war nicht meine Absicht Euch zu übervorteilen. Es ist lediglich so, das es mir nicht erlaubt ist, während dieser Prüfung eine Banca aufzusuchen, und auch von meinem wenigen Schmuck möchte ich mich nur ungern trennen, schließlich möchte ich mir nicht nachsagen lassen, ihn zur Erhöhung der Barschaft versetzt zu haben. Was haltet Ihr davon, wenn ich Euch alsbald nach meiner Rückkehr in Efferdas den gleichen Betrag, den ich morgen erhandele, überschreibe? Natürlich zuzüglich Eures Kirchenzehnts."

"Ihr seid hartnäckig. Gut. Aber wie schon gesagt: Erfolgsabhängige Zahlung ist Göttern gegenüber eher unangemessen. Aber wo Ihr Eure Rückkehr gen Efferdas ansprecht: Wir wollen uns beide mit einem Versprechen abgeben, wo Ihr doch keine Schulden machen dürft. Also einfach ein Versprechen, allerdings etwas besser abgesichert, als der sicherlich recht oft und tief dargebotene Anblick des Ausschnitts der geschätzten Terantina ya Pirras. Durch einen heiligen Eid." Eine kurze Pause enstand. Wieder dies mädchenhafte Kichern. "Nun schaut nicht so erschrocken. Ein heiliger Eid wird nicht in Blut unterschrieben und wird Euch nicht Euer Erstgeborenes kosten. Ihr schuldet IHM und mir einen Gefallen. Nichts, was Euch zerstören wird. Wahrscheinlich noch nicht einmal viel kosten wird. Aber gesiegelt durch einen Schwur, den Ihr vor IHM ablegen werdet, mein Kind. Schlagt Ihr ein?"

"Ich soll schwören, das ich Euch nicht um Euren Teil betrüge? Sehr gern, und ich kann Euren Argwohn verstehen, schließlich kennt Ihr mich ja kaum. Meinen Erschrockenen Blick habt Ihr allerdings fehlgedeutet. Er bezog sich lediglich auf meinen Becher." Schuldbewusst warf sie noch einen Blick in den leeren Becher. Der Wein war wirklich gut gewesen. "Von den Eiden der Kirchen habe ich selbstredend schon einmal gehört. Wie genau geht das aber von statten? Was muss ich tun?"

Das war ja wirklich einfach. "Schwöre bei Feqz den heiligen Eid, IHM und seiner Euch segnenden Dienerin (aha also tatsächlich eine Frau) eine gute Tat schuldig zu sein, welche seinen göttlichen Gesetzen nicht zuwider sein und Dich weder an Leib noch Gesundheit schädigen noch Dich ins Verderben stürzen wird. So sprich ich schwöre bei Feqz!" Cassiopeia hatte diesen einfachen Satz gesagt, die Geweihte ihre Hände ergriffen und 'Möge der Gott der Händler mit dir sein!' gesprochen. Cassiopeia hatte noch auf etwas besonderes gewartet, aber die Geweihte hatte nur 'Du solltest jetzt gehen, mein Kind' geraunt. "Das war alles?" war es ihr heraus geplatzt. "Nein mein Kind, noch einen guten Rat: Achte besser auf deine Barschaft!" Mit diesen Worten bekam sie den Beutel in die Hand gedrückt, welcher nun wahrhaft der war, welcher ihre Barschaft für dieses phexsche Spiel enthielt. Kurz hatte sie überlegt, den Inhalt zu überprüfen, es dann aber verworfen. Morgen würde sie sehen, was Phexens Segen bewirken würde. Viel konnte es nicht sein, dafür war es eben zu einfach gewesen. Oder nicht? Einfacher jedenfalls als mit einem Sack über den Kopf ein schwankendes Gefährt zu besteigen. "Möge Phex Euch gewogen bleiben, mein Kind", schnarrte die alte ya Pirras, während sie ihr den Sach vom Kopf zog. Man würde sehen -morgen- dachte Cassiopeia, während sie gähnte.

Woanders im Casino

Mirinia durchschritt das Eingangsportal des Casinos, dicht gefolgt von Amaryll di Camaro. Sie hatte die Wahl der jungen Magierin zu ihrer Begleitung mit einer gewissen Erleichterung hingenommen. Das Mädchen schien ihr von netter und wenig aufdringlicher Natur zu sein und würde somit sicher nicht die schlechteste Aufpasserin abgeben, vielleicht würde sich ja sogar die Zeit für ein paar interessante Gespräche finden.

Das Casino bereitete ihr mehr Kopfzerbrechen, im Glücksspiel hatte sie so gut wie keine Erfahrungen und das aus gutem Grund. Sie bevorzugte ehrliche Geschäfte und war der Meinung, das Glücksspiel den meisten Menschen eher schadete als nützte. Vielleicht ist mein Vertrauen in Phex zu gering? dachte sie bei sich als ihr Blick über die Spieltische wanderte.

Aber wenn ich jetzt gar nicht spiele, wird mir das sicher zum Nachteil gereichen, in einer phexischen Prüfung oder? Etwas zweifelnd warf sie Amaryll einen Blick zu, die das Geschehen an den Tischen aufmerksam verfolgte.

„Entschuldigt Amaryll, vielleicht könnt Ihr mir einen Rat geben? Welches dieser Spiele ist für jemand unerfahrenen zu empfehlen?“ Sie schaute die junge Frau hoffnungsvoll an. Amaryll zuckte kurz zusammen, offenbar hatte sie nicht damit gerechnet nach ihrer Meinung gefragt zu werden. „Nun meine Erfahrungen mit diesen Spielen halten sich in Grenzen, aber Boltan sollte man als Anfänger auf jeden Fall nicht probieren. Vielleicht“,

sie blickte zu einem Tisch mit einem Würfelspiel hinüber, „könntet Ihr das probieren. Es ist nicht so schwer und die Einsätze sind dort nicht so hoch“ fügte sie leise hinzu. Mirinia lächelte dankbar und begab sich an den Spieltisch.

Nach mehreren Stunden, sie merkte gar nicht wie die Zeit beim Spielen verflog, kam sie irgendwann zu dem Schluss, dass sie wirklich keine geborene Spielerin war. Natürlich, das Gefühl zu gewinnen war berauschend und sie konnte nachvollziehen, wieso es einige Menschen immer wieder in die Spielhallen zog, doch Phexens Wohlwollen war zu schnell wieder verloren. So war ihr Vermögen im Laufe des Abends mal über und mal unter 20 Dukaten gestiegen und gefallen. Als sie gerade eine Glückssträhne gehabt hatte, und ihre Barschaft auf 23 Dukaten und 7 Silbertaler angestiegen war, beschloss sie ihr Glück nicht weiter zu strapazieren, und stieg aus.

„Kommt meine Liebe, gönnen wir uns noch ein Glas Wein bevor wir schlafen gehen“, sagte sie zu ihrer Begleiterin, die ihr den ganzen Abend nicht von der Seite gewichen war, „vielleicht hilft das beim Einschlafen vor der richtigen Prüfung morgen früh.“

Während des Spielens waren sie nicht viel zum Reden gekommen und so nutzte Mirinia nun die Gelegenheit der Magierein ein Paar Fragen zu ihrer Vergangenheit und zu Efferdas zu stellen. Nach einiger Zeig gingen sie dann erschöpft schlafen.



In der Stadt

Vertrauen ist...

Daria war bester Laune, schlenderte von einem Marktstand zum nächsten, ließ sich hier die allerneuste Kreation einer hiesigen Parfümerie zeigen – „Oh Santino riech doch mal, Vanille.“ – dort probierte sie sich durch ein halbes Dutzend Pralinen – „Mit Rosenwasser gefüllt. Dartan, das solltet ihr probieren!“ So ging das eine ganze Weile, bis Santino schließlich auffällig diskret an seine Schwester herantrat und ihr, während er zum Schein die Qualität einer ausgestellten gläsernen Vase prüfte, zuflüsterte: „Willst du mir nicht endlich verraten, was du planst? Hast du gestern viel gewonnen?“ Daria, ohne den Blick von einem Teeservice, bemalt mit verschiedensten rahjagefälligen Szenen – eine Pferdemutter mit ihrem Fohlen, ein Rosengarten, ein Weinberg – zu lösen, zuckte mit den Schultern. „Du hast doch nicht etwa ALLES verspielt!?“ Darias Mund umspielte ein Lächeln. „Na gut, kein Grund zur Panik, wir…“ Noch bevor Santino aussprechen konnte fiel ihm seine Schwester ins Wort: „Santino wieviel Uhr ist es?“ „Wieviel Uhr?!... Nun dem Stand der Sonne nach zu urteilen müsste gleich die Traviastunde anbrechen, aber wieso?“ „Ausgezeichnet, entschuldigst du mich für einige Minuten?“ – „Daria du kannst nicht einfach…“ „Kann ich nicht? Was wäre eine Phexprüfung ohne ein wenig Trickserei?“ Das gesagt, nahm sie eine besonders filigrane Tasse, warf sie dem nichtsahnenden Dartan di Camaro zu – „Hier fangt!“ – und rannte zwischen zwei Ständen hindurch in eine Seitengasse. ~ Nur einige Sekunden hatten sie Daria aus den Augen verloren, doch

nun waren sie an eine Straßenkreuzung gelangt und wussten nicht wohin. „So viel zum Thema Vertrauen…“ sagte Dartan genervt und mehr zu sich als zu Santino, der derweil nicht davon abließ sich für seine Schwester zu entschuldigen, was Dartan noch mehr auf die Stimmung schlug. „Hey Knabe“ – wandte er sich an einen Bettlerjungen, der am Straßenrand saß – „ist hier eine junge Frau vorbeigekommen? Blonde Haare, schlichtes rotbraunes Kleid.“ Der Junge schaute ihn erwartungsvoll an. Dartan warf ihm einige Münzen zu. Der Junge wies in eine Gasse, die zurück in Richtung Markt führte. Dartan und Santino rannten weiter in die gezeigte Richtung, erreichten den Markt. Keine Daria... „Wohin jetzt?“ fragte Santino. „Nach links!“ – Dartan folgte einem Bauchgefühl. Beide setzten sich wieder in Bewegung, schoben sich durchs Gedränge. „Da!“ rief plötzlich Santino erleichtert und tatsächlich dort stand Daria, am… Weinstand. Unter einem Arm eine kleine hölzerne Box und einen Umschlag. In der einen Hand eine Weinflasche, in der anderen eine merkwürdige Münze, die sie geschickt über die Finger rollen ließ. Als sie ihre Verfolger erblickte, hielt sie Dartan die Weinflasche entgegen. „Ich schätze, die schulde ich euch, verzeiht, dass ich sie ohne euch ausgewählt habe.“ Sagte sie mit einem, Dartan war sich sicher, nur gespielt verlegenem Lächeln. Und der Weinhändler... kam ihm irgendwie auch sehr bekannt vor.

Zuppa Belhancani

Horasio trat nervös von einem Bein auf das andere – auch weil ihre Aufpasserin, Phelippa di Camaro, ihn und seine Kusine von einem der anderen Stehtische aus wachsam im Blick behielt. Er sah keine Möglichkeit, seiner Verwandten ein paar zusätzliche Dukaten zuzustecken.
Weder seine Nervosität noch Phelippas bohrender Blick hielten Corrada davon ab, ihren stark gesüßten Schwarztee mit geradezu aufreizender Langsamkeit zu schlürfen. Doch Horasio kannte seine junge Kusine gut genug, um an ihr unter der Maske gespielten Gleichmuts Aufregung zu erkennen.
Belhanka“, begann er, um die Spannung ein wenig zu lösen. „Die wichtigste Stadt des Rahjaglaubens. Was man hier alles erleben könnte...“, deutete er an. Corrada zog ihre linke Braue empor, halb Verwunderung, halb Spott, aber doch mit einer gewissen Verzögerung, die unterdrücktes Interesse zeigte. „...wenn wir Zeit dafür hätten“, schloss Horasio, um ihr etwas Eile nahezulegen.
„Haben wir aber nicht“, ging sie ihm in die Falle. „Stattdessen sollen wir irgendein langweiliges, protziges Geschenk suchen, das nicht zuviel kosten darf. Das soll eine Prüfung sein?“
„Du hast überhaupt keine Idee, was du mitbringen sollst“, stellte der Vetter fest. Sie senkte verlegen die langen, geschwärzten Wimpern und sagte nichts. Jetzt hatte er sie. „Da fehlt dir einfach die Erfahrung, die die älteren Bräute vielleicht haben. Wenn du dir trotz deines bisherigen Betragens noch eine Chance wahren möchtest, als Croenars Braut gewählt zu werden...“
„Möchte ich das? Ich... er selbst ist es nicht. Man sollte nicht von einem unreifen Trugbild wie Liebe und Zuneigung im Travienbund träumen, aber... will ich seine Familie dazu?“
„DIE Sorge...“, Horasio sog die Luft zwischen den Zähnen ein und pustete in seinen Spitzbart, „die Sorge ist unbegründet, wie du weißt: Eine ya Papilio ist nie alleine und ohne Unterstützer. Auch wenn sie sich noch so sehr sträubt und in die Ferne heiratet. Wir sind viele, und viele sind unsere Freunde. Sorge dich nicht, Corrada... du willst also?“
„Ich weiß nicht... falls er will?“ Selbstmitleid schlich sich in ihre Stimme. Sie benötigte einen aufmunternden Klaps: „Das Geschenk sollte zu dir passen, zu unserer Familie, zu dieser Stadt, und sowohl dem Bräutigam als auch seinen Eltern und den Juroren etwas sagen.“

Corrada nippte an dem bitter-süßen Tee und grübelte: „Direkt, nicht verschwenderisch, rahjasinnig... dass ich mir Gedanken mache... wie schon bei den Blüten.“
„Erinnere mich bloß nicht daran! Mein Herz wäre beinahe stehen geblieben... weiter auf die Stadt konzentrieren, denn hier musst du was Passendes finden.“
„Hafen, Meer, alt, Tradition... was Typisches... göttergefällige Folklore...“ Ihre Miene hellte sich jäh auf: „Belhankaner Efferdsuppe!“
„Suppe?“ Horasio war überrascht, unterbrach sie aber nicht. „Ich lasse für ihn eine besondere Efferdsuppe kochen und suche die Zutaten dafür selbst aus – und trage deren Bedeutung vor. Das ist nicht zu teuer...“
„Ja, aber... Suppe?“
„Es kommt auf die Zutaten an – und ich zeige, dass ich keine nutzlose Dekoration sein, sondern im ehelichen Haushalt Verantwortung übernehmen will. Das habe ich immerhin gelernt.“ Horasio war überrascht, auf welchen Pfaden ihre Gedanken nun immer rascher liefen. „Göttergefällig... also zwölf Zutaten... rahjagefällig... also müssen die Zutaten etwas für die Manneskraft sein.“ Corrada klappte ihr schwarzes Büchlein auf, blätterte etliche winzig beschriebene, hauchdünne Seiten zurück, tippte mit dem Horngriff ihres Kohlestifts auf das Blatt und las vor: „Perlauster. Rahjamuschel. Oliphantenrüsselmuschel. Levthanshörnchen... das ist auch eine Muschel. Stichling. Kugelfisch... besser falscher Kugelfisch. Safran. Asant. Sumuskat. Stranddistel. Seekarnickelrogen. Hornschnecke. Das müsste passen.“
Horasio war beeindruckt von dieser Aufzählung: „Klingt ausgesprochen schmackhaft“, lobte er. „Ist etwas Besonderes, dabei nicht exorbitant teuer, hat eine persönliche Aussage und einen praktischen Nutzen. Dann solltest du dich jetzt aufmachen, die Zutaten zu kaufen und die Zuppa Belhancani zubereiten zu lassen. Nur eine Frage noch: „Woher kennst du all diese Rahjaica?“ Corrada lächelte überlegen und antwortete mit einer rethonischen Frage: „Soll eine gute Ehefrau nicht wissen, was ihrem Gatten gut tut?“ Damit klappte sie das schwarze Büchlein zu und ging los, einen Stadtführer zu finden, der sie zu den richtigen Märkten und Geschäften für ihr Ansinnen bringen konnte.

Ansehnliche Gewinne

Obwohl der vorige Abend ein langer war, war Cassiopeia wieder früh auf den Beinen: sie hatte keine Zeit zu verlieren. Zudem würde sie zwischendurch einige Pausen für ihre müden Füße einlegen müssen... schließlich galt es eine große Stadt abzuklappern. Das Ihre Aufsicht zwischendurch kaum Schritt halten konnte, interessierte sie eher wenig: sie hetzte von einem Laden in den nächsten, kaufte hier eine Tasse, dort einen Käse... nur, um es danach gleich wieder abzustoßen. Ihr größtes Glanzstück des Tages war wohl eine schäbige Vase, die sie gegen

ebenjenen Käse eintauschte, in einer Seitengasse im Staub wälzte, und einem Möchtegernantiquiar teuer verkaufte. Kaum einen Laden suchte sie ein zweites mal auf, kreuz und quer ging es durch die ganze Stadt. Ihr schlichtes Kleid half ihr dabei, nirgendwo allzu sehr aufzufallen. Am Abend kehrte sie schließlich sichtlich zufrieden in das Hotel zurück. Im Foyer traf sie auf ihre Tante, doch sie lächtelte ihr nur aufmunternd zu: niemand sollte ihr einen Betrug nachsagen können.

In Belhanka

Die halbe Nacht hatte Mirinia noch wach gelegen und über das Geschenk nachgegrübelt. Sie wollte ihm etwas Nützliches schenken, aber mit einer persönlichen Note. Als sie am Morgen noch mal all ihre Überlegungen durchging, kam ihr endlich eine gute Idee. Nun musste sie nur noch einen Laden finden, der ihren Ansprüchen genügte.

Gemeinsam mit Amaryll zog sie los und durchstreifte zunächst einige Handelskontore um zu sehen, ob sie dort etwas Ansprechendes fand. Zwar fielen ihr einige Objekte ins Auge, aber nichts davon ließ sich so bearbeiten wie sie es sich vorstellte. Also musste sie wohl doch einen Mechanikus aufsuchen.

Als sie auf dem Weg an einer ihr dem Namen nach entfernt bekannten Silberschmiede vorbeikam, betrat sie kurzentschlossen den Laden und suchte nach dem Inhaber. Die Schmiedin, schon im fortgeschrittenen Alter, reagierte erstaunt auf ihr Anliegen. Nachdem Mirinia eindringlich auf sie eingeredet hatte und ihr den Namen di Bassalo aus Urbasi ins Gedächtnis rief, fand sie sich schließlich bereit, ihr am Nachmittag für einige Zeit ihre Werkstatt zur Verfügung zu stellen.

Zufrieden lächelnd verließ Mirinia wieder den Laden. Amaryll, die um nicht allzu sehr zu lauschen sich im Laden umgesehen hatte, schloss zu ihr auf und fragte, was sie wohl vorhatte, da sie nicht in dem Laden gekauft hatte. Nach kurzem Zögern befand Mirinia, dass es nicht schaden würde, es ihr schon jetzt zu erzählen und erklärte ihr ihr Vorhaben. Die junge Frau nickte zustimmend, „Oh eine feine Idee. Ich kann natürlich nicht sagen, was die Juroren davon halten werden, selbst wenn ich es wüsste. Aber ich denke das ist ein angemessenes Geschenk!“ Sie lächelte Mirinia zu, was diese gerne erwiderte.

Wenig später, die Praiosstunde war gerade verstrichen, fand sie endlich einen Mechanikus, der die Gegenstände anbot, die sie suchte. Zunächst suchte sie das Gespräch mit dem Händler, lotete mit einigen gezielten Fragen sein Wissen über die Herstellung und Genauigkeit dieser Apparaturen aus. Dann betrachtete sie jedes einzelne, fragte nach Preisen und traf schließlich ihre Entscheidung. Nun begann der schwierigste Part: das Feilschen. In ihrer Ausbildung zur Handwerkerin hatte ihr Vater und ihr Onkel ebenfalls großen Wert auf die grundlegenden Fähigkeiten

des Handelns gelegt, denn man sollte immer in der Lage sein, seine Erzeugnisse auch gewinnbringend zu Verkaufen und für seine Materialien im Einkauf nicht zu viel zu bezahlen.

Daher lieferte sich Mirinia nun ein lebhaftes Wortgefecht mit dem Mechanikus, bemängelte hier und da die Bearbeitung des Silbers an den Verzierungen, gab zu bedenken, dass die Fassung der kleinen Edelsteine auf andere Art und Weise viel eleganter das Feuer der Steine zur Geltung bringen würde, zeigte, dass sie den Materiapreis sehr wohl einzuschätzen wusste und entkräftete somit so manches Argument des Händlers. Dieser war durchaus beeindruckt von ihrem Verhandlungsgeschick und ließ sich von zwanzig auf sechzehn Dukaten runterhandeln.

Der Handel wurde mit Handschlag besiegelt und beide Parteien waren zufrieden. So sollte ein guter Handel ablaufen!

Ein Blick auf den Sonnenstand trieb sie zur Eile an und so beeilte sie sich zurück zu der Schmiedin zu gelangen. Dort begab sie sich in die Werkstatt und nahm zunächst Feile und Polierwerkzeug zur Hand, um jedwede Kratzer und Ungenauigkeiten zu beheben, bevor sie den Gravierstichel zum Einsatz brachte.

Nach weiteren drei Stunden Arbeit präsentierte sie der Schmiedin ihr Werk, welche Wohlwollend nickte. Mirinia dankte ihr und gab ihr phexgefällige neun Silberstücke für ihre Hilfe.

Am Ende des Tages hatte sich ihre Barschaft auf sechs Dukaten und acht Silber reduziert, ein ganz angenehmes Sümmchen, welches sie direkt an Amaryll übergab. Zufrieden blickte sie auf das Geschenk in ihren Händen. Es handelte sich um einen kunstvoll verzierten Südweiser, die Hülle mit verschnörkelten filigranen Wellenmustern in Silber verziert und der Rand mit kleinen Edelsteinen, Aquamarin, Mondstein und Perlen besetzt. Auf der Abdeckung war in der Mitte ein kleines Herz eingraviert worden. Auf der glatten Innenseite dieser Abdeckung war ebenfalls etwas eingraviert worden. Dort stand in feinen Lettern: Möge Efferd deine Segel immer mit Wind füllen und dich stets sicher heim geleiten!

Eine Rose in Belhanka

Wie lange wollte sich seine Rahja denn noch mit diesem Gondoliere unterhalten. Bald würde Tovelo sein Mut wieder verlassen, das spürte er. Der gestrenge Hochgeweihte des Efferd, der Terrantina begleitete, befeurte seinen Wagemut auch nicht übermäßig. Und dennoch musste es sein, dafür war er schon viel zu weit gegangen. In geliehener Kleidung, als blinder Passagier in die Stadt gekommen, seiner gesamten Barschaft beraubt, so dass selbst die Rose die er in der Hand hielt gestohlen war, musste er diesen einen Versuch wagen ihr Herz zu gewinnen. Endlich kam sie auf ihn zu und er warf sich ihr zu Füßen. "Terrantina ... Signorina ya Pirras ... meine Rose ... ich meine diese Rose .. also ... ähm...", stammelte er und all die Worte, die er sich sorgsam zurecht gelegt hatte, waren vergessen. Er spürte wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. All sein Sehnen und sein Leiden umsonst... Doch - sie lächelte. "Eine Rose fürwahr. Ein Geschenk für mich?" Sie lächelte - sie lächelte ihm zu. Er

konnte nur hilflos nicken. "Danke", sagte sie schlicht, nahm die Rose aus seiner Hand und roch daran. "Eine echte belhankanische Rose." Sie lächelte verträumt. "Dies ist das zweifelsfrei Beste, was mir seit Tagen widerfahren ist, Signor und gerne würde ich mich für dieses Geschenk angemessen bedanken." Bei dem Wort 'bedanken', vor dem sie eine kleine Pause gemacht hatte, schossen Bilder in seinen Kopf, die ihn beschämt niederschauen ließen. "Doch leider halten mich Pflichten noch davon ab. Aber in den nächsten Tagen werde ich sicherlich irgendwann gen Abendröte auf Penumbre sein, am Fähranleger, wenn ihr mögt... Wie heißt Ihr eigentlich?" "Tovelo -einfach nur Tovelo." würgte er hervor. Er sah ihr nach, während sie sie von einem Blumenhändler eine weitere Rose geschenkt bekam. Er verspürte keine Eifersucht. Ein Stelldichein im Vorhof der Rahja, dies konnte nur ein Traum sein.