Briefspiel:Merkantile Möglichkeiten

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Horasreich-klein.png Städteübergreifendes Briefspiel Raulsches-Reich-klein.png
Datiert auf: ab Ingerimm 1045 BF Schauplatz: verschiedene Städte im Lieblichen Feld und darüber hinaus Entstehungszeitraum: ab August 2024
Protagonisten: diverse Autoren/Beteiligte: Haus Amarinto.png Amarinto, Familie della Carenio.png Carenio, Wappen fehlt.png Cerdon, Haus Gabellano.png Gabellano, Haus re Kust.png Gishtan re Kust, Haus Schreyen.png Schreyen


Die Briefspielgeschichte Merkantile Möglichkeiten findet in Vorbereitung des Allaventurischen Konvents 2024 statt und beschreibt Ereignisse, die für die Delegation des Horasreichs auf diesem noch relevant werden könnten.

Merkantile Möglichkeiten

Autor: Cerdon

Grangor, im Ingerimm 1045 BF

„Kommen wir zum letzten Punkt ...“
Alricilian Sandfort, General-Director der HPNC, blickte Vize-Directorin Usvina Liegerfeld und Vize-Director Bran Fondolo an.
„Die HPNC und die Handelscompagnie Ganswort schließen einen Kontrakt. Die Verträge sind aufgesetzt. Im Geiste des Expediasi werden wir im Norden neue Märkte nördlich des Golfes von Riva erschließen. Anmerkungen?“
„Die Überprüfung hat keinerlei Auffälligkeiten bei der Handelscompagnie Ganswort offenbart. Die gewonnenen Warenproben waren durchgängig von höchster Güte. Die Revision des Kontors in Riva hat ebenfalls keinerlei Absprachen zu unseren Ungunsten offenbart.“ Usvina Liegerfeld trug die ihr vorliegenden Erkenntnisse routiniert vor. „Wir stellen die sicheren Transportkapazitäten ab Riva und den Verkauf sicher. Das Risiko zuvor liegt ganz bei unserem Handelspartner, der hierfür entsprechende Beteiligungen am Reingewinn erhält. Nach 3 Götterläufen besteht ein vertraglich zugesichertes Vorkaufsrecht zur Übernahme der Handelscompagnie Ganswort und all ihrer Kontakte und Subkontrakte inklusive örtlicher Kontakte und Agenten durch die HPNC.“
Der zweite Vize-Director Bran Fondolo nickte zustimmend.
„Das verliehene Handelsprivileg wird gewahrt. Zugleich werden Anteilsscheine im Gegenwert zu je 20 Dukaten herausgegeben, die wie üblich geviertelt werden können. Dies war ein Wunsch aus bekannten Kreisen mit Nähe zum Sangreal. Vom Gedanken der Expediasi sollten alle profitieren. Nun, immerhin minimiert dies unser merkantiles Risiko und ermöglicht eine breitere Beteiligung. Geld, welches nicht eingesetzt wird, ist und bleibt gleich Müßiggang Verschwendung.“


Vinsalt, im Praios 1046 BF

„Wenn ich es Euch sage. Die Sache ist äußerst lukrativ. Eine Neugründung, im merkantilen Geiste und im Sinne der Expediasi, getreu den Wünschen des Horas höchstselbst. Die jüngst eingetroffene Karavelle aus Riva brachte erlesenste Waren. Pelze und seltene Ledervariationen, alchimistische Substanzen, wertvolle Metalle und Steine, wenn ihr versteht.“
Die Baronessa spielte kurz mit ihrer Schmuckbrosche aus Bernstein, während sie weiter zu den beiden Comti im Separee sprach.
„Ihr wisst, bei Hofe sind Verzierungen aus Pelzen und Lederwaren der nördlichen Elfen derzeit sehr beliebt. Und ein gewisses Kontingent der Anteile wird nicht gleich offen angeboten und zuvörderst ausgewählten Personen offeriert.“


Kuslik, im Rondra 1046 BF

„Das Alter verlangt von uns allen seinen Preis. Diese Tinktur der Firnelfen vermag jedoch das negative deutlich zu lindern.“
Der Apothecarius öffnete das kleine Döschen. Ein angenehmer Duft breitete sich aus, der einen fast augenblicklich freier atmen ließ.
„Nur ein wenig aufgetragen und ihr werdet schnell eine deutliche Verjüngung Eures Äußeren erkennen. Eben dies nutzt seit kurzem auch die Baronin, auf deren Empfehlung ihr mich aufsucht. Und seid unbesorgt, dieses Zertifikat eines Magisters der Halle der Metamorphosen belegt die Unbedenklichkeit profaner und arkaner Art.“


Autor: Carenio

Legt Hoffnungen in die Tinktur: Dimiona della Carenio

Höchst interessiert drehte Dimiona della Carenio das kleine Döschen in ihrer Hand. Sie sog den Duft der Tinktur tief ein. Das lange, inzwischen komplett weiße Haar trug sie offen, wie sie es seit ihrer Jugend gehalten hatte. Nun, die Jugend war dahin und der Zahn der Zeit nagte unerbittlich am Familienoberhaupt der della Carenios. Tiefe Furchen zeigten sich auf dem einst schönen Gesicht. Tatsächlich war Dimiona für ihr Alter immer noch eine attraktive Frau, aufrecht und elegant in ihren Bewegungen, aber eben eine Frau in ihren Sechzigern, schon näher an den 70 Götterläufen.
„So so, die Baronin nutzt diese Zubereitung auch sein Kurzem? Nun, dann wird man vermutlich noch nicht viel bemerken. Aber lasst mich das Zertifikat einmal näher betrachten.“
Ihre langen, dünnen Finger, an denen die Venen deutlich hervortraten, griffen nach dem Schreiben, das ein Magister der Halle der Metaporphosen verfasst haben sollte.
„Wer garantiert mir die Echtheit des Dokuments?“
Wenn der Apothecarius überrascht war, dann überspielte er es souverän.
„Ich verstehe die Frage. Neben den Siegeln, welche von der Echtheit künden“, er präsentierte der Esquiria das Schreiben, „steht es Euch darüber hinaus selbstverständlich frei, besagten Magister im Vertrauen zu kontaktieren. Es gibt nichts zu verbergen, allein Diskretion ist geboten.“
„Hhm“, machte Dimiona, nur leidlich überzeugt. „Vielleicht sollte ich das tun. Wobei, wenn die Baronin ihm vertraut … Darf ich die Zubereitung probieren, bevor ich erwäge sie zu erwerben? Und dabei sind wir eigentlich auch schon beim wichtigsten Punkt, neben der Qualität, dem Preis! Möchtet Ihr so gütig sein, mich dahingehend ebenfalls aufzuklären?“
Der Blick, den die della Carenio dem Apothecarius schenkte, lag irgendwo zwischen gekonnter Diplomatie und merkantilem Interesse.
"Überzeugt Euch von der Qualität." Der Mann machte eine einladende Geste. "Eure Hände vielleicht? Ich verspreche Euch, ihr werdet sehr schnell eine Verbesserung bemerken. Was den Preis betrifft, so bestimmt die Dosierung der elfischen Ingredenzien diesen. Die Euch offerierte Dosierung, die eben jener der Baronin entspricht, kostet 30 Dukaten. Es ist auch eine höhere mit dann verstärkter Wirkung möglich. Was ich nur offerieren würde, wenn dafür eine Notwendigkeit bestünde."
30 Dukaten! Ein stolzer Preis und offenbar erst die untere Grenze. Dimiona rang mit sich, dann streckte sie die knochigen und sehnigen Hände aus, begierig die Substanz auszuprobieren. Das Familienoberhaupt der della Carenios nahm die Salbe mit allen Sinnen wahr, fühlte die seidig-weiche Konsistenz, schnupperte den Duft und den perlmutternen Glanz, der sich nach dem Auftragen auf ihrer faltigen Haut zeigte. Dimionas Augen leuchteten. Sie drehte die Hände in alle Richtungen, betrachtete die Veränderung der Haut aus verschiedenen Perspektiven und musste sich zusammenreißen, den Apothecarius nicht über das ganze Gesicht hinweg anzustrahlen. Nachdem sie dreimal tief durchgeatmet und sich gesammelt hatte, war sie bereit für die Verhandlungen.
„Nun ja, die Firnelfen haben sicherlich Kenntnisse, die sie nicht mit jedem teilen. Es ist schon erstaunlich, dass der Magister ihr Vertrauen gewinnen konnte. Der Preis ist allerdings schon für diese Dosierung stolz. Ich werde Euch dennoch dieses Döschen abkaufen, um es einer weiteren Probe zu unterziehen. Habt Ihr denn jederzeit Zugang zu dieser Tinktur? Ich meine, falls ich noch mehr haben möchte oder vielleicht sogar die etwas höhere Dosis bevorzugen sollte?“
„Kontakte mit den Firnelfen sind schwierig, so heißt es. Allein die Qualität ihrer Waren lohnt die Mühen, werte Esquiria.“
Wenn er die Begeisterung Dimionas registriert hatte, ließ er sich dies nicht anmerken.
„Umso erfreuter bin ich, dass eine neue, mit dem Segen der Götter, dauerhafte Verbindung aufgebaut werden konnte. Seid daher unbesorgt, sollte Eure Studie zu Eurer Zufriedenheit verlaufen, so kann ich weitere Anwendungen garantieren. Auch eine Anpassung der Dosierung stellt mit etwas Vorlauf kein Problem dar. Diese besondere Tinktur biete ich nur ausgewählten Personen an.“
Dimiona nickte zwar, wusste aber, dass dies eine Verkaufsstrategie war und der Apothecarius bestimmt jedem, den er als potentiellen Kunden ansah, diese Versprechung machte. Sie war nicht dumm, nein ganz im Gegenteil, aber sie wurde nun mal nicht jünger. Somit war sie bereit alles, was den unaufhaltsamen Verfall womöglich ein wenig aufzuhalten versprach, auszuprobieren. Das Mitglied des Sewamunder Lilienrats löste den Knebelverschluss seiner Gürteltasche und entnahm ihr die geforderte Summe. Mit ernster Miene zählte Dimiona die Münzen auf den Tisch. Als der Apothecarius danach greifen wollte, legte sie blitzschnell ihre sehnigen Finger auf das Geld, um es seinem direkten Zugriff zu entziehen. Ihre eisblauen Augen fixierten den Mann.
„Sollte Eure Rezeptur nicht halten was Ihr versprochen habt, wird das gewiss Auswirkungen auf Euren Ruf haben. Ihr habt Euch mit der Baronin und mir einflussreiche Persönlichkeiten als Kundinnen ausgesucht. Ich bin mir sicher, dass Ihr Euch dessen bewusst seid!“
Ein letzter, stechender Blick traf den Apothecarius, dann zog Dimiona ihre langen, knochigen Finger zurück. Nur Wimpernschläge später schob sie mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck das kleine Döschen in die Gürteltasche.


Autor: Cerdon

Grangor, im Rondra 1046 BF

„Verdammt!“
Der Kontorist schreckte ob des Ausbruchs seiner Herrin auf, die soeben aus der Stadt zurück in das Kontor rauschte.
„Als ich verkaufte stand es 2 zu 1 und jetzt? Jetzt werden die Scheine bereits 3 zu 1 gehandelt. Die kleine Flottille der HPNC hat wieder wertvolle Güter gebracht. Haldan, wie hieß noch dieser Händler aus dem Norden?“
„Trawin Ganswort, Frau Stipenbrink.“
Er erinnerte sich genau an den Mann aus Riva. Anpackend, jemand der selbst nicht davor zurückschreckte, in die Wildnis zu reisen, wenn das Geschäft stimmte. Dabei nicht aufdringlich oder hochtrabend. Er hatte nach Geldgebern gesucht, die ihn unterstützen würden. Vorher hatte er nur ein kleines Kontor in Harben unterhalten, um geschickt die Vorteile zweier Reiche zu kombinieren. Seine Herrin hatte sich damals gegen eine Unterstützung entschieden und war umso überraschter, als dann das Directorium der HPNC sich direkt mit ihm geeinigt hatte.
„Ganswort, genau. Finde heraus, wann er das nächste Mal in der Stadt ist. Womöglich können wir immer noch ein gutes Geschäft machen.“


Grangorella, im Efferd 1046 BF
Cusimo Garlischgrötz, der Herzog von Grangor und Markgraf vom Windhag

Die gestandene Capitana der Flotte betrat die Amtsstube ihres Geschwaderkommandanten und grüßte knapp. Der noch recht junge Commodor mit besten Beziehungen war wie immer perfekt gekleidet und deutete der Veteranin, doch bequem zu stehen.
„Eine unangenehme Sache, Capitana. Im Hochseegebiet vor der Küste des Windhags ist es binnen eines Monds zu zwei Überfällen auf Schiffe unter Flagge horasischer Handelshäuser gekommen. Zunächst ein aus Riva kommendes Schiff mit Ziel Belhanka. Eine in die Jahre gekommene Schnellsegler-Karavelle. Bislang keine Überlebenden, das Schiff wurde offenkundig geplündert und dann in Brand gesetzt. Wrackstücke konnten geborgen worden. Und dann eine Karracke mit Heimathafen Kuslik aus Thorwal kommend. Letztere konnte sich der beiden angreifenden Schiffe nicht erwehren. Eine Bireme und eine Karavelle, Typ Perlenmeer. Offenkundig beide mittelreichischen Ursprungs. Die Angreifer wurden als gut gedrillt und organisiert beschrieben. Sie plünderten wertvolle Ladung und segelten dann davon.“
Der Commodor blickte die Offizierin an.
„Wahrscheinlich ehemalige Angehörige der Westflotte. Womöglich Rückkehrer aus dem Süden, wohin es viele von diesem Abschaum verschlagen hat. Deserteure und Eidbrecher, für die eine Rah noch zu gut ist. Wir sollten Präsenz zeigen.“
„Eure Annahme ist auch die der Admiralität. Euer Vorschlag ...“
Er musterte sie. Eine gute Seeoffizierin, zweifelsohne, die meiste ihres Lebens hatte sie auf See verbracht, für höhere Aufgaben in der Admiralität damit kaum zu gebrauchen.
„Nun, strategisch richtig, politisch schwierig. Es handelt sich um das Seegebiet des Mittelreiches. Markgraf und Admiral der dortigen Flotte ist Comto Garlischgrötz. Daher werdet ihr eine Depesche gen Harben bringen. Eine diplomatische Note der Besorgnis, im Geiste des Vertrages beider Reiche wird Schutz für unsere Händler eingefordert und so weiter. Eure Anwesenheit und die eurer Königsschivone sind dabei ein klares Zeichen, dass uns diese Sache ernst ist. Parallel wird der Comto eine dezente Nachricht erhalten.“
Der Commodor griff nach der gesiegelten Depeschenrolle, als er beiläufig noch etwas anmerkte.
„Wenn ihr in Harben seid, hört Euch um, vielleicht bringt ihr noch etwas in Erfahrung. Wegtreten.“


Kyndoch, im Efferd 1046 BF

„Beste Waren aus den Landen der Thorwaler und noch nördlich davon. Überzeugt euch selbst von der Qualität und wenn ihr Interesse habt, werden wir uns im Phextempel sicher schnell einig. So gute Qualität findet man selten.“
Schwungvoll öffnete die Handelsmeisterin eine der schweren Truhen mit dem gut sichtbaren Signum des Handelshauses Rastburger. Mit fachkundigem Blick und prüfender Hand überzeugte sich die Liebfelderin vom Angebot.
„Wäret ihr etwas früher gekommen, hätte ich euch noch mehr anbieten können. Einiges ging bereits auf Flusssegler und ist schon auf dem Weg ins Herz des Reiches.“
Die Mittelreicherin schien der Devise zu folgen, ihr Gegenüber mit einem steten Schwall an Worten beschwatzen zu wollen. Synella sollte es nur recht sein, machte es ihre Aufgabe doch einfacher.
„Immer noch ein äußert interessantes Angebot. Wir in Kuslik müssen sonst immer von der HPNC kaufen oder deutlich teurer vor Ort.“
„Umso besser ist es doch, dass euer Herzog und ‚unser‘ Markgraf die Zölle so stark gesenkt hat. Was über Havena zu uns gelangt, ist so für euch deutlich erschwinglicher und man muss nicht über Grangor gehen, wenn ihr versteht. Ein Handel der uns allen dient. Und?“
„Ich denke, wir können den Tempel aufsuchen. Einiges weckt mein Interesse und wenn es sich gut angeht, dann sehen wir uns schon bald wieder. Wie sagtet ihr doch, es könnte sich ein neuer, dauerhafter Warenfluss etablieren.“


Autor: Gishtan re Kust

Ramaúd, im Efferd 1046 BF

Tsajano Orfex blickte von dem Schreiben auf, das ihm die Beauftragte als Ergänzung ihres mündlichen Bericht vorgelegt hatte.
"Freibeuter? Seeräuber? Piraten? Was denn nun? Ihr müsstet genauer sein in Eurer Berichterstattung", tadelte er milde.
"Auf der Wahl des richtigen Worts kann mehr Gewicht ruhen, als Euch bisher bewusst ist. Fragt bei Gelegenheit Baran ya Papilio nach den Unterschieden. An der Sache ändert das indes nichts ... vorerst: Horasische Schiffe, deren Fracht womöglich auch mit Geld gekauft worden ist, das aus Steineck'scher Schatulle geliehen wurde, sind überfallen und geplündert worden. Es wäre bedauerlich, wenn dies einen Vorwand ergäbe, um die Stundung vereinbarter Zinsen zu feilschen, die doch verlässlich an jenen zu bezahlen sind, der die primäre Investition ermöglicht hat. Zudem habe ich gehört, dass auch Perlwein von Gut Zweiflingen, rahjagesegnet, seinen erzwungenen Umweg in andere Kehlen gefunden habe als jene, für die er vorgesehen war. Ärgerlich, nicht zuletzt für den Herrn auf Zweiflingen, welcher, wie Ihr wisst, zugleich Baron ya Ramaúd ist. Wir wollen ihn und zudem auch seine uns zugetane Gemahlin doch nicht betrüben ... als unseren Dienstherrn. Auch ist der Verbleib des Perlweins im Interesse der Rahjakirche, nicht zuletzt der vormals für die Zweiflinger Kapelle bestallten Rahjageweihten. Wie es der Zufall will, habe ich erfahren, dass ihr Bruder, welcher mehr dem Schweigenden zugeneigt ist als der Fröhlichen, in höchsten Kreisen Vertrauen genießt und sich ohnehin in einer anderen Angelegenheit auf den Weg gen Norden machen will. Ich denke, Seine Ehren könnte auch in dieser Sache so aufmerksam zuhören, wie er es als Seelsorger der Heiligen Noiona zu tun vermag. Ob er sich dabei mit al'anfanischen oder Weidener Borongeweihten umgibt, ist für mich letztlich irrelevant."
Der Maestro von Ramaúd nahm einen Pergamentbogen, ein Tintenfaß und eine Metallfeder, und begann, eine Mitteilung zu schreiben. Die auf der anderen Seite seines wuchtigen Schreibtischs stehende Beauftragte war den verschlungenen Ausführungen des Banquiers mit zunehmend verwirrtem Blick gefolgt. Sie würde einige Namen und Zusammenhänge nachfragen müssen, sobald sie Tsajanos Arbeitszimmer im Dachgeschoss der Halle des Rats verlassen hatte.


Autor: Cerdon

Grangor, Anfang Travia 1046 BF

„Ein Skandal!“
Die Stimmung in der Sitzung der Inneren Stube war eisig.
„Wenn der Herzog mit zwei Aufgaben überfordert ist, sollte er sich auf eine konzentrieren. Eines der Schiffe, welches für die HPNC fährt, für immer verloren. Zwei weitere Grangors überfallen und der wertvollen Fracht beraubt.“
„Die Aussagen der Besatzungen lassen in ihrer Deutlichkeit keine Zweifel zu. Abtrünnige des Mittelreiches konzentrieren sich auf Schiffe der Septimana. Erst Schiffe anderer Städte und nunmehr nur noch unsere? Wenn nichts geschieht, dann wird das Nachahmer anlocken. Ich erinnere mich noch gut, wie die Wilden aus dem Norden durch unsere Straßen jagten. Entweder wir entsenden unsere eigenen Schiffe zur Piratenjagd oder gleich die Flotte.“
„Hört, hört. Ich habe selbst mit dem Kapitän des letzten Schiffes gesprochen. Eine treue Seele, die lange für die Familie Hartie fuhr und nun seit Jahren für die HPNC. Es scheint gar, dass die Mittelreicher und die Angreifer zusammenarbeiten.“
Ein Raunen ging durch die Innere Stube.
„Ganz recht. Er schwört, dass in der Entfernung eine mittelreichische Bireme kreuzte. Doch anstatt sich auf die Piraten zu stürzen, wie sie immer betonen, beobachtete sie und griff nicht ein.“
„Die stecken doch alle unter einer Decke!“
„Die Situation ist ernst“, der Stadtmeister erhob die Stimme. „Unsere Stimme im Haus der Fürsten wird umgehend bei den Kronräten insistieren, in dieser Angelegenheit gegenüber dem Raulschen Reich im Allgemeinen und dem Markgrafen des Windhags im Besonderen tätig zu werden. Wir werden deutlich machen, dass wir weitere Schritte erwägen und uns nicht mit den üblichen Floskeln der Diplomatie hinhalten lassen. Zugleich sollen Kopfgelder in angemessener Höhe verhängt werden. Habe ich ihre Zustimmung?“
Der Vorschlag wurde mit beifälligen Nicken quittiert. Grangor würde ein solches Gebaren von abgehalfterten Piratenpack nicht dulden!


Autor: Amarinto

Nervuk, Anfang Travia 1046 BF
Zandor von Nervuk, der Statthalter Phecadiens, positioniert die Spielfiguren.
Baron Merkan von Farsid drängt auf den Gegenschlag.

Die Sonne stand bereits tief über dem Siebenwindigen Meer, das die Küste der Grangorer Bucht umspielte. Im prächtigen Saal des Stammsitzes des Hauses Nervuk, der Nixburg, stand Comto Zandor von Nervuk am großen Fenster, seine grauen Augen auf die See gerichtet. Die Dämmerung war für ihn stets der Moment, in dem er am klarsten dachte, in dem alle möglichen Züge auf dem unsichtbaren Schachbrett der Politik sich vor seinem inneren Auge offenbarten.
Hinter ihm trat Baron Merkan von Farsid ungeduldig auf und ab. Der Bastardsohn des Herzogs war tatkräftig und von der Idee durchdrungen, sein Erbe unter Beweis stellen zu müssen.
"Wir können nicht länger zögern, Comto!", rief Merkan, während er einen Schritt auf den berühmten Condottiere zumachte. "Die Piratenplage vor den Küsten des Windhag wird von Tag zu Tag schlimmer. Die Pfeffersäcke in Grangor und Bethana klagen bereits lauthals und haben Protestnoten verschickt. Das Herzogtum und damit auch mein Vater wirken zunehmend schwach und politisch erstarrt.“
Zandor wandte sich langsam um, die Hände ruhig hinter dem Rücken verschränkt.
"Und wenn wir handeln, ohne die Konsequenzen genau zu bedenken, könnten wir uns Probleme schaffen, die weitaus gefährlicher sind als Piraten", entgegnete er ruhig. "Der Konflikt in Sewamund spitzt sich ebenfalls zu. Die Stadt ist ein Fass Hylailer Feuer und steht kurz vor der Explosion, und der Streitebeck ist ein geschickter Ränkespieler. Er hat Verbündete, nicht zuletzt in der Inneren Stube, die wir nicht unterschätzen dürfen."
Der Baron von Farsid verzog das Gesicht. "Ihr seid zu vorsichtig! Weder der Lilienrat noch der Streitebeck haben ein Interesse daran Sewamund in Schutt und Asche zu legen, die Piraten dagegen sind unberechenbar. Wir müssen die Flotte mobilisieren, sofort zuschlagen und den Kopf der Seeschlange abschlagen, bevor sie weiteren Schaden anrichten kann!"
"Und was, wenn die Lage doch noch weiter eskaliert? Sewamund erbringt mit Abstand das größte Steueraufkommen unter allen Besitztümern Eures Vaters." Zandor ließ sich Zeit mit seiner Antwort. "Ein überstürzter Angriff mag die Piraten kurzfristig vertreiben, aber was, wenn der Streitebeck den Machtkampf in unserer Abwesenheit gewinnt? Ihr kennt seine Ambitionen, und sollte er Sewamund in seine Hand bekommen, wären die Konsequenzen kaum absehbar. Das gleiche gilt für den Lilienrat, wir brauchen kein zweites Grangor."
Der junge Baron fuhr sich frustriert durch das Haar.
"Dann schlagen wir an beiden Fronten auf einmal zu! Zeigen wir Stärke, anstatt abzuwarten bis uns die Probleme über den Kopf wachsen!"
Zandor lächelte schwach, ein Ausdruck, der nichts von Freude hatte, sondern von dem stillen Wissen um die Macht der Geduld.
"Stärke zeigt sich nicht nur in der Wucht eines Schlages, Baron. Stärke ist auch, zu wissen, wann man zuschlägt und wann man wartet. Die Piraten werden sich uns offenbaren, sie werden unvorsichtig werden. Und Sewamund ist bald reif für unsere Intervention, die finanziellen Verluste beider Seiten steigen, bald werden sie dankbar für jeden Vorschlag sein, der sie einer gesichtswahrenden Lösung nahebringt und dann haben wir beide Seiten genau wo sie uns am meisten nützen."
Merkan blieb stehen, seine Hände geballt.
"Und was schlagt Ihr vor? Dass wir gar nichts tun bis dahin?"
"Im Gegenteil", sagte Zandor, seine Augen blitzten scharf. "Wir werden den Piraten das Gefühl geben, dass sie ungestört sind – zumindest noch für eine Weile. Gleichzeitig sammeln wir unauffällig unsere Ressourcen, Ihr die Phecadigarde und ich die Goldene Legion und bereiten unseren Zug vor. Wenn der Moment gekommen ist, schlagen wir zu. Doch dieser Moment ist nicht heute."
Der Baron seufzte tief und wandte sich ab, als würde er gegen einen unsichtbaren Feind kämpfen.
"Ich hoffe nur, dass Eure Geduld uns nicht zu spät handeln lässt."
Zandor nickte knapp.
"Geduld ist eine Waffe, Baron. Eine, die ebenso tödlich sein kann wie ein Schwert – wenn man weiß, wie man sie einsetzt. Glaubt mir, alles wird sich zu unseren Gunsten fügen."


Autor: Cerdon

Travia 1046 BF

Brief an A.R., Sangreal

Spur bei Havena gefunden. In den Sümpfen Landeplätze und Schmugglerwege. Ware gelangt über Kyndoch weiter ins MR. Von dort auch gen HR, Umgehung des Privilegs der HPNC. Andere Routen bei Bedarf. Bestechungen von Amtsträgern auf allen Seiten. Immer wieder Schiffe der alten Westflotte. Unklar ob auch aktive, Typen zu ähnlich. Hinweis auf verbotene Waren. Kontakt zu Kronkapitän Sanin, glaubhaft besorgt.



Elenvina, Mitte Travia 1046 BF

„Eine erneute Protestnote aus Vinsalt, Exzellenz.“
Der fragende Blick des Oberkanzleirates forderte den Kanzleirat auf fortzufahren.
„Erneut ist es in den Gewässern vor Albernia und dem Windhag zu Überfällen gekommen. Darunter ein Schiff der HPNC, das als gesunken gelten muss. Die Westflotte hat schon bei den ersten Überfällen reagiert. Wie stets jagt sie die Abtrünnigen mit größtem Einsatz, die jedoch sehr effektiv agieren. Eine weitere Flottille ist seitdem beständig auf See. Dies Vorgehen ist mit dem Reisenden Hof abgestimmt.“
„Und eine kleine Flottille der Südflotte sichert im Süden beständig, falls sie sich erneut dorthin absetzen wollen. Aber das ist ein zu großes Gebiet und vor allem bietet die Region seit jeher viele Verstecke.“
Die Kanzleirätin im Raum winkte ab.
„Unsere Zuträger berichten, dass aus dem Horasreich der Druck auf den Markgrafen des Windhags beständig zunimmt. Es wird in den Städten offen diskutiert, ob sie ihre Flotten nicht einsetzen sollten. Fast wirkt es, als glaubten einige, der Windhag sei eine Kolonie des Horasreiches.“
„Was wir nicht dulden können und werden. Wir haben klare Anweisungen und handeln entsprechend. In Albernia und vor allem dem Windhag werden Truppen die Küstenlinien zusätzlich kontrollieren und versuchen Verstecke auszumachen. Dem Markgrafen ist zudem deutlich gemacht worden, dass seine Anwesenheit in seiner Provinz in diesen Zeiten erwartet wird. Zudem entsenden wir Investigatoren in die Region, um mehr über die Hintergründe herauszufinden. Und zuletzt, über die üblichen Kanäle bedeuten wir dem Horasreich, dass ein Eindringen in unsere Hoheitsgebiete nicht geduldet wird und ein Verstoß gegen den Vertrag von Mantrash'Mor wäre. Um das auch allen Gästen und noch jungen Bürgern Harbens und der Markgrafschaft deutlich zu machen, werdet ihr Euch dort hinbegeben, Kanzleirat. Eine Lanze der Greifengarde wird euch begleiten.“


Autor: Amarinto

Nevorten, Mitte Boron 1046 BF
Um Ausgleich bemüht - Abelmir Striazzo
Drängt auf den Gegenschlag - Charine ya Corrada
Weist auf die Kosten hin - Tjarda Braam
Stimmt seiner Schwester zu - Corvino ya Corrada

Im großen Ratssaal von Nevorten flackerte das Licht der Kerzen unruhig an den holzgetäfelten Wänden, während der Grüne Rat sich zur Sitzung versammelt hatte. Die Stimmung war angespannt, die Gesichter der Anwesenden von Sorgenfalten gezeichnet. Maestro Abelmir Striazzo, das Stadtoberhaupt, saß am Kopfende des schweren Eichenholztisches unter dem kunstvoll geschnitzten Wappen der Stadt und hob eine beschwichtigende Hand, um die erregte Diskussion zu ordnen. Doch seine Stimme drohte in dem aufgebrachten Stimmengewirr unterzugehen.

"Die Sicherheit unserer Schiffe ist gefährdet, Maestro!", rief die Admirialissima Charine ya Corrada lautstark, und ihre Stimme hallte von den Wänden wider. Die athletische Kapitänin mit den scharfgeschnittenen Gesichtszügen und der makellos gestärkten Uniform sprang auf, ihre Hand fuhr in einer ausladenden Geste durch die Luft, als wollte sie die Dringlichkeit ihrer Worte unterstreichen. "Wollen wir unsere tapferen Seeleute wie Schafe zur Schlachtbank schicken? Jeder Tag, an dem diese Piraten ungestraft bleiben, ist ein Schandfleck auf der Ehre unserer Stadt! Ich sage, wir schicken die Flotte aus und lassen die Geschütze sprechen! Die Stadt Nevorten muss ihre Ehre verteidigen, oder wir riskieren, als schwächliche Feiglinge in die Annalen einzugehen!" Sie schlug mit der Faust auf den Tisch, so dass die Tintenfässer und Weingläser wackelten.

Die Camerlenga Tjarda Braam, eine kühl wirkende Frau fortgeschrittenen Alters mit strengem Blick und sorgfältig hochgestecktem Haar, hob unbeeindruckt eine Augenbraue. Vor ihr lag ein Dokument, aus dem sie ruhig zitierte: "Admiralissima, die bisherigen Verluste belaufen sich auf lediglich fünf Prozent der üblichen Handelsgewinne dieser Periode. Die Kosten für den Einsatz der Stadtflotte wären um ein Vielfaches höher. Noch ist es kein finanzielles Desaster, das drastische Maßnahmen rechtfertigen würde." Ihre Stimme blieb ruhig, fast gelangweilt, doch in ihren Augen blitzte eisige Entschlossenheit auf.

"Fünf Prozent? Fünf Prozent?!" Charine schlug dramatisch die Hände vors Gesicht, als habe Tjarda ihr persönlich einen Dolch ins Herz gestoßen. "Diese Zahl mag für kalte Rechner wie Euch klein erscheinen, doch was ist mit den Schicksalen derer, die durch diese Überfälle ins Verderben gestürzt werden? Denkt an die Familien, die Väter und Mütter, Brüder und Töchter, die an der Küste des Windhag verschollen sind, an die verlorenen Leben und zerbrochenen Existenzen!", rief sie theatralisch, ihre Stimme überschlug sich beinahe. Mit einem Ruck ließ sie die Hände sinken und starrte Tjarda herausfordernd an, ihre Augen blitzten wild. "Wenn wir jetzt nicht handeln, Camerlenga, dann werden es bald nicht mehr fünf, sondern zehn oder fünfzehn Prozent sein! Und dann? Was dann?!!"

"Meine Schwester, die Signora Admiralissima hat Recht!", rief Corvino ya Corrada, der Gildenmeister der Kaufleute, und erhob sich ungeduldig. Der schmächtige Mann, dessen Hände unruhig auf den Tisch trommelten, warf einen nervösen Blick in die Runde. "Jeder Tag, an dem diese Piraten ungestraft bleiben, verringert das Vertrauen unserer Handelspartner in die Nordmeercompagnie. Die Gerüchte verbreiten sich wie ein Lauffeuer. Bald wird man einen Bogen um uns machen! Wir können es uns nicht leisten zu zögern!"

"Ich bitte um Ruhe!" Abelmir Striazzo hob die Stimme, und das Murmeln im Saal verstummte. Seine Augen, in denen sich Müdigkeit mit scharfem Verstand mischte, glitten prüfend über die Ratsmitglieder. "Wir dürfen weder unüberlegt handeln noch untätig bleiben. Die Sicherheit unserer Handelswege ist von höchster Wichtigkeit, aber wir müssen die Konsequenzen einer militärischen Eskalation bedenken." Er wandte sich der Admirialissima zu. "Was schlagt Ihr vor, Signora, um die Kosten einer Intervention zu verringern?"

"Eine schnelle, gezielte Strafexpedition!", rief Charine sofort, ihre Stimme scharf wie eine gezogene Klinge. Sie hob das Kinn und warf ihr dichtes rotbraun gelocktes Haar dramatisch über die Schulter zurück. "Wir brauchen nur einige schnelle Schiffe, um diesen Räubern das Handwerk zu legen! Ein harter, präziser Schlag, um sie in die Schranken zu weisen! Wir müssen zeigen, dass Nevorten, dass die HPNC, sich nicht von ein paar schäbigen Freibeutern demütigen lässt!"

Die Camerlenga schüttelte den Kopf und ließ das Dokument sinken. "Und dann? Was, wenn wir einen Konflikt vom Zaun brechen, den wir uns momentan nicht leisten können? Die Nordmeercompagnie ist nicht alleine unser Eigentum, Maestro." Sie blickte den Maestro ernst an. "Wir müssen die Interessen aller sieben Seestädte berücksichtigen. Ohne die Zustimmung der Regierer der anderen Städte haben wir weder das Mandat noch die Mittel für einen eigenständigen Angriff. Wir riskieren den Zorn unserer Verbündeten, sollten wir übereilt handeln."

"Zorn der Verbündeten?!" Charine schüttelte den Kopf, als könne sie kaum glauben, was sie hörte. "Was nützt uns die Zustimmung der Regierer, wenn unsere Schiffe in Flammen aufgehen und unser Name in den Tavernen als Spottlied besungen wird? Ihr redet von Diplomatie, während wir hier um unser Überleben kämpfen!"

Abelmir lehnte sich zurück und atmete tief durch. "Wir müssen abwägen", sagte er schließlich in die Stille hinein. "Ein Einsatz der Flotte...vielleicht ein begrenzter Schlag, der die Piraten abschreckt. Aber wir dürfen keine Alleingänge wagen. Ohne ein klares Signal der anderen Regierer wäre ein Einsatz der Flotte fatal." Er wandte sich erst Charine und dann Corvino zu. "Signora und Signor ya Corrada, arbeitet einen Plan aus, der sowohl die Piraten abschreckt als auch unsere Verbündeten in den anderen Städten überzeugt. Eine schnelle Aktion, die uns die Unterstützung der Regierer sichert."

"Das ist leichter gesagt als getan", murmelte Tjarda Braam mit einem skeptischen Blick, während sie die Hände vor der Brust verschränkte.

"Bindet die Camerlenga ein, so dass auch die finanzielle Lage berücksichtigt wird." erwiderte Abelmir ruhig, jedoch mit Nachdruck. "Bis dahin werden wir die anderen Regierer warnen und die betroffenen Routen mit Geleitschutz verstärken. Vielleicht genügt es, die Präsenz zu zeigen und so die Seeräuber zu verschrecken."

Ein leichtes Nicken ging durch den Saal, doch die Unruhe blieb spürbar. Die Diskussion war noch lange nicht beendet, und die Regierer der anderen Städte würden sicherlich Einwände haben, doch der Maestro hatte zumindest die hitzigen Gemüter fürs Erste besänftigt und einen Plan vorgegeben. Der nächste Schritt würde zeigen, ob Nevorten seine Stärke wahren und die anderen Städte der Compagnie hinter sich bringen konnte.


Bethana, Ende Hesinde 1046 BF

„Ja natürlich“, der stellvertretende Kontorleiter der HPNC wurde blass. „Ich lasse sofort alle antreten.“
Die Komturin des Adlerordens nickte knapp. Sie hatten letzte Nacht in Erfahrung gebracht, dass der vertrauliche Hinweis stimmte. Das Lager war seitdem observiert worden und die Kisten noch dort. Noch während sie mit dem Kontorleiter beschäftigt war, begann die Durchsuchung.

Schon ein halbes Stundenmaß später standen sie mit dem Analysemagier neben der Kiste. Unter Fellen und weiteren Waren hatten sie zudem versteckte Beutel gefunden. Hätten sie nicht so exakte Hinweise erhalten, sie hätten es kaum unter den Waren ausgemacht. Um Bernstein als Bernstein zu erkennen, ein Beutel trug sogar noch das Zeichen der Praiosdiener aus Glyndhaven, brauchten sie den Magier jedoch nicht. Es ging um die kleinen Mengen Metalls und die aufwändig magisch gekühlte Substanz.
„Es besteht kein Zweifel. Es handelt sich um Theriak und kleine Mengen einer Legierung mit Endurium. Irgendwie ist es ...“, der Magier zögerte kurz, „... unrein. Dafür bedarf es intensiverer Untersuchungen.“
„Das reicht vorerst.“
Zu den Herumstehenden gewandt fuhr die Komturin fort: „Alles sichern und nach Vinsalt bringen. Ich informiere den Comto.“


Autor: Gabellano

Shenilo, im Palais Gabellano

Mit einem lauten Knall schloss Leomar Gabellano die Kladde mit den jüngsten Berichten. Er gab sich einen Moment, sackte in seinem bequemen Lehnstuhl zurück, ordnete seine Gedanken und atmete langsm aus. Ein Blick aus dem Fenster offenbarte einen kleinen Zierbrunnen, umringt vom Kreuzgang des Palais. Das leise Plätschern des Wassers gab ihm stets etwas Ruhe und Frieden.
"Gibt es denn nicht schon genug Probleme?", fragte das Familienoberhaupt der Gabellanos, ohne eine Antwort zu erwarten.
Die Krise in Sewamund hatte seine volle Aufmerksamkeit in Anspruch genommen - und nun kamen neue Schwierigkeiten hinzu. Schwierigkeiten, die er noch nicht einzuschätzen vermochte. Anfangs hatte Leomar die Berichte, die ihn erreicht hatten, als "die übliche Malaise" abgetan. Denn immer wieder gab es kleinere Unstimmigkeiten, Rückschläge, latente Fehlinvestitionen. Nichts war absolut, und kleinere Schwierigkeiten waren an der Tagesordnung. Aber die Menge an Meldungen jüngst - und mehr noch: deren Inhalt - ließ ihn mehr und mehr aufhorchen. Was in aller Welt ging da vor sich? Angriffe auf Schiffe, die unter der Flotte des Horasreiches segelten: Wer war nur so vermessen?
Leomar rief nach einem Diener, um ihm Papier und Tinte zu bringen.
"Unterrichte meine Tochter, dass ich sie zu sprechen wünsche."
Der Diener, ein hochgewachsener, schlanker Endvierziger, verbeugte sich und drehte sich um.
Die mächstigste Flotte der Meere sollte doch wohl in der Lage sein, einiger Piraten Herr zu werden? Leomar überlegte erste Formulierungen, mit denen er sich an den höheren Adel wenden konnte. Doch zuvor würde er sich mit den Kolleginnen und Kollegen der Handelsgilde beraten.


Autor: Cerdon

Kuslik, Anfang Firun 1046 BF

„Extrablatt! Extrablatt! HPNC und Handelspartner in finstre Machenschaften verwickelt! Extrablatt! Adlerorden durchsucht Kontore.“
Die druckfrischen Sonderblätter fanden reißenden Absatz auf dem Platz, derweil im benachbarten Kaffee- und Schmauchhaus die Vertreter der Kusliker Händlerschaft die Nachrichten diskutierten. Es wurde zur Kenntnis genommen, wer noch schnell sein Kontor oder den nahegelegenen Kurierdienst aufsuchte. Mehr als eine Person hatte wohl Anteile erworben und fürchtete nun den baldigen Verlust. Wahrscheinlich fielen die Kurse in der großen Börsenhalle des Phex-Tempels zu Grangor schon in diesem Moment. Die wahren Patrioten lehnten sich jedoch äußerst zufrieden zurück. Die HPNC und ihr verhasstes Monopol waren wenig beliebt in der Stadt.


Grangor, Firun 1046 BF

„Höret, Höret! Auf Beschluss der Inneren Stube gesucht, ist der Rivaer Handelsherr Trawin Ganswort wegen unlauterer Geschäftspraktiken. Sein Kontor und Haus sind vom Rat beschlagnahmt. Für seine Ergreifung und lebendige Auslieferung ist ein Kopfgeld von 200 Dukaten ausgelobt.“


Bethana, Anfang Tsa 1046 BF

„Consortes!“
In der Signoria von Bethana wurde es ruhig.
„Mir liegt der Bericht des Adlerordens vor, der das hiesige Kontor und all die braven Bürgerinnen und Bürger Bethanas von jedweder Mitschuld freispricht. Comtessa Aralzin wurde umgehend davon in Kenntnis gesetzt und übermittelt ihre besten Grüße.“
Zustimmendes Gemurmel breitete sich aus.
Mit einem Räuspern erhob sich der Vertreter des Hauses Dalgano im Consortium. „Wahrlich, wir können uns einmal mehr glücklich schätzen, dass eine solch kundige und weise Herrscherin unsere Comtessa ist. Umso augenfälliger ist doch, ja, ich sage es hier in aller Deutlichkeit, wie überfordert der selbsternannte Herzog des Westens dieser Tage ist. Tage? Nein, es sind Monde und die Küstenstädte zahlen dafür einen hohen Preis. Allen voran die HPNC, die dem Herzog doch schon immer ein Dorn im Auge war.“
Viele im Saal nickten während der Blick des Redners die Anwesenden streifte und an dem Gemälde der siegreichen Schlacht von Olbris hängen blieb.
Arando Aralzin, zweiter Graf seines Namens, siegte in Olbris. An seiner Seite wie seit jeher die treuen Bogner Bethanas. Zögerte er? Schreckte er zurück oder suchte Ausflüchte? Nein! Aber was tut der Herzog und Markgraf des Windhags? Kann eine Flotte so unfähig sein, Handelsschiffe zu schützen? Ein Flotte der wir unter einem Sanin noch respektvoll gegenüberstanden. Eine Küstenlinie so zerklüftet, dass Soldaten oder Söldlinge keine Schiffsladungen mit Beute finden?“


Vinsalt, Mitte Tsa 1046 BF

„Was habt ihr nur immer mit diesen Flugblättern, Baroness?“
Der grauhaarige Baron bot der deutlich jüngeren Dame einen Platz am Tisch an.
„Ihr kennt seine Ehrwürden?“, stellte er den Diener Hesindes kurz vor. Man kannte sich entfernt.
„Nun, zwischen Unwahrheiten und Erheiterung lässt sich doch immer auch Wahres daran ausmachen. Dieses zielt einmal mehr auf den Herzog. Er könne nicht für Ordnung sorgen, sei ein Feind der HPNC und so weiter. Nichts neues, seit einer Woche das gleiche. Doch nun kommt etwas Neues hinzu. Es wird erstmals von Rücktritten geschrieben, auf dass der gute Comto nur noch eine Krone tragen möge.“
„Da begleichen doch offenkundig einige offene Rechnungen. Interessant wird aber, wie der Herzog darauf reagieren wird.“


Autor: Schreyen

Shenilo, Winter 1046 BF

Der Kamin verbreitete im Salon des Palais der Familie von Schreyen eine wohlige Wärme, der Brandgeruch des Holzes mischte sich mit Räucherwerk und Tabakrauch.
Der Cavalliere Banderoso und Ardarit Festo von Schreyen saß mit einem anderen Etèro Shenilos zusammen. Eigentlich hatte man sich zum Austausch über stadtpolitische Fragen getroffen, unter anderem dem Umgang mit einer hohen Steuerschuld einer wichtigen Amtsperson. Doch, wie es an den langen Winterabenden üblich war, schweifte man schnell zu interessanteren Themen ab und gelangte schließlich, nachdem man sich über das bevorstehende Turnier der Eisernen Kette in Belhanka ausgetauscht und über das aktuelle und höchst skandalöse Theaterstück von Rapiro Floretti empört hatte, zu den sich häufenden Überfällen auf horasische Handelsschiffe vor der Küste des Windhag.
Der andere Etèro schimpfte ausgiebig über den offensichtlich überforderten „Herzog des Westens“, das „elendige mittelreichische Piratenpack“ und vor allem die enormen finanziellen Verluste durch die Überfälle, bis Festo erwiderte: „Dieser Irrweg fing schon unter König Dettmar an. Der Wohlstand des Reiches sollte auf seinen von Tsa und Peraine gesegneten Feldern beruhen, auf der Arbeit seiner ebenso fleißigen wie frommen Bauern – und nicht von Efferds und Phexens Launen abhängen. Unsere stolzen Schiffe sollten ferne Länder anlaufen, um den dort lebenden Heiden, notfalls auch mit dem Schwert, den Glauben an die Zwölfe zu bringen – und nicht, weil sich Anteilseigner von Handelsgesellschaften neue merkantile Möglichkeiten erhoffen.“
Da betrat ein Lakaie mit Leckereien auf einem Silbertablett den Salon, und Festo frage seinen Gast: „Wo wir gerade bei fernen Ländern waren: Habt Ihr eigentlich schon von diesem exotischen Konfekt probiert? Süße Tschoklad mit Mandelsplittern und Pfefferkörnern, eine kleine Aufmerksamkeit von Donna Valeria Honak und Exzellenz Adario Zornbrecht-Lomarion.“